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habe. Die Sachverständigen, RrgierungSrat Dr. Spindler und Weinkontrolleur Vogelmann sprachen sich dahin an», daß eine Beimischung von vergorenem gezuckerten inländischen Wein mit ausländischem Wein zulässig sei. Die Straf­kammer stimmte dieser Auslegung des 8 3 des Weingesetze» zu und erkannte auf Freisprechung.

Stuttgart 3. April. (Strafkammer.) Am 1. Oktober abend» »ach 8 Uhr stieß in Cannstatt Ecke Halden- und Gartenstraße ein von Zuffenhausen kommender Straßenbahnwagen mit einem Bierfuhrwerk der Brauerei Cannstatt zusammen. Der Bierwagen wurde «mgeworfen, der Straßenbahnwagen am Vorderperron erheb­lich beschädigt. Der verheiratete Bierführer Georg Kaltenbach er und der neben ihm auf dem Bock sitzende ledige Brauereiarbriter Mack wurden herabgeschleudert. Mack kam unter den Bierwagen zu liegen «ad wurde so schwer ver­letzt, daß er noch in der gleichen Nacht starb, Kaltenbacher trug einen Schenkelbruch davon. Weitere Personen wurde» nicht verletzt. Der Vorfall hatte heute vor der Strafkammer ein Nachspiel. Kaltenbacher war angeklagt, den Zusammenstoß dadurch verschuldet zu haben, daß er zu rasch gefahren und scharf link» von der Gartenstraße in die Haldenstraße eingebogen sei. Der Unfall ereignete sich vor der Einfahrt in die Brauerei. Die Strafkammer hielt ein fahr­lässiges Verschulde» als erwiesen und verurteilte den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Eisenbahntrantportgefährdung zu 3 Monaten Gefängnis.

Cannstatt 3. April. (Die n'eue» Güterwagen.) Nach den Beschlüssen de» Güterwagenausschuffe» de» deutschen Staat»- bahnwagenverbande» sollen künftighin die neuen Güterwagen nach einheitlichem Muster beschafft werden. Al» Anstrich der Wagen ist der in Preußen schon vielfach eingeführte rot-braune Farbenton vorgeschlage«. Die grünen süddeutschen Wagen werden deshalb allmählich verschwinden. Für die Beförderung von Langholz ist ein neuer Wagenlyp aufgestellt worden, der auch gegenüber den seitherigen Württemberg. Langholzwagen erhebliche Verbesserungen aufweist und «. a. eine Plattformlänge von 8 m erhalte» wird. Die gedeckte» Güterwagen solle» etwas größere Au»mafse al» seither erhalten. Außerdem soll später ein neuer Wagentyp mit einem Lade­gewicht von 40 Tonnen zur Beförderung von schweren Eisenschienen in den Güterwagenpark eingereiht werden.

Altdorf, OA. Böblingen 3. April. (Ein­bruchdiebstahl.) Vom Samstag auf Sonntag wurde bei den Geschwistern Beck ein Einbruch verübt. Den Tätern fielen verschiedene Waren

in die Hände. Der PolizeihundSherlock" wurde herbeigerufen und verfolgte die Spur der Einbrecher bi» an da« Gasthau» zumPflug", wo er sie dann wieder verlor.

Besigheim 3. April. (Polnische Landarbeiter.) Wie auf anderen großen Hofgüterv, so werde« Heuer erstmals auf der Hofdomäne Liebenstein ^Pächter Hege) etwa 15 Wanderarbeiter au« Polen beschäftigt. Seit­her hatten Leute au» den benachbarten Ort­schaften Ottmarsheim und Neckarwestheim auf der Domäne als Taglöhner rc. gearbeitet.

Mergentheim 2. April. (Zur Hebung de» Fremdenverkehrs.) Bad Mergent­heim erhält eine neue Anziehungskraft in der Person des Techniker» Edwin Buckenmayer au» Baden-Baden, der im Laufe diese» Sommer» auf einem selbstkonstruierten Flugapparat auf dem hiesigen Exerzierplatz Flugversuche unter­nehmen wird.

