Orgien gefeiert und die Nacht mit Tanz und Spiel zugebracht wurde, bis die für Düttling zusammengebettelte Summe Rump und Stump verpraßt war- Wahrlich, es finden sich nach­gerade Elemente in der Residenz zusammen, die die dem ordnungsliebenden Bürger bange machen können."

* Stuttgart. 10- Okt. (Schwurgericht.) Fall Bommas. Der Gerichtshof ist wk bisher zusammengesetzt. Die Anklage vertritt Staats­anwalt Herrschner, die Verteidigung führt R.A. Konrad Hausmann. Der Angeklagte giebt an, daß er Eugen Bommas heiße, von Stuttgart gebürtig, Postpraktikant und 22 Jahre alt sei. Die Anklage geht auf erschwerte Amtsunter­schlagung, indem er in der Zeit vom 19. bis 20. Oktober 1883 im Postamt Nr. 3 (Haupt- stätterstraße) vier Geldbriefe und 1 Wertpacket mit einem Inhalt von zusammen 10,809 Mark, die ihm zur Beförderung übergeben waren, an sich nahm und stch den Inhalt zueignete. Die Unterschlagung suchte er durch falsche Einträge in das Einschreibebuch zu verdecken. Der Ange­klagte war nach Ablauf seines Probejahres an­fangs August vorigen Jahrs mit halbem Tag­geld (1 M. 50 Pfg.) eingestellt als Postprakti­kant 2. Kl. und erhielt außerdem von seiner Großmutter eine kleine Gelbunterstützung von 12 M. 50 Pfg. pro Monat. Wegen Drüsen­leidens kam er in besondere Ausgaben und machte Schulden. Einem Freund, namens Brosse, übergab er nach Ausführung der Unterschlagungen 200 M. zu Anschaffung der nötigen Reisebe- dürfnifse, auch löste ihm dieser eine Elsenbahn­fahrkarte nach Linz und Venedig, stieg in Stutt­gart mit demselben ein und übergab sie ihm in Cannstatt, wohin sich der Angeklagte um nicht erkannt zu werden, vorausbegeben hatte. (Brosse wurde vor etwa einem halben Jahre wegen dieser Beihilfe von der Strafkammer des Kgl. Landgerichts zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.) Bon Venedig reiste Bommas durch Italien nach Palermo, schiffte stch nach Nordafrika ein und wurde in Tunis angehalren, aber wieder freigelassen. Von hier ging er über Algerien nach Gibraltar und Lissabon, von da nach Paris und London, von wo er stch nach New- Kork einschiffte, nachdem ihm ein Bersuch nach Südamerika zu gelangen, wegen Mangels an den nötigen Legitimationspapieren mißlungen war. Anfangs Februars d. I. kam er in New- Nork an, mußte aber schon nach wenigen Tagen wegen seines Drüsenleidens stch in ein Hospital aufnehmen lasten, wo er bis Anfang Juni blieb und dann nach 10 Tagen von einem Detektiv aufgespürt und verhaftet wurde. Es wurden nur 280 Dollar bei ihm gefunden. Ausliefe­rung und Rücktransport in die Heimat verur­sachten einen Kostenaufwand von 2840 Mark. Der Angeklagte ist geständig und erkennt die falschen Einträge in das Einschreibebuch an. Der Verteidiger beantragt eine Frage nachdem Vorhandensein mildernder Umstände, vor deren BejahungHerr St.A. Herrschner die Geschworenen

warnt. Der Verteidiger stützt stch hauptsäch­lich darauf, daß der Angekl. keine Verschwen­dung getrieben, daß er im Gegenteil nach seinen Angaben in der Voruntersuchung manch mal gehungert habe. Beweis, daß man es nicht mit einem sittlich verkommenen Manne zu thun habe, sei ein gefühlvolles Gedicht, welches der Angekl. am Allerseelentag auf den Tod seiner Eltern verfaßt habe. Nach längerer Be­ratung bejahten die Geschworenen die Schuld» fragen, sowie diejenige in Bezug auf mildernde Umstände, und der Gerichtshof verurteilte den Angeklagten demgemäß zu 4 Jahren und 6 Monaten Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust.

* Da eine für das dienstliche Bedürfnis ge­nügende Anzahl von Eisenbahn- Postpraktikanten im Fachbildungsdienst stch befindet, beziehungs­weise aus den hiefür vorgemerkten Bewerbern einberufen werden kann, so wird in diesem Jahr eine Aufnahmeprüfung für den Dienst der Verkehrsanstaltm nicht ab geh alten.

