Ordnung wiederherzustellen, deren unerwartete Verletzung für die Ruhe und Wohlfahrt der dortigen Völker ernste Gefahren heraufbeschwöcte. Die Achtung vor den Verträgen, die Aufrecht­erhaltung der aus den letztern hervorgehenden Rechte und Pflichten waren die Voraussetzungen jenes Vertrauens, das Europa den Balkarwöl- kern entgegenbrachte, indem es die Bedingungen eines selbständigen politischen Staatslebens für dieselben schuf. Die Erhaltung des Friedens und die Wahrung der Interessen der Monarchie wird auch fortan die erste Aufgabe meiner Re­gierung bilden. Die kaiserliche Ansprache rief allenthalben große Befriedigung hervor, sie wirkte sehr günstig und beruhigend. Die hiesigen Blätter legen dieselbe als einen miz reu deutigen starken Ausdruck des Entschlusses der Kaisermächte aus, die Lösung der Balkanfragen auf der Grundlage des 8tatus gno ants herbei­zuführen. Nebenbei wird die Wärme des Tones bemerkt, womit der Kaiser von Kremfier und der . Entente der drei Kaisermächte sprach.

* Wien. 24. Okt. Aus Odessa wird heute gemeldet, daß dort aus Bulgarien sechzig russische Offiziere mit Familien auf dem Dam­pfer »Alexander" angelangt find, ebenso aus Burgas, daß dort aus Ostrumelien abberufene Offiziere erwartet werden. Aus Belgrad wird heute berichtet: Die serbischen Truppen aus Pirot und Umgebung haben ihre Kanton­nements verlassen und find in aller Stille an der bulgarischen Grenze anmarschiert. Morgen treffen an der Grenze neue Truppen ein, ins­besondere Kavallerie. Aus Widdin wird ge­meldet: Die nicht internierten serbischen Emi- granten flüchteten aus Furcht vor einer serbi­schen Invasion nach Kalafat. In der Widdiner Festung befinden sich nur eine Kompagnie und eine Batterie bulgarischer Truppen.

* In Bern lebte der Sägenfeiler R. mit seiner fleißigen Frau im Unfrieden, weil er sich dem Schnaps ergab. Letzten Freitag sagte er zu seiner Fra»: »Wir wollen ein anderes Leben beginnen", und setzte in aller Gutmütigkeit hinzu: »Thu die Augen zu und den Mund auf." Als die Frau folgte, schoß er in den offenen Mund eine Kugel und sich selber eine zweite durch die Schläfe. Sofort stürzte er tot nieder; die Frau lebt noch im Spital, die Kugel fitzt in der Hals- wirbelgegend.

* Als am 6. ds. der Personenzug über die Brücke zwischen Pontafel und Ponte ba fuhr, sauste von dem gegenüberliegenden Berg eine kolossale Erdmaffe auf den Zug nieder, der förmlich begraben wurde. An eine Rettung war nicht zu decken, und der Passagiere harrte ein schreckliches Schicksal. Entweder sie mußten er­sticken oder die Brücke stürzre m dm hochan ge­schwollenen Fluß. Endlich gelang es den Be­wohnern der Umgebung, den Zug auszugraben. Nur wenige Passagiere waren unverletzt geblie­ben, die meisten lagen bewußtlos im Coupee, viele waren tot. Im Zug befand sich auch der römische Sanitätsrat Dr. Bosany, der infolge

der ausgestandenen Todesangst vollständig ergraut ist. Die glücklich geretteten Reisenden mußten 20 Stunden in Bologna zubringen, bevor ste ihre Fahrt fortsetzen konnten. Dr. Bosany wurde in bewußtlosem Zustand nach Rom gebracht, wo er sich unter sorgfältiger Pflege bereits erholt hat. Der Bergsturz war vermutlich eine Folge des langanhaltendm Regens.

* Paris. 24. Okt. Der Minister des Aeu- ßern zog den Gehalt zweier in Disponibilität ^ befindlichen Gesandten zurück, weil sie das Wahl- ^ manifest der Konservativen unterzeichnet haben. f Die anderen Minister werden gleichfalls strenge gegen die Beamten einschreiten, welche sich ein ähnliches pflichtwidriges Verhalten zu Schulden kommen ließen.

* Paris, 26. Oklbr. Die Steinbrüche von Chancelade bet Perigueux find eingestürzt.

Das auf dem Hügel erbaute Dorf wurde mit fartgerisfen, 2 vorübergehende Personen getötet,

8 Arbeiter und viele Einw. des Dorfes verschüttet.

* Brüssel 24. Okt. Man spricht von einer Spannung zwischen dem König und dem Ministerium Vernarrt. Der König weigere sich, in der Schulfrage ferner mit dem Ministerium zu gehen. Nachdem nun 1200 Volksschulen auf­gehoben und 4000 Lehrer entlasten find, soll der König die Unterzeichnung eines Dekrets, wel­ches weitere 50 Gemeindeschulen aufhebt, ver­weigert haben.

