die Kellnerin:Herden ich können habben eine Schoppen Göthe?"

* Ulm, 12. Nov. Eine für den gesamten Handelsstand höchst interessante Beleidigungs­klage wird demnächst vor dem hies. Amtsgericht zur Verhandlung kommen. Ein Kaufmann in Aalen hatte bei einer hiesigen Firma um Aus­kunft über die Verhältnisse eines Geschäfts­mannes in Neu-Ulm gebeten. Diese wurde mit dem üblichen Vermerk, daß eine Verantwortlich­keit dafür nicht übernommen werde, nach bestem Wissen und Gewissen erteilt. Der Kaufmann in Aalen beging nun die jedem kaufmännischen Gebrauch zuwiderlaufende Taktlosigkeit, die er­haltene Auskunft dem Geschäftsmann in Neu- Ulm im Original einzusenden. Letzterer fühlte sich durch die gegebene Charakterisierung an seiner Ehre gekränkt und hat die Beleidigung^ klage erhoben. Herr Rechtsanwalt Mayer hier hat die Verteidigung übernommen, und mit um so größerer Spannung wird der richterlichen Entscheidung entgegengesehen, weil der Beklagte den Beweis der Wahrheit für seine Behaupt tungen erbringen will. Gestern nachmittag vor Abgang des Zuges nach Friedrichshafen kam ein junges Bürschchen in eine Wirtschaft in der Bahnhofstraße und ließ einen Hundert­markschein wechseln. Auf der Straße wartete ein Genosse, der auch dem Knabenalter kaum entwachsen schien. Letzterer war ärmlich ge­kleidet, jener trug eine Uhr mit schwerer gol­dener Kette. Beide gingen zum Bahnhof, lösten Billete nach Friedrichshafen und reisten mit dem bereitstehenden Zuge dahin ab. Sie gaben Bregenz als Ziel ihrer Reise an. Das Benehmen der jungen Leute war entschieden verdächtig. Leider erhielt die Polizei von diesen Vorgängen zu spät Kenntnis, und so wird wohl zunächst der Hafenpolzei in Friedrichs- Hafen die Ankunft der Verdächtigen signalisiert worden sein.

(Verschiedenes.) In Reutlingen fiel der 11jährige Sohn der Witwe Ochs die Treppe hinab und starb infolge der dabet er­littenen Gehirnerschütterung. In Pflug­felden haben Landjäger zwei ganz gefährliche Subjekte aufgegrisfrn, von denen der eine (Loh­miller aus dem Oberamt Horb gebürtig) eine blecherne Schatulle mit mehreren 100 M. ver­borgen bei sich führte. Dem Vermuten nach ist dieses Geld in Vaihingen gestohlen worden, wo­selbst der eine der Vagabunden schon öfters Be­kanntschaft gemacht hat. Beide trugen übrigens viele falsche Papiere bei sich und wurden vom lustigen Zechen hinweg wohl verwahrt nach Ludwigsburg transportiert. In Sindels­dorf hat dieser Tage ein junger Mann dem dortigen Löwenwirt eine nicht unbedeutende Ver­letzung beigebracht durch einen Biß in die Nase. Veranlassung: Reichstagswahl. In Stutt­gart geriet der Bahnhoftaglöhner Jäger beim Anschieben eines Eisenbahnwagens zwischen die Puffer zweier Wagen und wurde schwerverletzt ins Katharinenhospital verbracht. Ebenda­

selbst ging beim Waisenhaus einer Frau von Hegenlohe ihr Pferd durch. Das Gefährt rannte an einen Laternenpfahl, wobei ersteres zerbrach und die Frau binausgeschleudert wurde und einen Bruch des Vorderarmes mit schwerer Weichteil- vsrletzung erhielt, was nach Aussage des Arztes für ihr Leben fürchten läßt.

Ausland.

* Berlin, 12. Novbr. Nachdem Serbien von den Mächten, im Jahre 1882 als König­reich anerkannt worden und durch Abschluß eines Handes- und Konsularvertrages zu Deutschland in engere Beziehungen getreten ist, wird die deutsche Mission in Belgrad zum Range einer Gesandtschaft erhoben und den bei allen könig­lichen Höfen bestehenden deutschen Missionen for­mell gleichgestellt.

