Der große Leichenzug bot einen rührenden An­blick. In dem einen Sarge waren die ver­kohlten Überreste der Mutter und ihrer zwei Kinder; in dem andern lag die 11jährige Toch­ter, welche erst am Montag mittag unter un­säglichen Schmerzen ihren Brandwunden erlag. Zwölf Stunden mußte ieses buchstäblich ge­bratene Kind seiner Erlösung entgegensehen, ihrem 82 Jahre alten Großvater, der sie ver­pflegte, immer und immer wieder zurufend: O gib mir Wasser, ich muß sterben. Hinter den Särgen giengen zwei Söhne und eine Tochter, welche nach dieser schrecklichen Katastrophe zur Unglücksstätte gerufen wurden. Dem zur Un­kenntlichkeit entstellten, schwer krank darnieder­liegenden Vater und den 2 Kindern hat ein menschenfreundlicher Bürger von Schopfloch seine eigene Wohnung als Krankenzimmer angeboten. Die anderen 7 Verunglückten befinden sich wie bereits berichtet, im Spital in Freudenstadt. Und wer ist es, der das große Gebäude in einen rauchenden Trümmerhaufen verwandelte und solch entsetzliches Unglück über eine Familie gebracht hat? So fragt eins das andere. Je­doch wir wollen nicht lieblos urteilen und ver­dammen, sondern stillschweigend abwarten, welches Resultat sich aus der stattfindenden gerichtlichen Untersuchung ergibt. (Gr.)

Stuttgart, 6. Mai. Die Nachwehen des Volksbankkrachs machen sich, wie man der N.-Ztg." schreibt, immer noch geltend. So mußte erst vor einigen Tagen ein hies. Geschäfts­mann, der für sehr vermögend galt und dessen Familie reich ist, da jetzt die Nachzahlungen von den Genossenschaftern etngetrieben werden und seine Mittel hiezu nicht ausreichten, sein Haus verkaufen und fitzt jetzt vorerst erwerbslos da. Überhaupt werden jetzt erst, wo es sich um die Nachzahlungen seitens der ohnedies schwerge­schädigten Genossenschafter handelt, viele Kala­mitäten über sonst ganz solide Familien Herein­brechen.

Der Zahlmeister Knorr in Stuttgart wurde lautN. T." vom Militärgericht wegen der von ihm im Amte begangenen Unterschlag­ungen rc. zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt und bereits an das Zuchthaus in Ludwigsburg ab­geliefert.

Aus dem Kirbachthale, 5. Mai. Eine erhebende Handlung war am vorletzten Sonntag in der Kirche zu Ochsenbach mit der Abend­mahlsfeier der Konfirmanden verbunden: die Taufe eines erwachsenen Negers aus Afrika. Derselbe, ein schlank gewachsener Jüngling von ohngelähr 16 Jahren, weilt seit einem Jahr im dortigen Pfarrhause, erhält von Herrn Pfarrer Binder, der 12 Jahre Missionar auf der Goldküste gewesen, seine geistige Ausbildung und insbesondere Unterweisung im Christentum und erlernt nebenbei bei einem Meister die Schreinerei, um sich durch dieses Handwerk für später in seinem Vaterland nützlich zu machen. Und nach Afrika will der junge Mann wieder, trotz der guten Behandlung und aller Aufmerk­

samkeiten, die ihm in seinem dermaligen Aufent­haltsort zu Teil werden. Wohnt ja in der Brust des Negers ebenso gut Liebe zur heimat­lichen Erde wie in der des Deutschen und an­derer Kulturvölker. Um so mehr gönnen wir es unserem Negerjüngling Kwaku oder, wie er jetzt nach seinem Taufnamen heißt, Ernst, daß er bald Landsleute und damit ein Stück Heimat um sich sehen darf, denn im Laufe des Sommers werden noch 3 weitere junge Neger im Pfarrhaus in Ochsenbach ihren Einzug hal­ten, um dort zu Lehrern für ihr Vaterland ausgebildet zu werden.

Apotheker Niethammer von Lonsee, der vor acht Tagen nachts auf der Bahnlinie zwischen Westerstetten und Lonsee überfahren worden, ist den dabei erlittenen Verletzungen Samstag früh erlegen.

Bönntgheim, 7. Mai. Man hatte schon geglaubt die hiesigen Pockenerkrankungen seien vollständig erloschen, als in letzter Zeit wieder einige neue Pockenfälle zur Anzeige ge­bracht wurden. Dies scheint nun mehreren Un­berufenen Veranlassung gegeben zu haben, durch einige Blätter die Nachricht zu verbreiten, es herrsche bei uns eine förmliche Pockenepidemie. So schlimm steht es denn doch nicht, die Pocken­erkrankungen bestehen blos in der sogenannten Variolois, einem leichteren Grad der eigentlichen Pocken, auch sind nur drei Personen daran er­krankt. Es darf deshalb mit gutem Gewissen die Versicherung abgegeben werden, daß die Ge­sundheitsverhältnisse hier ganz normal sind, und Auswärtige, namentlich Touristen, dürfen sich nicht abhalten lassen, Bönnigheim und Umgebung zu besuchen.