* London, 27. Okt. Der Marineminister Lord Hamilton erklärte gestern Abend in einer politischen Versammlung, die Regierung beab­sichtige, binnen zwei Jahren die Kriegsmarine durch neun Panzerschiffs mit einem Deplacement von achtzigtausend Tonnen (!) zu verstärken. ! (Dies wäre eine Ausgabe von wenigstens 200 Mill. Mark.)

* Kopenhagen, 25. Okt. Anläßlich des Attentats auf Estrnp fand heute eine großar­tige Ovation statt. Gegen 12 000 Personen begaben sich durch die von zahlreichen Volks­mengen besetzten Straßen im Zug nach der Wohn­ung des Ministerpräsidenten und brachten dem­selben eine enthusiastische Kundgebung dar. Est- rup dankte und brachte ein Hoch auf das Va­terland aus. Die Kommunal-Verwaltuug hatte dem Ministerpräsidenten gestern durch ihren Prä­sidenten ihren Glückwunsch aussprechen lassen.

* Petersburg, 26. Ob. Aus Bulgarien heimkehreude Offiziere konstatirten. daß die Ge­sinnung der bulgarischen Gebildeten entschieden ruffenfeindlich, der andere Teil der Bevölkerung dagegen den Russen sympathisch sei. Die Offi­ziere glauben nicht an die Wiederherstellung des russischen Einflusses in der bulgarischen Armee.

* (Russische Sirtenzustände.) Die Behand­lung, welche die russischen Bauernweiber durch ^ ihre Ehemänner erfahren ist eine empörende and veranlaßt vielfach die Weiber, sich durch Mord ihrer ehelichen Quäler zu entledigen.

Auf dem Damvfer »Kastroma" befanden sich , unlängst 6070 Frauen, größtenteils noch ganz junge, von welchen di? meisten irgend einen

* Auf dem Biehmarkt in Pfullendorf am 19. Oktbr. hatte auch ein dortiger Bürger ein Stück Vieh zum Verkauf ausgestellt. Er wurde alsbald mit einem der dortigen Händler einig; man bestimmte Ort und Zeit, wo die Auszahlung erfolgen sollte. Der Verkäufer sah noch, wie der neue Eigentümer des Viehs das­selbe wieder gegen eine Provision von 8 Mk. losschlug, hat aber bis heute uoch kein Geld für sein Vieh erhalten. Bis jetzt ist es nach dem Pf. A. nicht gelungen, den betreffenden Händler ausfindig zu machen.

* München, 26. Oktbr. Der Cand. med. AlbrechL Denk aus Tuttlingen (Württem­berg), welcher den Candidat Beisler un Duell erschossen, wurde vom Schwurgericht für schul- dig befunden und vom Gerichtshof zu 2 Jahren 3 Monaten Festungshaft auf Grund des Z 206 R.-St.-G.-B. verurteilt.

* (Die Pirmasenser Schuhfabrikation) ist weltbekannt Md berühmt. Nachstehende Notiz dürfte zeigen, welche Dimensionen das dortige Schuhgeschäft gegenwärtig angenommen hat. In Pirmasens befinden sich ca. 40 Schuhfabriken, 12 Gerbereien uud 2 Quebrachölmühlen, die gerbstoffartiges Holz mahlen. Für die Schuh­fabriken selbst arbeiten in Pirmasens zu Hause 860 Personen, in den Fabriken 2000 Leute.

* Hamburg, 26. Oktbr. Die Hamburger Börsenhalle veröffentlicht Auszüge aus Privat­briefen von Manila, nach denen man dort die Ankunft des deutschen Zanzibar-Geschwaders befürchtete, und hastige Verteidigungsanstalten traf. Die Stimmung der eingeborenen Mann­schaften und Beamten ist die denkbar ungünstigste für die Spanier; ste find bereit bei Ankunft der Deutschen zu meutern und über die Spanier herzu­fallen. Diese Briefe bestätigen nach Aussage eines Lootsen des spanischen Kriegsschiffes »Quintin", daß von seiten des Befehlshabers des »Iltis" auf Jap die deutsche Flagge zuerst gehißt worden.

Ausland.

