Laudessachrichkll.

* Stuttgart, 4. Nov. Die ärztliche Be­handlung, welcher sich Seine Majestät der König seit dem Beginn des vorigen Monats unterzogen, ist bisher von dem besten Erfolge begleitet und auch das Allgemeinbefinden Sr. Majestät ist in den letzten Wochen ein durchaus befriedigendes gewesen. Doch erscheint es mit Rücksicht auf die Befestigung der allerhöchsten Gesundheit geboten, daß Seine Majestät diesen Winter noch einmalein milderes und geschützteres Klima aufsuchen. Höchstdieselben werden daher mit Ihrer Majestät der Königin am 18. d. M. von hier abreisen, um Sich zu mehrmonatlichem Aufenthalt nach Nizza zu begeben.

* Eßlingen, 14. Novbr. Heute Vorm, hat sich ein 46 Jahre alter Weingärtner in seiner Wohnung mit einem Karabiner in den Mund geschossen, so daß er sofort tot war und gräßlich verstümmelt ist.

* JnBörstingen (Horb) wurde am Sams­tag abend dem Kaufmann Christian Gramer eine Schatulle, mit 290 Mark in Papiergeld und Gold aus seinem Kaufladen gestohlen. Als die Diebin wurde eine Frau ermittelt, welche die vorübergehende Entfernung des Gramer aus seinem Laden zu dem kühnen Griff be­nützte. Von dem Geld wurden j140 Mark bei der Frau gefunden, von dem Rest will sie nichts wissen. Die Schatulle, in welcher sich außer dem Geld mehrere Schuldscheine befan­den, wurde samt den Schuldurkunden von der Diebin in den Ofen geworfen, wo solche verbrannten.

* Die Strafkammer zu Hechingen hat am 11. ds. einen Metzger aus Haigerloch wegen Verkaufs von gesundheitsgefährlichem Fleisch, durch dessen Genuß mehrere Personen erkrankt find (dasselbe stammte von einem Ochsen, der beim Schlachten, wenn nicht schon krepiert, so doch dem Verenden nahe war) zu 6 Wochen Gefängnis und 120 Mark Geldstrafe, dessen älteren Sohn zu 3 Monaten Gefängnis und 300 Mark Geldstrafe, den jüngeren Sohn zu 40 Mark Geldstrafe verurteilt. Während der Verkündigung der Entscheidungsgründe wurde der Vater wiederholt von Ohnmacht befallen.

* (V erschiedenes.) In Pfullingen gelang es Jagd-Pächtern, ihren Jagdhund, den sie 5 Tage lang vermißten, nach langem be­schwerlichen Suchen aus einer Felsenschlucht in dem unweit Pfullingen gelegenen Ursulaberg wieder ans Tageslicht zu befördern. Einer der Jäger wurde an einem Seil 17 Meter tief Hin­untergelasien, worauf er seinen treuen Jagd- Gefährten, der sich bereits 1 Meter hoch empor­geschafft hatte, an der Schnauze erfassen und ihn durch einen 32 Centimeter breiten Felsenriß heraufbringen konnte. Die Freude der Jäger an dem wiedergefundenen Hund, dem die sorg­samste Pflege zu Teil wurde, weil er ihnen um keinen Preis feil, ist eine sehr große; nicht min­der aber wird die Kühnheit des Jägers, der

die Fahrt in die Tiefe machte, bewundert. Bor einigen Tagen stand ein Handelsmann von D. vor dem Amtsgericht Künzelsau, be­schuldigt, einem 18jährigen Burschen ein gestoh­lenes Bett abgekauft zu haben. Als das Urteil verkündigt wurde, meinte er:Da wär's schon gescheitster gewesen, ich hätte das Bett selber gestohlen.* Vor einigen Tagen wurde in Alt in gen (Herrenberg) ein Handwerksbursche wegen Diebstahls festgenommen und in den Orts­arrest verbracht. Bis aber der von Herrenberg herbeigerufene Stationskommandant eintraf, um denselben an das zuständige Amtsgericht einzu- lrefern, hatte er seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht, nachdem er sich zuvor mit einem Rasiermesser mehrere tiefe Wunden am Halse beigebracht hatte. Ein junger Mann aus Creglingen entwendete seinem Vater eine Kuh und brachte dieselbe nach Niederstetten, wo er sie an einen nichts Böses ahnenden Klein­bauern für den Preis von 140 M. verkaufte. Kurz darauf wurde von seiten des Landjäger- Personals nach der gestohlenen Kuh gefahndet, und nachdem dasselbe auf der Spur war, war der Thäter und ein zweiter, welcher die Kuh treiben half, bald entdeckt und wurden dieselben verhaftet. In Friedrichshafen wurden am Montag abend wirklich die zwei Bürschchen verhaftet, die schon in Ulm, wie von dort kurz gemeldet, durch ihr auffälliges Benehmen Ver­dacht erregt hatten, da der eine einen Hundert­markschein wechseln ließ und eine schwere gol­dene Uhrkette bei sich trug. Wie sich inzwischen herausstellte, hat der eine der beiden seinem Lehrherrn das Geld entwendet und den andern als Reisebegleiter mitgenommen.

