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HK. 121.
Menßeig, Dienstag den 14. Oktober.
1884,
Die Herbstkontrollversammlungen im Bezirk Freudenstadt finden statt: in Pfalzgrafenwciler am Mittwoch den 5. November vorm. 9 Uhr, in Besenield am Mittwoch den 5. November nachm. 3 Uhr, in Baiersbronn am Donnerstag den 6. November vorm. 9 Uhr, in Freudenstadt am Donnerstag den 6. November nachm. 3 Uhr, und in Dornstetten Freitag den 7. November vorm. 9 Uhr.
2 Postsparkassen.
Eine Einrichtung, die in andern Ländern schon lange und segers eich besteht, soll nun auch in Deutschland nngeführt werden:die Postsparkassen nämlich, durch welche das Wirkungsgebiet der Post wiederum um ein beträchtliches vermehrt wird, ohne daß gerade eine irgendwie erhebliche Mehrarbeit entsteht. Der Zweck der Postsparkassen ist, zum Sparen anzuregen, die Anlage refp. Hinterlegung der Spargelder bequem zu machen und endlich auch den kleinsten Beträgen die Anlagefähigkeit zu sichern.
England ist das Vaterland der Postsparkasien und dieselben sind dort volkstümlich geworden. Die Resultate der englischen Postsparkassen sind außerordentlich befriedigende, besonders weil die Sparanlage so bequem ist. Man kann dort bei jeder Postanstalt Einzahlungen machen; viele Arbeiter nehmen des Samstags ihren Weg von der Fabrik direkt nach der Post und legen dort den entbehrlichen Teil ihres Wochenlohnes an. In den 20 Jahren von 1861 bis 1880 ist das gesamte in Privat Sparkassen angelegte Kapital von 41 auf 44 Mill. Pfund, also nur um 3 Mill. Pfund gestiegen, die Einzahlungen in die Postsparkassen aber während derselben Zeit um mehr als das Elffache.
Aber nicht nur in England, sondern auch in andern, wirtschaftlich weniger günstig gestellten Ländern sprechen die gemachten Erfahrungen durchaus zu Gunsten der Postsparkassen. In Italien wurden dieselben vor 8 Jahren eingeführt und wiesen Ende August vorigen Jahres schon über 100 Mill. Frank auf. In Frankreich trat die Einrichtung mit dem 1. Januar 1882 ins Leben; dort wurden im ersten Jahre fast 47, im zweiten 30 Mill. Frank angelegt. Belgien, Holland und Oesterreich weisen ähnlich günstige Resultate auf.
Wenn man meinen sollte, daß die kolossalen Sparsummen aus der Beteiligung des besser situierten Mittelstandes allein resultieren, so sieht dieser Annahme der Umstand entgegen, daß beispielsweise in Holland mehr als ein Drittel aller Einzahlungen in Beträgen von nur einem Gulden und darunter bestand; die Hälfte aller Einzahlungen umfaßt Beträge von mehr als einem bis zu 10 Gulden. In Oesterreich entfielen von den während der ersten 9 Monate des vorigen Jahres gemachten 1,125,800 Einzahlungen nicht weniger als 1,027,500 auk Beträge von 1 bis 5 Gulden. In Belgien umfassen vier Fünftel aller Einzahlungen Beträge von 1—20 Frank, wie denn überhaupt die Hälfte aller belgischen Postsparkaffen-Bücher nur Guthaben bis zu 20 Frank aufweist.
Diese kleinen Beträge zeigen, daß der Spartrieb auch in den mindestbemittelten Kreisen durch die Postsparkasien angeregt und unterhalten wird.
Die Resultate in denjenigen Staaten, welche die Postsparkaffen eingeführt haben, sprechen zu deutlich und laut zu gunsten dieser Einrichtung, als daß dieselbe nicht auch für Deutschland praktischen Nutzen erhoffen ließe. Das ist um so mehr der Fall, als der Spartrieb im deutschen Volke stark entwickelt ist und die Gelegenheit, sich auch im kleinen zu bethätigen, durch die Postsparkasien eine neue Anregung erhalten wird.