* Der Etat des auswärtigen Amts pro 1885/86 ergibt an Einnahme 637 850 M., an fortlaufenden Ausgaben 7 207 075 M., um 381 660 M. mehr als im Jahre 1884/85; an einmaligen Ausgaben 137950 M.; der größte Teil der fortlaufenden Mehrausgaben entsteht durch die Errichtung einer Gesandtschaft in Te­heran (77500 M.), eines neuen Generalkon­sulats in Kapstadt (30 000 M.,) eines neuen Generalkonsulats in Korea (45 000 M.,) durch die Ernennung dreier neuer Vizekonsule in Apia (48 000 M.), eines neuen Generalkonsulats in Porto Alegre (30 000 M.,) eines neuen Kon­sulats in Zanzibar (30 000 M.) und eines neuen Vizekonsulats in Swatow, China (15000 M.) Serbien erhält einen Gesandten anstatt eines Ministerresidenten. Die handelspolitische und staatsrechtliche Abteilung des auswärtigen Amts erhält einen zweiten Direktor für die kolonial- politischen Angelegenheiten.

* Der neue Militär-Etat weist für fortdauernde Ausgaben 262 712084 M., also gegen das Vorjahr ein Plus von 1338 269 M. auf, für einmalige Ausgaben 11 622 762 M., gegen das Vorjahr ein Plus von 6028554 M.

* Es sind nun von den 97 Stichwahlen 39 bekannt. In 11 davon sind die Freisinnigen, in 8 die Konservativen, in 7 die Sozialisten- in 6 die Nationalliberalen, in 4 die Volkspar- tei, in 3 das Zentrum Sieger geblieben. Unter legen sind die Freisinnigen 6mal, die National- liberalen 12mal, die Konservativen 6mal, das Zentrum 6mal, die Soziallisten 5mal, die Polen 3mal und die Volkspartei Imal. Die Freisinnigen stehen noch in 33, die National­liberalen in 28, die Konservativen in 23, die Sozialdemokraten in 13, das Zentrum in 5, die Welfen in 7 Stichwahlen an. Die Frei­sinnigen zählen bis jetzt 43, die Konservativen 94, das Zentrum 98, die Sozialisten 17, die Nationalliveralen 47, die Volkspartei 6, die Welfen 5, die Polen 16, die Elsäßer 14 Mit­glieder; gibt zusammen 339; dazu die aus­stehenden 58 Stichwahlen macht 397.

* Ein neuer Blitzzug soll, wie der B. Börs.- Cour. meldet, mit nächstem April zwischen

Paris-Berlin-Petersburg-Moskau durch Her­stellung eines unmittelbaren Anschluffes nach Eydtkuhnen an den morgens in Berlin eintreffeu- den Kölner Courierzug eingerichtet werden. Die Fahrt von Paris nach Petersburg soll 58 Stun­den, die von Berlin dorthin 36 Stunden dauern.

* Nach einem Telegramm desTemps" auS Berlin ist die Erhebung der spanischen Ge­sandtschaft in Berlin und der deutschen Gesandt­schaft in Madrid zu Botschaften aufgegeben worden, nachdem es vorläufig nicht gelungen war, Spanien unter die Großmächte aufzu­nehmen.

* (Brand eines Bahnpostwagens.) Im Berlin- Kölner Personenzuge ist der Postbeiwazen, welcher hauptsächlich den Packeiverkehr von Sachsen und Hannover nach Köln vermittelt, am Samstag morgen in der Nähe von Mühl­heim a. Rh. vollständig niedergebrannt. Von 600 Packeten sind kaum 20 gerettet. Der Schaden wird auf 15,000 Mark geschätzt. Die Veranlassung des Brandes ist unbekannr.

* In München muß nach altem guten Brauch das Bier so reinlich und zweifelsohne sein, daß es nicht einmal geschminkt werden, das heißt eine schönere Farbe als es hat, er­halten darf. Ein Ichminker wurde dieser Tage verurteilt. Dabei erklärte der Staatsanwalt an Gerichtsstelle, das sei der einzige Sünder in ganz München, kein anderer ser ein Bier- pamscher. Sämmtliche Brauer wollen dem Staatsanwalt ein Ständchen bringen.

* Eine westfälische Bauernversammlung hat ans Antrag des Abg. von Schorlemer beschlossen, die Regierung zu ersuchen, daß der Zoll auf Getreide in angemessener Weift erhöht und die durch diese Maßregel erzielten Mehreinnahmen zur Erleichterung der Grund-, Gebäude-, und Gemeindesteuern verwendet würden. Bei Miß- erndten soll die Regierung das Recht haben, die Zollerhöhung einzustellen.

* Rochlitz. Als in der Nacht zum Diens­tag der hier stationierte Gendarm seinen Re­visionsgang durch die Stadt machte, bemerkte er in der Nähe der Reitbahn, wie ein Soldat (Ulan) sich bemühte, mehrere dort zur Aufbe­wahrung hingestellte Kisten zu erbrechen. Als der Ulan wahrnahm, daß er entdeckt war, er­griff er einen Knüttel und schlug auf den- Gendarm los, so daß dieser sich genötigt sah, von der Waffe Gebrauch zu wachen. Durch einen Schuß streckte er den Soldaten tot nieder.

