iuchurrgen ist wahrscheinlich, daß zwei Personen die Lhat begangen haben. Um die Ladenkaffe zu berauben, mußte der Weg um den Laden­tisch gemacht werden, dieser Weg war mit einer großen Blutlache bedeckt, ohne daß jedoch Blut­spuren von Fußtritten gefunden worden wären. Dieser Umstand scheint bei der Annahme eines einzigen Thäters nicht erklärlich. Auf den An­geklagten lenkte sich der Verdacht zuerst dadurch, daß in dem städtischen Gebäude Wilhelmsplatz Nr. 6 in der Wohnung des Kutschers Gottlob Fischer, bei welchem Düttling öfter Dienst leistete, an dem kritischen Abend ein Handbeil gestohlen wurde, das an einem verborgenen Platz, zwischen Wand und Küchentisch, aufbewahrt wurde, wel­cher Platz dem Angeklagten bekannt war. Es ist festgestellt, daß das Beil um Vn 8 Uhr jenes Abends gestohlen war und bis zum folgenden Dienstag-Mittag Vs 2 Uhr heimlich wieder bei­gebracht wurde. Das Beil zeigte starke Blut­flecke uud war am Griffe schadhaft. Düttling will am kritischen Abend bis V 28 Uhr abends in der Wirtschaft von Meier, Jlgenplatz 1, ver­weilt haben. Die Entfernung dieser Wirtschaft von der Fischer'schen Wohnung ist gering. Am Montag-Abend hat eine Mitbewohnerin des Fischer'schen Hauses jemanden in die Küche, aus der das Beil entwendet worden war, hinein­schleichen hören; auf ihre Frage: wer ist da? erhielt sie keine Antwort. Dies war gegen V 28 Uhr, und um 5 Uhr desselben Tages war Düttling aus seiner ersten Hast entlassen wor­den. Die zweite Verhaftung des Angeklagten erfolgte Dienstags um 3 Uhr. Eine Witwe Welz sagt auS, daß sie am Abend des 23. Feb. einige Stunden vor der That in der Haus­flur bei Fischer dem Angeklagten, in dem Augen­blick -begegnet ist, als er im Begriff stand, die zur Fischer'schen Wohnung hinaufführende Treppe zu ersteigen. Bet der Voruntersuchung hat der Angeklagte diese Begegnung geleugnet, heute ge­steht er sie ein. Weitere Verdachtsmomente ge­gen den Angeklagten bilden die an einigen seiner Kleidungsstücke gefundenen Blutspuren, so an einem Hemd, einer Manschette, an Hosen, Rock u. Weste. Düttling weiß für alle diese Blutspuren die Ursachen anzugeben, er war mit Krätze behaftet und will sich blutig gekratzt haben, schnitt sich in de« Finger und wischte das Blut an der Hose ab u. s. w. Auf die Frage, ob er in dem Laden des Reinhardt bekannt gewesen, sagt er, daß er am 10. Dezember voriges Jahr in demselben eine Hose versetzt habe und seitdem nicht mehr dort gewesen sei. Eine Zeugin hat angegeben, den Angeklagten am Abend des 1. Februar bei Reinhardt gesehen zu haben; die Zeugin war in dem Laden, der Angeklagte wollte hereintreten, als er jedoch dieselbe er­blickte, trat er rasch zurück. Düttling leugnet diesen Vorfall. In der Nachmittagssitzung wurde zuerst der erste Untersuchungsrichter ver­nommen. Es werden dabei Widersprüche konstatiert, in welche sich der Angeklagte bei seinen früheren und späteren Vernehmungen verwickelt

hat. Weiter werden die Witwe des Ermordeten Reinhardt, dann Frau Sophie Kleiner vernom­men, welch letztere über die Zeit der That ganz genaue Angaben macht. Ferner Buchdrucker Gottl. Vogelmann, Korbmacher Wolfs, Bäcker Fischer und zum Schluß Lina Keppler, welcher der Angeklagte schon lang von Ansehen bekannt ist, und die ihn am Tage vor dem Mord, am Freitag, vor dem Reinhardt'schen Hause hat herumschleichen und dasselbe rekognoszieren sehen. Er hesßt die Zeugin eine Lügnerin; diese aber beharrt bei ihrer Aussage. In der morgigen Sitzung sollen die weitern Zeugen, deren es im Ganzen 35 sind, vernommen werden und Samstag die Plaidoyers und die Urteilsfällung stattfinden.