Deutsches Reich.

* Der Afrikaforscher Stanley ist gestern in Berlin eingetroffen und mit ihm der ameri­kanische Delegierte, General Sandford, sowie der Vorsitzende der internationalen afrikanischen Gesellschaft Oberst Strauch. Stanley wird als technischer Beirat der amerikanischen Vertretung der westafrikanischen Konferenz beiwohnen.

* Im Reichsamt des Innern ist ein Ge­setzentwurf , betr. die Gründung einer über­seeischen Bank ausgearbeitet worden. Die Lei­tung der Bank soll von Reichswegen erfolgen; das wird damit begründet, daß dadurch allein der auf Einführung der Mackwährung in den Weltverkehr abzielsnde Zoeck erreicht werden würde. Die Aufbringung des Kapitals soll durch Aktienzeichnung erfolgen.

* Eine seltene Unerschrockenheit hat ein Dra goner in Bruchsal bewiesen, der beim Aus­laden der dort eingetroffenen Zirkuspferde be­hilflich war. Als einer der bereits ausgeladenen Hengste sich bäumte und ihm beide Vorderfüße auf die Schulter setzte, blieb er wie angewurzelt stehen, bis einer der Stallknechte das aufge regte Tier auf die Seite zog. Den Mitgliedern der Zirkusgesellschaft soll diese Leistung nicht wenig imponiert haben.

* Frankfurt a. M. Der Selbstmord zweier junger Leute gleichen Namens macht hier von sich reden. Der eine, der sich in seiner Wohnung tötete, ist der Sohn des hiesigen württembergischen Konsuls v. Goldschmidt. Er hatte sich erst einige Tage zuvor noch mit einer reichen jungen Erbin, der einzigen Tochter eines hervorragenden hiesigen Bankiers, verlobt. Der zweite Fall betrifft einen jungen Mann, der immer ein wenig zur Schwermut neigte. Am Montag, an seinem 33. Geburtstage, fand man den Entseelten auf dem Grabe seines Vaters hingestreckt. Ec hatte sich ins jHerz geschaffen. Die Beweggründe zur That sind in beiden Fällen unbekannt.

* Han au, 14. Nov. Der von Fulda kom­mende Personenzug ist um 12 Uhr mittags un­weit des hiesigen Ostbahnhofs mit einem Güter­zug zusammengestoßen. 13 Tote, 14 Schwer­verwundete. (Der Berichterstatter der Frkf. Z. schreibt über das Unglück:Dasselbe war die Folge einer merkwürdigen Verkettung von Zu­fällen. Der um 12Vr Uhr mittags in Frank­furt von Fulda fällige Personenzug stieß etwa 800 Meter oberhalb des Ostbahnhofs Hanau auf einen dort vor dem Bahnhofs-Abschlußsignal haltenden Güterzug. Der Fehler war also der, daß allem Anschein nach die Station Hanau den von Niederrodenbach kommenden Personen­zug zu früh angenommen hatte, während der erwähnte Güterzug vor dem Abschlußsignal stand. Durch das in sehr scharfer Kurve er­folgte Auflaufen des Personenzugs auf den haltenden Güterzug kamen dem Anschein nach einige Personenwagen, nämlich 2 Wagen 4. Kl., je 1 Wagen 3. und 2. Kl. und der Packwagen aus dem Geleise. In demselben Augenblick fuhr auf der Strecke Hanau-Elm, also in dem neben­an liegenden Geleise, ein Güterzug aus der Station Hanau und erfaßte nun die entgleisten Wagen. Wäre dieser Güterzug nicht unglück­licherweise in dem Augenblick der Entgleisung des vorerwähnten Personenwagens in dem be­nachbarten Geleise gefahren, so würde es wohl ohne irgendwelche Verletzung an Personen ab­gegangen sein. Die Namen der Toten und Ver­wundeten (unter den Toten befinden sich 1 Pack- meister und 2 Schaffner) konnten noch nicht mit Sicherheit festgestellt werden, die Toten und die meisten Verwundeten sind sämtl. Reisende 4. Kl. Der Zug war glücklicherweise nicht sehr besetzt. Der Schaden an Material ist bedeutend. Die Aerzte waren sehr bald zur Stelle, auch der Staatsanwalt war sofort vertreten. Die Ver­letzten sind in das Hanauer Lazareth geschafft worden. Das Geleise nach Berlin wird bis 7 Uhr abends wieder betriebsfähig sein. Es ist möglich, daß unter den zahlreichen Trüm­mern noch Tote oder Verletzte sich befinden.)

