daß die Spezies der amerikanischen Erbonkel »och nicht ausgestorben ist, wenn auch wieder einer das Zeitliche gesegnetjjund in einer armen Familie der hiesigen Einwohnerschaft recht ver­gnügte Gesichter durch seinen Tod veranlaßt hat. Ein hiesiger Lumpensammler, namens Gunzenheimcr, Vater von 6 Kindern, ein braver fleißiger, aber blutarmer Mann, wurde zu seinem Erstaunen auf das Ministerium zitiert, wo ihm die Eröffnung gemacht wurde, daß er an der Erbschaft eines in England verstorbenen Ver­wandten, auf seinen Teil mit 2 Millionen Mark : etetligt sei. Ein ihm sofort überwiese­ner Vorschuß von 50000 M. enthob den vor Erstaunen Sprachlosen jeden Zweifels. Alte Kleider nnd altes Papier wird derselbe schwer­lich mehr sammeln.

* Wald sh nt, 7. Nov. Wer Glück hat, führt nicht bloß die Braut heim, sondern hie und da einen Gewinner in der Lotterie. In Unterlauchringen hatte ein Mann Bekanntschaft mit dem Gerichtsvollzieher gemacht und sollte schon die Versteigerung seiner Habseligkeiten statt­finden. Am gleichen Tage gewann er 10000 M. in der Lotterie! Machs ihm gleich einer nach!

* München. Wahlkuriosa werden jetzt, wie stets nach den Wahlen, von allen Seiten ge­meldet. In Kirchenlaibach (Wahlkreis Bay­reuth) wurde eine Stimme für die Pfarrers­köchin abgegeben. In Nemmersdorf stimmten von 148 wahlberechtigten ganze 3, und jeder dieser 3 gab seine Stimme einem andern Kan­didaten. Der Nemmersdorfer Wahlausschuß bestand laut Protokoll aus 6 Mitgliedern; es haben also selbst diese nicht alle gewählt. In Ortenburg (Wahlkreis Paffau) wurde bei 283 Wahlberechtigten keine einzige Stimme abge­geben.

* In einer Tabakfabrik in Nordhausen sind neun Arbeiter, welche bei der Reichstags­wahl sozialdemokratisch gewählt, entlassen worden.

* Frankfurt a. Di., 7. November. Bei der Stichwahl wurden 23032 Stimmen abge geben; hiervon erhielten Sabor (Sozialdemo­krat) 12165, Sonnemann (Volkspartei) 10 777 Stimmen. Sabor ist somit gewählt. (Bei der ersten Wahl erhielt Sonnemann 7384, Sa­bor 7967. Auf den nat.-ud. Kandidaten fielen 3601, den der Handwerkerpartei 1614, des Zentrums 1359. Es ist sonach, da das Zen­trum für Sonnemann stimmte, anzumhmen, daß eine ziemliche Zahl von Naiionalliberalen und Handwerkern für Sabor gestimmt haben, den sie als das kleinere Uebel ansahen.)

* Frankfurt a. M. Bei dem hiesigen Amtsgerichte sind zwei Prozesse anhängig ge­macht, welche durch einen launigen Zufall eine pomphafte Benennung durch die Namen der an sich schlichten Partei haben; der eine lautet: Reich gegen Kaiser*, während der durch diesen hervorgerufene zweite Rechtsstreit, welcher am Sonnabend in zweiter Instanz beim Landge­richte zur Entscheidung kommen soll, dagegen Kaiser gegen Reick* beißr.

* Köln, 7. Nov. Vergangene Nacht wurde im hiesigen Männerarresthause am Klingelplatz ein schändliches Verbrechen vollführt. Der be­rüchtigte Jerusalem brach mit zwei anderen Strafgefangenen zwischen drei und vier Uhr aus dem Schlafzimmer aus, dann überfielen sie den Aufseher Arnold und erwürgten ihn. Durch die Wache wurden alle drei festgenom­men. Der Ermordete war verheiratet und Vater von 4 Kindern.

* Hamburg. In diesen Tagen ist der einst hier angesehene Pianofortefabrik. Buschmann nach 12 Jahren Zuchthaus aus der Haft ent­lassen worden. Die Anklagesache machte auch außerhalb Hamburgs seiner Zeit großes Auf­sehen. Aus Haß gegen seinen Bruder hatte Buschmann diesem über dem Kopf das Haus in der Hochzettsnacht angezünder, so daß das Ehepaar nur mit großer Mühe das Leben rettete. Der Zweifel an dieser für unglaublich gehaltenen That war so verbreitet, daß der Verteidiger Buschmanns in einer Annonce weitere Entlastungszeugen zur Verhütung einesJustiz­mordes* aufries. Der Verteidiger, Dr. Wex, büßte diesen Ausdruck mit 4 Mon. Gefängnis.

Ausland.