* Wien, 24. Okt. Der Kaiser erwiderte auf die Huldigungsansprachen der Delegations- Präsidenten: Die Beziehungen zu den auslän­dischen Mächten sind die freundschaftlichsten. Der Besuch des russischen Kaissrpaares in Kr?m- ster erschien als wertvolles Zeichen der Fort­dauer eines regen und vertrauensvollen Ver­hältnisses zwischen den Herrschern der drei großen Nachbarreiche, dessen Bedeutung für den Frieden der Kaiser vor Jahresfrist auzukündigen vermochte. In dem ernsten Bestreben, den durch die Verträge gewährleisteten Rechtszustand als Grundlage des Friedens und der Ordnung aufrechtznerhalten, finden wir die volle Mir- wirkung der übrigen europäischen Mächte. Diese Einmütigkeit zur Sicherung der großen In­teressen des Friedens bildet ein gewichtiges Unterpfand des Erfolges. In diesem Geiste ist die Regierung bemüht, im Verein mit den anderen Signatarmächten des Berliner Ver­trages in den Gebieten des Balkans die legale

Der Verschollene.

Roman von Arnold Pauli.

(Fortsetzung.)

Auf dem Bette lag ein Mann, dessen Schilderung wir uns ersparen können, weil der werte Leser in ihm gleich mit Recht unfern Bekannten Otto Frank vermutet.

Otto hatte geschlummert, aber sein Schlaf war so leicht, daß er sogleich entfloh, als der Arzt und Kolberg ins Zimmer traten.

Der Arzt grüßte kurz, erhob die kleine Lampe, die auf einem Stuhl neben dem Bette stand und leuchtete Otto ins Gesicht, welcher geblendet die Augen schloß.

»Wo fehlt es Ihnen denn?" fragte Dr. Wendel in geschäftsmäßiger Kürze und übergab sodann dem hinter ihm stehenden Kolberg die Lampe.

»Ich habe einen schweren Fall gethan, Herr Doktor," entgegnete Otto matt. »Mein linker Arm ist gebrochen und ich fürchte auch inner­liche Verletzungen davongetragen zu haben."

Der Arzt nahm seine Tasche zur Hand und suchte zunächst eine Scheere hervor, mit welcher er den Hemdärmel Ottos aufschnitt. Der Arm Ottos war im oberen Teile stark geschwollen und blutunterlaufen. Die geringste Berührung daran schmerzte den Kranken, aber er biß s st die Zähne auf einander und kein Klagelaut entschlüpfte seinen Lippen.

Es würde natürlich zu weit führen, wollten wir alle die Hand­griffe beschreiben, die der Doktor anwendete, bis er den Arm Ottos in einen kunstgerechten Gipsverband gebracht hatte. Nachdem dies geschehen, mußte sich der Verwundete erheben, der Arzt entkleid etc ihn ganz und ließ ihn verschiedene Bewegungen machen, klopfte auf verschiedene Teile der Brust, setzte sein Hörrohr an, ließ dann den Kranken wieder nieder­egen und es war ihm eme Genugthnung, sein Urteil dahin abgeben z«

können, daß innere Telle nicht verletzt seien. Er traf nun noch seine Verordnungen und erklärte sich natürlich bereit, in den nächsten Tagen wieder vorznsprechen, Kolberg solle ihn nur abholen.

Der Bauer überreichte dem Arzt jenen Fünshunderttnark-Schein, der ihm von Otto eingehändigt war.

»Was soll's damit?" fragte der Arzt kurz.

»Für Ihre Bemühung," entgegnete Kolberg zögernd.

»Meine Taxe beträgt fünfzehn Mark," antwortete Dr. Wendel abwehrend.

»Der brave Mann wird Ihnen meine Bitte um strengste Diskre­tion vorgetragen haben," sagte Otto.

»Die ist selbstverständlich, natürlich unter der Einschränkung, die mir das Gesetz auferlegt."

»Trotzdem bitte ich Sie," fuhr Otto fort, »jene Summe anzuuehmen. Sie werden in Ihrem Bezirks viele Arme haben, die Ihnen nicht die Taxe bezahlen können; rechnen Sie's denen zu gute, Herr Doktor. Ich bin mit Glücksgütern reich gesegnet und" setzte er mit einem tiefem Seufzer Hinz« »habe keine Verwendung dafür. Nehmen Sie es!"

Der Arzt schob den Schein in seine Westentasche. Dann reichte er dem Verwundeten die Hand.

»Wer Sie auch sein mögen," sagte er Otto die Hand reichend, »Sie gefalle» mir ich werde Ihr Geheimnis treu bewahren. Es steckt nichts für Sie Böses dahinter, wenigstens haben Sie an dem Bösen keinen Anteil. Gott befohlen, Mein Herr! Ihr Arm wird heilen und in längstens sechs Wochen werden Sie ihn wieder gebrauchen können, wie ich den weinigen."

Damit verließ der Arzt das Hans Md Kolberg fuhr ihn wieder in die Stadt zurück.