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Altensteig. Die Expedition

des Bl.Aus den Tannen*.

Zur Versetzung von unständigen Lehrstellen an Volks­schulen wurde u. a. für befähigt erklärt: Mathilde Hahn von Zwerenberg.

L Englands Flottevherrlichkeit.

In der gesamten neueren Geschichte gilt die Meinung von der Unantastbarkeit Englands als eine Art Glaubenssatz. Napoleon I., der das gesamte Europa mit Krieg überzog, hat England allein ungeschoren gelassen und gegen dasselbe nur einen Handelskrieg durch die sogen. Kontinentalsperre geführt. So ist es auch von allen Großmächten Großbritanien die einzige, welche noch nicht das System der allgemeinen Wehrpflicht eingeführt hat und ebensowenig exi­stieren in England Festungen in der Art, wie sie alle übrigen Länder aufwciien. England ist eben nur mächtig durch seine Flotte, dle sct-on seit den Zeiten der Königin Elisabeth den ersten Rang behauptet.

Wahrend sich England in stolzer Sicher­heit zu befinden schien, haben Frankreich, Deutsch­land und selbst Italien in den letzten Jahren ungemein viel für Vermehrung und Verbesserung ihrer Kriegsflotten gethan. Wie eine Bombe fällt in das MaLtgefM Englands ein Artikel der Wall Mall Gazette', welcher in unbarm­herziger Weise die Flottenverhältmsse des Lan­des kritisiert. Daß cs gerade ein Regierungs­blatt ist, das seine warnende Stimme erhebt, gibt dem Artikel eine noch höhere Bedeutung.

Das genannte Blatt schreibt:Gegen Frank­reich allein steht England in bezug ans die Sch ffskovoren und wegen seiner alten Schiffe zurück, kaum ebenbürtig ist es in bezug auf die Panzerschiffe und die Schnelligkeit der Fahr­zeuge. Frankreich mir einem Verbündeten würde Englands Uebergewicht zur See vernichten. Auch in den Neubauten übertrifft Frankreich schon England. In zwei Jahren wird Frank­reich mehr Panzerschiffe als England besitzen. Die englischen Schiffskanonen sind positiv leich­ter und schlechter als die französischen und ita­lienischen. Die Franzosen haben bessere Schiffe in China. Die Chilenen und Brasilianer kön­nen die englischen Schiffe im Stillen und im Südatlantischen Ozean wegfegcn. Die englischen schnellen Kreuzer sind ungenügend für den Schutz der Handelsflotte. Ein feindlicher Kreuzer kann morgen ungestraft Hongkong, Singapore, Bom­bay, Kapstadt und alle Kolonien zerstören. Die Docks zur Reparatur sind vollständig ungenügend. Nur zwei englische Häfen sind genügend geschützt, dagegen Edinburg, Liverpool, die Flüsse Clyde, Humber und Tees, ferner Belfast und Dublin jedem Feinde offen. Die Zahl der tüchtigen Seeleute ist ungenügend, die Reserven sind zu gering. England besitzt absolut kein fertiges Torpedoboot.*

Da die Wall Mall Gazette' in erster Linie berufen ist, die Regierungsintereffen zu vertreten, so ist ihr Zeugnis im vorliegenden Falle ein durchaus unverdächtiges. Die Enthüllungen

des Blattes drängen gegenwärtig in England alle anderen öffentlichen Fragen in den Hinter­grund. Mr. Smith, welcher unter dem frühe­ren Ministerium Marineminister war, bestätigt zudem noch in einem durch die Blätter gehen­den Briefe, daß das Gefühl der Bangigkeit und Unruhe, welches England wegen dem schlechten Zustande seiner Kriegsflotte empfindet, durch­aus begründet sei und daß die Darstellung der Wall Mall Gazette' vollkommen der Wahrheit entspreche. Smith fordert, daß das Parlament bei seinem Zusammentritte sofort eine Kom­mission etvsetzc, welche die Zustände der Kriegs­marine zu prüfen habe.

Ein Diplomat der neueren Zeit hat gesagt, England sei keine Großmacht mehr, es genieße nur noch das Ansehen einer solchen. Wenn die Flottenverhältniffe Englands, dessen unersättliche Ländergier es überdies zu einer argen Verzette­lung seiner Machtmittel zwingt, wirklich in der Art daniederliegcn, wie sie von der Wall Mall Gazette' unter Bestätigung des vorigen engli­schen Mannewinisters beklagt wird, dann wäre das nur ein neuer Beweis für den Verfall Groß- britaniens.

Tagespolitik.

Bezüglich der von verschiedenen Seiten in Aussicht gestellten Abänderung der Rcchtsan- waltsordrung sollen dem Vernehmen nach zu­nächst von den Obcrgerichten gutachtliche Aeußer- ungcn eingefordert werden, bevoQirgeud etwas in dieser Richtung geschieht. D e Befürchtungen, daß sich allmählich ein Anwaltsproletariat her- ausbüden könnte, sind keineswegs unbegründet und es wird deßhalb vor allem die Sorge un­serer Justizverwaltung darauf gerichtet bleiben müssen, daß der ehrenwerte Stand der Anwälte in seiner weiteren Entwickelung an seinem An­sehen nicht Schaden leidet.