* (Staatsschuld.) Am 31. März 1883 be­trug die württ. Staatsschuld 422166 010 M- 74 Pfg., gegen 423 751761 M. 44 Pfg. im Vorjahr, somit ergibt stch eine Verminderung der Staatsschuld von 1585 750 M. 70 Pfg.

* JnRottwetl wurde am 8. d.der38jähr. Maler Emil Merz beerdigt, der in der Schlacht bei Champigliy einen Schuß ins Knie erhalten hatte, und während das Kampfgemüh! zu seinen Seiten tobte, durch Kälte und Wundsteber ge­peinigt, mehrere Stunden liegen geblieben war, bis er beim Rückzuge der Franzosen aufgefun­den und in Gefangenschaft nach Paris geschleppt wurde, wo er 13 Wochen schmachtete. Wenn auch die Wunde heilte, so brach sie doch zeitweise wieder auf und führte schließlich Siech­tum und den Tod herbei. Der Verstorbene, dessen Bestattung mit militärischen Ehren er­folgte, hinterläßt eine Witwe mit 5 Kindern.

* Das Schwurgericht in Ravensburg verurteilte den Amtsnotar Maier von Friedrichs­hofen wegen Unterschlagung von Sporteln und unberechtigter Gebührenerhebung zu IV» Jahr Zuchthaus, 320 Mark Geldstrafe und zum Ver­lust der bürgerlichen Ehrenrechte auf 3 Jahre.

* Ulm, 9. Okt. Bei einer heme früh un­vermutet durch die Polizei vorgenommenen Visi­tation sämtlicher zur Stadt gebrachten Milch war von ca. 360 untersuchten Milchen auch nicht eine zu leicht, gewiß ein sehr erfreuliches Ergebnis.

* Ulm, 10. Okt. Heute Nachmittag wurde der wegen betrüglichen Bankerutts verfolgte Lederhändler R. Scheiffele etngeliefert. Dem­selben hat es in Amerika, wohin er sich ge­wendet, nicht behagt und ist er deshalb zurück- gekehrt.

* (Verschiedenes.) In Böhringen fiel am S. d. M. ein 8 Jahre alter Knabe von einem Wagen gerade unter die Räder. Er erlitt so schwere innere Verletzungen, daß er im Verlauf einer Viertelstunde sein jugend­liches Leben aushauchte. InRetchenbach

Des Weimvirls Höchterlein

Originalerzählung von Rich. Bachmann.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

»Aber Leni, herziges Kind, glaubst du denn, daß Steffens stch auch ruhig abweisen und auf seine, von deinem Vater so sehr begünstig ten Ansprüche verzichten wird?" frag Martin immer noch im Tone bangen Zweifels.

»Ei, was thut's, wenn er auf die Gunst meines Vaters pochen sollte?" lächelte Leni; »steh doch, sein eitles Gaukelspiel kann mich nicht blenden, und die Gewalt des Vaters? Martin, lehrt's uns bisher nicht die Erfahrung, daß sie den Widerstand der Tochter stärkt?"

»Du bist so stolz und kühn, Leni, o möchte dich der Himmel für deine Liebe segnen. Ich bin zu schwach, dir zu vergelten, wie es dein gutes Herz verdient."

Peter Scharffenbergs Stimme ließ stch vernehmen. Leni folgte seinem Rufe. Einige Augenblicke später vetrat Martin grüßend die Schoppenstube und nahm in der gewohnten Ecke Platz. Er vermißte Herrn Steffens unter den zahlreich Anwesenden. Sein Blick heiterte stch auf bet dem Gedanken, daß Leni ihm treu bleiben und der stolze Kaufherr eine unausbleibliche Niederlage erleben werde.

Aber was denn, wenn Peter Scharffenberg es aufs äußerste trei­ben und seine Drohung zur Wahrheit machen wollte, und wenn Leni allen Stürmen trotzen, ihm treu zu bleiben, lieber den Zorn des Vaters über stch ergehen lassen würde, was dann? Mußte er stch nicht dann als den Urheber des Unglückes betrachten, in welches Leni hineingestoßen wurde?

