Maschinist beim Mittagsbrode saßen, einige Probeversuche an einer Lokomotive vorzunehmen. Die Lokomotive setzte sich in Bewegung. Dem Weichenwärter erging es wie dem Zauberlehrling : „die ich rief die Geister, werd ich nicht mehr los!" Der geängstigte Mann brachte die Maschine nicht mehr zum Stehen und mußte eine kleine unfreiwillige Fahrt mitmachen, bis eine Entgleisung auf einer Drehscheibe dem Abenteuer ein Ende setzte. Der langjährige pflichttreue Angestellte soll sich aus Furcht vor Bestrafung geflüchtet haben.
* (Verunglückte Bergsteigerin.) Aus Z ür iich berichtet man: Eine junge Engländerin unternahm mit ihrem Bruder von Bex aus eine Bergtour nach dem Diablerets, ohne die ihr erteilten Warnungen zu beachten. Sie stürzte etwa 200' hinab und war augenblicklich tot.
* London, 11. Okt. An die Kommandanten der englischen Schiffsstarion in den australischen Gewässern sind telegraphische Befehle ergangen, sich nach Neuguinea zu begeben und das englische Protektorat über die Südküsten nebst den benachbarten Inseln zu proklamieren. Ansiedelung für jetzt nicht gestattet.
* Tobolsk. An der russisch-chinesischen Grenze, unweit des Amur, 12 Meilen von der Grenze an der chinesischen Seite, sind neue Goldfelder entdeckt worden, und die Russen, die sich über den Uebertritt der Chinesen auf ihre Seite so oft beklagt haben, strömen Massen hafr dem neuen chinesischen Eldorado zu.
Handel rmd Verkehr.
* (Herbstnachrichten.) Brackenheim, 9. Okt. Käufe zu 119 bis 120 Mk. per 3. Hktl. — Horrheim, 9. Okt. Schon viele Käufe zu 125 bis 136 M. per 3 Hktl. — Klingend erg. St. Nordheim, 11. Oktbr. Einige Käufe zu 150 Mark per 3 Hektl. — Großbottwar, 10. Okt. Heute wurde für Frühgewächs (Schwarzrtßling) der erste Kauf von einem Wirt in Winnenden abgeschlossen. Derselbe bezahlte für 3 Hktl. 140 M. — Cle e- bronn, 10. Okt. Vieles am Stock verkauft zu 110—123 M. pr. 3 HM. schwarzes Gewächs, Ausstich bis zu 160 M. Gewicht 96°.
— In 41 Weinorten des Remsthales mit einem geschätzten Gesamt-Erzeugnis von 47 000 Hktl. beginnt die Weinlese am 16. Okt., in 10 Weinorten des Bezirks Besigheim am 13. Okt., in Heilbronn und in 46 weiteren Weinorten des unteren Neckarthales am 15. Okt.
* Heilbronn, 11. Oktober- Obst- und Kartoffelmarkr. Bei dem heutigen Markte stellten sich die Preise berm Obst: Aepfel 4 M. 70 Ps. bis 5 M. 50 Pf., Birnen 4 M. 90 Pf. bis 5 M. — Pf., gem. Obst 3 M. 90 Pf. bis 4 M.
— Pf., gebrochenes Obst 7 M. — Pfg., bis 9 M. —Pf. pr. Ztr. Kartoffeln, gelbe 1 M. 80 Pf. bis 2 M. 20 Pf., blaue 2 M. 80 Pf., bis - M. - Pf., Wurstkartoffeln 2 M. 10 Pf. bis 2 M. 30 Pf. per Zkr. Gute Eßkartoffeln sind erwünscht.
Vermischtes.
* (Im Landgericht.) Staatsanwalt, Ihnen sind also verschiedene Gegenstände gestohlen worden, darunter auch dieses Sacktuch da; ja woran erkennen Sie dasselbe?- — Kläger: „An der Farbe.- — Staatsanwalt: „Das ist aber kein Beweis, denn ich habe auch ein Sacktuch in der Tasche, das ganz genau dem Ihrigen gleicht.- — Kläger: „Das ist möglich, es waren mir ja mehrere gestohlen worden."
* (Germania auf dem Meere.) Die „Gartenlaube- bringt in ihrer neuesten Nummer folgendes überaus schwungvolle, von vaterländischer Begeisterung durchglühte Gedicht von Emil Faller:
„Wir saßen so meerweit zerstreut in der Welt,
Ein fahrend Volk Kolonisten,
Wir bauten dem Fremden das wildeste Feld,
Schon froh, nur das Leben zu fristen.
Wir saßen verwaist und beachtet kaum,
Und glaubten Dich nie zu schauen im Traum, Germania, auf dem Meere.
Da hörten die Mär' wir von wildem Kampf Und Deinen gewaltigen Siegen;
Wir hörten, wie mitten aus Pulverdampf Eine neue Zeit Dir gestiegen.
