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Mr. 118.
Mensteig, Dienstag den 7. Mloöer.
1884.
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Tagespolitik.
— Kaiser Wilhelm nimmt auch während seines diesjährigen Aufenthalts in Baden-Baden täglich die regelmäßigen Vorträge entgegen und erledigt in der gewohnten Weise die laufenden Regierungsangelt genhciten. Der Geburtstag der Kaiserin wurde im engsten Familienkreise dort festlich begangen. Schon am frühen Morgen waren von befreundeten und verwandten Höfen zahlreiche Glückwunschschreiben und Telegramme eingetroffen.
— Die „Nat. Ztg." teilt folgendes als durchaus verbürgt mit: „Nach dem Diner in Skier- niewice standen die drei Kaiser in gemeinsamer Unterhaltung. Während derselben Zeit unterhielt die russische Kaiserin sich mit dem Fürsten Bismarck. Als dabei ihr Blick auf die Kaiser' gruppe fiel, bemerkte sie zu dem Fürsten mit bewegtem Tone: „Wie glücklich bin ich über diesesZusammenstehen der drei Fürsten; es hätte schon längst geschehen sein müssen und sollte immer so bleiben." Der Reichskanzler antwortete darauf: „Eure Majestät dürfen überzeugt sein, daß es meine Lebensaufgabe ist, diesem Wunsche Erfüllung zu sichern; und sollte dies einmal durch unabwendbare Verhältnisse nicht möglich sein, dann wird mich die Neugestaltung nicht mehr als Minister sehen."
— Der Etat der Militärverwaltung soll, wie es nunmehr heißt, erhebliche Mehrausgaben noch nicht fordern, dagegen sind starke Mehrausgaben im Marine-Etat vorgesehen.
— Der Verband deutscher Feuerversicherungs-Gesellschaften hat den Beschluß gefaßt, die Frage einer zeitgemäßen Reform der allgemeinen Versichervngsbedingungen einer ernsten Prüfung zu unterziehen. Zu diesem Zwecke ist eine Versammlung auf den 24. Oktober nach Berlin ausgeschrieben worden.
— Auf dem Wege der Volksabstimmung ist im Kanton Zürich vor einiger Zeit die Wiedereinführung der Todesstrafe un Prinzip beschlossen worden. Der Große Rat des Kantons hat infolgedessen dem Artikel 5 der Verfassung folgende Fassung gegeben: „Das Strafrecht ist nach humanen Grundsätzen zu gestalten. Kettenstrafe darf niemals, Todesstrafe nur in Fällen von Mord zur Anwendung kommen."
— Bei den jüngsten Manövern in der Schweiz haben sich die Truppen des Kantons Tessin sehr unbotmäßig gezeigt. Als Parole und Paßwort war nämlich „Tessin" und „träge" ausgegeben worden und in dieser Zusammenstellung erblickten die Tesstner einen ihnen ab« sichtlich von den deutschen Kommandierenden an- gethanen Schimpf. Die Abneigung der Tesstner gegen die Deutschen war so heftig, daß ein tesstnischer Offizier ausrief: „Unsere Interessen liegen nach der italienischen Seite hin, unsere Straßen, unsere Flüsse gehen nach Italien, es braucht nur wenig, daß wir auch dahingehen."
— Anläßlich des Jahrestages der Besetzung Roms (2. Oktober) war die Stadt festlich beflaggt. Am Abend fand eine allgemeine Illumination statt. Der Unterrichtsminister wohnte der Verteilung der Preise an die Zöglinge der Kommunalschulen bei, welche auf dem Kapitolplatze stattfand. Die Vertagung des Wiederbeginns der Elementarschulen aus Gesundheitsrücksichten ist lediglich eine Vorsichtsmaßregel,
der öffentliche Gesundheitszustand in Rom ist ein ausgezeichneter.
