Stuttg art, 2. Jan. Durch den Tod des Buchhändlers Karl Hoffmann wird das frühere königliche Bad Teinach wohl einem neuen Verkauf ausgesetzt werden, da keiner der Erben des Verstorbenen in der Lage sein dürfte, das Bad zu übernehmen.
Cannstatt, 2. Jan. Gestern Abend wurde, wie die Cannst. Ztg. berichtet, ein Handwerksbursche verhaftet, welcher durch seinen großen Aufwand Verdacht erregt hatte. Derselbe hatte auf längerer Tour überall die Geschenke in Empfang genommen und sich verpflegen lassen und in einer Nacht sodann zwischen 30 und 40 M. in Champagner, feinen Speisen rc> darauf- gehen lasten. Da das also verschwendete Geld ohne Zweifel von einem Diebstahl herrührt, so wurde er in Haft behalten. Wem aber in den letzten Tagen etwas gestohlen wurde, der könnte möglicherweise hier die Spur wieder finden.
In Waiblingen ist am 1. Jan. der dortige Landtagsabgeordnete, der frühere Posthalter Heß, gestorben. Derselbe war noch einer von den letztangestellten Posthaltern der Fürsten von Thurn und Taxis. Er erreichte ein Alter von 72 Jahren.
(Raub-Anfall.) Am 28c Dez. hat auf der Straße von Stockach nach Tuttlingen ein Raub- Anfall stattgefunden. Kaufmann August Dold von Tuttlingen, welcher die Weihnachtsfeiertage in Ludwigshafen zugebracht hatte, kehrte zu Fuß zurück. In der Nähe der „Schweinegruben" kamen zwei kräftige, ziemlich große Männer aus dem Walde heraus und auf ihn zu. Der Eine packte von hinten die Hände Dold's und hielt ihm den Mund zu, während der Andere den Geldbeutel holte, die in demselben befindlichen Fünf-Mark-Scheine an sich nahm und sodann den Geldbeutel, in welchem sich noch einige kleine Münze befand, mit derselben wieder dem Dold in die Hosentasche steckte. Hierauf ließen die beiden Strolche Dold gehen und eilten davon. Hoffentlich gelingt es den Polizeibehörden, der Thäter habhaft zu werden und sie zur verdienten Strafe zu bringen.
Vom Hohenloheschen, 1. Jan. Die Meldung, daß die Reichsbank die Einlösung von 500 M. Banknoten, die dem Wirth H. in Amlishagen nahezu verbrannten, verweigert hätte, ist verfrüht, zur Zeit, als diese Nachricht verbreitet wurde, waren die Banknoten noch gar nicht abgesandt, sondern es wurde erst ermittelt, wie die Beschädigung erfolgt sei. Von den betreffenden Scheinen sind 4 Stück Reichsnoten und ein Stück von der Darmstädter Bank; drei derselben sind soweit erkenntlich, daß man die Werthsziffer noch lesen kann, zwei Scheine sind verkohlt. