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Kr. 135.
S Der Sieg Clevelauds.
Also Cleveland, der Kandidat der Demokraten, ist als Sieger aus dem letzten großen Wahlkampf hervorgegapgen. Von den gewählten 401 Wahlwännern, sind 218 für ihn, für seinen Gegner Blaine nur 183. Das Wahlresultat in New-Aork war lange schwebend, weil daselbst gleichzeitig mit der Präsidentenwahl roch andere Wahlen für Staatsämter siattfandcn und dadurch die Ziffern der einzelnen Wahlergebnisse anfänglich bunt durch einanderschwirrten. Endlich ist Ordnung in das Stimmen-Chaos gekommen und zur Freude aller anständigen Leute ist der würdigere der beiden Kandidaten berufen worden und wird für die nächsten vier Jahre seinen Amtssitz im Weißen Hause zu Washington nehmen.
Cleveland ist nicht so sehr Parteikandidat .„Als vielmehr der Kandidat aller, die es ehrlich Mit dem Staatswesen meinen und dasselbe nicht als melkende Kuh für die eigenen Interessen betrachten. Das „alte Amerika" bäumt sich gegen seine Wahl, weil Clevelands Charakter und Gesinnung die Bürgschaft geben, daß vieles anders und besser werden wird in der nordamerikanischen Verwaltung. »Dem Sieger gehört die Beute!" so war es bisher in Amerika bei den Prästdentschaftswahlen Maxime: der Gewählte, der auf die höchste Staffel der Macht stieg, belohnte seine Freunde und alle, die ihn bei der Wahl unterstützt hatten, mit den besten Aemtern. Ein solches Beamtentum bildete bisher den Grundpfeiler der staatlichen Ordnung, während die große Masse und die ehrlichen Gegner eines solchen Systems als die Schafe betrachtet wurden, die gerade gut genug zum Scheeren waren.
Die hohen und besonders die gewinnbringenden Staatsämter in den Ver. Staaten schienen bisher nur dazu da, den Freunden und der Sippschaft des jeweiligen Präsidenten als Pfründen zu dienen; gerade dieser Umstand, den die Republikaner an der monarchischen Staatsform so sehr tadeln, tritt in der großen Republik recht deutlich in Erscheinung. Jetzt ist auch in dieser Beziehung der „Krach" eingetreten; die Wahl Clevclands ist die unausbleibliche Reaktion des sittlichen Volksbewußtseins gegen die gesellschaftlichen und staatlichen Ausbeuter, obgleich sich letztere immer stolz den Mantel des Republikanismus über die Schulter schlugen.
Uns interessiert die Wahl insofern, weil bekannt ist, daß die in Amerika ansässigen Deutschen für Cleveland gestimmt haben. Der deutsche Volkscharakter empört sich gegen jegliche Korruption — trotz aller Verschiebung der sozialen Verhältnisse, trotz der Wandlungen, die Lebensanschauung und Schicklichkeit im modernen Staate gegen früher erfahren mußten, bleibt ihm das Gute doch immer gut, das Schlechte immer schlecht.
Der 4. November wird in der Geschichte der Vereinigten Staaten einen wichtigen Wendepunkt bezeichnen, denn er hat die republikanische Partei von der Höhe herab gestürzt, die sie so lange zu behaupten gewußt hat. Fünfundzwanzig Jahre fast sind über Amerika dahinge- gaugen, seit die Demokraten die Herrschaft verloren haben. Der Wahlkampf des Jahres 1860 brachte den Republikaner Abraham Lincoln in das Weiße Haus und brachte damit zugleich de» Bürgerkrieg zum Ausbruch, der mit der Abschaffung der Sklaverei und der Erzwingung der Union endete. Ein Vierteljahr- ! hundert fast habev die Demokraten seitdem Zeit gehabt, über ihre Fehler nachzudenken,
und ein Vterteljahrhundert hatten die Republikaner Zeit, ihre Verdienste um den Staat durch Bestechlichkeit und Mißwirtschaft vergessen zu machen.