Tuttlingen 3. April. Zwischen hier und Mühlheim wollten zwei Sigmaringer, die in der Donau bei Mühlheim und Stetten sich auf­haltenden Schwanen einfangen und nach Sigmaringen, von wo sie entwichen sein sollten, angeblich im Auftrag der dortigen fürstlichen Hofverwaltung zurückbringe«. Die Absicht der beide» Männer erregte überall Unwillen und da» Bahnpersonal in Nendiygen wandte sich tele­phonisch an einen Landjäger, der die beiden Männer, die bereits das Schwanevpaar au» dem Kesselbach genommen hatten, verhaftete und ihre Personalien feststellte. Die Schwäne wurden wieder an ihre alte Stelle zurückgebracht.

Tuttlingen 3. April. Dem hiesigen evangelischen Stadtpfarrer Rieder ist vom König für die mit eigener Lebensgefahr auS- geführte Errettung eine» Menschen vom Tode des Ertrinkens die Rettungsmedaille in Silber verliehen worden.

Friedrichshafen 3. April. (Luft­schiffahrt.) Für den gestrigen Blumensonntag waren von der Luftschiffbaugesrllschaft 4 Auf­stiege vorgesehen. Drei davon konnten programm­mäßig ausgeführt werden, während der vierte unterbleiben mußte, da inzwischen starke Wetter­wolken heraufgezogen waren und ein starker Wind aufgekommen war, der der Bergung de» Luftschiffe« in der Halle einige Schwierigkeiten entgegensetzte. Im großen ganzen hatte» aber die Friedrichshafener gestern eine» großen Tag. E» waren noch zahlreiche Paffagiere angrmeldet, die aber natürlich nicht alle berücksichtigt werden konnten. I» den nächsten Tagen finden keine Aufstiege statt.

Karlsruhe 1. April. I» der letzten

Sitzung des Bürgerau»schusseS wurde auch die Zunahme der Schnakenplage besprochen und darauf hingewiesen, daß man da« Frösche­fangen verbieten solle, damit diese Vertilger der lästigen Flieger nicht ausgerottet werden. Der Oberbürgermeister erwiderte darauf, daß dem Gr. Ministerium de» Inner« bereits ein Antrag de» Tierschutzvereins vorliege, der darauf hinausgehl, Mittel und Wege zu finden, den Froschschenkelverkauf zu untersagen. Damit würde dann auch da» Einfange» und Töten der Frösche aufhöre« und diese könnten ihre nützliche Be­schäftigung der Schnakeuvertilguvg autübe«.

Wie »loch 2. April. Eine Ueberraschung hat ein Unbekannter dem hiesigen Bürgermeister­amt bereitet, indem er ihm von Karlsruhe au» einen anonymen Brief zugehen ließ, in welchem sich drei Zehnmarkscheine befanden. In dem Briefe war mitgeteilt, daß dieser Geldbetrag die Summe für hinterzogene Umlage sei. Außerdem war in dem Schreiben auf den 2. Brief de» Apostel» Paulus an die Korinther Kapitel 5 VerS 10 hingewiesen, wo e» heißt:Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, auf daß ein jeglicher empfahe, nach dem er gehandelt hat bei Leibe» Leben, es sei gut oder böse."

Berlin 3. April. Der Abgeordnete Konrad Haußmann beschäftigt sich heute in derVoss. Ztg." mit den Erklärungen de» Reichskanzler» über die Abrüstung» frage. Haußmann schreibt in dem längeren Artikel unter anderem:

Der Kanzler teilt mit, daß sich Deutschland und England bereit» zugesagt haben, von weiteren Rüstungen sich gegenseitig Mittei­lung zu machen. Da« kann wenig und viel bedeuten. Jedenfalls ist e» ein Novum. Wenn man diesen neuen Schritt, diese neue Form vertrauensvoller Verständig­ung über Abrüstungiabsichten selbst wählt, weshalb dann diese wortreiche Bekämpfung? Man darf keine zwei Motive haben: entweder da» Motiv jene» Entgegenkommens zu einer bloßen formellen Höflichkeit herabzudrücken oder aber die Gegner der internationalen Verständigung von Anklagen gegen jene» Ent­gegenkommen abzuhalten. Im letzteren Falle wäre die überraschende und erfreuliche Mit­teilung eingewickelt und geräuschlos lanziert au» Sorge vor dem Groll der deutschen Chauvinisten.