Welch außerordentliche Rührigkeit die Sozialdemokraten bei den bevorstehenden Reichs- tagswahlen zu entfalten beabsichtigen, beweist die dieser Tage von der Partei heransgegebeue Kandidatenliste. Darnach wird sie im ganzen 144 Kandidaturen ausstcllen. Hiervon fallen auf das Königreich Preußen 68, auf Bayern 16, auf das Königreich Sachsen, in dem alle Wahlkreise besetzt sind, 23 und auf die andern Staaten 37. Die meisten von diesen Kandidaturen sind selbstverständlich Zählkandidaiuren. Doch werden immerhin 38 bis 40 Wahlkreise einen sehr ernsthaften Kamps gegen sie zu führen haben.

Am Freitag abend ist das Kaffer- paar zu längerem Aufenthalt in Baden-Baden eingetroffcn.

Für die Eröffnung des Reichstages ist die Zeit zwischen dem 12. und 19. November in Aussicht genommen. Wahrscheinlich wird die Session am Dienstag, den 18. November beginnen.

Der Wcichsanzeigcr' veröffentlicht die Verordnung, betreffend die Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes für Berlin und Altona bis zum 30. September 1885.

Die Verhandlungen der Reichsbank mit bekannten großen Instituten wegen der Begründ­ung einer überseeischen Bank sind ergebnislos geblieben. Aber die Verwirklichung des Planes ist deswegen durchaus nicht als aussichtslos anzusehen, da der Reichskanzler an der Idee einer solchen Bank festhält.

Der österreichische Kriegsminister fordert für Flottenzwccke die Erhöhung seines Etas um zwei Millionen Gulden. Die Delegationen und die Finanzminister von Ungarn und Oesterreich widerstreben der Bewilligung.

Für Kroatien, welches Land sich in einer hochgradige» Erregung befindet, ist ein k. k. Kommissar ernannt worden. Das bedeute soviel als Aufhebung der Verfassung und Pro klamierung eines Ausnahmezustandes, während besten dem Kommissar die weitgehendsten Be­fugnisse zustehen.

Der schweizerische Bundesrat wies sechs dem Handwerkerstände aroebörende Personen, die aus Deutschland und Oesterreich stammen, wegen anarchistischer Umlri.be aus.

Aus Liestal brin, t dieGrenzpost* die vorerst nicht sehr glaubwürdige Meldung, cs habe sich in der dortigen Untersuchung ge­gen die Verbreitung der Stellmacher-Plakate als unzweifelhaft herausgestellt, daß einer der drei Verhafteten im Dienste der preußischen Polizei stand und von derselben bis in die jüngst ' Zeit namhafte Geldunterstützungen erhielt. Seine Aufgabe war, das anarchistische Treiben zu über­wachen und periodisch Bericht zu erstatten.

Admiral Courbet hat nun alle seine Streitkräfte in den chinesischen Gewässern zu­sammengezogen. Er verfügt nur über 2000 Mann Infanterie, einige Genietruppen und Gen­darmen, sowie eine Batterie leichter Artillerie. Mit diesen Kräften läßt sich doch keine erfolg­reiche Landung vornehmen.

Der Gemeinderat von Ly o n hat einen neuen Kredit von 50 000 Frank für die Ar­beitslosen, sofortige Ausführung von Chaussee- arbeitcn und Entsendung des Maires nach Pa­ris beschlossen, um die Regierung zur Erfül­lung ihrer Versprechungen zu bestimmen.

Die Siegesdcpcschen des General Gor- don begegnen vielfachen Zweifeln, sie werden nicht überall auf Treue und Glauben hinge­nommen. Namentlich findet die Nachricht von der Aufhebung der Belagerung Kartums wenig Glauben. Gar vielfach hört man den Verdacht laut werden, daß die in Rede stehenden Tele­gramme in Kairo selbst fabriziert worden seien, um der öffentlichen Meinung eine Nase zu drehen.

Im Laufe vergangener Woche fanden in Brüssel zahlreiche Haussuchungen bei Per­sonen statt, die zu der republikanischen Partei gehören. Das ,Echo du Parlement' behauptet, es seien dabei Waffen und Munition, sowie anarchistische Schriftstücke gefunden worden, auch will dasselbe von der Entdeckung eines gegen die Sicherheit des Staates gerichteten Komplotts und von vorgenommenen Verhaftungen wissen.

Der spanische Mtnistcrrat hat die Er­richtung einer deutschen Kohlenstation auf der Insel Fernando Po zugelaffen. Fernando Po liegt unweit von Kamernnsland.

Die Boern in Südafrika haben das bisher unter dem Schutze der englischen Kap- kolonie stehende Betschuanaland vertragswidriger­weise annektiert. Die Regierung der Kapkolonie fordert nun, England solle dagegen einschreiten. Die englischen Zeitungen meinen aber, das sei Sache der Kopkolonie selbst; wenn diese nichts thäte, so könne England erst recht nichts thun.

LlMdeMachrichteN.

Altensteig, 27. Sept. Se. Kgl. Maje­stät haben vermöge höchster Entschließung vom 20. Sept. d. I. dem Schullehrer und Guts­besitzer I. Alber in Liebelsberg, OA. Calw, für sein erfolgreiches, durch eigenes Bei­spiel unterstütztes Wirken um Hebung der Land­wirtschaft, besonders um Verbreitung des künst­lichen Futterbaus und Anwendung konzentrierter Düngemittel die silberne Medaille und einen Geldpreis von Dreihundert Mark gnädigst zu verleihen geruht.