In Sachen des Branntweinsteuer-Gesetzes, das dem Landtag nächstens zugeheu soll, sei bemerkt, daß in Württemberg nicht weniger als 14,430 Brennereien bestehen. Von diesen produzieren 4282 Brennereien jährlich bis zu 50 Liter, 1736 bis zu einem Hektoliter, 1742 bis 2 Hektol., 548 bis 10 Hektol., 187 bis 20 Hektol. 92 bis 50 Hektol., 30 bis 100 Hektol. und nur 33 mehr als 100 Hektol. Wie es heißt, sollen zu dem ganzen Steuersätze, der beabsichtigt ist, nur die letzten beiden Kategorien herangezogen werden, die Brennereien mit einer Produktion bis zu 50 Hektol. nur mitVe des Satzes. Vielleicht würde sich bei den ganz kleinen Brennereien eine noch weitere Reduktion der Steuer empfehlen, denn diese sind gegenüber den Einrichtungen der größeren Etablissements unzweifelhaft sehr im Nachteile.
Calw, 26. Sept. Seit vorgestern Abend hat das alljährlich wiederkehrende Fackeln begonnen, eine uralte Sitte, welche darin besteht, daß in der letzten Septemberwoche jeden Abend durch Kinder auf dem hohen Felsen ein Feuer angezündet, Feuerwerk abgebrannt und schließlich mit leuchtenden Holzfackeln und Papierlaternen unter Gesang zum Brühl gezogen wird. Dieser Fackelzug ist Heuer besonders durch das prächtige Wetter und d-n neuen Weg begünstigt, welchen kürzlich der Verschönerungsverein auf den hohen Felsen Herstellen ließ. Auch die seit einigen Wochen als Ktnderspielzeug bemerkbaren bengalischen Feuerkerzchen erhöhen wesentlich den Glanz der diesjährigen Fackelabende, welche Jung und Alt viel Unterhaltung und Freude gewähren. Den Ursprung dieses unvordenklichen Herkommens kennt man nicht mehr.
Calw, 26. Sept. Unser bish. Reichstagsabgeordneter, Kommerzienrat Julius Stälin hier, hat auf die von einer Anzahl hiesiger Wähler bei ihm eivgezogene Erkundigung die bestimmte Zusage gegeben, den 7. Wahlkreis wieder im Reichstage vertreten zu wollen, falls ihm nochmals das Vertrauen der Wähler zu Dell würde. Da wir alle Ursache haben, mit Stälins Haltung im Reichstage zufrieden zu sein, so sind wir ihm durch diese erfreuliche Zusage zu besonderem Danke verpflichtet, und wir geben uns der angenehmen Hoffnung hin, seine Wiederwahl ohne Kampf durchsetzen zu können. Von einer wetteren Kandidatur verlautet bis jetzt nichts, sie wäre auch bei der überwiegenden Mehrzahl der Wähler sämtlicher 4 Oberämter des 7. Wahlkreises völlig aussichtslos.
(Schw. M.)
Stuttgart, 25. Sept. Se. Maj. der König hat heute Nachmittag in Begleitung des Freiherrn v. Spitzemberg unter Führung des Direktors v. Keßler, sowie der übrigen Mitglieder der Verwaltung der Bahngesellschaft, die neue Zahnradbahn nach Degerloch besichtigt und befahren. Sowohl hier als in Degerloch wurde Seine Majestät bei den Bahnhöfen von zahlreich versammeltem Volke mit lebhaften Hochrufen empfangen. In letzterem Ort hatten sich
zur Begrüßung des Königs bei der Ankunft der Amtsoberamtmann von Stuttgart Regierungsrat v. Drescher, sowie der Ortsgeistltche und die Mitglieder der bürgerlichen Kollegien von Degerloch eingefunden.
Stuttgart, 27. Sept. Kurz vor 10V» Uhr fuhren heute S. Maj. der König !und I. M. die Königin in einem prächtigen Viergespann vom kgl. Schlöffe ab, durch ein dichtes von Stuttgart bis nach Cannstatt reichendes Spalier des Publikums, welches das Königspaar auf dem ganzen Wege mit brausenden Hochrufen begrüßte, zu dem landwirtschaftlichen Hauptfest nach Cannstatt.
