macht, daß eine nun 41jährige Frauensperson von ihren Angehörigen schon seit einer Reihe von Jahren, wie man sagt, seit der Geburt ihres nun 19 Jahre alten Sohnes, in einem finstern, stallähnlichen Raum auf der Bühne eingesperrt gehalten worden war, wo ihr halb­verfaultes Stroh als Lager diente; die Unglück­liche soll infolge der ihr zuteil gewordenen Be­handlung blödsinnig geworden sein. Der Bruder derselben wurde sofort in Haft genommen; ihre betagte Mutter entging dem gleichen Schicksal nur wegen ihres leidenden Zustandes. Welcher Geist in dieser Familie herrschen muß, beweist am besten, daß nicht einmal der eigene Sohn der Mißhandelten sich der Mutter annahm, viel» mehr noch ihren Peinigern durch seine Angaben hinauszuhelfen suchte.

* Von der Strafkammer zu Rottweil wurde am Samstag der vorm. Rentamtmann B. des Grafen von Bissingen-Nippenburg in Schramberg wegen Privamrkundenfälschung, Un­treue und Unterschlagung von Geldern (im Be­trag von 58,000 M.) zu einer Gefängnisstrafe von 5 Jahren verurteilt.

* Leutkirch, 13. Oktober. (Straßen­raub.) Gestern Abend wurden dem Käser Joseph Schupp von Jsny auf dem Fußweg zwischen Unter- und Oberzeil von einem unbe­kannten Thäter 3400 M., worunter 14 Hundert- Mark-Banknoten, vier Hundert-Mark-Rollen, das Uebrige in 10- und 20-Mk.-Stücken geraubt.

* Heilbronn. Der 38 Jahre alte ledige Taglöhner Christian Vogelmann aus Gott wollshausen, Gem. Geilenkirchen, OA. Hall, ist in das Arbeitshaus zu Vaihingen a. E. ein­gewiesen und, da es ihm in demselben gar nicht gefiel, anfangs September d. I. wieder aus demselben entwichen. Am 16. Sept. wurde er aufgegriffen und dem K. Oberamt Weinsberg vorgeführt von wo aus seine Wiedereinlieferung in das Arbeitshaus stattfinden sollte. Um die­sem Schicksal zu entgehen, beschloß er, den deut­schen Kaiser zu beleidigen, gegen welchen er im übrigen nichts einzuwenden hat. Den gefaßten Entschluß brachte er gegenüber dem Revisions- asststenten und dem Diener des Oberamts Weins­berg auf der dortigen Kanzlei zur Ausführung. Vogelmann brachte in der Verhandlung am 13. d. M. vor der Strafkammer hier vor, er wolle eben nicht mehr nach Vaihingen, er sei ja recht schlecht, dort aber werde man noch schlechter. Seine Heimatbehörde hat Vogelmanns Vorstrafen zur Vermeidung von Zeit- und Arbeitsaufwand drucken lassen; er hat 89 Vorstrafen erstanden. Vom Gerichtshöfe wurde 1 Jahr Gefängnis gegen den Angeklagten erkannt, womit dieser sich recht zufrieden erklärte.

* Nach einer Bekanntmachung des kgl. Ober­amts Heilbronn wurden in den Gemeinden dieses Oberamtsbezirks 1421634 Mäuse gefangen und abgcliefert. Die Gesamtkosten betrugen M. 16 245.. Unter diesem Betrag ist der auf M. 744.. stch belaufende Aufwand für Phosphorpasten und vergiftete Körner inbegriffen.

Die Zahl der vertilgten Mäuse ist weit größer als oben angegeben, weil die durch Gift getöteten Mäuse nicht abgeliefert wurden, also noch nicht gezählt werden konnten.

* Auf dem Gute Sailtheim (Mergent­heim) wurde vor einigen Tagen rin für unsere Gegend seltener Vogel, ein europäischer Kranich, erlegt. Derselbe mißt zwischen den beiden Flügel­spitzen 1,90 m und vom Schnabel bis zu den Zehen 1,45 in, hat aschgraues Gefieder und einen rotgezeichneten Kopf.

Deutsches Reich.