* (Cholera.) Bon Paris, 5. Novbr., wird geschrieben: Eine bei ihrer Mutter in der Rue Coquilliere wohnende Arbeiterin wurde gestern abend von der astatischen Cholera be­fallen und war bereits heute früh eine Leiche.

* Paris, 7. Nov. Den Morgenblättsrn zufolge sind von Mittwoch bis gestern nachmittag vier, in zwei hiesigen Hospitäler 11 Cholerafälle, darunter sieben tödtlich, in andern Stadteilen mehrerc Choleraerkcankungen, darunter einige tödtlich, festgestellt worden.

* Paris. Ein von der Praxis zurückge­tretener Advokat hatte am Sonntag abend Kinder und Enkel, im ganzen 12 Personen auf sein Landgut zu sich geladen und saß nun mit ihnen an der Abendtafel, als eia Diener, der schon seit 25 Jahren in seinem Dienste stand, in den Saal stürzte u--d mit dem Ruf:Das ist für dich! zweimal auf seinen Herrn schoß. Ehe man dem Mittenden in den Arm fallen konnte, feuerte er noch einen dritten Schuß auf den Advokaten und erschoß sich dann selbst. Der Advokat erlag auch bald seinen Wanden und es ist noch unbekannt, welche Gründe zu dem entsetzlichen Drama geführt haben.

* (Russisches.) Ueber die Art, wie in Ruß­land ein Dorfgewaltiger Steuern eintreibt, be richten dieSsowr. Jsw.* : Während der letz ten Kriminalgerichtssesston wurde u. a. gegen einen Dorfältesten verhandelt, der die Abgaben­rückstände in origineller Weise eintrieb. Die säumigen Zahler wurden entkleidet auf den Schn.e kalt gestellt und dann warmgeprügelt. Wie er vor Gericht aussagte, war er zu solchen energischen* Maßregeln gezwungen, weil er für die faulen Zahler schon aus eigener Tasche 606 RubelR stanzien* beglichen hatte. Zeu

gen sagte» aus, daß die Prügel sich stets im Verhältnis zum Abgabenreste befanden. Für rückständige 5 Rubel gab es z. B. 10 Hiebe, für 10 Rubel 20 Hiebe.

* Von Madrid kommen Mitteilungen über ein furchtbares Unglück, das die kleine 2813 Einwohner zählende, in der Provinz Euenca gelegene Stadt Huete betroffen hat. Am 30. Oktober hatte dort die Heirat eines jungen Bauern stattgefunden, darauf war d^s Festmal in dem Hause der Eltern der Neuvermählten Frau eingenommen worden, und von da begab sich die zahlreiche Hochzeitsgesells^aft in ein anderes Haus, dessen ober- Räume zwar sehr eng, aber die etwa 60 Personen zu fassen im Stande waren, die die F.ier des Tages mit einem Ball beschließen wollten. Der obere Stock des Hauses war nur durch eine schmale Treppe zugänglich und die Zimmer desselben durch je zwei Lichter erleuchtet, hatten nur ganz kleine Fenster, wie sie in den Bauernhäusern gewöhnlich sind. In einem dicht an der Treppe gelegenem Raum des unteren Stockwerkes be­fanden sich eine Anzahl Rohrbündel, und diese haben sich auf bisher unerklärte Weise entzündet. Erst als die ganz: Masse des leichtentzunolichen Stoffes in Flammen stand und das Feuer oie Trepp: erfaßt hatte, wurde dasselbe oon der Wirtin des Hauses bemerkt. Die Benützung der Treppe war nicht mehr möglich, es blieben also nur die kleinen Fensterchen zur Rötung übrig. Der Rauch und Qualm erfüllte aber schnell das ganze Haus, löschte die Lichter und bewirkte in kurzer Zeit durch Erstickung den Tod von etwa 30 Menschen. Die anüe.en ver­mochten, wenn auch unter mehr oder minder schweren Verletzungen, das Leben zu Zetten. Von diesen Verletzten sind inzwischen noch mehrere gestorben, dagegen ist es gelungen, einige Hatb- erstickre wieder ins Leben zurückzurnfen, so daß nach den letzten Nachrichten die Zahl der Toten sich auf 2721 Frauen und 6 Männer die der mehr oder minder schwer Verwundeten auf 25 beläuft. Die junge Frau befindet sich unter den Toten, der junge Gatte unter den schwer Verletzten. Sofort nach Bekanntwerden des Aus­bruchs des Feuers eilte die ganze Bewohner­schaft des Ortes an die Unglücksstätte, und alle beteiligten sich an dem Rettungswerke. Aber trotz der Schnelligkeit des Eingreifens und der Energie derselben war es nicht möglich, das furchtbare Unglück zu verhindern.