Berlin 1. April. Heute mittag ist die Internationale Ausstellung für Reise- und Fremdenverkehr feierlich er öffnet worden. Zugegen waren mehrere Botschafter und Ge­sandte, darunter der württ. Gesandte, Frhr. v. Varnbüler, Staatssekretäre und preuß. Minister,

Aber Kind, du sollst dich doch unter da» Jungvolk mischen, sollst tanzen und lustig sei». Hast dich doch eben mit Herrn von BÜHren ganz nett unterhalten."

Bettina seufzte.

Ach, Großtanting, so nett wie Herr von Bühren ist auch sonst hier keiner zu mir. Ich paffe nicht in diese Gesellschaft und man läßt e» mich deutlich genug fühlen, daß ich eigentlich nicht zu ihnen gehöre."

Ach, da» bildest du dir wohl nur ein, mußt nicht so empfindlich sein," erwiderte Großtanting tröstend, obwohl sie wußte, daß Bettina recht hatte.

Nein es ist gewiß nicht Einbildung und Empfindlichkeit. E» ist ja auch so verständlich, ich nehme e» ihnen gar nicht übel. Aber laß mich an deiner Sette bleiben, dann ist mir viel froher zumute."

So bleib bei mir, Dummerchen. Hast du meine alte Freundin, Frau SanitätSrat Döuge» schon gesehen?"

Ja, Großtanting, die fitzt mit Herrn Professor Kretner drüben im kleinen Salon. Bergrat Seltmann und seine Gemahlin find auch dabei.

Ah, also alle meine Getreue». So führe mich zu ihnen, Bettina. Auf ein Plauderstündchen mit diesen freien Geister« freue ich mich. Und davon kannst auch du profitieren, wenn e» mir auch für dich lieber wäre, wen» du statt einiger Lebensweisheit ein bißchen fröhliche Lebenstorheit in dich aufnähmst."

Sie schritte« beide durch den Saal nach einem kleineren Neben­salon hinüber. Ehe sie die Tür erreicht hatten, trat ihnen Frau Adolphine in den Weg.

Ich hörte vorhin von Bettina, du hättest ihr dies wertvolle Kollier geschenkt, Tante Emma. Da» ist doch wohl ein Irrtum? Oder solltest du nicht wissen, daß diese» kostbare alte Schmuckstück schon durch die wertvolle Goldschmiedearbeit einen Wert von einigen hundert Mark repräsentiert?"

Großtanting sah ruhig in da» verärgerte Gesicht Adolphine» und wandte sich dann an Bettina.

Geh doch schnell mal hinauf, in mein Zimmer, Kind, ich habe mein Riechsalz vergessen," sagte sie bittend.

Bettina eilte mit rotem Kopf davon. Tante Adolphinen» Worte waren ihr peinlich, weil sie einen Tadel für Großtanting enthielten.

Diese legte, nachdem sich Bettina entfernt hatte, ihre Hand auf Frau Adolphinen» Arm.

Ich schickte Bettina fort, weil ich e» nicht liebe, von dem Geldwert gemachter Geschenke in Gegenwart der beschenkten Person zu reden. Urbrigen» hast du recht taxiert, da» Kettchen mit dem Medaillon würde zwei bis dreihundert Mark wert sein. E» hat aber noch einen viel größeren idealen Wert für mich gehabt. Meine Mutter schenkte e» mir, al» ich da» erste Mal zum Balle ging, al» eine Art Talisman gegen die Gefahren des Ballsaales. Bettina ist ein so arme», bedauernswerte» Geschöpf, sie hat schon so viel im Leben verloren. Und kein sorgende» Mutterauge wacht über sie. Deshalb schenkte ich ihr das Kettchen al» Talisman. Du hast doch nicht» dagegen einzuwenden, liebe Adolphine?"

Diese hätte sehr viel dagegen einzuwenden gewußt, aber dem kluge», gutmütig überlegenen Lächeln der alten Dame gegenüber wagte sie nichts weiter zu sagen al«:

,,E» ist mir nur darum zu tun, daß Bettina nicht verwöhnt wird."

Laß gut sein, Adolphine. Auf Rosen ist da» arme Ding nicht gebettet. Und so ei» bißchen Liebe und Güte braucht solch ein junge» Menschenkind, soll e» nicht verbittern."

Adolphine lachte gezwungen.

Du bist eine große Jdealistin, Tante Emma, trotz deiner Jahre."

Die alte Dame nickte.

Ja und hoffentlich bleibt mir ein bißchen Idealismus treu so lange ich lebe."

(Fortsetzung folgt.)