Die Verteidigung wurde von Rechtsanwalt Steinhäuser geführt, als Sachverständige fungier­ten OSeramtsarzt Dr. Fischer von Horb und Dr. Rosenfeld von da.

* In Geislingen versammelten sich am letzten Sonntag nachmittag, der Einladung des Gemeiuderats folgend, die dortigen Frauen im Rathause, um die Wahl einer Hebamme vorzu­nehmen, und wirklich vereinigte sich die Stimmen­zahl sämtlicher (zwei ausgenommen) auf die le­dige Mr. Josephs Voll von dort. Nach statt­gehabter Wahl hielten die Frauen einen Umzug nach dem Hause der Gewählten, voran eine weiße Fahne, deren Spitze ein mächtiger Schlozer bildete, und holten ihre zukünftige Nothelferin in das Wirtshaus zum »Rebstocke" ab. Durch eine Abordnung wurde auch die jetzige, seit 44 Jahren treu dienende Hebamme abgeholt und nach dem »Rebstocke" begleitet. Nun entwickelte sich bald ein heiteres, reges Leben. Unter Scherz, Gesang und guter Bedienung seitens der Wirt­schaft (sowohl Küche wie Keller) unterhielt man sich bis zur Feierabend-Stunde.

* Giengen a. Br., 26. Sept. Hans Hähnle hat anläßlich der Ueberstedlung seiner Familie nach Stuttgart dem Vorstande der vereinigten Ftlzfabriken die Summe von 8000 M. über­geben, deren Zinsen zu Gunsten kranker und hilfsbedürftiger Fabrikarbeiter verwendet werden.

* (Brandfälle.) Im Monat Juli ds. Js. wurden 46 Brandfälle zur Anzeige gebracht. Es brannten ab: Hauptgebäude 25, Nebenge­bäude 42. Beschädigt wurden: Hauptgebäude 49, Nebengebäude 32. Hiebei sind 152 Personen zu Schaden gekommen. Der von der Gebäude­brandversicherungsanstalt zu vergütende Jmmo- biliarschaden beträgt 218 614 M. Der Mobi­liarverlust beziffert sich im Ganzen auf 117570 Mark. Unvergütet bleiben Modiliarverluste im Gesamtbetrag von 14925 M. Als Entstehungs­ursache wurde mit größerer oder geringerer Wahr­scheinlichkeit ermittelt: vorsätzliche Brandstiftung in 7 Fällen, fahrlässige in 1 Fall, Anzünden durch Kinder in 2 Fällen, Blitzschlag in 22 Fällen, Baugebrechen in 3 Fällen, Selbstentzün­dung in 2 Fällen. In 9 Fällen war über die Zeit der Anzeige nichts ermittelt.

(Verschiedenes.) Ein entsetzlicher Un­glücksfall ereignete sich am Montag vormittag in einer Heidenheimer Maschinenfabrik. Modellschreiner L. war zusammen mit einem Schloffer in dem Schlofsereigebäude an einem viele Zentner schweren eisernen Kammrad be­schäftigt, welches auf zwei Holzblöcke aufgelegt war. Aus bis jetzt nicht aufgeklärten Ursachen brach einer derselben unter seiner Last so plötz­lich zusammen, daß es L. nicht mehr möglich war, auf die Seite zu springen und er durch das Rad erdrückt wurde. Der Tod trat augen­blicklich ein. In Laibach (Künzelsau) wurde vor einigen Wochen der Gememdsrat Ansmann von einem Schweine in die Hand gebissen. Es trat Blutvergiftung ein und dieser Tage ist nun der Verwundete an den Folgen des Bisses ge­

storben. In Schramberg ist der 3 Jahre alte Knabe des Schreiners Ferd. Ko pp in eine» mit heißem Wasser gefüllten Waschkeffel gefallen und hat sich die beiden Füße bis zum Unter­leib derart verbrüht, daß er in Lebensgefahr schwebt. In Gült st ein (Herrenberg) kam letzten Sonntag ein in den besten Jahren stehen­der verheir. Mann nachts etwas spät vom Wirtshause heim. Da er die Stubenthüre ver­schlossen fand, wollte er sich, um seine ohnehin zanksüchtige Frau nicht wecken zu müssen, in der Scheuer aufs Heu legen, that hierbei jedoch einen Fehltritt und fiel durch das Garbenloch hinab, was seinen sofortigen Tod zur Folge hatte. Er hinterläßt eine Witwe mit 5 un­mündigen Kindern. Montag abend sollte ein Arbeiter eines Küfermeisters in Kirchheimu.T. verschiedene Fässer auf freiem Platz mit Schwefel ausbrennen. Hiebei kam er unversehens einem leeren Spritfasse zu nahe, welches unter furcht­barer Detonation zerbarst, wobei Stücke 50 bis 60 Fuß in die Höhe flogen; der Arbeiter selbst kam mit einer leichten Verletzung und dem Schrecken davon.