Unter solchen und ähnlichen Gedanken hatte Martin noch nicht eine

wollte ein junger Mann von Baltmannsweiler die Scheunenletter Hinaufstetgen um nach Tau­ben zu sehen. Als er 68 Sprossen erstiege« hatte, fiel er die Leiter herunter, brach das Genick und war alsbald tot. In Franken» bach verletzte ein auf dem Felde arbeitender Taglöhner seinen Mitarbeiter schwer, indem er ihm nach vorausgegangenem Streite mit dem Karst auf den Kopf schlug. Einer munteren Gesellschaft in Ravensburg, welche am letzten Sonntag einen Ausflug nach Gornhofen machte, passierte auf dem Heimweg das Miß­geschick, daß der Omnibus, in welchem sie fuhr, an einer schmalen Stelle der Straße umstürzte und sich eintgemale überschlagend, die Böschung hinunterfiel. Die Insassen, Herren und Damen, wurden bet dieser Gelegenheit tüchtig durchge- schüttelt, erlitten aber, mit Ausnahme einer zerbrochenen Guitarre, keinen nennenswerten Schaden. Der Omnibus selbst aber ging m Trümmer. Ein Glück war es noch, daß der Vorderwagen stch ausgehängt hatte und so oie Pferde nicht mitgerissen wurden. In Hei- denheim gab es zwischen einem Arbeiter, der sein Mädchen heimbegleitete, und einem Anhauser Müllerburschen Streit. Letzterer wollte ersteren über den neben der Straße herführenden er­höhten Fußweg hinabwerfen, letzterer aber zog das Messer und versetzte ihm mehrere Stiche in den Kopf. Das anderthalb Jahre alte Böhnchen einer armen Ravensburger Taglöhnersfamilie ist in einem unbewachten Augenblick in den daselbst befindlichen Flattbach gefallen und ertrunken.

Deutsches Reich.

* Zur Erkrankung des Herzogs von Braun- schwetg wird aus Braun schweig berichtet, daß dorthin die Kunde von einer allgemeinen Krästeavnahme des Herzogs gelangt sei, welche Besorgnisse errege. Die Braunschweigische Erb­folgefrage wird dadurch wieder in den Äorder- grund gerückt. Bekanntlich ist für den Fall des Ablebens des Herzogs zunächst durch oas Regentschaftsgesetz vom 15. Februar 1879 Vor­sorge getroffen. Danach har ein aus den Mit­gliedern des Ministeriums, dem Landtags- Präsidenten und dem Präsidenten des Ober- landesgcrichts bestehender Regem schaftsrat als­bald die Regterungsgeschäfte zu übernehmen; der Landtag des Herzogthums hat binnen Jahres­frist einen Regenten aus der Zahl der nicht re­gierenden Mitglieder der deutschen Fürstenhäuser zu wählen, sofern der »Thronfolger" die Re­gierung nicht ««treten kann. Daß Letzteres gegenwärtig auch dann zutreffen würde, wenn man den Herzog von Cumberland als den Thron­folger betrachtet, darüber bestand bei dem Er­laß des Regentschaftsgesctzes kein Zweifel, nach­dem der Sohn' es Königs Georg auch nach dem Tode des letzteren bekundet hatte, daß er das deutsche Reich rächt anerkennt.

* Bor demBe rli ner Schöffengericht spielte stch am Montag nachfolgende geschilderte Szene

ganze Stunde rrn Schoppenstüble gesessen, als Herr «sreffenS am zur Schau getragener Bestürzung hereintrat und suchenden Blickes das Zim­mer durchforschte.

Kaum entdeckte sein kalt blickendes Auge Martin in der bescheide­nen Ecke als er zurück nach der Thür stürzte und diese heftig auf­reißend, hinaus in den Flur rief:

»Herein, ihr Männer, jetzt soll uns der Dieb nicht entkommen!"

Zwei bewaffnete Amtspersonen folgten diesem Rufe und dem Winke Steffens, der jetzt Martin gegenüber trat.

»Unseliger Mensch, wo habt Ihr die Brillanten, die Ihr aus meinem Armband entwendet und durch falsche unechte Scherben zu er­setzen Euch erkühntet?" schrie Steffens wild und versuchte Martin bei der Brust zu fassen.

Martin stieß den Wütenden zurück, daß er zwischen die Stüble taumelte, dann erklärte er mit sicherer Stimme, daß ihm eine solche Frevelthat, wie sie ihm durch den wildgeifernden Steffens zur Last ge­legt werde, niemals in den Sinn kommen könne. Das fragliche Arm­band trage allerdings unter den echten auch vier falsche Steine, das habe er gestern Abend, als er damit beschäftigt gewesen, gesehen und möchte stch Herr Steffens nur dort erkundigen, wo er es gekauft habe.

»Äerruchter Lügner", kreischte Steffens mit heiserer Stimme, »Meister Spölltng selbst bestätigt mir, daß »>ur echte Steine auf dem Armband stch befunden haben. Das Gericht wird Euch schon zum Ge­ständnis Eurer Dieberei bringen. Schafft den Burschen in sicheren Gewahrsam!" herrschte Steffens den Amtsdtenern zu und in wenigen Augenblicken war Martin der stch das Zeugnis einiger Anwesenden für die ihm widerfahrenden Beleidigungen erbat, was ihm auch gern zu­gesagt wurde mit Handschellen belastet.