Tagespolitik.
— Auch in der Südsee sollen zwei deutsche Kohlcnstationen errichtet werden. Zu diesem Zwecke hat die kaiserliche Admiralität mit einer Hamburger Firma einen Kontrakt abgeschlossen der vom April 1885 bis 1888 geht. Die beiden Stationen sind Matopui auf Neubritannien und Jaluit auf den Marschall-Jnseln.
— Nach den letzten Nachrichten über das Befinden Herzog Wilhelms von Braunschweig ist der Zustand des hohen Herrn nicht günstiger geworden; der Schwächezustand ist unverändert.
— Zwischen England und Deutschland findet jetzt ein Schriftwechsel wegen Einsetzung einer Kommisston zur Prüfung der einander widerstreitenden Ansprüche deutscher und englischer Staatsangehörigen auf Angra Pe- quena statt.
— Wiederholt ist neuerdings über Maßregeln gegen dänische Agitationen in Nordschleswig berichtet worden. In Hadersleben ist jetzt dem dortigen Privat-Baudirektor Amor- sen von der schwedischen Regierung seine Entlassung als schwedisch-norwegischer Konsul erteilt worden, weil er sich an einem demonstrativen Dänenausfluge nach Westjütland beteiligt hat.
— Am 1. November wird in Berlin eine allgemeine Versammlung der deutschen Zuckerfabrikanten stattfinden, in welcher die Mittel zur Ueberwindung der gegenwärtigen Notlage der Zuckerindustrie beraten und entsprechende Beschlüsse gefaßt werden sollen.
— Zwischen den Regierungen zu Wien und Pest bestand seit langer Zeit ein Konflikt, den man mit dem geschmackvollen Namen »Ochsenkrieg" belegt hatte. Die Wiener Regierung hatte bekanntlich als Repressalie gegen die Verlegung des Wiener Viehmarkts nach Preßburg die Vieh-Einfuhr aus Ungarn »wegen dort auftretender Rinderpest" verboten. Jetzt ist diese Maßregel endgültig zurückgezogen und hoffentlich dadurch dem Ochsenkriege ein Ende bereitet worden.
— Die Cholera, die furchtbare Geißel, unter der das Land Italien noch immer leidet, hat die Aufmerksamkeit der Regierung auf die schlechten Gesundheitsverhältnisse der größeren Städte des Landes gelenkt. Hier soll auf gesetzlichem Wege Abhilfe geschafft werden. Namentlich soll den hygienischen Verhältnissen in Neapel eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Regierung läßt einen hierauf bezüglichen Gesetzentwurf ausarbetten, welcher sofort nach Wiederaufnahme der parlamentarischen Arbeiten der Kammer zur Beratung und Bestätigung vorgelegt werden wird. Diesmal ist das Kiud freilich in den Brunnen gefallen, aber es ist darum nicht überflüssig, ihn zuzudecken, um künftigem Unglück vorzubeugen.
— Die Besetzung des Hafens vonTamsui an der Nordostküste Formosas seitens der dort gelandeten französischen Streitkräfte, ist mit Rücksicht darauf erfolgt, daß sich dort ein chinesisches Hauptzollamt befindet, das eine jährliche Einnahme von 4 Millionen Frank gewährt, während Keelung nur als ein untergeordneter Zollhafen bezeichnet wird. Mit diesem Pfände in der Hand will man sich zunächst der Zinsen bemächtigen, die dem Betrage der von der chinesischen Regierung geforderten Kriegsentschädigung von 80 Millionen Frank entsprechen würden.
