bäum krönte die vordere Ansicht. Die Mit­glieder des Verwaltungsrates und des Vor­standes der Generalfechtschule, zahlreiche Fecht­meister, selbst einige Fechtmeisterinnen und viele andere Zuschauer hatten sich vor dem Gebäude versammelt. Die große Zahl der am Bau be­schäftigten Arbeiter hatte sich in schwindelnder Höhe aufgestellt, während die Musik unten vor dem Gebäude ihre Weisen erschallen ließ. Ein Zimmermeister trug von dem Gebäude herab einen Zimmerspruch vor, worin es u. a. hieß:

Mit Dank sei allen hier gedacht,

Die sich um's Werk verdient gemacht

Vorab des Hinkenden von Lahr Und dann der edlen Fechter Schar,

Die focht für Lahr, getreu dem Wort,

Und unermüdlich ficht noch fort,

Bis in dies Haus zieh'» Waisen ein Von Weichsel, Oder, Elb' und Rhein;

Die vater- und mutterlosen Waisen

Sie sollen fortan nicht so heißen:

Allvater soll ihr Vater sein,

Die Fechterinnen Mütterlein.

So laßt mich denn das Glas erheben,

Wir lassen alle Fechter leben.

Ich trink' es leer und ruf' noch aus:

Hoch leb' das Lahrer Waisenhaus!"

Jubelnd stimmten die Arbeiter hoch oben auf dem Gebäude und die Anwesenden unten vor demselben in das Hoch ein.

Bamberg, 3. Mai. Der Kassier des Vorschußvereins, Niedermeyer, hat sich, wie der Fkft. Ztg." gemeldet wird, gestern, weil er sich Veruntreuungen zu Schulden kommen ließ, ent­leibt. Das Deficit beträgt nahezu 200,000 M.

Frankfurt, 2. Mai. Der Schutzengel, der nach einem schönen alten Volksglauben über jedes Kind wacht, hat wieder einmal augen­scheinlich bei einem Vorfälle seines Amtes ge­waltet, der sich gestern Abend 6 Uhr auf dem Taunusbahnhos zutrug. Der in seiner Schnellig­keit schon etwas geminderte Zug näherte sich dem Bahnhof, als der Lokomotivführer ein etwa dreijähriges Mädchen auf dem Geleise erblickte. Er gab sofort Kontredampf und das Signal zum Bremsen, allein der Zug konnte doch nicht mehr rasch genug zum Stehen gebracht werden, und Maschine, Tender, Packwagen, sowie die ersten Personenwagen gingen über das Kind hinweg. Als der Zug endlich stillstand, glaubte jeder, man Werdemur einen verstümmelten Leich nam vorfinden, allein zur Freude Aller wurde die Kleine unversehrt unter einem der Wagen hervorgezogen und ihrem Vater, dem daselbst stationierten Bahnwärter, übergeben. Die Kleine, die in der Mitte des Geleises sich befand, fiel dicht vor der Maschine, also ehe diese sie be rührte, entweder vor Schreck oder infolge des scharfen Luftdrucks nieder und zwar längs zwi­schen die Schienen, so daß der Aschenkasten der Lokomotive und die Wagen über das kleine Wesen, ohne es zu beschädigen, Hinweggiengen.

Von Metz wird gemeldet: Herr An­toine ist heute (3. Mai.) nach Berlin gereist, um an der Abstimmung über die Verlängerung des Sozialistengesetzes in zweiter Lesung teil­zunehmen. Sämtliche lothringische Abgeordnete

werden nächste Woche in Berlin sein, da sie sich verpflichtet fühlen, selbst gegen das Ausnahme­gesetz zu stimmen.

(Drohbriefe.) Von Mitgliedern der Sozia- listen-Kommisston wurde am Freitag im Reichs­tage berichtet, daß beim Berliner Polizeiprä­sidium Briefe eingegangen wären mit der Droh­ung, den Reichstag in die Luft zu sprengen, wenn Fürst Bismarck gerade anwesend sein würde. Dieser papierne Schreckschuß dürfte schwerlich ernst genommen werden und jeden­falls sein Ziel verfehlen.

(Trauriges Loos polnischer Auswanderer.) Wie die in Milwaukee erscheinende politische ZeitschriftZgoda" (nach einer derPos. Ztg." zugegangenen Nachricht) mitteilt, landeten tm Dezember 1883 in Castle-Garden 10 polnische Emigranten, welche sich in Pennsylvanien an- stedeln wollten; die Agenten jedoch, anstatt sie dorthin zu bringen, verkauften sie an einen Zuckerfabrikanten auf der Insel Cuba und schaff­ten sie dorthin. Sie wurden dort wie Sklaven behandelt, mußten an Sonn- und Feiertagen arbeiten, und wurden sogar aus Besorgnis, daß sie entfliehen könnten, unter Verschluß gehalten. Arbeitslohn erhielten sie nicht, indem der Fa­brikant sich durch ihre Arbeit für die aus der Überfahrt nach Cuba erwachsenen Kosten be­zahlt machte. Der polnischepolitische Verein" in New-Aork hat sich nun an den spanischen Konsul mit dem Gesuche um Intervention wegen Befreiung der Unglücklichen gewendet.

