zuführen, und schon nach fünf Jahren waren den Unterbeamten und Arbeitern von dem Reingewinn des Geschäfts über 70000 M. zugute gekommen; dann wurde im März 1873 auf Anraten des Statistikers Dr. Engel die Umwandlung des Geschäfts in eine Aktien-Gesellschaft durchgeführt, um den Beamten und Arbeitern die Kapitalbeteiligung zu erleichtern. Gleichzeitig errichtete er zu gunsten derjenigen Beamten und Arbeiter der Aktien-Gesellschaft, die ein Einkommen von weniger als 3000 M. hatten, eine Stiftung von 150,000 M. in Aktien der Gesellschaft zur Erfüllung bestimmter Wohlthätigkeitszwecke, insbesondere zur Gewährung von Sparprämien, von steigenden Alterszulagen, von reich bemessenen Pensionen und von Wartgeldern bei zeitweiligen Arbeitsstockungen. Freilich ließen die Erfahrungen der späteren Zeit eine Auflö'ung der Aktiengesellschaft wünschenswert erscheinen; immerhin aber muß dem jetzt in Ruhestand tretenden Herrn Borchert zum Ruhme Nachgesagt werden, daß er wie wenige bereit gewesen ist, die soziale Frage seinen Arbeitern gegenüber in der großartigsten, opferfreudigsten Weise zu lösen, und daß er in seinem Kreise diesen Versuch mit überraschendem Erfolge durchgefährt hat.
* Berlin, 30. Sept. Die Wiederaufnahme der Konferenz zur Lösung der egyptischen Ftnanz- frage gilt in den hiesigen diplomatischen Kreisen als sehr wahrscheinlich. Es ist Thatsache, daß England längst dafür Stimmung zu machen bemüht war. Die angekündigten Schritte der Kaisermächte und Italiens haben diesen Wunsch nur befestigen können. Die europäischen Kabt nette sollen sich noch ziemlich zurückhaltend zeigen ; indessen hat man Grund anzunehmen, daß man sich schließlich mit der Konferenz einverstanden erklären wird, zumal wenn sich voraussehen läßt, daß dieselbe nicht wieder fruchtlos verläuft.
* Berlin. In allen Kreisen findet die Konferenz, welche Fürst Bismarck in Friedrichsruh mit den Chefs solcher Hamburger Häuser hatte, die in Westafrika Stationen haben, lebhafte Beachtung. Es heißt, der Reichskanzler stelle eine Art Erhebung über jene Handelsverhält- nisse an und beabsichtige dem Bundesrate und dem Reichstage die Ergebnisse derselben zu unterbreiten. Es ist wohl zweifellos, daß der Reichstag Gelegenheit erhalten wird, sich in der umfassendsten Weise mit der Koloniaifrage zu beschäftigen und hiebei umfassende Aufschlüsse seitens der Regierung zu empfangen. Ob dies anläßlich der Dampfervorlage, oder der voraussichtlichen Mshrforderungen im Marineelat geschehen wird, bleibt abzuwarien.
* In Gürth bei Cöln hat ein plötzlichem Wahnsinn verfallener Maurer sein eigenes 10mo- natliches Kind auf schreckliche Weise ermordet. Mit einem Brodmefser schnitt er demselben, während er es auf dem Schoße sitzen hatte den Halz durch und brachte ihm außerdem eine Anzahl Schnittwunden am Kopfe und an einem Beine bei. Auch seine Frau, die entsetzt her
beisprang, um das Kind zu entreißen verwundete er mit Messerstichen.
* Barmen, 29. Sept. Ein gestern Abend hier verübtes meuchlerisches Attentat setzt die Stadt in Aufregung. Ein in seinen Verhältnissen zurückgekommener Restaurateur schlich sich in die Brennerei eines hiesigen wohlhabenden Brennereibesitzers, mit dem er schon seit langer Zeit in Differenzen verwickelt war, lauertedort, hinter Fässern verborgen, mit einem Revolvor auf seinen Gegner und schoß ihm, als letzterer ahnungslos um halb 6 erschien, eine Revolverkugel m die Brust, die glücklicherweise auf einer Rippe abglttt. Nun entspann sich ein mörderischer Kampf zwischen dem Attentäter und dem Ueberfallenen, in welchem der letztere (ein Mann von herkulischer Gestalt) seinen kaum minder reckenhaften Angreifer, der ihn nun mehrfach auch noch mit einem Messer verwundete, überwältigte und mit Hilfe inzwischen herbeigekommener Leute der Polizei überlieferte. Der schwer verwundete Brennereibesitzer schwebt in Lebensgefahr.