* Berlin, 13. Okt. DieNordd. Allg. Ztg.* reproduziert einen Auszug aus einem Artikel derTimes*, welcher das Verhältnis Nord­schleswigs bespricht und die Klagen der Dänen Nordschleswtgs als Schmerz und Leiden für die Ohren Europas bezeichnet. DieNordd. Allg. Ztg.* entwirft demgegenüber ein Bild der Verhältnisse Irlands und sagt: Es gilt heutzutage als ein weiser, sorgfältig beobachteter Grundsatz, sich der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates zu ent­halten. DieTimes* aber ist seit Jahren be­strebt, Deutschland zu schulmeistern, zu verletzen und ihm in Europa möglichst Feinde zu er­wecken. Die deutsche Presse wendete dergleichen Waffen England gegenüber nie an, obgleich die Gelegenheiten nicht fehlen würden, die englische Politik bei der europäischen öffentlichen Mein­ung zu verklagen oder doch anzuschwärzen. Die nordschleswig'sche Frage werde sich nur mit der Zeit zur Beruhigung beider Nationali­täten lösen lassen. Auf dem weiten Gebiet der englischen Politik existierten viele ähnliche Fragen, deren Lösung durch ausländische Ein­mischung nicht gefördert wird. Wir könnten in Afrika und anderwärts manche Anknüpfung finden, um an die öffentliche Meinung Europas zu appellieren.

* B er l in. 14. Okt. Für den Zusammentritt der Kongo-Konferenz ist das Ende Otkober oder der Anfang nächst m Monats in Aussicht ge­nommen. Gegenstände der Beratung sollen sein: 1) die Handelsfreiheit im Becken und an den Mündungen des Kongo, 2) die Adoptirung der Bestimmungen des Wiener Vertrags, betr. die freie Schifffahrt auf internationalen Strömen, auf den Kongo und Niger, 3) die Definition der Formalitäten, welche nötig sind, damit neue Okkuppatiouen an afrikanischen Küsten als effek­tiv angesehen werden.

Nach demBerl. Tagbl.* begibt stch der Afrikareisende Gerhard Rohlfs in diesen Tagen wiederum im Aufträge der deutschen Regierung nach Afrika zu einem zunächst drei­jährigen Aufenthalt und zwar in der Eigen­schaft eines deutschen Generalkonsuls. Die Ver­handlungen, welche zwischen der deutschen Regie­rung u. dem berühmten Gelehrten schwebten, waren bereits seit Mai jm Gange und seien geheim betrieben worden, lieber den Ort der Bestim­

mung, wohin Rohlfs gehen wird, sei noch nichts in die Oeffentlichkeit gedrungen.

Aus München wird der Dtsch. Z. be­richtet: Dem Maler Diefenbach wurde ein po­lizeiliches Strafmandat auf 10 M. Geldstrafe, bet Uneinbringlichkeit auf 2 Tage Haft lau­tend, wegengroben Unfugs* zugestellt. Der grobe Unfug* wird in der von Diefenbach ge- wählten auffälligen Kleidung (er trägt weiß­wollene Kleidung wie die Dominikaner und keine Kopf- und Fußbekleidung), gesucht.

* Braunschweig, 11. Okt. Der Herzog ist seit Freitag fieberfrei und sein Puls normal. Das Allgemeinbefinden gibt für jetzt keinen An­laß zur Annahme besonderer Gefahr.

* Bra « nschweig, 13. Okt. Die Braun­schweigischen Anzeigen melden: Nach gestern hier eingetroffener telegraphischer Nachricht ist im Zustande des Herzogs keine wesentliche Aende- rnng eingetreten, doch hat sich das Allgemein­befinden dem Anscheine nach etwas gebessert.

* (Ein Brtefmarder.) Aus Meid er ich schreibt man derDüsseld. Ztg.*: Bei der Durchsuchung der Wohnung eines verhafteten Briefträgers fanden sich über 300 Briefe vor, welche derselbe unterschlagen hatte. Dieselben wurden nachträglich den Adressaten zugestellt.

* Der Leichtsinn eines ungeratenen Sohnes hat in Hamburg ein betagtes Ehepaar in den Tod getrieben. Vor einigen Tagen zog man nämlich dort aus den Fluten ein älteres Ehepaar, welches sich auch noch im Tode fest umschlungen hielt. Man erkannte alsbald die Eheleute Pfandleiher Schreiber; dieselben waren aus Gram gemeinsam in den Tod gegangen. Ihr einziger Sohn, ein Studiosus, hatte in leichtfertiger Weise den Wertschrank des Vaters, der fremde Pfänder enthielt, erbrochen und war, da die Sache publik wurde, zu Gefängnisstrafe verurteilt worden. Die Dache hatte selbst das Reichsgericht beschäftigt. Die Eltern nahmen sich den Fall so sehr zu Herzen, daß sie ge­meinsam den Tod suchten.

Ausland.

* Der 9. Oktober war ein bedeutungsvolles Datum, denn an jenem Tag wurde vor zehn Jahren zu Bern von den Post-Verwaltungen Europas, der Vereinigten Staaten und Egyptens der erste Postvereins-Vertrag unterzeichnet. Der Weltpost Verein konnte somit am Donnerstag sein zehnjähriges Jubiläum feiern und in diesen zehn Jahren hat diese außerordentliche Schöpfung hinreichende Beweise ihrer eminenten Lebens­fähigkeit gegeben, so daß künftige Geschlechter 1974 das lOOjähr. Jubiläum des Weltpost- Vsreins feiern werden können.