* Stuttgart, 3. Okt. (Schwurgericht. Fall Düttling, 2. Tag.) Das Zeugenverhör wurde heute vollends zu Ende geführt. Die zuerst vernommenen Zeugen waren die Kutscher Fischer'schen Eheleure, bei denen der Angekl. früher als Knecht mehrere Jahre lang gedient hat. Sie sprechen sich über die Zeit des Ver­schwindens des Beils und des Wtederauffindens desselben mit frischabgewaschenen Blutflecken aus. Als Fischer das Beil nach mehrtägiger Ab­wesenheit wieder aufgefunden und verwaschene Blutspuren an demselben entdeckt hatte, lenkte sich sein Verdacht sogleich auf den Angekl., der allein von allen Knechten den Aufbewahrungsort des Beiles genau gekannt habe. Zeuge hat dem Angekl. in das Gesicht gesagt, er und kein Anderer sei es, der das Beil entwendet habe; darauf hat D. kein Wort erwidert. Frau Fischer macht die Aussage, daß sie am Abend der That bis halb 8 Uhr mit dem Beil Holz gespalten har, daß sie sodann einige Minuten aus dem Hause ging und als sie bei ihrer Zurückkunft das Beil wieder gebrauchen wollte, dasselbe nicht mehr fand. Die Zeit, in welcher das Beil abhanden gekommen sein muß, ist also diejenige, zu wel­cher der Angeklagte an der Treppe desFischer- schen Hauses aesehen worden ist. Dem folgen­den Zeugen, Wirt Welz, dessen Wirtschaft sich unten im Fischer'schen Hause befindet, hat der Angekl. am Abend der That gegen halb 8 Uhr gesagt: er wolle noch hinauf zur Frau Fischer. Der Angekl. hat gestern bei seiner Ver­nehmung mit aller Bestimmtheit geleugnet, diese Aeußerung gethan zu haben; heute sagt er: »Es kann sein, daß ich es gesagt habe.* Frau Welz hat den Angeklagten gegen V -8 Uhr an der Fischer'schen Treppe gesehen. Frau Klein, die im Hause von Fischer wohnt, hat am Montag abend gegen 8 Uhr ein Knistern in der Fischer'schen Küche gehört, das ihr den Eindruck machte, als wenn jemand leise hinein­gegangen wäre. Weitere Aussagen von Heu­händler Flaig, Kutscher Eble, Wirt Mayer u. a. betreffen die Zeit, in welcher Düttling am Abend der That auf der Straße und in ver­schiedenen Wirtschaften gesehen worden ist, so wie die Blutflecken an seinen Kleidern, und die Aeußerungen, die er zu verschiedenen Zeugen darüber gemacht bat. Wichtig ist auch die Aus­

sage der Frl. Kazmaier, die am Abend des Mords etwa um 9 Uhr am Reinhardt'schen Hause von der Heusteigstraße herkommend vor­übergegangen ist und zwei Männer aus dem Hause hat herausspringen und bei der Pfarr- gaffe verschwinden sehen; einer der beiden habe etwa den Wuchs des Angeklagten gehabt. Gleich darauf sei das Geschrei und Wehklagen wegen des Mords entstanden. Die verschie­denen Zeugenaussagen, die wir nicht alle auf­führen können, bestätigen einzelnes in den An­gaben des Angeklagten, andererseits verwickle» sie denselben in vielfache Widersprüche und stehen teilweise seinen Behauptungen direkt entgegen.

* Rott weil, 2 . Okt. Vor dem Schwurge­richt wurde heute verhandelt gegen: 1) Adolf Bechtold, verh. Schildmaler von Deißlingen;

2) dessen Ehefrau Genovefa, geb. Blust, von da;

3) Eugen Sattler, Lithograph von Berlin, wohnhaft in Villingen in Baden und 4) Daniel Ladner, Kaufmann von Deißlingen, elfterer eines Münzverbrechens und eines Verbrechens des betrüglichen Bankerutts, letztere 3 eines Münzverbrechens angeklagt. Bekanntlich haben diese vier Personen im Juni ds. Js. 60 falsche Fünfzigmarkscheine fabriziert und in ^Umlauf gefetzt. Die Geschworenen sprachen Sattler, A.Bechthold und Frau Genovefa Bechtolv schul­dig, unter Annahme mildernder Umstände, da­gegen Ladner für nichtschuldig. Des Verbrechens des betrügerischen Bankerutts wurde A. Bech- told ebenfalls für schuldig erklärt, aber mildernde Umstände zugelassen. Vom Schwurgerichts­hofe wurde Sattrer hierauf zu der Zuchthausstrafe von 4 Jahren, Bechtold zu der Zuchthausstrafe von

5 Jahren, außerdem beide zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von 5 Jahren verurteilt und gegen beide auf Zulässig­keit von Polizeiaufsicht erkannt. Genovefa Bechtold erhielt eine Gefängnisstrafe von 1 Jahr

6 Monaten. Daniel Ladner wurde fretge- sprochen und der gegen ihn erlassene Haft-Befehl aufgehoben.

Deutsches Reich.