* Wittenberg. In der Schlacht bei Mars-la-Tour wurde der jetzige Bürgermeister von Seyda, Hsrr Ganzert, durch eine krepierende Granate so schwer, namentlich an den Armen verwundet, daß die Notwendigkeit der Ampu­tation beider Arme geboten erschien, und der Verwundete nur durch seinen energischen Protest sich vor der furchtbaren Verstümmelung schützen konnte. Die zerschmetterten Arme heilten denn auch sehr langsam, stießen aber in der ganzen Zeit nicht weniger als 35 Knochensplitter heraus. Dieser Tage zog der Arzt nicht einen Knochen-,

Des Weinwirts Wchlerkein.

Originalerzählung von R i ch. Bachmann.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

O Mutter, jetzt werde ich schnell gesund werden können. Muß doch die Welt, die's erst nicht glauben wollt, jetzt erfahren, daß er un­schuldig gelitten und verurteitt worden. Und der Vater, o Mütter- letn, daß der Vater jetzt an die Unschuld des armen Ausgewiesenen glaubt, daß er's weiß, wie Martin ein so seltener, edler Mann stets ge­wesen," sagte Leni und preßte so innig als ihre schwachen Arme es vermochten sich an Frau Kathrine,Mutter das macht mich ganz allein gesund."

Leni, mein Kind, du bist stark erregt und wirst deiner kaum wiederkehrenden Gesundheit schwer schaden. Ich bitt' dich Leni, gieb dich keinen so aufregenden Gedanken hin; es wird ja alles noch ganz gut werden können," versetzte Frau Kathrine besorgt, und strich die vom Kffsen hereingeschobenen Flechten Leni aus dem blaffen selig ver­klärten Gesicht.

O, das hoff' ich auch, Mutter und ich bin darum so froh und glücklich, daß ich vor Freuden weinen möcht, noch mehr wie fröhlich lachen. Aber Mutter noch um eins muß ich Euch bitten."

Was möchtest du wohl, Leni?" fragte Frau Kathrine zärtlich.

Leni flüsterte:Laßt den schlimmen Kaufherrn nicht auf euer Zimmer kommen. Ich mag die Stimme dieses Mannes nicht hören, der solch Unrecht an uns begangen. Ich, glaub' ich könnt' sterben, wenn ich ihn hören müßt, wie er alles läuguen wollen wird. Mutter, ich bitt' Euch, versag! mir's nicht."

Du Haft recht, Leni, sei ohne Sorgen, ich wtll's gleich treffen, daß dir die Aufregung erspart bleibe."

Dann gehe, er möchte sonst bald kommen. Sagt mir heute nichts von dem wie es noch kommen wird," bat Leni noch, dann hauchte sie leise:Gute Nacht!" und küßte der Mutter die Hand. Eine heiße Thräne fiel darauf. Hastig ging Frau Kathrine nach dem Wohnzimmer, sie hörte die Stimme Peter Scharffenvergs. Er teilte eben dem Meister Spölling mit, daß Steffens bald kommen wolle. Der Schiffhauswirt war bald verständigt und fand die Bitte seiner Leni sehr beachtenswert.

In einem wenig betretenen Gemach, welches als Gastzimmer für die seltenen Gäste aus der Verwandtschaft der Familie Peter Scharffen- bergs, stets bereit gehalten und trotz seiner wenigen Benutzung doch recht heimisch eingerichtet war, hatte dem Wink Peter Scharffendergs folgend, der alte Meister Spölling Platz genommen und sah der Ankunft des stolzen Kaufherrn, den er zu entlarven gedachte, entgegen. Er brauchte nicht allzu lange zu warten, bald sah er sich dem heimtückischen Steffens gegenüber. Dieser war mit dem Schiffhauswirt, dessen Dienste Frau Kathrine übernommen, zugleich in das Zimmer getreten. Er schien sichtlich überrascht, den alten Meister Spölling hier anzutreffen. Der Letztere erkundigte sich nach der ersten, nur der äußeren Form genügenden Begrüßung, scheinbar teilnehmend nach der Ursache des auffallend zurück­haltenden Benehmens des Kaufherrn und als dieser die Trauer um den schmerzlichen Verlust des Vaters, dann die üble Erfahrung zur Sprache brachte, daß die Welt doch stets mit Undank lohne, denn die kleine Fränzi, welche er aus Barmherzigkeit ins Haus genommen, sei heute nach dem Begräbnis nicht wieder in dasselbe zurückgekehrt und alle Nach­forschungen nach der liederlichen Dirne resultatlos verlausen nahm Meister Spölling das Wort und bemerkte, daß das Urteil Steffens denn