Deutsches Reich.

* (Ein Freund der Arbeiter.) Der bisherige Eigentümer der neuen Berliner Messingwerke, Kommerzienrat Wilhelm Borchert, der vor kurzem sein Geschäft verkaufte, hat bei dieser Gelegen­heit wiederum einen glänzenden Beweis seiner Sorge für das Wohlergehen seiner Arbeiter ge­geben. Vor einigen Tagen erhielten sämtliche Beamten und Arbeiter desselben ein elegant ge­bundenes Büchlein, in welchem sich Herr Borchert in einer herzlichen Ansprache von ihnen verab­schiedet und ihnen zugleich mitteilt, daß er jedem einzelnen von ihnen js nach der Dauer der Dienst­zeit eine vom erfüllten 60. Lebensjahre an be­ginnende lebenslängliche Altersrente mit Kapital­vorbehalt bei der Magdeburger Allg. Versicher­ungs-Gesellschaft erkauft habe. Es erhält dem­nach jeder Angestellte, bezw. Beschäftigte vom erfüllten 60. Lebensjahre ab eine Altersrente, deren Höhe durch das für ihn eingezahlte Kapital und sein jetziges Alter bestimmt wird; bei er­folgtem Ableben des Versicherten aber erhalten dessen Hinterbliebene das Kapital (welches bei dem am längsten im Dienst stehenden Arbeiter zwischen 3000 und 4000 M. beträgt) ohne Zinsen ausgezahlt, gleichviel, ob der Tod vor oder nach vollendetem 60. Lebensjahre erfolgt. Herr Bor­chert, der vor nahezu 50 Jahren als vermögens­loser strebsamer Klempnergeselle Deutschland, Oesterreich und Ungarn zu Fuß durchreist und sich überall in seinem Fache gründlich umgesehen hatte, gründete in Berlin im Jahre 1837 ein Messingwerk, das sich bald des größten Auf­schwungs und eines trefflich begründeten Rufes erfreute und schon nach 30 Jahren einen Wert von 900000 M. an Gebäuden, Maschinen und Vorräten erreichte. Um diese Zeit, im Jahr 1868, begann er zuerst in Deutschland die Ge­winnbeteiligung der Arbeiter am Geschäft etn-

geschlagen und es in die Stube hinaufgenom- meu, wo es bald darauf »gepatscht" habe. An einem andern Morgen habe sie wieder gehört, wie die Frau das Kind mißhandelt und ihrem Manne zugerufen habe, er solle das Seil bringen, die Hand thue ihr zu weh; ihr Mann sei die Stiege herabgekommen und dann habe es »ge­patscht", das Kind habe furchtbar geschrieen. Am Todestage selbst hörte» verschiedene Per­sonen das Kind im Abtritt schreien. Einige Personen sahen zu verschiedenen Zeiten, wie das Kind Schläge bekam, wo es nur gerade hin- giug; daß es blaue Augen, eine Geschwulst und Menschenkot im Gesicht hatte, daß es des öfteren im Stall und Abtritt eingesperrt war. Die Frau Fischer selbst hat einer Zeugin er­zählt, daß sie dem Kinde, als es einmal seine Notdurft in der Stube verrichtete, das kotige Moos im Gesicht herumgeschmiert habe. Eine Zeugin sah, wie die Magdalene Fischer am Todestag in der Hinteren Kammer auf das am Boden liegende Kind mit einem Stock hineinschlug, mindestens 6 bis 8 Streiche habe es erhalten, bis dann auf Intervention der Zeugin die abscheuliche Mißhandlung aufhörte. Am lO.Juli fand Leichen­schau und Sektion des Kindes statt. Am ganzen Kopfe der Leiche fanden die Aerzte zahlreiche bedeutende Hautabschürfungen, am ganzen Rücken herunter auf beiden Seiten 14 von der Ober­haut vollkommen entblößte Stellen, von denen die größte 5 Ctm. lang und 1 Ctm. breit war, an beiden Ellenbogen bedeutende Anschwellungen und Blutunterlaufungen. Bei der Sektion zeigte sich eine Hirnblutung und während die ganze Dicke der Kopfhaut, das Unterhautgewebe am Rücken und beide Ellenbogengegenden bis in die tiefere Muskulatur hinein mit flüssigem Blut durchdrängt waren, waren im Uebrigen die Organe der Kopf-, Brust- und Bauchhöhle auf­fallend blutleer. Das ärztliche Gutachten geht dahin: es sei außer der großen Blutarmut eine krankhafte Veränderung der inneren Organe, welche den Tod des Kindes erklären könnten, nicht nachzuweisen und anzunehmen, daß das Kind in Folge wiederholter, zu ganz verschiedenen Zeiten vorgenommener, erheblicher Mißhand­lungen durch Erschöpfung oder Hirnblutung oder Beides zusammen seinen Tod gefunden habe. Nach längerer Beratung fällten die Ge­schworenen (Obmann Oberförster Junginger von Rottenmünster) ihren Wahrspruch, der auf schuldig, übrigens unter Annahme mildernder Umstände, lautete. Dem Anträge der Staats­anwaltschaft vertreten durch Hilfsstaatsanwalt Gröber, entsprechend wurde hierauf Magdalene Fischer zu einer Gefängnisstrafe von 3 Jahren, Agathe Fischer zu einer solchen von 2 Jahren verurteilt; bei beiden gehen 4 Wochen als durch die Untersuchungshaft verbüßt ab. Bet der Strasausmeflung berücksichtigte das Gericht den Umstand als erschwerend, daß die Angeklagten ein Kind in zartem Alter, das den Fischer'schen Eheleuten zu gewissenhafter Erziehung und Pflege anvertraut war, aufs Roheste mißhandelten.