Ministerpräsident v. Mittnacht, der in seiner Eigenschaft als oberster Leiter des Verkehrswesens an der Eröffnung der Arlbergbahn teilgenommen, brachte beim Festbankett einen Toast aus, der stürmischen Beifall fand. Er begrüßte im Namen Württembergs die neue Verbindung Oesterreichs mit Württemberg vermittels der von elfterem jüngster Zeit erbauten Bodenseedampfer. Was Oesterreich nützt und fördert, rief der Minister aus, das kann von den Deutschen nur mit Freuden begrüßt werden (lauter Jubel); obwohl wir wissen, daß die neue Eisenbahnstraße nicht blos nach Deutschland führt, so wissen wir doch auch, daß ein verwandtschaftlicher Zug den Oesterreicher nur zum Deutschen führen wird. Darum begrüßen wir Oesterreichs Flagge auf unserem schönen See mit so großer Sympathie. Möge diese Flagge, die sich an so manchem heißen Tage Ruhm erworben, sich auch im friedlichen Wettkampfe erproben. Oesterreichs Flagge hoch! (Stürmischer Beifall.)
Dem „N. Tgbl." zufolge ist gegenwärtig der Stand der Typhusepidemie in dem Lazareth auf der Soli tude ein so günstiger, daß Hoffnung vorhanden ist, es könne das Lazareth bis Ende Oktober verlassen werden.
Ein bis jetzt noch unbekannter Menschenfreund sucht durch Annonce imHeidenheimer Lokalblatt eine Zizeunerfamilie, die aus Württemberg oder einem andern deutschen Land stammen soll, um ihr ein Haus samt Gütern unentgeltlich zu überlaffen. Er scheint den Versuch wagen zu wollen, solche vagabundierende, arbeitsscheue Leute an festen Wohnsitz und an Arbeit zu gewöhnen.
Bet der Fahrt des Kaisers von Oesterreich nach Friedrichshafen verletzte sich der Hetzer des Dampsbootes „Habsburg" ziemlich erheblich an der Hand. Der Leibarzt Sr. Majestät legte dem Manne einen Verband an und der Kaiser, von größter Teilnahme erfüllt, ließ dem Verunglückten sofort 60 fl. ausbezahlen.
AusdemFränktschen, 25. Sept. Die Gemeinde Sch. wurde ver kurzer Zeit von einem in Regensburg lebenden Sohne eines früheren Pfarrers in dieser Gemeinde mit einer Stiftung von 1800 Mark bedacht. Die Väter des Dorfes beschlossen nun in einer Sitzung dem noch lebenden Spender ein Gegengeschenk zu über
senden. Ein Teil stimmte für ein Faß Guten aus dem Taubergrunde, wogegen Widerspruch erhoben wurde. Endlich kam man überein, eine Flasche Schnaps, edles Zwetschgenwaffer abzuschicken. Der Schultheiß verpackte die Flasche in ein Kistchen und sandte sie mit dem War-> nmlgszetchen „piano" versehen ab; allein zerbrochen kam die Hülle an und entlaufen war der Inhalt. Eine Entschädigung vom Postamte wurde sowohl vom Empfänger als von den Absendern ausgeschlagen, doch erhielten letztere eine Zuschrift, wornach obige Stiftung zurückgezogen und die meisten Väter das Nachsehen haben.
Die Gemeinde Pliezhausen löste aus ihrem diesjährigen Obsterzeugnisse 6300 Mark.
Bei der letzten Amtsvsrsammlung in Heidenheim wurde beschlossen, in dortiger Stadt ein Bezirkskrankenhaus um 100,000 Mark zu erbauen.
(Verschiedenes.) JnSaulgaukam Dienstag abend mit dem letzten Zug der seit 9 Tagen flüchtige und deshalb steckbrieflich verfolgte Kassier der Zuckerfabrik Altshausen, Die sch, eskortiert vom Stationskommandanten, an. Ob der Kassenrest, wegen dessen er flüchtig wurde, ein großer ist, wird die Untersuchung erweisen. Während von einer Seite behauptet wird, der Abmangel betrage nicht einmal seine eingelegte Kautionssumme, wird solcher von anderer Seite auf 13 000 M. angegeben. Ein Telegramm, das Diesch selbst in München aufgab in der Erwartung einer Antwort, führte dort zu seiner Verhaftung und Abholung durch den Stationskommandanten von Saulgau. — In Waldsee ereigneten sich in jüngster Zeit mehrere Unglücksfälle. Ein Maurer, der vom Dache fiel, und ein zweiter, der nachts im Traum und in der Meinung, er betrete ein Gerüst, aus einem Fenster des 3. Stockes seiner Wohnung stieg und in die Tiefe stürzte, verletzten sich schwer. — In Wtndsheim im Fränkischen ereignete sich am vergangenen Freitag das Unglück, daß der 24jährige Sohn des Bäckers daselbst seinen Fuß in die Dreschmaschine brachte. In dieser schmerzvollen Lage mußte der Bedauernswerte eine halbe Stunde verharren, bis ein herbeigerufener Maschinist ihn befreien konnte. Der Fuß und das Schienbein waren buchstäblich zermalmt und mußten abgenommen werden.
