6 Jahren nach Gründung des deutschen Reichs. An der deutschen Reichsgesetzgebung nahm er in hervorragender Weise Theil; in der Zahl der Anträge, der Reden, Berichte rc. war damals kein Redner fruchtbarer als er. Wir erinnern an den Antrag,betr. den Eintritt Badens inden Nord­deutschen Bund (Febr. 1870) den Antrag auf Ausdehnung des Art. 4 Nr. 13 der R.-V. auf das gesammte bürgerliche Recht u. s. w. Den Gipfel seiner Popularität erreichte er, als er zur Untersuchung des Eisenbahnkonzessionswesens den Anstoß gab und dem Gründerschwinde! mit dem Muth des ehrlichen Mannes entgegentrat. Mit dem Zurücktreten der nationalltberalen Partei von der Führung im Reichstag trat auch Laskers Persönlichkeit mehr in den Hinter­grund, der Umschwung in der Wirtschaftspolitik führte ihn in die Reihen der Gegner und bei der Trennung der nationalliberalen Partei schloß er sich dem linken (sezefs.) Flügel derselben an. Außer Abhandlungen politischen und volkswirth- schaftlichen Inhalts schrieb er u. A.: Zur Ge­schichte der parlamentarischen Entwicklung Preu­ßens. Von außer-parlamentarischen Reden sei die Grabrede und die Gedächtntßrede auf Karl Twesten erwähnt.)

Ein Kölner Arzt wurde dieser Tage zu einem typhuskranken Kinde gerufen. Als er nach mehrfacher Verhinderung dort eintraf, konnte man ihm nur den Tod des Kindes melden. Ehe aber der Arzt den Todtenschein ausstellte, nahm er eine sorgfältige Besichtigung der an­geblichen Leiche vor, wobei er noch Lebensspuren in dem Körper zu entdecken glaubte. Sofort ergriffene Maßregeln riefen das Kind auch wirklich in's Leben zurück. Es hat hier also der Fall eines Scheintodes Vorgelegen und wäre das Kind ohne die Sorgfalt des Arztes wahr­scheinlich in diesem Zustande begraben worden.

Die Oldenburger Ochsenlied-Affaire wird demnächst ihren Abschluß vor Gericht finden. Die dritte Strafkammer des großherzoglichen Landgerichts hat in ihrer letzten Sitzung über die Strafanträge wegen Beleidigung des Major Steinmann berathen. Wie dieOldenb. Zig." hört, ist der Strafantrag gegen den verantwort­lichen Redakteur derNachrichten für Stadt und Land", Heinrich Scharf, abgelehm worden; die öffentliche Verhandlung gegen die übrigen Angeklagten, Schauspieler Arnold Schröder, Buchdruckereibefitzer Ad. Littmann und den ver­antwortlichen Redakteur derOldenburger Zei­tung", C. Hesse, findet am 23. d. M. vor dem großherzoglichen Landgerichte statt.

(Ein Göttinger Bruder Studio), welcher von einem Schneidermeister, dem er 36 Mark schuldete, unbarmherzig getreten worden war, revanchirte sich für diesesTreten" dadurch, daß er dem Gläubiger als Betrag seiner For­derung einen großen Beutel mit 3600 einzelnen Pfennigen durch einen Dienstmaun zuschickte.

(Fünf Millionen testirt.) Der kürzlich ver­storbene Kaufmann Julius Ree in Hamburg hat ein Vermögen von ca. 5 Mill. M. hinter-

lafsen. Da der Verstorbene kinderlos war, hat er im Einverständnis mit der Gattin eine Mill. M. den Verwandten und vier Millionen zum Bau von Freiwohnungen an Unbemittelte, ohne Unterschied der Religion, bestimmt. Die erste Million fällt gleichfalls unter gewissen Modali­täten an die Stiftung zurück, so daß die Ver­wandten nur die Nutznießung haben. So wird Hamburg mit dem neuen Stift künftig die be­deutendsten derartigen Wohlthätigkeitsanstalten in Deutschland besitzen. Bekanntlich ist eine andere Stiftung von ca. 300 Freiwohnungen durch den Freiherrn v. Schröder daselbst ein­gerichtet worden. Ree hat sein Vermögen in Rio de Janeiro erworben, drüben jedoch alle seine Kinder kurz nacheinander verloren.

Ausland.

Wien, 7. Januar, 10 Uhr 10 Minuten. Laut einer Privatnachricht aus Pe st wurde auf dem dortigen Hauptpostamt gestern Abend eine eiserne Kiste mit 240000 Gulden gestohlen. Die Kiste war plötzlich verschwunden; vier Post­diener wurden verhaftet, dieselben leugnen aber entschieden. Die Untersuchung wurde sofort eingeleitet, die gesammte Polizei ist in Thätigkeit.

