Mannheim gegen jährlich 8000 Mark Abonne- mentsgebühr genehmigt.
* Ein Eisenbahnunfall, bei dem nur durch die Geistesgegenwart des Lokomotivführers großes Unheil verhütet wurde, ereignete sich am Dienstag auf der Main-Neckarbahn. Der in Kassel um 8 Uhr abgelafsene Personenzug nach Frankfurt rannte auf der Strecke zwischen Kirchhain und Marburg gegen einen auf dem Geleise stehenden Kieswagen. Da der Lokomotivführer, noch rechtzeitig die Gefahr bemerkend, sofort Contre- dampf und Bremsstgnale gegeben hatte, so erfolgte der Anprall in der gelindesten Art, so daß der Wagen nur fortgeschoben wurde, kein merklicher Schaden entstand und die Passagiere mit dem Schrecken davonkamen.
* (Selbstmord.) Von München wird geschrieben: Kürzlich ließ sich eine Frau bei Feldmoching von dem Eisenbahnzug überfahren. Die Selbstmörderin war die Gattin des Artillerie-Hauptmanns Fuchs und eine Tochter des bekannten Chokolade-Fabrikamen Stollwerck in Köln.
* Nordhausen. Auf dem hiesigen Landgerichte standen am 29. d. nicht weniger als 13 Ehescheidungstermine an. Charakteristisch für unsere Zeit.
* Koblenz. Ein Einziger Einwohner hatte die Leiche seiner Mutter heimlich eingesargt, aber nicht begraben, auch den Todesfall geheim gehalten. Er that dies, um in Vertretung seiner Mutter, deren Bevollmächtigter er bei ihren Lebzeiten war, gerichtlichen Einspruch gegen mehrere ihn drohende Pfändungen erheben zu können, was ihm auch gelang. Er wurde unter dem Verdacht des Muttermordes eingezogen; feine Unschuld daran war aber bald erwiesen und seine Freilassung erfolgte. Nun stand er wegen „Betruges" vor der Strafkammer des Landgerichts in Koblenz, weil er unter Verschweigung des Todes seiner Mutter noch in deren Namen einen ihm günstig ausgefallenen Prozeß geführt hatte; doch auch in diesem Pro zesse erfolgte seine Freisprechung.
* Wer alt werden will, muß nach Arnstadt gehen. Da sind in den letzten Wochen drei Leute, Männlein und Weiblein in den 90er Jahren gestorben. Unter 90 Jahren thun ste's nicht, sogar in den Spitälern und Armenhäusern.
Ausland.
* In Neapel kam es am 29. Sept. zu argen Tumulten. Eine zahlreiche Volksmenge, welche die Entgiftung der Häuser in der Via del Recluiorio, die unter der persönlichen Aufsicht des Bürgermeisters stattfand, mit scheelen Äugen ansah, griff plötzlich die dabei beschäftigten Arbeiter mit Knitteln und Revolvern an unter dem tollen Vorwände, daß dieselben die Häuser vergifteten. Der Aufruhr wurde so arg, daß die Truppen denselben gewaltsam unterdrücken mußten. Viele Verhaftungen wurden vorgenommen. Ein anderer Aufstand erfolgte
wegen eines der großen Schlachthäuser, welche der Gemeinderat auf eigene Rechnung anlegte, um die Fleischerkamorra unschädlich zu machen. Der offenbar von Fleischern, aufgestachelte Pöbel demolierte die ganze Einrichtung des Schlachthauses.
Lyon. Auf der Bahn von Lyon nach Paris ist ein -schwerer Mord- und Raubanfall verübt worden. Als der Zug in Arfenilles ankam, fand man in einem Wagen dritter Klasse einen Reisenden, der durch fünf Messerstiche fürchterlich zugerichtet war. Zwei Aerzte haben sich sofort seiner angenommen find hoffen ihn, trotz der Gefährlichkeit seiner Verletzungen- noch zu retten. Der Unglückliche ist ein Steuereinnehmer und hatte 8000 Frank bei sich, um sie an die Hauptkasse abzuliefern. Der einzige Mitreisende hat ihn Mschen Saint-Girand und Arfenilles angefallen und ihm das Geld abgenommen, mit dem er während der Fahrt aus dem Wagen gesprungen ist.
* Die größte Mühleystadt der Welt und
gleichzeitig die Stadt der größten Mühlen ist Mnneapolis am oberen Mississippi. Die 22 meist durch Wasserkraft betriebenen Mühlen liefern wöchentlich 100,000 Faß Weizenmehl oder 5,200,000 im Jahr, was einem Gewicht von 1000 Millionen Pfund entspricht. Außerdem bestehen dort Sägmühlen, die jährlich 100 ! Millionen Fuß Bretter liefern. Die Stadt hatte 1856 nur 4600 Einwohner, 1870 12,066, jetzt über 50,000. ^
j»»o riserteyr.