* Lyck. Einen eigentümlichen Racheakt haben polnische Schmuggler an einem „Verräter* geübt. Derselbe, ein Pole, hatte die Banden schon verschiedene Male den Russen in die Arme geliefert. Als er wiederum an einem Abend die SchmuMlgänge im Walde auskundschaften wollte, gesellten sich plötzlich zwei unbekannte Männer zu ihm. Plötzlich legten sie Hand an ihn, verstopften ihm den Mund, führten ihn in das Dickicht der Forst und steckten ihm sodann eine Stange derart durch beide Rockärmel, daß er mit seitwärts gestreckten Armen nur langsam aus seinem Waldgefängnisse heraus- kommen konnte. Erst am vierten Tage fand den Unglücklichen ein Waldwart in vollständig hilfloser Lage und dem Tode nahe. Der Wald wart brachte den Mißhandelten ins nächste Dorf wo er schwerkrank darniederltegt.
Ausland.
* (Ungarische Justiz.) Gegen den Präsidenten des Budapester Strafgerichtes und den Staatsanwalt an demselben: Gerichtshöfe wurde die Disziplinaruntersuchung eingeleitet, well sie die verurteilten Häftlinge sehr lässig in Evidenz gehalten haben, so daß zu wiederholtenmalen Personen, die ihre Strafe längst abgebüßt hatten, noch durch Monate im Gefängnisse oder Kerker behalten, sozusagen vergessen wurden.
* London. In dm ärmeren Londoner Vierteln ist man endlich darangegangen, den Viktualienhändlern strenger auf die Finger zu sehen, und das Ergebnis dieser schärferen Beaufsichtigung war die Konfiskation von 89 000 Pfund Fleisch in einer Woche! Halb verwest oder von verseuchtem Vieh herrührend wurde dies bisher unbeanstandet fellgeboten.
* Von Petersburg, 28. Septbr., wird der „Daily News* gemeldet: Der in der Festung Schlüssslburg tagende außerordentliche Gerichtshof verurteilte am Mittwoch 14 politische Verbrecher zur Strafarbeit in Sibirien
und einen Namens Miujakow zum Tode. Gr wurde heute früh hingerichtet. Eine Spezialkommisston begiebt sich in Kürze nach Archangel, um dort zu Gericht zu fitzen über politische Verbrecher. Verschiedene Offiziere befinden sich unter den Angeklagten.
Handel und Berkehr.
* Stuttgart, 2. Oktbr. Kartoffel- Obstund Krautmarkt.) Leonhardsplatz: 700 Säcke Kartoffeln ä 2 M. 30 Pfg. bis 2 M. 50Pfg.per Ztr. Wilh elmsplatz: 3500 Säcke Mostobst L 5 M. 50 Pfg. bis 6 M. — Pfg. pr. Ztr. Marktplatz: 2000 Stück Filder- kraut L M. 10 bis 15 M. pr. 100 Stück.
* Stuttgart, 1. Okt. Zufuhr auf den Hopfenmarkt betrug 104 Ballen. Rege Kauflust. Preise zu 90—115 M. — InRotten- burg fanden zahlreiche Käufe zu 115 —120 M. nebst Leihkauf statt. — JuHerrenberg wurden 28 Ztr. je zu 107 M. verkauft.
* Heildronn, 30. Sept. Obst- und Kartoffelmarkt. Bei dem heutigen Markte stellten sich die Preise beim Obst: Aepfel 5 M. 60 Pf. bis 6 M. 25 Pf., Birnen 5 M. 30 Pf. bis 7 M. - Pf., gem. Obst 5 M. 90 Pf. bis 6 M. 50 Pf., Kartoffeln, gelbe 1 M. 80 Pf. bis 2 M. 30 Pf., Wurstkartoffeln 2 M. 30 Pf. bis 2 M. 50 Pf. per Zentner.
* Fl ein, 2. Oktbr. Gestern wurde hier ein Teil des schwarzen Rießlings von Bäcker Gberbach sen. gelesen. Das Gewicht desWem- mostes hievon beträgt 95°.
* Gechingen, 1. Okt. Hopfen bis auf 50 Ztr., die noch zurückgehalten werden, geräumt. Preise bis zu 125 M. inkl. Kaufgeld.
* (Zum Obsthandel.) Die diesjährige reichliche Obsternte in Süd-Steiermark hat auch Heuer wieder die deutschen Käufer angelockt, ganze Wagenladungen mit Achseln gehen nach Berlin und Württemberg.
Biktnalie» preise
auf dem Wochenmarkt in Altensteig am 1. Okt.
Vr Kilo Butter. 70 Pfg.