Langsam ging in den letzten Jahren die demokratische Sonne auf. Wie verächtlich sich die Republikaner bei rechtlich denkenden Männern gemacht, gebt am schlagendsten aus dem Umstande hervor, daß die unabhängigen Republikaner, unter denen deutsche Männer wie Karl Schurz voranleuchten, sich diesmal nicht nur von ihrer Partei lossagten, sondern sogar für Cleveland etntraten. Niemand hatte begeisterter für die Sklavenbefreiung und gegen die südlichen Demokraten gekämpft als Herr Karl Schurz. Welche Unsumme von Fehlern muß dazu gehört haben, diesen Mann ins demokratische Lager zu treiben.
Tagespolitik.
— Für die Eröffnung des Reichstags ist der 20. November in Aussicht genommen.
— Von den bemerkenswerten ferner statt- gehabten Stichwahlen stndzunennen: in Solingen: Schuhmacher (Soz.-Dem.) gegen Fuchs (Zentrum); in Mannheim: Köpfer (südd. Volksp.) gegen Eckhard (nat.-lib.); Kaiserslautern: Grohe (südd. Volksp. gegen Neumayer (nat.-lib.); in Speier: Dr. Groß (nat.-lib.) gegen Dreesbach (Soz.-Demo.); in Bingen: Bamberger (deutschfr.) gegen v. Schaub (nat.-lib.); in Köln: Röckrath (Zentrum) gegen Leyendecker (nat.-lib.); in Siegen: Hofprediger Stöcker(kons. gegen Schmidt deutschfr.); in Hamburg: Wörmann (nat.-lib.) gegen Heinzel (Soz.-Dem.); in Nürnberg; Grillenberger (Soz.-Dem.) gegen Crämer frei' kons.); in Kassel: Pfannkuch (Sozialist) gegen Lotz (kons.); in Magdeburg: Heine (Soz.-Dem.) gegen Büchtemann (freikons.); in München 2.: Vollmar (Soz.-Dem.) gegen Westermayer (Zentrum.)
— Die Kongo-Konferenz wird am Samstag durch den Reichskanzler eröffnet werden; ob dieser den ständigen Vorsitz führen wird, ist noch keineswegs entschieden. Die Sitzungen werden im Reichskanzler-Palais zu Berlin stattfinden, woselbst die Vorbereitungen hiefür schon getroffen sind.
— Das Arbeiter-Altersversorgungs-Gesetz wird in der nächsten Session noch nicht vorgelegt werden, dagegen bestätigt es sich, daß zwischen den Bundes-Regierungen zunächst eine Verständigung über allgemeine Grundzüge des Gesetzes erstrebt werden soll. Die letzteren werden bereits aufgestellt und sollen in kurzem den Regierungen zur Begutachtung zugesandt werden.
— Die Verhandlungen Frankreichs mit China sind wieder ausgenommen worden. Der französische Gesandte, Paternotre, hat dieselben angekünpft und Ferry soll jetzt bereit sein, aus eine gröbere Geldentschädigung zu verzichten, wenn China Tonkin unverzüglich räumt. Das hindert ihn aber nicht, die Absendung von Verstärkungen zu beschleunigen, um die Nachgiebigkeit Chinas schließlich mit Gewalt zu erzwingen. — Das Amtsblatt veröffentlicht ein Dekret des Präsidenten Grevy, demzufolge die nächste Pariser Weltausstellung am 5. Mai 1889 eröffnet werden soll. (Vom 5. Mai 1789 datiert sich der Beginn der großen französischen Revolution, deren Andenken durch Pie Ausstellung verherrlicht werden soll.)
— In England zerbricht man sich noch immer den Kopf über die vermutliche Regelung der ägyptischen Finanzen. So will der,Ob- server' wissen, daß Lord Northbrook Vorschlägen werde, der ägyptischen Regierung einen Vorschuß von 8 Millionen Pfund Sterling zu ge
1884
währen, den Tilgungsfonds vorläufig aufzuheben, den Zinsfuß der im Besitze Englands befindlichen Suezkanal-Aktien herabzusetzen, die Kosten für die Operationsarmee teilweise auf England zu übertragen und dem erst erwähnten Darlehen den Vorrang vor den bestehenden Anleihen einzuräumen. Keiner dieser kränklichen Vorschläge hat Aussicht angenommen zu werden.