Frankreich hat einenKolonial-Erfolg" in Aussicht, wenn auch vorläufig noch nicht in Tongking, so doch auf Madagaskar. In Lon­don ist die Nachricht eingetroffen, daß in Tama- tave ein Vertreter der madagassischen Regierung mit Vollmachten zum Abschluß des Friedens eingetroffeu sei und sich bereit erklärt hätte, das Ultimatum Frankreichs anzunehmen und den nördlichen Theil von Madagaskar, vom Kap St. Ambre an bis zum Kap Bellona, an Frankreich abzutreten. Da das Gladstone'sche England genug mit Egypten zu thun hat und überhaupt keine Aktionspolitik liebt, so wird von englischer Seite kaum ein ernsthafter Einspruch gegen diese Ausdehnung der französischen Herrschaft er­folgen.

Paris, 5. Jan. DemFigaro" zu­folge wird sich der Graf von Paris am 10. Jan. nach Spanien begeben.

Paris, 6. Jan. Zahlreiche Personen, da­runter Mitglieder des ehemaligen Wahlkomite^s in Belleville, begaben sich heute nach Ville dMray. Zahlreiche Kränze wurden im Sterbezimmer Gambetta's niedergelegt. Gegen 300 Sozia­listen und Revolutionäre besuchten heute das Grab Blangut's und die Gräber der ehemaligen Theilnehmer an dem Kommuneaufstand auf dem Perelachaise, mehrere Reden wurden gehalten, worin der Hoffnung auf Revanche und dem Haffe gegen die Bourgeoisie Ausdruck gegeben und die demnächstige Einweihung eines Denk­mals zum Andenken an die Kämpfer der Kom­mune angezeigt wurde. Die Manifestanten zer­streuten sich unter den Rufen:Es lebe die Kommune"! Kein weiterer Zwischenfall ist er­folgt.

Parts, 7. Jan. Ministerpräsident Ferrh erhielt eine Depesche Tricous, dattrt Hue, 1. Jan.

Aas Lied der Machligaü'.

Novelle von KbrisiopH Wiese. (Fortsetzung.)

Marie eilte weiter und weiter. Ihr Schmerz steigerte sich noch mit jedem Augenblick, und ihre Besinnung schwand mehr und mehr.

Da breitete plötzlich ein See seinen Silberspiegel gleich zwei mächti­gen Rtesenarmen vor ihr aus. Schon wollte sie sich Hineinstürzen, als das Bild ihrer kranken Mutter die Phantasten der fiebernden Seele durch­blitzte und den jugendlichen Körper niederwarf. Ein kurzer, scharfer Schrei unterbrach die Stille der Natur Marie lag in Ohnmacht.

Auf dem gegenüberliegenden Ufer des Sees schoß ein ziemlich hoher, kegelförmiger Berg empor und hing seine wunderlichen Felsgebilde wett über das leuchtende Gewässer. Die Spitze desselben war mit einem düstern Tannenwalde geschmückt, zwischen dessen Kronen hier und da die Sterne hervorbrachen, als ob die Lichter eines gewaltigen Chrtstbaumes angezündet würden. Zarte weiße Nebel btldeteu den Uebergang von dem Hellen Wasserspiegel zu der ihn von allen Seiten umgebenden dunklen Waldung.

Ein stiller, tiefer Friede hatte seine balsamischen Flügel hier aus­gebreitet. Es war, als ob die Natur sich dies Fleckchen und gerade diese Zeit ausersehen hätte, um die schönsten ihrer Reize in abgeschlossener Einsamkeit zu entfalten und sich derselben zu erfreuen. Die Alten in Freithal erzählten allerlei wunderliche Geschichten von dem See im Walde und gar viele glaubten daran. So sollten allnächtlich sieben Nixen in der silbernen Fluth baden und jeden Sterblichen, der sich ihnen zu nahe wage, mit unwiderstehlicher Gewalt, aber ohne ihn zu berühren, hinab­ziehen u. s. w.

folgenden Inhalts:Der Hof von Hue ließ an Tricon nachstehende Erklärungen gelangen: Hof und Regierungen von Anam erklären amtlich, den mit Frankreich abgeschlossenen Vertrag vom 25. August in jeder Beziehung als verbindlich anzusehen. Dem Wohlwollen Frankreichs soll anheimgestellt sein, ob fernerhin einige erleich­ternde Zusatzbestimmungen geschaffen werden. Nur der französische Wortlaut des Vertrages soll bindende Kraft besitzen." Tricou bemerkt ferner, er werde folgenden Tages in feierlicher Audienz vom Könige, umgeben vom Regent­schaftsrath, empfangen werden; er könne nicht genug den Takt, die Geschicklichkeit und den Muth hervorheben, den der französische Resident Champeaux in seiner kritischen Lage bewiesen habe.