* Stuttgart, 3. Okt. (tzopfenmarkt.) Die seit Montag zugefahrene Ware wurde rasch verkauft und erzielten 16 B. aus der Herrenberger und Leonberger Gegend 123 M. Bessere Ware findet leicht Nehmer bei guten Preisen.
* Kusterdingen, 3. Okt. (Hopfen.) Eiu kleiner Teil wurde verkauft zu 108—105 M. per Ztr. Die größeren Posten, im ganzen ca. 150 Ztr., und ca. 120 Ztr. Gemeindehopfen, sind noch vorhanden. Käufer erwünscht.
* Mössingen, 3. Okt. (Hopfen.) Das gesamte Erzeugnis mit ca. 500 Ztr. wurde bis aus einige größere Partien, deren Besitzer auf höhere Preist hoffen, zu 100 bis 115 M. per Ztr. in 4 Tagen verkauft.
* Eningen u. A., 2. Okt. (Hopfen.) Ein größeres Quantum wurde verkauft zu 120 M. Per Ztr.
* (Wein.) In Dörzbach fand ein Kauf per Eimer zu 100 Mk«, ebenso in Criesbach am Kocher zu 110 Mk- statt.
* Ulm, 3. Okt. Die nächste Herbsttuchmeffe beginnt Montag den 13. und endigt Mittwoch den 15. ds. Mts. Der Verkauf findet in der Tuchhalle statt und ist nur in ganzen Stücken ohne Abmaß mit dem Meterstab erlaubt. Bei der gegenwärtig nicht ungünstigen Konjunktur sürWollengewebe ist lebhafter Verkehr zu erwarten.
* In der Zeit der Obsternte ist es von großer Wichtigkeit darauf aufmerksam zu wachen.
kein Obst mit schwarzen Flecken !zu essen, sondern es erst zu schälen oder wenigstens abzu- reiben. Durch wissenschaftliche Uutersuchuyg ist festgestellt worden, daß die Flecken eine Art Pilse sind, die leicht Krankheiten verursachen können. Die Eltern mögen hierauf besonders den Kindern gegenüber Obacht geben.
* Für die Kartoffelerntezeit mag wiederholt folgender Wink dienen. Damit die Kartoffeln nach dem Einbringen in den Keller nicht faulen oder schwarz werden, wird empfohlen, vie Kellerräume zuvor mittels schwefeliger Säure zu desinfizieren. Man hat zu diesem Zwecke nur nötig, in dem Keller, nachdem dessen Fenster und sonstige Oeffnungen vollständig verstopft worden find, auf einem stachen Stein eine Stange Schwefel zu verbrennen oder in größeren Räumen auch an anderen Stellen Schwefel in Brand zu bringen, worauf man sich alsbald aus dem Keller entfernt. Die gasförmige schwefelige Säure (das Berbrennungsprodukt) wird dann die ganze Luft des Raumes durch- dringeu und die Keime der Fäulniserreger vernichten. Alle dumpfigen Keller, in denen sich immer Schimmel- und Moderpckzs vorfinden, sollten auf diese Art gereinigt werden.
* (Eine kühne Erfindung.) Aus Amerika,
dem Lande der überkühnen Gedanken, gelangt die allerdings mit einem Fragezeichen zu versehende Nachricht hierher, es habe ein dortiger Mechaniker eine Lokomotive, freilich vorerst nur auf dem Papier, gebaut, die 4800 Meter in der Minute zurückkegen soll; macht stündljch 288 Kilometer, d. h. viermal mehr als unsere Eilzüge. Die Wundermaschine, mit 6 Triebrädern von über 7 Meter Durchmesser ausgestattet, bedingt freilich 3 Schienen. Man lacht über dergleichen Uebertreibungen. Wer weiß aber, ob nicht unsere Nachkommen sich über unser „langsames Dahinkriechen" lustig machen?
Das Auge des Kindes.
Blickst einem Kindlein tief und klar Du in sein Helles Augenpaar, —
Fühlst Du gewiß zu solcher Frist,
Wie himmlisch schön die Kindheit ist.
Bis in Dein tiefstes Herz hinein Fällt dieser Sterne milder Schein,
Und strahier freuend Dir zurück Der eig'nen Kindheit sel'ges Glück.
O, aus des Kindleins Augen spricht Noch nnschuldsvolle Zuversicht,
Und jeder ihrer Blicke sagt,
Daß noch kein Weh am Herzen nagt.
Es trug noch nicht mit hartem Stift Die Sorge ihre Runenschrift Jn's Kinderantlitz hold und lieb;
Der Unschuld Zauber ihm noch blieb.