Des Weinwirts Höchlerlein.

Origmalerzählung von Rich. Bachmann.

(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Martin hatte gewiß die geweihte Münze schon von weitem gewittert und beeilte sich aus meiner Nähe zu kommen. Ich glaube damit den vermeintlichen Widerspruch, in dem wich mein kritisches Lenchen zu er­blicken wähnte, aufgeklärt zu haben.

Doch will ich nicht unterlassen, noch zu bemerken, daß ich den Martin keineswegs verdächtigen will, wan hat eben seine Meinung über gewisse Dinge und wenn ich mich in diesem Falle nicht täusche, so werden wir vielleicht noch mehr von ihm erleben können."

Mit stegesgewifsem Lächeln schaute Herr Steffens um sich.

Beifällig nickten die meisten, nur bei einigen schien der von Leni dazwischen geworfene Funke ein Lichtchen des Zweifels zum Glimmen gebracht zu haben; doch wagten sie nicht alsobald ihre Bedenken laut werden zu lassen.

Auf seine an und für sich gleichgültige Behauptung, daß er stets einen geweihten Marien-Thaler bei sich trage, legte Herr Steffens hinter­listiger Weise das Hauptgewicht und er härtete diese durch Vorzeigung einer solchen Münze, welche das Gepräge des Marienbildes mit dem Jesuskinde trug. Für die meisten war somit jeder Zweifel an der Glaub­würdigkeit des Gesagten beseitigt.

Leni hatte die ihr widerliche Schmeichelei, wie die abergläubischen Auseinandersetzungen des Herrn Steffens mit keiner Silbe erwidert oder zurückgewiesen, obgleich einige Gäste dies erwartet oder doch heimlich wünschen mochten. Ihr wurde das geräumige Lokal zu eng, die Luft zu schwül, die Gegenwart des Mannes, von dem sie die feste Ueberzeug-

ung haben zu dürfen glaubte, daß er wider besseres Wissen gesprochen um Martin zu verderben, nur die Stimme dieses Mannes noch länger hören zu müssen, wurde ihr im höchsten Grade unerträglich.

Gerne hätte es Leni vor den Anwesenden bekannt, was sie von dem heuchlerischen Mann denke, der es wagte, einen schwer krank dar­niederliegenden Menschen zu verdächtigen, daß Steffens angebliche Mei­nung nichts anderes sei, als eine niedrige Verleumdung, mittels welcher er den ihm im Wege Stehenden zu beseitigen gedenke.

Sie wäre im stände gewesen, mit der glühendsten Beredsamkeit die Vorzüge Martins in den glänzendsten Farben zu schildern, seinen biederen Sinn, seine Hochherzigkeit, Edelmut und Hingebung zu rühmen, aber sie mußte schweigen. Schweigen, weil sie ihren Vater sonst bis zur Unversöhnlichkeit gereizt hätte und andernfalls schwieg sie, die Pläne des Herrn Steffens desto sicherer vereiteln zu können.

Während dieser seine Münze herumretchte und sich in den verschieden­sten Erklärungen über den ihr angedtchteten Wert erging, hatte Leni fast unbemerkt das Lokal verlassen.

Sie ging hinauf nach ihrem Zimmer und weinte. Sie erhoffte eine Erleichterung ihres beklommenen, schwer gekränkten Herzens, wenn sie den mühsam zurückgehaltmen Thränen freien Lauf ließ und sich so recht ausweinen konnte.

Sie fühlte sich unendlich unglücklich, daß, ungeachtet des Unwillens ihres Vaters, andere es ungestraft wagen konnten, den Mann zu be­schimpfen, für welchen ihre Liebe mit einer unbegrenzten Hochachtung sich vereinigt hatte, seit jenen Stunden der Gefahr, in welchen Martin sich rühmlich hervor gethan.

Frau Kathrine schüttelte bekümmert ihr Haupt, als sie Leni wie­der mit Thränen in den Augen erblickte.