Karlsruhe, Ein Diebstahl von unglaub­licher Frechheit wurde in der Nähe des groß- herzoglichen Schlosses vollbracht. Prinz Lud­wig, der jüngste Sohn des Großherzogs, war eben zur Bahn gefahren, um nach Baden-Baden abzureisen. Das Gepäck, welches nachgefahren werden sollte, wurde von dem Diener Stück für Stück auf den Wagen geladen. Ein Dieb, der sich unbemerkt herangeschlichen hatte, stahl, wäh­rend der Diener einen Augenblick abwesend war, einen kleinen Koffer, trug ihn in das nahe Ge­büsch und beraubte ihn seines Inhalts, der in einem Ueberzieher und einer Weckeruhr bestand. Der Dieb ist trotz aller Bemühungen der Polizei bis jetzt noch nicht ermittelt.

* Mannheim, 2. Okt. Die deutsche Reichspostverwaltung hat den sofortigen Bau einer Telephonanlage Frankfurt a. M.

Des Weinrvirls Höchterlein.

Origmalerzählung von Rich. Bachmann.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Leni's Erwartungen wuroen durch diese Aufforderung noch über­troffen, und mit heimlicher Freude und klopfendem Herzen benützte sie die dargebotene Gelegenheit, den geliebten Mann sehen zu können. Sie zitterte in banger Erwartung, als sie die Treppe hinaufstteg. Wehmütig lächelnd blieb fie unter der Thür des kleinen Gemaches stehen und ihre Augen hafteten auf dem ahnungslos Schlummernden.

Gern hätte sie ihm die Hand innig gedrückt und wenn sie allein gewesen wäre, einen Kuß ihm unbewußt auf die Stirn gedrückt.

»Pfleget sein so gut Ihr es vermischt, er wird es Euch vergelten*, flüsterte Leni leise zu der Wärterin, dann trat sie rasch den Heimweg an, erfreut, daß fie Martin gesehen und von der Wärterin gehört hatte, daß nach dem ärztlichen Gutachten eine Gefahr für das Leben des teueren Kranken kaum noch zu befürchten sei.

Als Leni auf die Straße trat, ging Herr Steffens vorbei, der freund­lich grüßend herüber lächelte. Mit kaltem Blicke zwang sie sich die Höf­lichkeit zu erwidern und eilte der elterlichen Wohnung zu.

Daß Steffens ihr auf diesem Wege begegnete der Zweck des­selben konnte für ihn kein Geheimnis sein war die Ursache einer nur augenblicklichen Verlegenheit, dann betrachtete sie diese Begegnung eher als einen wesentlichen Vorteil.

Mußte doch Serr Steffens die Ueberzeugung gewinnen, daß trotz seiner an Martin geübten Verdächtigung, ihre Neigung zu diesem nicht erkalte und vielleicht so hoffte Leni wird der blaffe Kaufherr selbst

seine Bewerbungen als völlig aussichtslose aufgeben.-

*

In der kleinen Familie des Schiffhauses ging e» fitzt zi.nch e.n- filbig zu. Peter Scharffenberg vermied sorgfältig jede Gelegenheit von Martin zu sprechen. Sein Gerechtigkeitssinn konnte ihn nur zu einem beifälligen Urteil über den jungen Mann laut werden lassen und dieses hielt er, Leni in ihren Ansichten nicht noch mehr zu bestärken, wohlweis­lich zurück. Ebensowenig ergriff er das Wort zu gunsten der Werbung des Herrn Steffens, da er dessen persönlichen Einfluß hoch genug schätzte, den Gegner noch siegreich aus dem Felde schlagen zu können.

»Wenn die fatale Geschichte mit dem Feuer nicht passiert wäre, müßt es längst ganz anders kommen*, murmelte zuweilen Peter Scharffrn- berg in sich hinein und er urteilte damit auch nicht so ganz unrichtig. Denn bei jenem Ereignis hatte Martin ja Gelegenheit gehabt, Sympa­thien zu erwerben, die im allgemeinen nicht zu unterschätzen waren.

Daß Leni, die ihre heimlichen Besuche in Meister Spöllings Haus bereits mehrfach wiederholt hatte, jetzt mit mehr Fassung und Beruhig­ung auftrat, bemerkte Frau Kathrine, nicht ohne Genugtyuung zu finden für ihren unermüdlichen Eifer, durch welchen sie die Sinnesänderung der Tochter bewirk: zu haben glaubte.

Es war eine merkwürdige Charaktereigentümlichkeit der guten Fra«, daß fie glaubte, ihr Töchterlein in deren milderem Angesicht schon eine gewisse Beständigkeit ausgesprochen lag habe Martin bereits oder doch nahezu aufgegeben, während sie selbst, der Regung ihres Herzens folgend, heimlich durch ihre verschwiegene Magd wiederholt kostbare Er­frischungen für Martin zu Meister Spölling geschickt hatte und dies auch besonders fortsetzte, als der Zustand des Kranken ein wesentlich besserer war und ihm den Genuß unterschiedlicher Labungsmittel erlaubte.

Sowenig wie Frau Kathrine eine Ahnung hatte, daß Leni ihren