Hauptgewinn von 50 000 M., der in einer massiven, 37 Pfund schweren Goldsäule bestand, mit einem garantierten Goldwert von 48000 M. Heintze hatte sich die Namen seiner Losabnehmer gemerkt und konnte daher unmittelbar nach der Ziehung fesistellen, daß zwei Bremer Dienstmädchen Inhaberinnen der Gewinnnumer waren. Sofort reiste er nach Bremen, ließ die beiden Schwestern in seinen Gasthof kommen und teilte den Ahnungslosen ihr Glück mit, indem er sogleich dicke Packete von Banknoten und schwere Rollen Doppelkronen vor ihren gierigen Blicken ausgramte. Er wußte ihnen dabei so viel von Schwierigkeiten und Verlusten vorzuerzählen, die für ihn damit verknüpft sein würden, die Goldsäule in baares Geld umzuprägen, daß sie froh waren, als ihnen der freundliche Herr baare 44000 M. für das Los bot und zahlte. Dem Staatsanwalt gefiel dieses Geschäft frei' lich weniger, namentlich als er ermittelte, daß Heintze bereits tags darauf sich in Berlin die vollen garantierten 48000 M. gegen Umtausch der Säule bei den Juwelieren Gebrüder Friedländer verschafft hatte. Und das Landgericht war denn auch so grausam, den menschenfreundlichen Stellvertreter Fortunas wegen Uebervor- teilung in eine hohe Geldstrafe zu nehmen. Auch wird er wohl den Rest des vorenthaltenen Gewinnes noch an die beiden Mädchen heraus- zahlcn müssen. Von diesen hat übrigens das eine in der Zwischenzeit bereits den Sinn des Sprichwortes: „Wie gewonnen, so zerronnen* sehr gründlich erfahren. Sie vertraute das gewonnene Kapital dem ihrer Dienstherrin befreundeten Kaufmann Rud.Lichtenberg in Bremen „zur Verwaltung" an und ist so in den kürzlich erfolgten Sturz des Handlungshauses Dieterich, Lichtcnberg und Co. verwickelt und ihr Geld jedenfalls zum größten Teil wieder los.
Ausland.
* (Fräulein Professor.) In Mailand hat diese Woche eine Tochter des kürzlich verstorbenen italienischen Staatsmannes und mehrmaligen Finanzmmistsrs Quintino Sella, Frl. Eva Quintino Sella, die Profeffurprüfnng für Gymnasien mit glänzendem Erfolge bestanden. Die junge Dame wird sich nun um eine Professur an einem italienischen Lyceum bewerben.
* (Ein Millionen-Honorar.) Der geschlagene Präsidentschafts-Kandidat der Vereinigten Staaten, Blaine, wird in dem Leid, das seine Niederlage ihm bereitet, einen Trost finden. Fast gleichzeitig mit der Gewißheit, in dem Wahlkampfe unterlegen zu sein, traf eine Dep.'sche des Verlegers seines zweibändigen Werkes „Zwanzig Jahre im Kongreß" an ilm ein, welche ihn benachrichtigte, daß das zweihundertnndfünfzig- tausendste Exemplar dieses Buches die Presse verlassen habe. Da Blaine von jedem verkauften Exemplar des sehr gediegenen und interessanten Buches einen Gewinnanteil von 4 Mark erhält, so hat ihn dieses Werk allein im wahren Sinne des Wortes, rum Millionär gemackt.
* Nach einer Meldung der Times aus Philadelphia glauben die Neger im Süden der Ver. Staaten vielfach, daß nach der Wahl Clevelands zum Präsidenten die Sklaverei wieder eingeführt werde. Daher die blutigen Ausschreitungen, die an mehreren Orten im Süden erfolgt find.
* Die ' New-Iorker Einwanderungs-Behörde hat wiederum eine deutsche Familie, den aus Waldeck, Kreis Dinkelsbühl, in Baiern stammenden Schuhmacher Wilhelm Spiegel nebst Frau und 4 Kinder im Alter von 2—7 Jahre, nach Deutschland zurückgeschickt weil er mittellos und auf Kosten seiner Gemeinde nach Amerika befördert worden war. Die Rückbeförderung geschah zunächst auf Kosten der Hamb. Amerik. Packetfahrt-Gesellschaft, mit deren Dampfer die Familie in New-Pork angekommen war.
— Offizielle Berichte über die Wahlmännerwahlen zu der Präsidentenwahl der Ver Staaten liegen jetzt aus 53 Grafschaften des Staates New-Aork vor. Die Zählung der Stimmen in den einzelnen Grafschaften schreitet nur langsam vor. In New-Aork und anderen Grafschaften sind verschiedene „Jrrtümer" (der Telegraph sagt nicht, zu wessen Gunsten entdeckt worden. Die Mehrheit für Cleveland dürfte sich jetzt auf 1000 Stimmen stellen.