Parts, 7. Jan. In Folge der letzten Mordthaten in Rußland weigern sich viele französische Handelshäuser, dem russischen Han­del Kredit zu gewähren.

Paris, 8. Januar. DasJournal des Debats spricht sich mißbilligend über die neue Wendung der englischen Politik aus, wodurch die Türket ermächtigt wäre, einen Theil des Sudan in Besitz zu nehmen. Eine solche Besitzergreifung würde ein wirkliches Unglück für die Zivili­sation sein. Die Sklavenhändler würden den Aufstand im Sudan nähren, der Sklavenhandel würde eine beträchtliche Ausdehnung annehmen, wenn von Egypten Provinzen losgelöst und wieder zur Türket kommen würden.

London, 7. Jan. Ein bedauernswerther Unfall ereignete sich heute Morgen auf der Londoner Nordwestbahn in der Nähe der Sta­tion Coppull. Dreizehn Arbeiter, welche mit Abtragen einer Brücke beschäftigt waren, wur­den durch einen plötzlichen Einsturz überrascht. Sieben wurden getödtet, sechs verwundet.

London, 8. Jan. DieTimes" meldet aus Philadelphia, im Repräsentantenhause sei gestern eine Bill eingebracht worden, wonach der Präsident, wenn eine fremde Regierung den Import von amerikanischem Pöckelsleisch verbietet, befugt ist, die Einfuhr von Weinen, Ligueren und anderen Erzeugnissen dieses Lan­des in die Unionsstaaten zu verbieten und das Verbot aufrecht zu halten, bis die erwähnte Beschränkung aufgehoben sein wird.

Petersburg, 7. Januar. Infolge der jüngsten Vorfälle ist die Leibwache des Kaisers in Gatschina, die unter Tscherewin steht, erheb­lich verstärkt worden.

Handel und Verkehr.

Stuttgart, 7. Jan. (Landesprodukten­börse.) Das Wetter blieb über die Festtage in der Hauptsache mild, mit häufigen Nebeln und wenig Regen, wodurch manche Feldarbeiten ermöglicht wurden und der schöne hoffnungs­reiche Stand unserer Wintersaaten keinerlei Be­einträchtigung erfuhr. Diese überaus günstigen Verhältnisse, welche nicht blos lokal, sondern allgemein sind, haben wohl mitgewirkt, daß im

Die Genien der Liebe hatten die arme Marie tu ihre Obhut ge­nommen. Sie war mit der brennenden Stirn auf ein feuchtes weiches Mooskisfen gefallen. Das aufgelöste reiche blonde Haar bedeckte fast den ganzen oberen Körper. Dieser, eben noch ein Spielball der wildesten Leidenschaft, lag nun da, wie ein Theil der ihn umgebenden Natur.

Das ist das Loos der Sterblichen hienieden! Wenn das göttliche Feuer ihrer Seele in ungezügelter Kraft emporflammt und, nach allen Seiten um sich greifend, weder Maß noch Ziel kennt, dann sinkt der ge­brechliche Leib plötzlich zusammen, und von der gewaltigen Rtesenflamme bleibt kaum ein Fünkchen übrig, um nach und nach wieder zum Lichte des Bewußtseins ausgehen zu können.

Bald hatte der frische Abenthau die zarten Organe des Hirns zu einer ruhigeren Thätigkeit abgekühlt. Marte erwachte. Wer wäre im Stande, die ersten Gedanken und Gefühle des armen Kindes zu errathen, das, gleichsam von neuem geboren, sich dennoch rings von den alten Sorgen umlagert sah.

Ihr starrer Blick fiel auf den glatten Spiegel des Sees, der sein kaltes Licht in das schöne, aber bleiche, verzerrte Antlitz warf. Die un­glückliche Seele bildete einen schrecklichen Mißton zu dem süßen Frieden, der feierlichen Stille der Natur, und noch immer zeigte sich kein trösten­der Engel, der beides zu ergreifen und es harmonisch zu verbinden ge­wußt hätte. Ja, der verhängnißvolle Tan; begann schon wieder seine dämonische Gewalt geltend zu machen. Die Bäume walzten wieder ganz wie vorhin und alles deutete auf einen traurigen Ausgang.

Da plötzlich erhob eine Nachtigal ihr göttliches Lied, Marie schien anfänglich gar nicht davon berührt zu werden. Nach und nach indeß ging eine Veränderung in ihr vor. Der starre kalte Schmerz verließ ihre Züge und eine sanftere Empfindung trat an ihre Stelle. Ihr Blick hing

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