Und wie Deiner prächtigen Tannen Holz Dich trug schon überall kühn und stolz,
Germania, auf dem Meere.
Hei, schwieg da des Auslands spottender Scherz Bei Deiner Gewehre Knattern!
Hei, regte sich froh unser deutsches Herz Und ließen Dein Banner wir flattern!
Wir scheuten der Fremden Grimm nicht mehr:
Deine mächtige Stimme drang zu uns her, Germania, auf dem Meere.
Und wir riefen nach Dir, gleich wie im Traum:
„O Mutter, lass' Dich bewegen!
Komm! Schaff' uns ein Heim und schaff uns Raum^ Für Dich hier die Hände zu regen!
An ferner Küste, am fernsten Port Lass' bauen die Söhne Dir Hort an Hort,
Germania, auf dem Meere.
Und siehe, nun kommst Du, nun bist Du da!
Wie flott Deine Wimpel uns grüßen!
O, steh hier, uns Kinder von fern und nah,
Im Geiste Dir alle zu Füßen!
Wir küssen Dein Kleid Dir, die teure Hand,
Wir küssen in Dir unser Vaterland.
Germania, auf dem Meere.
Zwar ist kaum entflogen Dein Aar dem Forst,
An fremder Kiste zu nisten;
Zwar schaart er erst spärlich im neuen Horst Uns fahrend Volk Kolonisten;
Doch hast Du's begonnen. Du hast's gewagt;
Deß sei Dir heut' jubelnd Dank gesagt,
Germania, auf dem Meere.
Uns trieb einst der schaffende Zeitgeist fort,
Der Bildung Samen zu streuen;
Er treibt auch und drängt Dich von Ort zu Ort, Daß wir Deines Schirmes uns freuen,
Bis Dich eine blühende deutsche Welt Als Mutter grüßt, die sie zusammenhält,
Germania, auf dem Meere.
D'rum jubeln wir heut' Deinen Thaten zu.
Als eine Wende der Zeiten.
Kühn galt es nach langer Kyffhäuserruh'.
Zum harrenden Ziele zu schreiten,
Und stolz nun erkennst Du, wozu Deine Macht: Zum Weltberuf bist Du erst voll erwacht,
Germania, auf dem Meere!"
Für die Redakiiou verantwortlich: W. Rieker, Altensteig.
ab. Auf der Anklagebank saß ein abgehärmtes Weib in den Dreißiger-Jahren, der Not und Elend aus allen Zügen sab. Auf ihrem Arme trug sie ein kleines Kind, das ebenso abgezehrt war wie die Mutter. Die Fra« hatte gebettelt, war geständig und mußte gestraft werden. Das Urteil lautete auf 3 Mark Geldstrafe oder einen Tag Haft. Als die Frau die Anklagebank verließ, rief sie der Vorsitzende, Amtsgertchtsrat Mollinari, an den Ricbtertisch und drückte ihr mit den Worten: „Kaufen Sie sich etwas zu essen!- einige Markstücke in die Hand. Die Schöffen folgten sofort diesem Beispiel und händigten der Frau ebenfalls eine Unterstützung ein. Mit Thränen des Dankes in den Augen verließ die Verurteilte den Sitzungssaal.
* Bei der Mondfinsternis am 4. ds. saß in Berlin eine Skatgesellschaft beisammen, die sich durch dieses Weltereignis in ihrer Gemütlichkeit nicht stören ließ und ruhig sitzen blieb, während alle anderen Gäste der Restauration hinausströmten. Einer davon war ein Kahlkopf. Der Wirt, ein Spaßvogel, stellte sich mit der Uhr neben die Spieler und als der Zeiger den Eintritt der Mondfinsternis anzeigte, stülpte er dem Kahlkopf einen Hut auf mit den Worten: „Hier meine Herren, haben Sie die Mondfinsternis und gleich die totale." Diese Privatmondfinsternis erregte vielen Spaß und hatte sich einer großen Anzahl von Beobachtern zu erfreuen, bis genau mit Schluß der wirklichen Mondfinsternis auch diese ihr Ende fand, indem der Wirt den Hut wieder von dem Kopfe nahm.
* (Schlecht gewählter Versteck.) Aus Lindau 4. Okt., schreibt man: Heute Mittag wollte ein Polizeisoldat ein Individuum wegen Bettels rc. festnehmen, der Stromer ergriff aber die Flucht und versteckte sich in einem Hause; aber, o welche Täuschung für ihn, er war seinem Schicksal nicht entgangen, denn er war in den Polizeiarrest geraten, dessen Thüre zur Aus- lüftung geöffnet war.
