wissen immer noch nicht, wer die Majorität hat, ob Blaine, ob Cleveland, und mit jedem neuen Tage erzählen uns die Depeschen neue Erfolge desjenigen Kandidaten, welcher am Tage vor­her bestimmt unterlegen zu sein schien. Wenn schließlich das definitive und richtige Resultat ankommt, wird man so von Mißtrauen erfüllt sein, daß man den Glauben verweigert.

Laudesmchrichteu.

Altensteig, 10. Novbr. Die Etsenbahn- frage, welche schon geraume Zeit hier viel ven­tiliert wird, ist wieder um einen Schritt vor­wärts gerückt, indem am letzten Donnerstag eine Kommission, bestehend aus den Herren: Stadt­schultheiß Welker, den Gemeinderäten Henßler und Faist, Gewerbevereinsvorstand Mater, Mühlebesitzer Schill, Sägmühlebefitzer Gottl. Theurer, Löwenwirt Schex, Privatier Roller und Gerber Lorenz Luz sich ins Elsaß zur Ein­sichtnahme schmalspuriger Eisenbahnen begab. Die Kommission nahm ihren Weg über Straß­burg nach Rappoltsweiler und befuhr hier die 4 Kilometer lange Straßenbahn vom Bahnhof Rappoltsweiler nach der Stadt und war über­rascht durch die einfache und doch sehr praktische Anlage. Das 1 Meter breite Geleise dieser Bahn ist derart in die Straße eingelegt, daß auch andere Fuhrwerke über dasselbe fahren können. Die schwersten Güterwagen der nor- malspurigen Bahn werden auf dieser Straßen­bahn befördert; es geschieht dies durch sog. Transporteurs, welche sehr sinnreich konstruiert sind. Das Aufschieben eines Güterwagens auf den Transporteur wird durch 1 bis 2 Mann in wenigen Minuten besorgt. Die Erstellungs- kosten einer solchen Bahn betragen kaum ein Drittel einer normalspurigen und es gewann die Kommission die Ueberzeugung, daß ein sol­ches Beförderungsmittel unserem Bedürfnisse vollständig entspricht. Auch die Mülhauser Stra­ßeneisenbahn, welche durch die Stadt nach Dörnach führt, nahm die Kommission in Augenschein und war auch hier befriedigt über die zweckmäßige Anlage. In der Stadt sind ca. 10 Haltestellen vorhanden. Die Personenwagen sind nach dem neuesten System der Pferdebahnwagen gebaut, sind leicht und sehen elegant aus; sodann haben sie nur eine Klaffe. Der Zug kann auf der Länge von 1 Meter zum Stehen gebracht wer­den und ist das Anrennen an Fuhrwerke bei einiger Aufmerksamkeit unmöglich. Beide Bah nen sind Eigentum einer Winterthurer Gesell­schaft. Wie wir zu hören Gelegenheit hat­ten, kam die Kommission mit begeisterter Be­friedigung zurück und wir hoffen, daß unser Aller Wunsch eine solch' praktische, unserem Bedürfnisse in vollstem Maße entsprechende Bahn zu besitzen, recht bald zum Segen unseres Er­werbslebens in Erfüllung gehen möge. Einen eingehenderen Bericht zu erstatten, wird die Kom­mission die Güte haben und werden wir als­dann unsere Leser mit den Verhältnissen oben­benannter Bahnen näher vertraut machen können.