* Der Wirt Studerusz. Grütli* inFrauen- feld befand stch mit seinem 15jährigen Sohne auf der Jagd im Astholz. Der Sohn kehrte, wie es scheint, ohne daß der Vater etwas da­von ahnte, durch den Wald zurück. Plötzlich schlug der Hund an, und Studerus gab nach einer Stelle, an welcher ei- sich etwas bewegen

Des Weinwirts Höchlert'ein.

Origmalerziihlung von Mich. Bachmann.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Unter Beihilfe der stillen, regsamen Magd war Leni wieder ins klare Bewußtsein zurückgerufen worden. Als sie die Augen aufgeschlagen und Steffens nicht gewahrend, ängstlich um sich blickte, flüsterte sie leise: Dem Himmel sei Dank, daß er fort ist.*

Steffens trat näher heran.O, welches Glück liegt für mich in diesen Worten ausgesprochen, teuerstes Wesen. Euer zärtliches Flüstern beseligt mich und läßt mich den Aufgang meines guten Sternes hoffen,* begann der blaffe Kaufmann.

Hinweg, Unheimlicher,* rief Leni erschreckt und raffte stch empor. Hinweg, sag' ich Euch, Euer gleißender Blick tötet mich. Ihr treibt ein frevelhaftes Spiel.* Leni bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und sank erschöpft zurück in die Kiffen.

Sie redet im Fieber*, stieß Steffens verlegen hervor und sah mit lauerndem Blick auf Kathrine, die der Jammer überwältigte.

Schmerzerfüllt faßte sie Leni an den Armen und klagend rief sie aus:

Leni, Leni, mein Kind, wie habe ichs um Dich verdient, daß Gotl solch schweres Schicksal über uns kommen läßt?*

Leni antwortete nicht. Ihr Busen hob stch in tiefer Erregung und nur ein schmerzliches Stöhnen klang von ihren Lippen.

Die Enttäuschung hat Leni zu tief erschüttert. Ich will einen Arzt rufen lassen,* uahm Steffens das Wort und befahl der bestürzt dastehenden Magd sogleich einen ihm befreundeten Arzt herbeizuholen.

Laß es nur sein.* rief Leni bestimmt und ihre Gestalt richtete sich stolz empor, daß Frau Kathrine betroffen zurückwich.

Herr Steffens,* begann Leni mit zuckenden Mundwinkeln und der Ausdruck ihrer Worte klang so scharf und durchdringend, wie ihr Blick die dunkeln unheimlichen Augen in Steffens blassem Gesicht zu durchbohren schienen. Sie hielt die Hand auf ihr stark klopfen­des Herz:

Es ist vorüber und ich danke Euch für Eure Besorgnis. Aber noch ein Wort, Herr Steffens, und Ihr werdet mir hoffentlich eine Antwort, wie ich solche wünschen muß, nicht vorenthalten wollen.*

O, tausend Dank für Euer Vertrauen, unendlich geliebte Leni. Fraget was Euch beliebt, ich will mein Herz offenbaren und kein Ge­danke sei darin verborgen vor dem Weibe, das ich sterblich liebe, und mehr noch als mein eigenes Leben,* versetzte Steffens geschmeichelt und trat auf Leni zu, ihre Hand zu erfassen. Leni wich zurück und sagte:

Wenn Ihr mich liebt, so liebt, Herr Steffens, wie Ihr vorgebt, und ich Euch nun sage, von dem Augenblick an, wo Ihr mir das Geständnis macht, daß Martin unschuldig, daß Ihr nur ein verdammens- wertes Spiel mit dem Unglücklichen getrieben, um ihn zu vernichten, da­mit Ihr desto sicherer mich für Euch gewinnen möchtet; wenn ich nun, nach solchem Eurem Zugeständnis Euch meiner Gegenliebe versicherte, und dann erklärte. Euer Weib werden zu wollen, was vermöchtet Ihr auf diese Frage zu antworten?*

Peter Scharffenberg war unbemerkt in das Zimmer getreten und hatte Lenis Worte mit angehört. Herr Steffens sah betroffen zu Bo­den, dann als er Scharffenberg erblickte, begann er mit erkünsteltem Lächeln:

Leni, fast könnte die verzehrende Glut meiner Liebe zu Euch mich zum Lügner werden lasten, wie Ihr es Wünscht, um mich Eurer Hand zu versichern und somit der glücklichste Manu auf der Erde zu sein.