Ausland.

Ueber ein Mittel g e g e n die Dtphiheri- tis, welche gegenwärtig in Paris unter der Kinderwelt große Verheerungen anrichtet, hat ein dortiger Arzt, Delthil, neulich der Aka­demie der Wissenschaften folgende Mitteilungen gemacht: Bekanntlich bildet sich bei der Diph- theritis ein fibrineuses Exsudat, sogen, falsche Membranen, welche die Luftwege oft bis in die Bronchien bedecken. Delthil hat nun beobachtet, daß diese Ablagerungen sich in wenigen Augen­blicken bei der Berührung mit Dämpfen von Theer und Terpentinessenz lösten, und er glaubt mit diesem Mittel an der Dishtheritis erkrankte und bereits aufgegebene Kinder gerettet zu ha­ben. Ueber die Anwendung des Mittels schreibt er:Man zündet einfach (selbst nach dem Luft­röhrenschnitt) neben dem Bette des Kranken eine Mischung von Theer und Terpentin an; das Zimmer füllt sich alsbald mit einem schwarzen und dichten Rauch, so daß die im Zimmer be­findlichen Personen einander kaum sehen können, ohne jedoch eine Belästigung zu verspüren. Das Kind atmet kräftig und mit Behagen diese Harzluft ein, deren belebende Kraft es fühlt; bald lösen sich die falschen Membranen ab, werden ausgeworfen und lösen sich, in ein Glas gesammelt, vollständig auf. Gleichzeitig fährt Delthil fort, die Kehle des Kindes mit Stein- kohlentheer und Kalkwasser zu spülen. In 2 bis 3 Tagen ist das Kind vollständig geheilt.

der Komm, eine Mehrheit nicht gefunden habe, der Reichstag beschließen wolle, die auf Dynamit­attentate bezügliche Resolution anzunehmen. Die angenommene Fassung war vom Zentrum aus­gegangen und von den Deutschfreisinnigen unter­stützt.

DieNordd. Allg. Ztg." sagt, bezüg­lich des von derNational-Ztg." als sehr wahr­scheinlich bezeichneten Besuchs des russischen Kaisers in Berlin lägen keine Anzeichen vor, wonach es in der Absicht des russischen Kaisers liegen sollte, unfern Monarchen auf preußischem Boden aufzusuchen, nachdem des deutschen Kaisers letzter Besuch in Rußland durch die Zusammen­kunft in Danzig erwidert worden sei. Für die diesbezüglichen falschen Nachrichten gebe es kaum eine andere Erklärung, als daß sie, wie die ge­legentlich der vorjährigen Anwesenheit des rus­sischen Kaisers in Kopenhagen aufgetauchten, Börsenzwecken dienen sollten.

Von Berlin schreibt man derF. Z.": Verflossenen Mittwoch, den 30. April, nach der Vermählung des Prinzen Ludwig von Batten­berg mit Prinzessin Victoria, fand an dem Großh. Hessischen Hofe noch eine zweite Trauung statt, indem in aller Stille der Großherzog Ludwig IV. von Hessen mit Madame Kolemine zur zweiten Ehe schritt. Eine kirchliche Ein­segnung erfolgte nicht, sondern nur ein Zivilakt, welchen der Minister des Großh. Hauses, Staats­minister Frhr. v. Stark, vornahm. Madame Kolemine ist eine geborne Gräfin Czapska, deren Vater voriges Jahr in Nizza starb; ihr Ehe mann ist russischer Gesandtschafts-Sekretär und wurde bet Auflösung der Darmstädter Gesandt­schaft nach Karlsruhe versetzt, wo er noch jetzt stationiert ist. Aus den Jahren seines Darm­städter Aufenthaltes datiert die Bekanntschaft des Großherzogs Ludwig IV. mit dessen Frau, welche vor kurzem in Petersburg ihre Scheidung mit Herrn Kolemine durchsetzte. Frau Kolemine, die bereits in verschiedenen Hauptstädten, wie in Bern, Stockholm, wo ihr Mann funktionierte, in der Gesellschaft erschien, ist eine in diplo­matischen Kreisen bekannte Persönlichkeit."

