a. E. mehrere Unglücksfälle. Zuerst stürzte ein verheirateter Gipser infolge Abreißens eines Seils vom Gerüst, erlitt einen Schädelbruch und starb nach Versluß einer halben Stunde; vor 14 Tagen fiel ein Whriger Knabe in den offenen Kcllerschacht eines Bierbrauers und wurde als Leiche nach Hause getragen. In voriger Woche sodann wurde ein Sjähriges Mädchen von einem Pferd auf die Stirne geschlagen, so daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird, und am Dienstag nachmittag stürzte ein braves, fleißiges Dienstmädchen in der Scheuer seiner Dienstherrschaft das Garbcnloch herunter und war sofort tot.
Deutsches Reich.
* Auf Anregung des deutschen Kolonialvereins ist ein Komite zusammengetretcn, um eine Kolonisations-Gesellschaft für Südafrika zu begründen. Das Grundkapital dieser Gesellschaft > wurde für jetzt auf 1000 000 Reichsmark normiert. In der Höhe dieses Betrages werden Anteilscheine zu 1000 M. ausgegeben werden. Zur Einzahlung sollen vorläufig 25 pCt. herangezogen werden. Im übrigen ist die Beschlußfassung über die Form der Gesellschaft einer späteren Sitzung Vorbehalten, welche die Inte reffenten demnächst abhalten werden.
* Berlin, 25. Okt. Die neuerdings vor-' gekommene Anstellung weiblicher Handlungsgehilfen beschäftigte gestern Abend eine zahlreich besuchte Handlungsgehilfen - Gesellschaft, in der auch einzelne Prinzipale erschienen waren. Die Führerinnen der Berliner Arbeiterinnen - Bewegung, die eiugeladen worden waren, erschienen nicht. Kaufmann Rosenthal leitete die Debatte ein, indem er hervorhob, daß in Berlin Tausende von Handlungsgehilfen trotz aller Fähigkeiten keine Stellung erlangen können und daß in Folge dessen das kaufmännische Proletariat immer größer werde. Eine wesentliche Schuld hieran sei der Neigung zuzuschreiben, die billigere weibliche Arbeitskraft der männlichen vorzuziehen. Neuerdings beginne man nun sogar mit der Anstellung weiblicher Reisenden. Hiergegen sei nicht nur vom sozialen, sondern auch vom moralischen Standpunkt aus Protest zu erbeben. An das Referat schloß sich eine lange Debatte, die oft einen stürmischen Charakter anuahm. Schließlich gelangte eine dem Referat entsprechende Resolution zur Annahme.
* Berlin, 27. Oktbr. Uebermorgen trifft der König von Sachsen zur Teilnahme an den Jagden hier ein. — Der spanische General Salamanca ist ans der Liste der Ritter des roten Adlerordens gestrichen worden.
* Berlin, 27. Oktbr. Prinz Albrecht ist gestern nach Kamen; zurückgekehrt, von wo er in etwa 4 Tagen wieder hier eintrefftn wird, um sich dann von hier aus zum Einzüge nach Braunschweig zu begeben. Prinz Albrecht wird das Kommando über das 10. Armeekorps noch behalten, bis von dem Kaiser die Entscheidung über den Nachfolger erfolgt sein wird. Prinz
Albrecht soll sodann die 3. Armeeinspektion, welche durch den Tod des Prinzen Friedrich Karl erledigt worden ist, erhalten. Diese umfaßt das 7., 8. und 10. Armeekorps.
* Der in auswärtigen Angelegenheiten informierte Berliner Korrespondent der Köln. Ztg. meldet: Nach hier vorliegenden Nachrichten bestätigt cs sich, daß der amerikanische Geschäftsträger in M adrid beauftragt gewesen ist, eine Note an die spanische Regierung zu richten, des Inhalts: Die Regierung der Vereinigten Staaten wolle der Entscheidung über die Frage, cb die Oberhoheit über die Karolinen-Inseln Spanien oder Deutschland zustehe, nicht vorgreifen; sie wünsche aber schon jetzt für den Fall, daß die spanische Oberhobeit über jene Inselgruppe anerkannt werden sollte.- von der Madrider Regierung eine Zusicherung darüber zu erhalten, daß die auf den Karolinen befindlichen amerikanischen
> protestantischen Missionen beschützt und daß spa- nischersetts dort keine die freie Religionsübung beschränkenden Maßregeln getroffen würden.
* Berlin, 29. Okt. Der wegen Hochverrats zu längerer Freiheitsstrafe verurteilte Dichter Kraszewskt wurde gegen eine Kaution von 20,000 W. bis zum 15. Mai 1886 aus dem Gefängnis entlassen.