LimdesMchriHteu.
Altensteig, 13. Novbr. In Hornberg wurde gestern Mittwoch in der Zeit von 8 bis halb 10 Uhr vormittags (also am Hellen Tage) ein äußerst frecher Einbruchsdiebstahl verübt, indem dem Bauern Georg Bäuerle sein Kommod mittelst eines Stemmeisens erbrochen und daraus 100 Mark in Gold und aus der Schreibtafel ein 100-Markschein gestohlen wurden, außerdem ließ der Dieb noch eine goldene Uhr im Werte von ca. 160 Mark mttlaufen. Nach den Vorgefundenen Spuren zu schließen, hat sich der Dieb abends zuvor ins Haus ein- geschlicheu und hat auf dem Heuboden übernachtet. Derselbe muß gewußt haben, daß am Mittwoch vormittag die jüngeren Hausbewohner bei der Frohnarbeit der Gemeinde beschäftigt, also abwesend sein werden, während er dann mit einem noch allein anwesenden älteren, etwas schwerhörigen Manne schon fertig zu werden gedachte; denn wie ein auf dem Tisch parat gelegenes Beil darthut, stand es in der Absicht des Ruchlosen im Falle der Ueberraschung beim Erbrechen und der Durchsuchung des Kommodes selbst einen Mord nicht zu scheuen. Das Aergste kam glücklicherweise nicht vor. Nach vorhandenen Blutflecken am Kommod und auf dem Stubenboden ist anzunehmen, daß sich der Dieb die Hände verletzt hat, und es ist zu hoffen, daß dieser Umstand zu seiner Entdeckung führt. Daran erinnert zu werden verdient noch, daß dem Vater des Bestohlenen vor etwa 3 Jahren auf gleiche Art ca. 600 Mark gestohlen wurden, weshalb anzunehmen ist, daß beide Diebstähle von einer Person ausgeführt wurden.
— Die jüngst gegebene Anregung zur Gründung eines württ. Schwarzwaldvereins war nicht vergeblich. Am 23. d. M. soll in Stuttgart (Restaurant Zäch) eine Hauptversammlung staltfinden, wo alsdann die definitive Konstituierung des Vereins vorgenommen wird. Alle Freunde des Vereins sind eingeladen. Wie der „Schwäb. Merk." Mitteilt, sind bis jetzt nicht nur in den im Schwarzwald liegenden und angrenzenden Oberämtern, sondern auch in Stuttgart zahlreiche Beitrittserklärungen angesehener Männer gesammelt, so daß an der Lebensfähigkeit des Vereins nicht mehr zu zweifeln ist. Aus dem Bezirk Nagold haben sich dem Verein bereits angeschloffen: in Nagold: die Herren Fabrikant Geigle, Oberamtmann Güntner, Apoth. Oeffinger, Fabrikant Sannwald; in Altensteig: die Herren Forstmeister Frank und Stadtpfr. Mezger; sodann Hr. Gutsbesitzer Böcking in Schernbach, Hr. Regierungsdirektor v. Luz in Reutlingen rc. rc.
* Das Gesamtergebnis der Stuttgarter Stichwahl ist folgendes: Tritschler erhielt 8510, Schott 11.484 Stimmen. Das Mehr für letzteren beträgt somit 2974 Stimmen.
* Auf dem Burgholzhof bei Cannstatt verlangte kürzlich ein Gast einen Schoppen „Schiller". Ein neben ihm sitzender Engländer welcher keine Ahnung davon hatte, daß diese Bezeichnung lediglich der zwischen dem weißen und dem roten Wein stehenden Uebergangsfarbe gilt, schien anzunehmen, daß dieselbe zu Ehren un'ens großen schwäbischen Dichters gewählt sei; denn er fragte gleich darauf, bedenklich redebrechend