2 Eier ......... 12 Pfg.
Alteusteig. Schr«n«er»-Zettel vom 1. Okt. Neuer Dinkel... 8 — 7 45 6 8»
Haber. 7 — 6 80 6 60
Gerste ..... -9 —--
Roggen .... 12 — 11 — 10 —
* (Gate Wirkung.) Wie kommt es denn, daß Herr L. seit einiger Zeit so anständig aus- steht s* „Weil er bis vor kurzem in durchaus geordneten Verhältnissen gelebt hat.* —„Wieso denn?* — „Er hat ein halbes Jahr lang brummen müssen.*
* (Bei den Kannibalen.) Erster Kannibale: „Nun find alle Vorräte aufzezehrt und noch immer keine Aussicht, einmal wieder frisches Fleisch zu bekommen.* Zweiter Kannibale: „Laß nur, in der Ofenröhre steht noch etwas kalter Missionar!*
Für die Redaktion verantwortlich: W. Rie k er, Altensteig ^
„Leu., Lear, wenn du jo sorlsäiM, ittmml's tein gut Ende und du bringst mich noch in groß Herzeleid,* sagte sie und ein schwerer Teuf zer entrang sich ihrer Brust, als Leni Unwohlsein vorschützend, leise „gute Nacht* hauchte und sich ungewöhnlich frühzeitig in ihr Bette d.gab.
Leni schlief indessen nicht, aber ein heißer Thränenstrom ergoß sich aus ihren Augen und feuchtete das Kissen, in welches sie schluchzend ihre Schmerzenslaute begrub.
Erft nach und nach fühlte sie sich leichter und nur die peinigend: Ungewißheit über Martins fragwürdigen Gesundheitszustand ließ sie des Kummers nicht völlig frei werden.
Wenn ihr nur Martin erhalten wurde, alle übrigen Hindernisse, die der Erreichung ihres Zieles sich jetzt enkgegengetürmt, hoffte sie dagegen noch überwinden zu können- Unter Sinnen und Grübeln für die Zukunft schloß ihr ein wohlthätiger Schlummer die müden Augen.
Als am nächsten Tage Peter Scharffenberg seine gewohnte Mittagsruhe hielt, verließ Leni unter dem Vorwände, einige notwendige Einkäufe besorgen zu wollen, das Schiffhaus.
Nachdem sie das Vorgegebene auch bewirkt, lenkte st; ihre Schritte nach jener Straße, auf welcher Meister Spölling sein Geschäft seit nahezu einem Vierteljahrhunsert errichtet hatte.
Mit klopfendem Serzcn betrat sie das Geschäftsloka! des wohlbekannten Meisters, der sich freundlichst nach dem Wunsche des Fräuleins erkundigte.
Leni halte sich am gestrigen Abend eines Ringes erinnert, den sie ehemals von einem Paten geschenkt erhalten und d;r, weil zerbrochen, längst in einem Kästchen ausbewahrt gelegen. Diesen brachte sie dem Meister zur Reparatur.
Leni erzählte, wie sie schon Herrn Martin den R-ng Hab; mitgeben
wollen, allein es sei immer unterblieben, und nun da, wie ihr bekannt geworden, der brave Herr Martin infolge seiner großen Anstrengungen krank liege, benütze sie sogleich die Gelegenheit, sich nach dem Befinden desselben zu erkundigen.
„Er war stets ein gern gesehener Gast meines Vaters*, fügte Leni teilnehmend hinzu und besichtigte dabei die Schmucksachen, welche in den auf dem Ladentisch stehenden Glaskästen zur Schau ausgelsgt waren, damit Meister Spölling ihr nicht in das errötende Gesicht sehen konnte.
Der alte Herr war in den letzten Tagen schon oft befragt worden, dessenungeachtet gab er aber immer gern Bescheid und freute sich der Teilnahme, die seinem wackeren Gehilfen gewidmet wurde.
Ausführlich berichtete er über Martins Befinden und da zufällig dessen Wärterin auf einen Augenblick herunterkam, so konnte Leni alles haarklein erfahren, was sie über Martin zu wissen wünschte.
Etn mzwtschen in das Verkaufslokal eintretender Herr, welcher mit Meister Spölling einen Handel abzuschließea wünschte, gab die geeignete Veranlass eng, daß Leni der Einladung der redseligen Wärterin folgte, im Nebenstübchen noch einige Minuten zu verweilen.
„Euren Namen hat der Martin in seinen Fieberphantasten unzählige Male genannt, aber auf Herrn Steffens scheint er gar nicht gut zu sprechen zu sein. Es ist doch seltsam, wie der befangene Geist eines so schwer kranken Menschen sich äußert*, sagte die Wärterin. Sie schien es nicht zu bemerken, daß Leni bei dieser Nachricht tief errötete.
„Es ist heute mit ihm bedeutend besser geworden, und er schläft jetzt recht ruhig,* fuhr die Frau fort, „und wenn Ihr ihn unbemerkr einmal sehen wollt, io könnt Ihr dies schon haben, wenn Ihr jetzr mit herauf kommt. Ich darf nie lange ausbleiben, der Meister ha. mir's heilig anempfohleu.* (Fortsetzung folgt.)