* Melbourne, 14. Nov. Das Protektorat Englands über die Südküste in Neu-Guinea wurde am 6. November auf jener Insel durch den englischen Marinekommandauten von Australasien in Gegenwart von 50 Häuptlingen der Eingebornen und vor auf der Rhede ankernden Kriegsschiffen feierlich proklamiert.
Vermischtes.
* (Einen außerordentlichen Fang) machten am Dienstag die Heringsstscher in Plymouth. Man veranschlagt die an diesem Tage erbeuteten Fische auf 26 Millionen, was einen Ge- sammlertrag von über eine Million Mark für eine einzige Tagesarbett repräsentiert. Die Heringsboote bedeckten nahezu eine zweimalige Fläche des Hafens.
* (Zerstreut.) Ein Gast bezahlt im Restau
rant an den Wirt seine Rechnung. „Und der Kellner?" fragt dieser. Der Gast sagt zerstreut: „Ich habe keinen gegessen!" " '
* (Durch die Blume.) „Du, warum hat man Dich denn schon wieder emgesperrt?" — „Weil ich die Uhr vom Hofrat gefunden habe." — „Ja, das ist doch kein Verbrechen!" —„Nun weißt, ich Hab' sie gefunden, bevor sie der Hofrat verloren har."
* (Nützliche Verwendung.) Student: „Zum Donnerwetter, Frau Wirtin, wo find denn meine Kanonenstiefel?" — Wirtin: „Entschul» digenSie gütigst, die haben meine Töchter einstweilen als Tournüre umgebunden."
Füc die Redaktion verantwortlich: W. Rieker Altensteig.
Ermittelung 12 Personen getötet und 20 zum Teil schwer verletzt worden. Die Schuld scheint die Station Hanau insofern zu tragen, als sie den Zug 26 von Niederrodenbach annahm, während der Zug 304 noch nicht im Bahnhof eingefahren war.
* Kempten. Liebe und Schwefelsäure scheint nach Pariser Vorbildern nun auch in Deutschland in Zusammenhang zu kommen. In Kempten paßte an einem der letzten Abende eine Schöne. Eifersucht im Herzen und Schwefelsäure im Gefäß, ihrem ungetreuen Geliebten auf und versuchte ein abscheuliches Attentat auf ihn, indem sie ihn mit der ätzenden Säure überschüttete. Zum guten Glücke ahnte der männlichen Seele Unheil; eine rasche Wendung und — statt im Gesicht saß der gefährliche Saft in den Kleidern ! Die heißblütige Donna ist verhaftet.
* Cremmen. Am Dienstag abend wurde Hierselbst ein Doppelmord verübt, und zwar wurden die Frau des dort stationierten Gendarmen und ein Handelsmann von einem Unbekannten erschossen. Ueber die nähere Umstände liegen zur Zeit noch keine bestimmten Nachrichten vor.
* Nummern. Eine Art Kunstwerk ist dieser Tage hier fertig gestellt worden, ein Tunnel, der die Zechen „Nachtigall" und „Helene Tiefbau mit einander verbindet. Dieser Tunnel, über 1500 Meter lang, ist unter der Ruhr her- getrieben und obschon die Arbeit keine leichte war, ist die Berechnug doch eine so sichere und richtige gewesen, daß man von beiden Seiten genau an der rechten Stelle zusammenkam.
* Dortmund. Ein 14jährtger Knabe, Schüler einer hiesigen höheren Lehranstalt, hat seinem Leben durch einen Schuß in den Kopf ein Ende gemacht. In einem an die Eltern gerichteten Schreiben gibt der Knabe an, es sei ihm unmöglich, dem Unterrichte zu folgen bezw. feine Schularbeiten zu fertigen.
* (Das große Los.) Von Hamburg wird unterm 12. Nov. geschrieben: Der seltene Fall, daß das große Los mit der Prämie der Stadtlotterie zusammenfällt, traf heute ein. Das Los Nr. 20 646 erhielt den ersten Gewinn von 200 000 M. und die Staatsprämie von 300 000 M. Das Los geht an acht Teilnehmer, meistens kleine Leute, unter anderen an einen Kellner.
* Hamburg. Eine zarte Mahnung hatte ein Hamburger Schuhmacher kürzlich seinem Kunden per Postkarte zugesandt, auf der nur der Betrag stand und darunter das Blümchen „Vergißmeinnicht" geklebt war. Trotz dieser Mahnung „durch die Blume" hat der Schuldner seinen Lieferanten wegen Beleidigung verklagt.