Deutsches Reich.
Donaueschingen, 24. Sept. Ochsenwirt W. in Aasen ist dieser Tage unter Zurücklassung seiner Familie jedoch in Begleitung einer Magd und sämtlichen aufzutreibenden baa- ren Geldes verschwunden. Zerrüttete Vermögensund andere Verhältnisse dürften ihn zu diesem in jetziger Zeit nicht mehr ungewöhnlichen Schritte veranlaßt haben.
(Ein eigentümlicher Unglücksfall) hat sich vor einigen Tagen in Wehheiden bei Kassel ereignet. Ein 5jähriger Knabe, der einzige Sohn einer Witwe, wollte an einem Hollunderbusch
Des Weinwirls Höchterkein.
Originalerzählung von Rich. Bachmann.
(Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)
Das kecke schwarze Bärtchen, die Augenwimpern, die Brauen waren verschwunden und selbst das buschige Kopfhaar hatte arg gelitten. Die auf der Decke ausgebreiteten Hände zeigten nicht unbedeutende Brandwunden und die Arme zukten unruhig, als wollten sie noch die Bewegungen der nächtlichen Arbeit wtderholen. Aber das war kein ruhiger, kräftigender Schlummer, wie er Martin von einem solchen umfangen wähnte. Das rotglühende Gesicht, wie der kurzgestoßene Atem, öfters unterbrochen durch ein knirschendes Stöhnen, verriet das Vorhandensein eines starken Fiebers. Leise legte Meister Spölling die Hand auf Martins Stirn und die leicht wahrzunehmende Hitze derselben bestätigten seine Vermutung.
Mehrfache Ermunterungsversuche erwiesen sich als vergebliche. Martin sprach nur einige Worte sehr laut, doch wirr und ohne Zusammenhang, dann verlor sich sein Geist wieder in wilden Phantasten und der vorige schlafähnliche Zustand trat wieder ein.
Kopfschüttelnd entfernte sich der alte Meister, er bedauerte, nicht schon früher nachgesehen zu haben und schickte sofort zu einem im guten Rufe stehenden Arzt. Dieser ließ denn auch nicht lange auf sich warten. Nach einiger Beobachtung des Kranken konstatierte er unter bedenklichem Achselzucken ein schweres Fieber, dessen Ausgang leider nicht immer ein erfreulicher sei. Er verordnete einige Medikamente, erteilte Ratschläge über die Pflege und Beobachtung des Kranken und versprach dem Meister Spölling, recht bald wieder kommen zu wollen.
Der Zustand Martins erweckte die regste Teilnahme Meister
Spöllings, er nahm eine in der Nachbarschaft wohnende Verwandle zu sich, welcher er speziell die Pflege des Patienten anvertraute.
Die nicht unerfahrene Frau widmete sich dieser Aufgabe auch mit der größten Hingebung, hatte sie doch selbst einen Sohn, der draußen in der weiten Welt sein Heil versuchte. Und sie glaubte, wie sie hier einem braven Fremdling ihren Beistand angedeihen ließ, so könne es doch auch ihrem Kinde in der Not von mitleidigen Menschen einstmals wieder vergolten werden.
Bald war das Schicksal Martins in der Stadt bekannt geworden und man bedauerte den jungen Mann, dessen wunderbare Entschlossenheit und ritterlicher Opfermut so viel von sich reden machte, allgemein.
Daß auch im Schiffhause viel davon gesprochen wurde und Leni bald davon erfuhr, daß Peter Scharffenberg sich einiger Beschämung nicht erwehren konnte über sein Gebahren, das er Martin gegenüber beobachtet hatte, als der erste Schreckensruf aus Lenis Mund erklungen war, daß Frau Kathrine ihrer Bewunderung für den seltenen Menschen wiederholt Ausdruck verlieh und daß Leni schwer bekümmert war um das Leben des geliebten Mannes und deshalb heimlich viel weinte, — konnte niemand Wunder nehmen. Und so geschah es, daß der Schiff- Hauswirt nichts zu erwidern wagte, wenn Frau Kathrine öfters in das allgemeine Lob einstimmte; fühlte er sich doch selbst zu Danke verpflichtet, denn ohne Martins Gegenwart hätte der auf sein Haus übertragene Brand jedenfalls wettere Ausdehnung gewonnen. Aber auch über Lenis verweinte Augen verlangte Peter Scharffenberg keine Auskunft. Im Gegenteil vermied er es absichtlich, das ihm unerfreuliche Verhältnis seiner Tochter zu Martin auch nur mit einem Worte in Erwähnung zu bringen.
Er war klug genug, in den ersten Tagen der Begeisterung für