— Der Pariser »Temps" bringt einen aus Brüssel datierten Brief, worin behauptet wird, eine Konferenz sei nach Berlin berufen, um die schwebenden Fragen in bezug auf Afrika
zu ordnen; zu dem Zwecke würden wahrscheinlich Ende November die Bevollmächtigten Frankreichs, Englands, Portugals, Spaniens, der Vereinigten Staaten, Hollands und Belgiens in Berlin zusammentreten, und infolge des zwischen Frankreich und Deutschland erfolgten Einvernehmens folgende Punkte in Erwägung ziehen: 1) Handelsfreiheit und freier Eingang aller Flaggen auf dem Kongo; 2) dieselbe Freiheit au? dem Niger; 3) di. Notwendigkeit, das Recht der Besetzung der noch nicht einem civili- sierten Zustande unterworfenen Gebiete klar zu stellen. Die Konferenz soll ferner beschließen, daß fortan jede Besatzung eine Thatsache sein müsse. Schließlich soll eine internationale Kommission ähnlich der Donau-Kommission gebildet werden.
Laadesmchrichten.
* Tübingen, 10 Okt. (Schwurgericht.) Es ist ein bedauerliches Zeichen unserer Zeit, daß cs in der Beamtenwelt jetzt leider so oft vorkommt, daß einzelne sich Eingriffs in die ihnen amtlich anvertrauten Kaffen gestatten. So waren in dieser Sitzung unseres Schwurgerichts 3 Fälle der erschwerten Unterschlagung im Amte zur Verhandlung gestellt. In dem gestrigen Falle handelte es sich um die bei Gelegenheit von Holzverkäufen gemachten Unter- ichleife des 64 Jahre alten, bisher unbestraften ehemaligen GemsindepflegerZ I. G. Seeger von Hornberg, OA. Calw. Derselbe war 38 Jahre lang Gemcindepfleger seines Geburtsorts und hat sich erst in den allerletzten Jahren seiner Amtsführung Unregelmäßigkeiten zu Schulden kommen lassen. In 5 Fällen hat er bei obengenannten Holzverkäufen, die er in seiner amtlichen Stellung für die Gemeinde vollzog, größere Summen der Kaffe entwendet und zu seinem Nutzen verbraucht und hat, um dies zu verdecken, falsche Angaben in seine Rechnungsbücher eingetragen. Die Sache stellte sich so dar, daß der Angeklagte in Not geraten, zuerst sich einen Eingriff erlaubte, und um diesen zu verbergen, einen zweiten, dritten, vierten und fünften. So kam es, daß bei Niederlegung ein Kaffen- defizit von 1453 M. verblieb, die der Angeklagte später allerdings wieder ersetzt hat. Derselbe war bei dem Verhör in allen Fällen geständig und sich seiner Fehler bewußt. Die Staatsanwaltschaft, Herr Staatsanwalt Scheur- len, hielt denn auch die Anklage in vollem Maße aufrecht, während die Verteidigung, Herr R.-A. Wetzel II., zu gunsten des Angeklagten für mildernde Umstände plaidirie. Diese wurden auch von den Geschworenen in allen fünf Fällen angenommen, nachdem sie die Schuldfragen durchgehends bejaht hatten. Das Urteil des Gerichtshofes lautete auf 1 Jahr 6 M"n. Gefängnis und Tragen der Kosten. (T. Chr.)
* Stuttgart, 10. Okt. Gestern nachmittag 4Vr trat die Kommission der Kammer rer Abgeordneten für die Vorberatung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Gemeindeangehörigkeit, unter dem Vorsitz des Abgeordneten für Nagold, Regierungsdirektor v. Luz in Reutlingen, zusammen. Berichterstatter ist der Abgeordnete für Neuenbürg, Schultheiß Beutter in Herrenalb, Mitberichterstatter der Abgeordnete für Crailsheim, Schultheiß Sachs n Crailsheim. Die Kommission dürfte mit Durchberatung des 59 Artikel umfassenden Ge» etzmtwurfs wohl noch diese und die nächste Woche beschäftigt sein.
— Zum Fall Döttling schreibt man der »Ludwigsb. Ztg." aus Stuttgart: »Was oll man dazu sagen, daß in einer hiesigen Wirtschaft am Abend nach der Freisprechung rohe