* Stuttgart, 6. Nov. Heute ist der Bericht der Kammer der Abgeordneten über den Gesetzentwurf betr. die Gemeindeangehörigkeit er­schienen. Derselbe, redigiert von den Abg. Beutter und Sachs, umfaßt 45 Seiten. Mit den leitenden Grundsätzen des Gesetzentwurfs erklärt sich die Kommission im allgemeinen ein­verstanden und befürwortet den Eintritt in die Beratung des Gesetzes. Was die leitenden Grundsätze des eine größere Autonomie der Gemeinden anbahnenden Gesetzes anbelangt, so sind es folgende: das Streben, dem Bürger­recht wieder einen lebenskräftigen Inhalt M verschaffen, Beibehaltung des Bürgerrechts als althergebrachtes persönliches Recht, Anknüpfung aber der Erwerbung des Bürgerrechts an den Wohnsitz im Gegensatz zum Bürgerrechtsgesetz vom 4. Dez. 1833, Zwang für württ. Staats­bürger, die im Gemeindebeztrk wohnen, das 25. Lebensjahr zurückgelegt und 3 Jahre Steuern bezahlt haben, zur Erwerbung des Bürgerrechts, Ausschließung Ser Nichtbürger von gemeinde- bürgerlichen Wahl- und Wählbarkeitsrechten, Erklärung der Frohnpflicht, (Gemeindedienste) als eine Pflicht sämtlicher Gemeindeeinwohner. Bestehenlassen althergebrachter Rechtszustände bezüglich der Gemeindenutzungen, Regelung der Ausweisung bestrafter Personen einerseits im Sinne einer Milderung des bestehenden Rechts durch die Verwandlung des Rechtsanspruchs der Gemeinden auf Ausweisung in ein Antrags­recht, andererseits im Sinne der Verschärfung des bestehenden Rechtszustands durch Ausdehnung der Ausweisungsbefugnis auf bestrafte Personen derjenigen Gemeinde, in welcher sie das Bürger­recht haben. Bei Art. 7 hat sich die Kom­misstonsminderheit gegen jedes Zwangsrecht bei einer Bürgerrechtserteilung ausgesprochen. Ein­verstanden ist die Kommission damit, daß durch Anstellung der Ortsvorsteher, sowie anderer Gemetndebeamte und Bedienstete, sofern sie württ. Staatsbürger sind, das Bürgerrecht er worben wird, ebenso mit der Aufnahme des positiven Rechtsinhalts der Ehrenbürgerrechte in das Gesetz. Nach Art. 18 soll derjenige, bei dem verschiedene Ungehorsamsstrafen frucht­los blieben, seiner gemeindebürgerlichen Wahl' und Wählbarkeitsrechte verlustig erklärt werden können. Die Kommission spricht sich hier für Zulässigkeit der Beschwerde aus. Was die Zulässigkeit der Ausweisung bestrafter Per­sonen anbelangt, so wird die Kommission eine nochmalige Beratung herbeiführeu. Sehr ein­gehend ist von den Berichterstattern die Frage der Gemeindenutzungen behandelt worden. Was den Zusammentritt des Landtags anbe­langt, so wird derselbe, wie man hört, noch in diesem Monat erfolgen.

* Stuttgart, 6. Nov. Die Nachricht daß Pfarrer Utz in Tomerdingen gestorben sei, bestätigt sich nicht.

* Heilbronn, 8. Nov. Bei der heute statt- gefundenenStichwahl erhielt Härle (Demokr.) 10293, Ellrichshausen (Nationallib.) 9281

Stimmen. Einige Orte stad noch im Rückstand, doch ist Härles Wahl gesichert.

* Crailsheim, 6. Nov. Gegenwärtig kursieren hier falsche Einmarkstücke, dieselben tragen die Jahreszahl 1875 und haben gar keinen Klang, weil sie von Blei hergestellt find. Die Prägung ist im Allgemeinen zwar gui aus­geführt, aber nicht sogscharf und exakt wie bei den echten Markstücken.

* (Verschiedenes.) Auf der Straße zwischen Eglosheim undAsperg wurde d»r Taglöhner Ostertag von Ludwigsburg Sonn­tag nacht m räuberischer Weise angefallen; ein Strolch entriß ihm seine mit Kleidern vollge­füllte Reisetasche und entfloh. Dem Thäter ist man auf der Spur. In Le in zell spielten 2 kleine Kinder, ein Knabe und ein Mädchen an der Lein. Das letztere wagte sich wahr- schsialich zu weit an den Rand des Ufers, stürzte in das an dieser Stelle ziemlich tiefe Waffer und ertrank, ehe der Knabe Hilfe herüetholen konnte. Ja Stein he im wurde schon drei Jahre nach einander Geld gestohlen, zuerst 30, dann 80 und h aer 100 M. Der Verdacht lenkte sich endlich auf einen Soldaten von Stein­heim, der Heuer zur Zeit des Diebstahls in Ur­laub war. Bei der Nachforschung in Ulm stellte sich bald heraus, daß er größere Ausgaben machte, als sein: Unterstützung von Haus aus erlaubte. Der Soldat wurde auch bald der Dieb­stähle geständig u. es wird nun, da er nicht ohne Per« mögen ist, der Bestohlene wieder zum Schaden­ersatz gelangen. InHeidenheim hat dieser Tage ein Arbeiter 300 M. in drei Scheinen verloren, oder ist er um das Geld bestohlen worden. In der Nacht von Montag auf Dienstag entst.nd in der Kanalstraße in Cann­statt eine g^obe Nachtruhestörung deshalb, weil einige nichtsnutzige Bursche ein ruhig ihres Weges gehendes Mädchen mit unsittlichen Anträgen be- lästigtien. Das München wehrte sich tapfer, wurde aber von den rohen Gesellen schwer miß­handelt und ihm neben kleineren Verletzungen, nach derCannst. Zig.* auch der Arm ausein­andergerissen. DerHeilb. Neckarztg." wird aus dem Hohen lohe'schen geschrieben, daß bet dm zahlreichen Wrinfnhrwerken, welche gegen­wärtig die Landstraßen beleben, die meisten Fuhr­leute mehr oder weniger betrunken sind. Einem derselben ist in Folge seiner Unachtsamkeit ein Faß mit 2 Eimern Wein auf die Straße ge­laufen. Ein schweres Verbrechen hatUnter­weis ach, OA. Backnang, dieses sonst so fried­liche Thal in Aufregung versetzt. Am Donners­tag nacht wurde bet der Seemühle ein Mann im Alter von 48 Jahren aus dem benachbarten Hohnweiler erschlagen in seinem Blute schwim­mend aufgefundm. Neben der Leiche fanden sich die Splitter des hiezu benützten Stocks, und es scheint, daß dieser Stock der Verräter wird.