Die amtlich kontrolierte überseeische Auswanderung von Deutschen über die deutschen Häfen und diejenige über Antwerpen betrug im ersten Vierteljahr dieses Jahres 29,782 Per­sonen gegen 28,291 im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Die Auswanderung im Monat März allein belief sich auf 19,278, im vorigen März nur auf 15,775.

Die zweite badische Kammer nahm den Antrag an, die Regierung möge für eine er­giebige Besteuerung der Börse seitens des Reichs sich verwenden.

(Vor dem Reichswaisenhause in Lahr) entwickelte sich am letzten Donnerstag abend ein reges Leben. Es galt an dem aufgeschlagenen Mittelbau des neuen dritten Stockwerks den letzten Sparren in feierlicher Weise zu befestigen. Hoch oben auf dem Mittelbau des Gebäudes wehte die Reichsflagge und ein verzierter Tannen-

Wiekgereist und vornehm.

Humoreske von Karl Schwindler.

So unschön es auch sein mag, so ist es doch wohl in der Schwäche der Menschennatur begründet, daß man einem pfiffigen Spitzbuben, der es so recht unverfänglich oder tollkühn anfängt, seine Mitmenschen aus­zuplündern, nicht eigentlich so ganz gram sein kann. Wenigstens ist der Unwille nicht das erste Gefühl, das wir beim Anhören irgend eines schlauen Gaunerstreichs empfinden, besonders, wenn der, gegen den der Streich gerichtet war, es eben aushalten kann.

Der Falkenwirt ist ein kreuzbraver Mann. Aber es kommen allerlei Gäste zu ihm, und er weiß nicht immer, was er aus ihnen machen soll.

Kein Wunder. Es ist eine Konfusion in die Natur gerathen. Sonst gab's auf zehntausend Menschen einen Gelehrten; jetzt ist der zehnte Mensch ein gelehrter, wenn auch nur für sich. Vordem hatte höchstens der hundertste Mann einen Schnauzbart: jetzt kommen hundert Schnurrbärte auf ein glattrasiertes Gesicht. Ein Graf sieht aus, wie sein Schneider; der Buchbinder trägt Brillen, wie der Professor, für den er broschiert. Man tritt auf der Gaffe irgend einem sanftmüthigen alten Herrn auf die Zehen, und siehe da: beim Licht betrachtet ist er ein kriegs- gewalttger Obrist. Man rennt in einem Winkel an einen wildraufertsch dreinschauenden Kerl, und stehe: er ist ein Balletttänzer. Der Bankrott fährt vierspännig; der geniale fürstliche Herr botanisiert und spaziert als bescheidener Fußgänger. Und weil es sich dann wohl begibt, daß des Königs Stiefel zerreißen, wie gewöhnliches Schuhwerk, und daß der Bankrott vornehmer aussteht, als volkstümliche Ehrlichkeit, so ist ge­wissen Verwechselungen und Mißgriffen gar nicht auszuwetchen.

Und eben darum ist einstmals am Abend einer in oenFalken" zu Irgendwo gekommen, aus dem nicht der Wirt, noch sein Kellner haben etwas machen können, gerade weil so vieles aus ihm zu machen war. Es war ein leicht zu verkennendes und gewiß schon tausendmal verkanntes Individuum. Ein matt gefüllter oder durchaus leerer Tor­nister, seinem Herrn anhängend mit bedenklicher Gleichgiltigkeit, machte keinen erfreulichen Eindruck auf Wirt und Kellner. Eine Komödie ohne Effekt und ein Ränzel ohne Effekten lassen beide den Zuschauer kalt.

Indessen ist der Falkenwirt ein wackerer Mann und wirft die da kommen, nicht aus dem Hause. Ebenso gut wie einen anderen honetten Menschen wies er den rätselhaften Gast links ins große Speisezimmer, befahl, ihm ein Zimmer zu rüsten, und zwar vorn nach der Straße ge­legen, und ließ ihm Speise und Trank vorsetzen.

Der Fremde machte stch's bequem und war geschwinder imFalken" zu Hause, als das Dutzend von anderen Fremden, das lange vor ihm angekommen war, und gerade darüber verhandelte, ob es nicht vom schönen Abend profitieren und geschwind den Donau- (oder wie sonst der Fluß heißt) Ursprung ansehen sollte. Lange war die Frage im Stich, wie die Schweizer sagen; endlich mehrten sie noch einmal und das Mehr gieng auf Ja. ..

Der Wirt ließ einen Knecht rufen, die Fremden zu führen.

Wenn's erlaubt wäre, mich den Herren und Damen anzuschließen?" fragte der zuletzt gekommene Gast;es gienge dann in einem hin."

Er meinte das Trinkgeld: denn zu jener Zeit war der Donau­quell, oder wie man's nennen mag, noch überbaut und eine kleine Be­lohnung für den Zeiger üblich.

Die Herren und Damen sagten natürlich abermals Ja, und der