* Frankfurt a. M. 15. Nov. Ueber den Eisenbahnunfall bei Hanau wird amtlichcrseits mitgeteilt: Bei dem Zusammenstoß des Per- sonenzugs 26 mit dem Güterzug 304 vor dem Bahnhof in Hanau sind nach der bMeria-n

Des Weinrvirts Wchterleiri.

Origmalerzählung von Rich. Bach mann.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.'

Der alte Meister Spölling zog mit sichtlichem Behagen die Brich aus der Tasche und in genügender Entfernung von der gierig zuckenden Hand des Herrn Steffens, hielt er die stummen, aber viel bereoten Zeugen einer schlimmen That neben die brennenden Kerzen. Steffens beobachtete mit scheuem Blick die Bewegungen des alten Spölling.

Kennt Ihr die Briefe, Herr Steffens? Ich will Euch zur Aufklärung etwas behilflich sein. Es sind nämlich jene Briefe, werte­ster Herr Steffens, die Ihr von dem Kölner Juwelen-Geschäft erhieltet- auch der Kaufschein über das Armband mit den vier unechten Steinen ist mit dabei und trägt, wie Euch bekannt sein dürfte. Eure eiaene Namensunterschrift hier, kennt Ihr diese Briefe?* "

Steffens warf nur einen flüchtigen Blick auf die Papiere, als er die vernichtenden Worte des alten Goldschmieds hörte. Sein Auge zuckte wild - ein tigerartiger Sprung mit vorgestreckten Armen und Halt!* donnerte Peter Scharffenberg und warf mit starker Hand den Kaufherrn rücklings in den Stuhl. Der rüstige Weinwirt hatte es dem sich verraten sehenden Steffens abgelauscht und diesen von der Ver­nichtung der Briefe rechtzeitig zurückgehalten.

So handelt ein ehrliches Gewissen nicht. Herr Steffens; war Euch der Streich nicht zu schlecht, was schämt Ihr Euch jetzt vor Euren Zeugen?* sagte Peter Scharffenberg.

Steffens starrte entsetzt in das Angesicht des alten Meisters. Das triumphierende Lächeln in dessen alternden Zügen und die Worte Peter Scharffenbergs schmetterten ihn zu Boden. Ein. verzweifelter Kampf in

seinem Innern verzerrte das blasse Gesicht, das eine erdfahle, grünliche Färbung angenommen.

Ich bin bestohlen,* murmelte er endlich mit dumpfer Stimme.

Bestohlen?* fragte der alte Spölling ironisch.Doch ja, Ihr seid bestohlen worden um diese Briefe, die Euch entlarven als eineTI elenden Betrüger, Ihr habt mich betrogen, indem Ihr jenes verhäng­nisvolle Armband mir unter den Händen zu vertauschen wußtet und mich dadurch fälschlich zum Zeugen wider meinen ehrlichen Gehilfen gemacht. Durch Eure Falschheit und boshafte Lüge habt Ihr den ehrlichen Martin in das Gefängnis geliefert und nicht genug damit, verlangte Euri' Rach­sucht noch die Folter für den Schuldlosen. Entsetzlicher! Die Folter in einer Zeit, wo man überall sich scheut, das greuliche Marterwer kzeug noch anzurühren. Freilich, als der Ehrenhafte Euren Peinigern wider­stand, da bewiest Ihr Euch Human, Ihr wurdet furchtbar mensch'en- freundlich, und trugt auf Niederschlagung der Untersuchung an; J.hr wußtet klüglich es dahin zu bringen, daß mein armer, unschuldig ge­peinigter Martin des Landes verwiesen wurde. Ihr wolltet das Herz eines Engels verderben, und lauert gierig auf einen gnädigen Blick von Ihr, denn Euer Sinn trachtet nach ihren Schätzen. Mann, in Eurem Innern lodert eine Hölle des Verderbens; schrecktet Ihr doch nicht davor zurück einen unschuldigen, wackeren Menschen in Not und Elend zu stürzen! Herr Steffens,* fuhr Spölling mit erhebender Stimme fort und seine würdige Gretsengestalt trat dicht heran an den blassen Kauf­herrn,wißt Ihr es noch, daß Ihr mir damals aus dem Heimwege vom Gerichte, die Worte ins Gesicht geschleudert, daß mein Geschäft, mein ehrlicher Name, durch die diebische That unter dem Volke auch in Verruf käme und mir es daher sehr lieb sein müßte, wenn Martin auf der Folter zum Geständnis gepreßt würde?* Jetzt hat sich das alte