Deutsches Reich.

* Karlsruhe, 6. Novbr. Wir können über einen Glücksfall berichten, welcher beweist.

Des Weinwirts Höchlerlein.

OriginalerzLhlung von Rich. Bachmann.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Einen fragenden Blick in das würdige ernste Gesicht des alten Spölling versenkend, stellte sie einen Leuchter mit flackernder Talgkerze auf den Tisch und dem Meister entging es nicht, wie ihr ein blasser Schrecken über das Antlitz zuckte, als er mit gedämpfter, feierlicher Stimme begann:

Ihr wißt, Peter Scharffenberg, daß es ein gar großes Kleinod ist, einen guten ehrlichen Namen in der Christenheit zu haben, und daß ein jedes rechtschaffene Menschenkind mit Eifer darüber wacht, daß ihm ein solcher, noch übers Grab hinüber erhalten bleibt." Peter Scharffen­berg nickte ernsthaft, Spölling redete aber unbeirrt weiter:Freilich nicht immer gelingt dies. Schon manchem Biedermann ist Ehr' und redlicher Name von einem gottvergessenen Buben geraubt und vernichtet worden, ohne daß es der Geschändete verhindern oder er wieder zu seinem guten Rechte gelangen konnte, denn so gilt eben die Rede:vor einem gemeinen Dieb kannst du dein Haus schließen und du bist sicher, aber ein Ehren­dieb ist schlimmer, denn er beraubt dich aus der Ferne."

Aber Meister Spölling," fiel der Schiffhauswirt verwundert ein, was soll's mit dem ? Hab' ich Euch doch mein Lebtag noch mit keinem Wort gekränkt, noch Eure» Namen nie anders, als mit Ehr' und Achtung im Munde geführt."

Es ist auch gar nicht meines Sinnes, Euch so etwas zum Vor­wurf machen zu wollen, Peter Scharffenberg. Aber für eines biederen Bürgers Pflicht Hab' ich's gehalten, Euch zu sagen, daß Ihr es seid, der einen solchen Ehrabschneider und Verleumder zum Eidam nehmen,

ja, Peter Scharffenberg, daß Ihr es seid, der einem grundoerdorbenen und lästerlichen Menschen sein einziges Töchterlein, die fromme Leni zum Weibe geben will."

Frau Kathrine seufzte ein beklommenesAch Gott!" und wendete das Gesicht nach dem Fenster, wohin sie sich begab. Sie wußte bereits, was jetzt folgen würde, und mochte dem grimme - Gemahl dabei nicht in's Auge blicken. Dem strengen Peter Scharffenberg aber war die Zorn­ader mächtig angeschwollen und mit schlecht verhehltem Grimm es machte ihm Mühe, aus Rücksicht auf Leni nur halblaut zu sprechen, sagte er:

Hei, seht mir doch, ich glaube gar Ihr habt's Euch in den Kopf gesetzt, bei mir für den diebischen Patron, den Martin, werben zu müssen, und seid dabei der kindischen Meinung, wenn Ihr nur den ehr­baren Herrn Steffens, aus Leibeskräften verdächtigt, so mag der Schiff- Hauswirt auf Eure Pläne emgehen. Ich aber sag's Euch rund heraus: Daraus wirb nichts. Gott sei's gedankt, daß es mit meiner Leni auf Besserung die Aussicht hat, ihr Leioen >ar ein schweres. Sollt ich doch des Glaubens sein, daß Ihr Besseres zu lhun wüßtet, als mit so vielen Aufhebens, die heimtückischen Thaten eines stockfremden Menschen in Abrede zu stellen, und mir unter die Augen zu sagen, daß Hcrr Steffens et, ich mag's nicht einmal nachsprechen, was Ihr frevel­hafter Weis' herausgeschwatzt habt. Ich will nichts hören von dem fremden Burschen, dem ich das Elend und den Jammer meines Kindes zu verdanken Hab'. Drum Meister Spölling, wenn's beliebt, so lest die Briefe Eures Gesellen, mit dem es sein kann wie es eben will zu Haus für Euch allein. Ich will nichts hören und damit Basta!"

Der alt Spölling spitzte den Mund zu einem überlegenen Lächeln