(Unglücksfälle und Verbrechen.) In Schramberg hat das leidige Hochzeits- Schießen einen bedauerlichen Unglücksfall herbei­geführt. Ein fleißiger und tüchtiger Arbeiter der dortigen Stetngutfabrik hat sich die Hand derart zerschossen, daß dieselbe abgenommen wer­den mußte. In Nußdorf bei Vaihingen wurde am vergangenen Sonntag dem Viehfüt- terer eines dortigen Gutsbesitzers von einem Farren im Stalle während des Putzens der Bauch aufgeschlttzt, der Unglückliche starb infolge dessen andern morgens. In Vierlingen bei Horb wurden an 4 Grabsteinen des dortigen Gottesackers die eisernen Kreuze abgeschlagen.

Deutsches Reich.

Berlin, 7. Mai. Das Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen bestimmt im Wesent­lichen: Die Herstellung, der Vertrieb und der Besitz von Sprengstoffen, sowie die Einführung derselben aus dem Auslande ist nur mit polizei­licher Genehmigung zulässig, lieber die Menge der hergestellten und angeschafften Sprengstoffe, ferner über die Bezugsquellen und den Verbleib daran ist ein Register zu führen und der Be­hörde jederzeit vorzulegen. Wer vorsätzlich durch Sprengstoffe eine Gefahr für Eigentum, Gesund­

heit und Leben anderer herbeiführt oder in die­ser Absicht oder unter Umständen, welche nicht erweisen, daß dies zu erlaubten Zwecken geschieht, Sprengstoffe anschafft, herstellr, bestellt, im be­sitz hat, oder wer öffentlich vor einer Menschen­menge, oder durch öffentlichen Anschlag, oder in Schriften zar Begehung solcher strafbaren Hand­lung auffordert, wird mit Zuchthaus bestraft.

Ist durch die Handlung der Tod herbeigeführt und hat der Thäter diesen Erfolg voraussehen können, so tritt Todesstrafe ein. Die übrigen Bestimmungen betreffen die Teilnahme an dem Verbrechen und die Bestrafung derer, die ohne polizeiliche Erlaubnis Sprengstoffe Herstellen, einführen, besitzen und feilhalten; ferner die Ge­suche um polizeiliche Erlaubnis und andere Details.

Vor der Strafkammer des Landgerichts zu Mainz stand am Freitag die 13jährige Kath. Proßmann aus Freilaubersheim, welche versucht hatte, ihren Vater mittels Phosphors zu ver­giften. Der Vater ist seit Jahren Wittwer, ein Mensch, der dem Trünke ergeben ist und seine Kinder in gemeinster Weise behandelt und schlägt. Dieser ewigen Mißhandlung müde, be­schloß die 13jährige Tochter, ihren Vater aus der Welt zu schaffen. Sie nahm Schwefelhölzer, löste den Phosphor in Wasser auf und goß dieses Wasser dem Vater in den Kaffee. Kaum hatte der Mann einen Schluck genommen, als er am Geschmack den Phosphor erkannte und den Kaffee ausgoß. Einige Wochen später zeigte ^ er fein Kind wegen dieses Vorfalls an. In l der Gerichtsverhandlung wurde der Fall klar erwiesen, das Gericht erkannte indessen, daß das Kind das Strafbare seiner Handlung nicht er­kannt hätte. Von einer Gefängnisstrafe wurde deßhalb abgesehen, doch wurde das Mädchen einer Besserungsanstalt überwiesen.

Einer Köchin in Frankfurt a. M. wurde ein schlimmer Streich gespielt. Besagte Köchin hatte ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, dessen Gattin sie gerne zu werden wünschte.

Sie schlug ihm deshalb vor, sich von seiner Frau scheiden zu lassen und übergab ihm, als - er einwilligte, ihr Sparkasienbuch, um zur Be­streitung der Prozeßkosten darauf 300 M. zu erheben. Wie dieFr. N." erzählen, erhob der Mann aber nicht blos 300 M. wie die Eigen­tümerin des Buches wollte, sondern die ganze Spareinlage, die rund 4000 M. betrug. Mit dem Gelde eilte er dann zu seiner Frau, die er über die Art und Weise, wie er dazu ge­kommen, unterrichtete und aufforderte, mit ihm nach Amerika zu gehen. Die Frau war, da beide in Deutschland nicht viel zu verlieren » hatten, gleich dazu bereit, und sie giengen mit dem Gelde auf und davon. Als die Betrogene davon erfuhr, soll sie sich wie wahnsinnig ge­berdet haben. Seit drei Tagen wird sie ver­mißt.