— Der französische Minister der öffentlichen Arbeiten hat den Vertrag mit den Unternehmern der zu erbauenden Stadtbahn in Paris unterzeichne?. Die Regierung wünscht durch beschleunigte Inangriffnahme dieses Baues Beschäftigung für die Pariser Arbeiter während des Winters zu schaffen, da auch dort eine ausgedehnte Arbeitslosigkeit drohend bevorsteht.
— Um den Lyoner Arbeitern Beschäftigung zu bieten, hat der Kriegsminister Campe- non einen Kredit von 2 Millionen Frank für Abtragung der alten Lyoner Festungswerke gefordert. —
— Ueber das Zusammengehen Frankreichs mit D eut schlaud in der ägyptischen Angelegenheit ist die Mehrzahl der französischen radikalen Blätter Feuer und Flamme. Sie nennen Ferry einen Schützling Bismarcks und klagen ihn des Verrats an Frankreich an. Auch gemäßigtere Blätter drücken sich ähnlich aus und nur wenige haben den Mut, diesem Geschrei entgegenzutreten. Das Regierungsblatt „Paris" weist übrigens die Anschuldigungen gegen Ferry entschieden zurück und legt dar, daß der leitende Minister nur mit Deutschland gemeinschaftliche Interessen verteidige, von einer „Allianz" aber keine Rede sein könne.
Lavdesmchrichtell.
Altensteig, 5. Okt. Heute nachmittag hielt der Viehverstcherungsverein bei Hrn. Bierbrauer Hummel seine jährliche Plenarversammlung, welche sehr zahlreich besucht war. Aus dem vorgetragenen Rechenschaftsbericht ist zu entnehmen, daß der Verein in 7 Fällen Ersatz zu leisten hatte, welcher die Summe von M. 372.19 beanspruchte. Die Zahl der Mitglieder beträgt zur Zeit 82, welche zusammen 205 Stück Vieh mit einem Gesamtanfchlag von 48,105 Mark versichert haben. Als Durchschnitt für ein Stück ergeben sich hienach ca. 234V2 M. Von den im Rechnungsjahr erhobenen Prämien konnten wieder 50 Prozent zurückbezahlt werden, was als ein recht günstiges Resultat bezeichnet werden darf. Da nun bei noch größerer Beteiligung an dem Verein die Anforderungen an die Mitgieder sich noch mehr vermindern dürften, so möchten wir jedem noch nicht Versicherten in seinem eigenen Interesse ans Herz legen, sich dem Verein doch ungesäumt anzuschließen, denn sowohl die uneigennützige Verwaltung als die gewissenhafte Regulierung der Schäden gaben dem Bestehen des Vereins bis jetzt das Gepräge einer großen Wohlthat.
* Alten steig, 5. Okt. Gestern abend fand im Gasthof zum grünen Baum eine vom Liederkranz veranstaltete Abschiedsfeier zu Ehren seines nach Wildbad beförderten Mitgliedes, Hrn. Collaborator Offner, statt. Hr. Schullehrer Schittenbelm bedauerte in kurzen gewählten Worten das Scheiden des Hrn. Offner und verband damit die besten Wünsche für sein und seiner Familie ferneres Wohlergehen. Hr. Offner sprach hierauf dem Ltederkranz für die ihm erwiesene Ehre seinen Dank aus und versicherte, daß er auch in dem nachbarlichen Wildbad dem Altensteiger Liederkranz ein freundliches Andenken bewahren und ihm stets zuge- than sein wolle. Die Beteiligung der Liederkranzmitglieder war eine sehr zahlreiche und sie ergötzten durch wackeren und fleißigen Gesang (auch durch einige hübsche neu eingeübte Stücke) sowohl den scheidenden Freund, als auch den Kreis der ebenfalls zu seinem Abschied gekommenen näher stehenden Freunde und Bekannte.
— Eine erschreckende und unruhige Sonntagnacht erlebte die Gemeinde Effringen, indem daselbst 3 Wohngebäude abgebrannt find. Die Entstehungsursache ist, wie wir hören, noch nicht bekannt und soll der Wassermangel den Löscharbeiten sehr hinderlich gewesen sein.