* Im Wirtshaus zuBalbersdorf (Bayern) wurde durch einen gewissen Seidl aus Kolmberg eine Rauferei in Szene gesetzt, die in ein wirkliches Gefecht überging. Im Gastzimmer selbst wurden an 15 Revolverschüsse abgefeuert. Andere schossen zu den Fenstern herein, Mistgabeln und Metzgerbeile dienten als Waffen im Handgemenge. Sechs Personen blieben schwer verwundet am Platze.
* lieber die vielbesprochene Frau v. Kolemine) hat ein Fräulein Wothe in Leipzig eine Schutzschrift erscheinen lassen. Nach dieser steht die Dame einem interessanten Ereignis entgegen und ist das der wahre Grund, warum sie gegen die Ehescheidung rekurriert hat.
Ausland.
* Aus Zürich wird der „N. Z. Z." folgender Vorfall erzählt: Ein neugieriger Weichenwärter hatte den Einfall, während Heizer und
Umsonst bat er noch, man möge Meumgst zu Memer spölling schicken, damit durch dessen Ausspruch sofort seine Unschuld bestätigt und ihm die zugedachre Schmach des Gefängnisses erspart bleiben möchte, — umsonst, Martin mußte der Aufforderung, sich zu erheben, Folge leisten. Einige Momente genügten, und unter dm rohen Händen der Häscher war er aus dem Schiffhause nach dem Gefängnis abgeführt.
Mit einem durchdringenden Aufschrei des Entsetzens war Leni zu Boden gesunken. Sie hatte vergeblich Herrn Steffens beteuert, baß Martin des ihm zur Last gelegten Verbrechens ganz gewiß nicht schuldig sei.
Frau Kathrine hatte das Getöse der streitenden Männerstimmen vernommen, und war die Stiege herabgeeilt. Zitternd vor Schrecken erblickte sie Leni, die leblos ihr entgegen und hinauf in das Wohnzimmer getragen wurde.
„Dieser unheimliche Fremdling bringt uns um unsere Ehr' und unser einziges Kind!" knirschte Peter Scharffenberg, „er hat unsere Leni verblendet, daß sie jetzt den erwiesenen Dieb noch zu verteidigen sich nicht schämt. Jetzt kannst stolz sein, wenn stchs die Dirnen am Markt- brunnen laut zulachen, daß der reichen Scharffenbergerin Tochter eines grundverdorbenen Mannsbilds Zuhälterin ist.
„O du barmherziger Himmel, will mirs doch mein armes Herz zerreißen," jammerte Frau Kathrine und rang trostlos die Hände.
Traurig wankte sie hinter den Männern, welche Leni trugen, die Treppe hinauf. Herr Steffens, tröstende Worte machend, folgte ihr.
Allgemeine Bestürzung hatte sich der ehrbaren Väter in der Schoppenstube bemächtig!, fragend schauten sie einander an und als Steffens zurückkehrte, wurde er von allen Setten um Aufklärung bestürmt.
Mit großer Entrüstung erzählte er. daß ihm von einem bei Meister Spölling zur Gravierung abgegebenen Armband, dessen edles Gestein vom
Meister genau vestchugt und als cql bezeichnet uwroen, oieje», von ihm schon lange als verdächtig bezeichnten Burschen, der die Gravierung besorgt habe, vier Brillanten ausgebrochen und dafür unechte Stetne ingesetzi worden seien.
Niemand mochte sogleich den leisesten Zweifel gegen diese schwere Beschuldigung erheben, zumal Steffens versicherte, Meister Spölling sei selbst ganz außer sich und wisse zu gunsten seines Gehilfen keine Erklärung über den Verbleib der echten Steine zu sgeben. „Ich habe es damals ja gleich gesagt nach dem Brande des Nachbarhauses drüben — und die Herren werden es bestätigen können — daß wir noch .manches von dem verdächtigen Burschen erleben könnten. Wer hätte aber geglaubt, daß dieser Mensch mich zuerst benachteiligen würde," schloß Steffens.
Dann ging er wieder hinauf nach Scharffenbergs Wohnzimmer, wo Leni noch lag; er wollte sich überzeugen, ob sie sich vielleicht wieder vollständig erholt habe.
Während nun die Gäste ihre Verwunderung aussprachen, einzelne noch eine glückliche Lösung dieser unentwirrbaren Frage für möglich hielten, ja sogar wünschten, ergingen sich andere in Lobeserhebungen, über die charfe Urteilskraft des Herrn Steffens, da er es doch auf Grund seiner Wahrnehmungen vorausgesagt Hab;, daß es mit Martin ganz gewiß noch ein böses Ende nehmen müsse.
Während dieser Zeit war Herr Steffens an Lenis Lager getreten. Er versicherte der weinenden Frau Kathrine seine innigste Teilnahme, schilderte in kurzen Umrissen den Hergang der Sache und die Gefahren, die eines so gottlosen Menschen Nähe für jedes redliche Menschenkind in sich berge.
(Fortsetzung folgt.)