* In Berlin hat sich in der Nacht zum Sonntag eine stadtbekannte Persönlichkeit, der Privatier Liedmann erschossen. Derselbe hat den Selbstmord in seiner Wohnung in der Weise ausgeführt, daß er im Bette liegend in der linken Hand einen Spiegel hielt und sich darin betrachtete, während er sich mit der rechten Hand in den Mund schoß. Der Verbl chene war, wie die Börsenzeitung berichtet, sehr reich und hatte die Eigentümlichkeit, mit vier resp. fünf Pferden auszufahren. Da er Junggeselle war, überkam ihn offenbar jener Spleen, von dem Schopenhauer sagt, daß er denjenigen über- komme, der dem Dasein keine höheren, id-alen Genüsse abzugewinmn verstehe und darum mit seiner Weltanschauung Schifförnch leiden müsse, wenn die phistsche Genußfähigkeit der; Dienst versagt. .
* (Zwillings- und Drillingsgeburten.) Die Stadt Berlin hat in einem Jahre mehr Zivil livgs- und Drillingsgeburten auszuweisen, als man allgemein annimmt. Die ZM der Zwll lingsgeburteu im vergangenen Jahre betrug 547; Drillings-Geburten kamen im Ganzen 5 vor.
* Braunschweig, 28.Okt. Der „Schle- fischen Zeitung" zufolge begibt sich Prinz Albrecht mit Gemahlin am 31. Okt. von Kamen; über Berlin nach Braunschweig, woselbst am 2. Nov. der feierliche Einzug stattfiudet.
* Halle, 28. Okt. Die Zivilkammer des Landgerichts hat heute die Klage des Fiskus gegen den Reichstagsabgeordneten Hasenclever auf Rückzahlung der Diäten abgewieftn, da die Gelder weder aus öffentlichen Mitteln noch zu unerlaubten Zwecken gezahlt seien.
* Halle. Ein Bterfahrer fand in der Nähe von LatLewitz ein junges Mädchen, an einen
Baum festgebunden und mit einem Knebel im Munde. Er befreite die Unglückliche und brachte sie nach Nauendorf zurück, wo er dem Amtsvorsteher Anzeige erstattete. Das Mädchen ist von drei sogenannten „armen Reisenden" überfallen, festgebunden und auch sonst in brutalster Weise mißhandelt worden. Eifrige Nachforschungen der Behörden sind im Gange.
* Köln. Es herrscht hier große Aufregung wegen der Auffindung eines menschlichen Skeletts in der Senkgrube der mit Garnisonbäckern belegten früheren Wache an der severin- straße. Das Skelett war mit Schutt und Steinen belaste:. Bei einer vorgenommenen Reparatur der Grube wurde cs zu Tage gefördet. Der eigentümliche Fundort scheint allerdings auf cin vor langen Jahren begangenes unentdecktcs Verbrechen hinzudeutcn.
* Posen. Ein Kaufmann in Schlichtins- heim war mit einer Berliner Firma in Streit geraten. Nach Erfüllung seiner Verbindlichkeiten gegenüber derselben lud der Schlichtings- hetmer den Inhaber der Firma durch eine Postkarte ein, ihn bald zu besuchen. „Ich habe," so schrieb er weiter, „ein schönes Lager von Hunvepeitschen, die wollen wir dann probieren." Verklagt, bestritt der angenehme Kunde jede beleidigende Absicht und die Oeffeutlichftit einer Beleidigung. Das Schöffengericht erklärte die Beleidigung für eine schwere, und da die Postbeamten unter Umständen verpflichtet seien, von dem Inhalt der Postkarten Kenntnis zu nehmen, auch für eine öffentliche. Es verurteilte den Schlichtingsheimer zn 150 Mark Geldstrafe.
* Ein großartiger Betrug, begangen von dem ersten Schreiber des Kieler Rechtsanwalts Paulsen, macht augenblicklich viel von sich reden. Der ungetreue Knecht namens Schneck arbeitete seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen bei dem genannten Rechtsanwalt und besaß schließlich d.ffen volles Vertrauen, so daß er Gelder erheben und belegen und überhaupt wirtschafte» konnte, als ob er selbst Inhaber des Geschäfts wäre. Auch im Publikum hatte sich das Vertrauen zu dem Schreiber derart festgesetzt, daß unbedingt jeder mit demselben als dem Vertreter des Rechtsanwalts Paulsen (der nebenher als reicher Mann gilt) die weitgehendsten Geschäfte abgewickelt hätte. Anfangs dieses Monats hatte Schneck stch einen 14täftgen Urlaub erwirkt, von welchem er nicht zurückgekehrt ist. Ein Droschkenfuhrmann hat ihn am Tag seiner Abreise mit seiner ältesten Tochter nach einem in der Nähe gelegenen Dorfe gefahren und ist dort vou ihm abgelohnt worden. Das sind die letzten Nachrichten von dem Verschwundenen, der nach den ersten Angaben 100 000 bis 150 000 Mk. nach späteren Verlautbarungen 100 000 bis 250 000 M. mitgenommen haben soll. Die Gelder sind weniger dem Rechtsanwalt selbst als vielmehr einer ganzen Anzahl Leute, mit denen Paulsen in Geschäftsverbindung stand, unter allen erdenklichen falschen Vorspiegelungen abgeschwindelt worden. Veispiels-
Aer Verschollene.