* (Vor der Strafkammer zu Bremen) kam am 10. ds. ein interessanter Straffall zur Verhandlung. Der Verein für Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten hatte im vorigen Winter eine Lotterie veranstaltet und es war u. a. dem Lanquier Karl Heintze in Berlin der Vertrieb einer größeren Anzahl Lose übertragen worden. In ieine Kollekte fiel dann auch der
^prüchwort an Euch erfüllt: Wer Andern eine Grube gräbt, fäll: selbst ^nein. Ich werde morgen Eure Briefe dem Gerichte überliefern, mag Euch die wohlverdiente Strafe treffen."
Der alte Meister Spölling hatte sich in eine ziemliche Erregung 'hineingeredet, erschöpft hielt der ehrliche Greis jetzt innc. Unwillkürlich fühlte er nach seiner Brustlasche, wohin er die verräterischen Briefe verborgen hatte und mit einem vernichtenden Blick auf Steffens, ließ er sich nieder. Scheu hatte dieser die Augen zu Boden geschlagen. Kalte Schweißperlen bedeckten seine Stirn. Der intrigante Kaufherr sah sich vollständig verraten. Eine ungeahnte Feigheit erfüllte den entlarvten Verbrecher und ließ ihn die Erbärmlichkeit seines Charakters furchtbar fühlen. —
„Nun, Herr Steffens, was sagt Ihr zu einer solchen Aufklärung? Seid Ihr befriedigt, oder haltet Ihr Euch noch immer für beleidigt und die ganze Welt für toll?" fragte Peter Scharffenberg.
„Es war doch nur ein übel abgelaufener Scherz und jetzt macht man solch Aufhebens davon," ließ sich Steffens schüchtern, mit einem gänzlich mißlungenen Versuche zu lächeln, vernehmen.
„Und Ihr haltet uas wirklich für so beschränkt, daß ww Euren Worten Glauben beimeffen sollten? Herr, wenn Ihr mit solchen Scherzen Euch vergnügt, da müßt ich wirklich, wie Ihr vorhin wähntet, toll geworden sein, wenn ich mein gutes Kind, die Leni Euch zum Weibe geben wollte."
„Herr Scharffenberg Euer Wort," rief Steffens mit tonloser Stimme, und seine Gestalt saß in dem altmodischen hohen Stuhle wie gebrochen.
„Ei, meint Ihr, daß ein Scharffenberg einem offenbaren Verleumder und Betrüger sein Wort halten sollte, das er ihm nur in der guten Meinung gab, es mit einem edlen, offenherzigen Mann zu thun
zu haben? Nimmermehr, das se: ferne von mir, mein einziges Kind einem Manne zu geben, von dem die Leute vielleicht schon morgen sageu werden, daß er durch Falschheit und Verleumdung einen ehrlichen Menschen in den Kerker lieferte und nun selbst der gerechten Strafe entgegensteht. — Muß außerdem die Wahl der Mittel, die Ihr angewendei, mich nicht auf den gewiß unfehlbaren Gedanken führen, daß es Euch mehr um das Heiratsgut, um mein Vermögen, das Ihr nicht schnell genug in Eure Hände bekommen konntet, za thun ist, als um Leni, meine Tochter?"
Steffens erhob sich mit gesenktem Haupte. Ein qualvolles Stöhnen drang herauf aus seiner stürmisch kochenden Brust. All' seine Pläne waren jämmerlich vernichtet. Sein stolzer Name geschändet, beschmutzt mit einem gemeinen, bübischen Verbrechen, welches er. wie jetzt die Dinge lagen, nun und nimmermehr verleugnen konnte. Was sollte er jetzt thun? Verzweifelnde Gedanken durchkreuzten das Hirn des Mannes, der sich jetzt wünschte, tausend Meilen weit enteilen zu können und doch fühlte er, daß seine Beine ihm den Dienst versagen wollten. —
„Nun, Herr Steffens," unterbrach Meister Spölling die peinliche Stille, Ihr rcdet vorhin von der Undankbarkeit der Menschen; könnt Ihr jetzt noch die kleine Fränzi des Undankes zeihen, wenn sie dem Manne, der sie einst aus derFeaerSdrunst errettete, nun behilflich ist, sich seinen von Euch geraubten ehrlichen Namen wieder zu erkämpfen?"
Steffens preßte die Zähne fest aufeinander. Durch diese Worte wußte er nun genau, wie er es vermutete, daß durch des Mädchens Hand die von ihm verwahrten Briefe in Spöllings Gewalt gekommen waren. —
(Fortsetzung folgt.)