Der Kassier des Bamberg er Vorschuß- Vereins, Niedermaier, hat, wie schon kurz ge­meldet, Freitag abends durch Offnen der Puls-

Wiekgereist und vornehm.

Humoreske von Karl Schwindler.

(Fortsetzung.)

Der Graf schmunzelte biederherzig und sagte:

Das denke ich auch, mein lieber Herr. Bin ich nicht, um zum Exempel gleich von vorn anzufangen, in New Aork geboren worden, in­dessen immerhin ein Sohn deutscher Eltern, die am Niagara ein Land­haus hatten, und mit denen ich später zur See nach London reiste, aber in wenigen Jahren nach Petersburg fuhr, wo ich in der Chevaleriegarde meinen Platz fand? Hab ich dazumal nicht das Unglück gehabt, einen Kameraden im Duell zu erstechen, und mußte ich nicht über Orenburg nach Chtwa, von da nach Kalkutta mich flüchten? 's ist freilich nicht der Mühe wert zu sagen, wie lange ich mich später in Neuseeland auf­hielt und die Zivilisation auf den Freundschaftsinseln verbreitete. Ge­nug, daß ich noch zeitig in Kairo etntraf, um meinen Onkel, den alten General, noch am Leben zu finden, der aber durchaus in Jerusalem be­graben sein wollte, wie ihm auch geschah von Seiten seines Universal­erben. Ich habe vergessen, Ihnen zu sagen, daß ich es selber bin. Ich spreche nicht gern davon. Ich habe die Sparsamkeit meiner mittellosen Jugendzeit betbehalten. Ein kluger Mann steckt nicht alle seine Eier in einen Sack. Brauchten die Beduinen, die Tscherkeffen, die Kalabresen, und wie alle die räuberischen Nationen heißen mögen, deren Gebiete ich zu bereisen hatte, brauchten sie zu wissen, daß ich mich jetzt weniger um 10000 Gulden zu bekümmern habe, als vordem um einen Pfennig? Das Prahlen ist nicht meine Sache; Sie merken das wohl, lieber Herr; aber Klugheit Dagegen mein Steckenpferd. Klugheit und Wasser; geben Sie mir noch einen Schoppen von Ihrem köstlichen Markgräfler.

Ich habe ihn, auf Ehre, nur in Basel so getrunken. Also, wie ich sage: Klugheit und Waffer, dabei bleibt der Mensch nüchtern und natur­gemäß. Und das Waffer, Herr, ist meine Passion. Bin ich nicht als kleines Kind im Niagara gebadet worden ? Habe ich nicht auf der Themse, im Schwarzen und Roten Meer mein Schifflein getrieben? Komm' ich nicht schnurgerade vom Tryberger Wasserfall, von der Donauquelle, und will ich nicht pilgern zum Rheinfall und von dort aus zu Venedigs Lagunen, zu den Wundern des Bosporus? Da ich nicht mit der Eisen­bahn fahre es ist mir zu stürmisch und gewöhnlich fehlt es doch hier nicht an Fuhrgelegenheitea nach Schaffhausen?"

Durchaus nicht, Herr Graf," berichtete der Wirt,Sie können augenblicklich bedient werden."

Ha, wenn das ist," sagte der fremde Herr leutselig,so will ich » meinen Füßen ein paar Tage Ruhe gönnen, und dieses reizenden Städt­chens, dieses gastlichen Hauses mich freuen. Ja, das will ich. Schnelle Pferde sollen mir die Zeit, die ich hier opfere, schnell wieder einholen. Was meinen Sie?"

Ganz zu Befehl! ES wird uns eine Ehre sein!" antwortete der Falkenwirt, den Leuchter ergreifend, da sein Gast sich gähnend vom Stuhle erhob.

Und mir ein Vergnügen, Herr Wirt! Ihre Küche ist ausge­zeichnet. Solche leckere Hausmannskost ist meine Passion. Auf meinen Schlössern nun, Sie sollten's sehen, ich mag nicht davon sprechen, wie dort meine Küche bestellt ist. Aber auf der Reise in den Hotels ersten Ranges verdirbt man sich den Magen mit französischen und eng­lischen Spetsekünsteleien. Ich bin durchaus für das Praktische, Herr - Wirt. Lassen Sie mich daher rnhig ausschlafen. Schlaf, Wasser und Klugheit sind mein Steckenpferd. Und ein exzellenter Kaffee, hübsch