Stuttgart, 3. Okt. Der Reichstagswahlaufruf, den die konservative Partei Württembergs erlaffen hat, ist in sehr gemäßigtem Tone gehalten und steht durchaus auf dem Boden der Deutschen Partei, mit welcher gemeinsam die Konservativen wieder in den Wahlkampf eintreten werden, wie es bei den letzten Wahlen sowohl für den Reichstag, wie für den Landtag bereits der Fall war. Beide Parteien werden ihre Stimmen auf dieselben Kandidaten vereinigen. Um die markantesten Punkte der konservativen Forderungen herauszuheben, s.' erwähnt, daß sie nur solchen Männern ihr^ Stimmen geben wollen, die auf dem Boden der christlichen Weltanschauung mitzuwirken versprechen zur Besserung der materiellen und sittlichen Zustände unseres Volkes. Die Verschiedenheit des konfessionellen Bekenntnisses soll kein Hindernis zur Verständigung bilden, vorausgesetzt, daß der Kandidat über seine Treue zu Kaiser und Reich keine» Zweifel übrig läßt. Es wird ferner von den Kandidaten eine offene und ehrliche Unterstützung der inneren und äußeren Politik des Reichskanzlers verlangt, unbeschadet der Freiheit der Prüfung der Regierungsvorlagen im einzelnen Falle. Schließlich wird noch betont, dafi. da die glückliche Lösung der sozialen Frage nur durch die Erhaltung des Friedens nach außen und innen erreicht werden könne, die Sicherheit nach außen aber nur unser Heer verbürge, die Sicherheit nach innen die Achtung vor Gesetz und Ordnung, die Konservativen von ihren Kandidaten darüber Beruhigung verlangen, daß sie unsere Heeresverfaffung aufrecht erhalten und auf solchem Gebiete von dem Wege der friedlichen Reform nicht ab- wetchen.
* Stuttgart, 2. Okt. (Schwurgericht. Fall Düttling.) Heute begann die Verhandlung über den Raubmord an Pfandleiher Reinhardt, der, wie unsere Leser sich erinnern, am 23. Februar, abends nach 9 Uhr sich ereignete. Angeklagter ist der 28 Jahre alte Kutscher und Taglöhner Heinrich Düttling von hier, mittelgroß, mit scharfen Gesichtszügen, kleinem schwarzen Schnurrbart, ebensolchen Haaren und dunklen Augen. Von den ausgeloosten Geschworenen werden vom Verteidiger 2, vom Staatsanwalt 3 abgelehnt. Als Sachverständige sind icrufen: Obermedizinalrat Dr. v. Hölder; Stadtdirektionsarzt Dr. Gußmann und Stadtdirektionswundarzt Dr. Steudel. Auf die Vorfragen nach )en Personalien des Angeklagten ergibt sich, )aß er zu wiederholten Malen wegen Wider- etzlichkett und Unterschlagung, auch polizeilich wegen Tierquälerei bestraft ist. Auf die Frage, ob er des ihm zur Last gelegten Verbrechens ich schuldig bekenne, antwortet er mit „Nein", md erzählt ziemlich geläufig, wo er sich an dem Abend der That aufgehalten und herum- getrieben habe, in der Absicht, ein entlastendes Alibi nachzuweisen. Durch Zeugenaussagen äßt sich die Zeit der That fast auf die Minute eststellen, 9 Uhr 20 abends. Der Ermordete satte zwei absolut tötliche Wunden neben anderen leichteren Verletzungen. Die eine ist eine klaffende Wunde von der rechten Schläfe bis zum Auge herab und nach der Ansicht der Aerzte mit einem schweren stumpfen Instrumente bei- gebracht worden; die andere eine Schnittwunde, die den Kehlkopf wie mit einem Rasiermesser durchschnitten hat. Nach den angestellten Unter-