Drum ist's so unaussprechlich schön,
In Kinderaugen tief zu sehn,
Weil d'raus ein süßes Glück uns lacht,
Das selbst uns überglücklich macht.
Ob auch auf Gottes weiter Welt So manches Gut uns zugestellt —
Es bleibt, wie man auch denkt und sinnt, Das schönste, heiligste — das Kind.
Für die Redakiion verantwortlich: W. Reiker. Altensteig.
Geuevlen fair emen Lag um von andern sny, w fesi tobte sie der Ueder- zeugung, daß außer den direkt Beteiligten, niemand die Vermutung haben könne, daß sie sich Martin dankbar zu zeigen bemüht war.
Leni wußte natürlich sehr bald darum und sie beobachtete tiefes Schweigen.
Herr Steffens war für seinen Teil indessen nicht ganz untätig geblieben. Ihn konnte Lenis scharfe Entgegnung und offenes Partei-Er- greifen für Martin an jenem Abende nicht so leicht irre machen, daß er das Ziel seiner Bestrebungen als sogleich unerreichbar hätte betrachten sollen. Er kam fast täglich in das Schiffhaus und zeigte sich gegen die Tochter des Hauses sehr zuvorkommend aufmerksam.
Allein alle die Anstrengungen, welche Herr Steffens machte, den Liebenswürdigen zu spielen, ließen Leni nur doppelt vorsichtiger werden. Sie fürchtete die kalte Freundlichkeit, das aalglatte Benehmen dieses Mannes nur noch mehr. Daß er, dem Wunsche Martins von jenem Schreckensabende her, jetzt Rechnung getragen und sein öffentlich gegebenes Wort, sich der kleinen Franzi anzunehmen, eingelöst, schlug Leni nicht so hoch an, als wie es vielleicht von vielen geschah.
Das vierzehnjährige Mädchen hatte mit ihrer Großmutter unter ärmlichen Verhältnissen allein in der Welt gestanden, unü als wenige Tage nach dem Branvuyglück die alte Steinmännin, vom Schreck erkrankt, gestorben war, fand Herr Steffens Gelegenheit, seine verheißene Großmut zu bethätigen. Er nahm Fränzt in sein Haus, wv sie der alten Wirtschafterin hilfreiche Hand leistete und sich auch bald durch Fleiß und Dienstwilligkeit deren Zufriedenheit erwarb.
Franzi fühlte sich jedoch nie recht heimisch in dem vornehmen, in seiner Häuslichkeit von der übrigen Welt ganz abgeschlossenen Hause. Außer Herrn Steffens, dessen Vater und der allen Wirlschafterin (einer
Bera-andten oes Hausherrn) uno F-auzz, ttvre memaud weuer in der Behausung des reichen Kaufherrn, der geräuschlos ein ausgedehntes Geld- und Wechselgeschäft trieb. Gesprochen wurde nur das Nötigste und es schien, als wenn die Insassen des düsteren, weitläufigen Gebäudes sich schon bei Lebzeiten an die dumpfe Grabesruhe gewöhnen wollten.
Nachdem Franzi einmal mit großer Hochachtung von Martin gesprochen und ihn als ihren Lebensretter gepriesen, Herr Steffens sich aber energisch verbeten, in seinem Hause von derarrigen zweideutigen Personen zu reden, war auch sie so mürrisch ernst und schweigsam geworden und nicht ohne Furcht begegnete si' dem jungen blassen Herrn Steffens, der sich neuerdings öfters sehr mißlaunig zeigte.
Die kleine Fränzi, die bei ihren Ausgängen von Leni schon öfters befragt worden war, vermutete nicht mit Unrecht, daß an der Verstimmung des von der Welt als ihrem Wohllhä'er betrachteten Herrn vielleicht der braune Fremdling, der ihr Retter gewesen, also Herr Martin, die Schuld trage.
Der letztere erfreute sich nach einem sechswöchentlichen Krankenlager der vollständigen Genesung und hatte zur Freude des guten Meisters spölling die Arbeit wieder aufnehmen können.
Er erschien von dieser Znt an, wenn auch seltener wie früher, doch wöchentlich mehrmals wieder im Schiffhause. Leui'S Verhalten war jetzt ein völlig verändertes. Sie sprach in Gegenwart der Gäste weniger mit Martin als vordem und Herr Steffens glaubte sich nicht zu täuschen, wenn er geheime Stelldichein zwischen beiden vermittele.
Herr Steffens ärgerte sich sehr, daß Peter Scharffenberg keinen Vorwand finden konnte, um dem nach seinem Ermefsm eigentlich ungebetenen Gast für immer die Thüle zu weisen.
(Fortsetzung folgt.)