Roman von Arnold Pauli.
(Fortsetzung.)
Das Hineinschaufeln von frischem Sand sollte nur den Zweck haben, die Baronin irrezuführen und zu ängstigen.
Sich mit dem gesundgebliebeuen Arm auf Jochen Kolberg stützend, schleppte sich Otto unter Aufbietung aller seiner Kräfte und unter entsetzlichen Schmerzen in die Hütte Kolbergs. Der Raum, den letzterer ihm anwies, war sonst nicht benutz:, die Fenster waren mit leichten Vorhängen versehen, so daß man während des. Tages nicht hineinblicken konnte und da Kolberg nicht verheiratet war und nur mit einigen Knechten sein Bauerngut bewirtschaftete, so war die Gefahr der Entdeckung nicht eben groß.
Dafür war aber auch die Aufwartung, deren stch der arme Kranke zu erfreuen hatte, die denkbar . . . einfachste. Jochen kochte für seinen Haushalt selbst und es gehörte für Otto die lebhafte Zurückerinnetung an sein anfängliches Leben in den Goldfeldern von Kalifornien dazu, um stch mit dem Essen, welches im geboten wurde, zu befreunden. Sonst muß man gestehen, daß es Jochen an nichts fehlen ließ und daß seine ganze Hütte eine Sauberkeit aufwies, die nicht größer hätte sein können, wenn er das ordentlichste Weib als Gattin heimgeführt haben würde.
In dieser einfachen Umgebung, von der törlichstcn Langeweile geplagt und ganz seinen Grillen überlaffen, blieb Otto länger als sechs Wochen. Endlich konnte der Gipsverband von seinem Arm abgenommen werden und Otto erfreute sich wieder des ungehinderten Gebrauchs feiner Gliedmaßen.
Die Neugierde Jochcns war von ihm nicht gesicht worden. Er gab zwar zu, dem irrsinnigen Bruder des Bauern den Kittel abgekauft
zu haben, aber zu welchem Zwecke und was seinen Sturz in den Brunnen veranlaßt hatte, — darüber bewahrte der Patient ein strenges Stillschweigen und Jochen fand auch nicht den Mut, ihn darüber zu befragen.
Otto ging jetzt ernstlich mit stch zu Rate, was er nun nach seiner Genesung beginnen solle. Von seinem Fenster aus in etwa tausend Schritt Entfernung konnte er das Herrenhaus von Sensheim sehen.
Dort lebte sie, deren Dasein das seine so tief verbitterte, jene herzlose Person, der er plötzlich wie der Geist eines Verstorbenen entgegen- gctreten war. Dort führte ste das Leben einer Landedeldame, die stch für die mannigfachen Entbehrungen, die das Landleben aufcrlegt, im Sommer durch Reisen, im Winter durch Bälle in den Städten, im Frühling und Herbst durch Besuche auf den Nachbargürern reichlich zu entschädigen vermochte.
In seinem Innern tobte ein fürchterlicher Kampf. Er wollte die Falsche strafen — aber die Straft soll ja den Zweck haben, zu bessern; dazu riet ihm auch die in ihm für Katharina noch nicht ganz erloschene Liebe.
Aber konnte er hoffen, je wieder mit ihr glücklich zu werden? Nein. Sie war in ihrem Fehl gegen ihn zu weit gegangen, ste hatte alle göttlichen und menschlichen Gebote mit Füßen getreten, — hier gab es keinen Ausweg mehr, der auf einen ebenen Pfad führte, hier gab es uur den Ausweg zur Verzweiflung und Pein.
Nun aber konnte stch Otto ja nicht von aller Schuld freisprechen. In jugendlichem Leichtsinn und gegen die gewiß begründeten Einwendungen seines Vaters hatte er seiner Zeit das blühendschöne junge Mädchen an stch gefesselt, hatte mit ihr m den ersten Honigmonden ein verschwenderisches Leben geführt, damit sich selbst und seine Zukunft ruiniert und in der jungen Frau Erwartungen auf die Dauer dieses luxuriösen Lebens wachgerufen, die sich nie bestätigen sollten.