* Wisconsin. Die letzte Indianer-Prin­zessin ist tot! In Arct-c Springs, auf dem Indianer-Gebiet zu Wisconsin starb Prinzessin Marie Nunka, eine Enkelin des grüßen Häupt­lings Decora, am 14. Oktober. Sie wurde um Mitternacht desselben Tages auf dem Land­strich begrabender zu denjQaellen gehört. Die erhebende Feier wurde vom Monde beleuchtet, der die bemalten Gestalten der Rothäute und die wilden Trauertänze des Stammes beschien, welcke um das Grab aufaiüübrt

Für die Redaktion verantwortlich: W. Rieker Altensteig.

und hämmerte, während der Erwiderung des SLiffhauswirts mit dem Briefpäckchen eifrig auf den Ttsck.

Gemach, gemach, Freund Scharffenberg,* Hub er an und suchte ihn, der sich erheben wollte, zurück zu halten.Zuvörderst will ich auf Euren hitzigen Ausfall nichts entgegnen. Ihr müßtet sonst schamrot werden, wenn Ihr die Worte laut sprechen hörtet, zu denen ich, versteht Ihr, Peter Scharffenberg, zu denen ich berechtigt bin, weil eben auch mein Name, mein altes solides Geschäft, mein ehrlicher, rechtschaffener Gehilfe Martin und wie ich nicht anders sagen kann auch Euer Töchterlein gerade nicht am wenigsten darunter zu leiden haben; ich meine unter dem bübischen Streich desselben Herrn Steffens, den Ihr als einen besonderen Ausbund von Tugend und Rechtlichkeit haltet und der doch, auch wenn er Eure Gunst besitzt, trotz alledem, durch diese Briefe hier, als ein ehrloser Schelm entlarvt wird. Schiffhauswirt! Hier diese Briefe sollt Ihr lesen: sie sind nicht von Martin, sondern von dem Kölner Juwelen-Geschäftshaus geschrieben worden. Ich hätt' in meinem gerechten Zorn den sauberen Patron, Euren Günstling so­gleich dingfest machen lassen; aber Peter Scharffenberg um Euretwillen wocht ich's nicht, sondern will erst Eure Meinung darüber hören; da lest, Frau Kathrine darf's schon hören, sie hat wie mich bedenken will, nicht wenig ausstehen müssen, weil Ihr mit Eurem Vaterherzen gar auf Unrechte Wege geraten wäret!*

Während dieser scharfen Zurechtweisung legte Meister Spölling die Briefe einzeln auseinander, so, wie sie nach der Reihenfolge gelesen, den besten Einblick in diese Angelegenheit bieten konnten. Psrer Scharffen­berg mochte kaum seinen Ohren trauen, aber das Auftr ten des alten Spölling war ein so sicheres, überzeugendes, daß er dessen Aeußerungen schon nicht mehr zu bezweifeln wagte. Die Lippen zusammengekniffen

folgte er jetzt mechanisch der Aufforderung des Meister Goldschmieds und hielt den ersten, der ihm entgegengeschobenen Briefe, hinter die flackernde Kerze und mit hinaufgezogenen Brauen begann er, doch nnr leise murmelnd zu lesen.

Frau Kathrine von dieser Wendung überrascht schritt bedächtig vom Fenster herüber und ließ sich auf ihren vorher inne gehabten Platz nieder. Gar seltsame Gefühle bestürmten ihr mütterliches Herz und mit Besorgnis sah sie bald dem alten Meister Spölling bald ihrem Ehegemahl ins Gesicht.

Die wenigen Minuten, während denen Peter Scharffenberg noch den ersten Brief las, ließ ihr die bange Erwartung zu einer Ewigkeit wer­den. Indes ihr beobachtendes Auge wollte bereits gewahren, daß Meister Spölling allen Ernstes nicht allzuviel behauptet haben konnte, denn die Züge des Lesenden nahmen einen recht sonderbaren, wechselnden Ausdruck an, von dem sich nicht mit Bestimmtheit sagen ließ, ob Ueber- raschung Aerger. Verlegenheit, Zorn, Scham oder Entrüstung in dieser Mischung die Oberhand gewinnen würden.

Peter Scharffenberg wendete jetzt den Brief herum und betrachtete aufmerksam dessen Außenseite, dann legte er ihn, die Stirn in krause Falten ziehend, vor sich hin. Kein Zweifel, Meister Spölling hatte gewichtige Zeugen ins treffen gebracht und es hatte seine Richtigkeit mit den Briefen.Hm," brummte er nachdenklich nnd blickte dem alten Spölling starr ins Gesicht.

Rund Wie gefällt Euch Euer zukünftiger Herr Schwiegersohn der ehrbare Herr Steffens? Gelt ein recht braves Männlein und der Martin ein schlechter Mensch, ein gefährlicher Dieb, der den hochherzigen und huma­nen St ffens an dem Geschenke für Eure Leni bestahl, damit er nach Eurer Meinung wie billig ins Gefängnis geworfen, gefoltert und Landes verwiesen werden konnte?* (Fortsetzung folgt.)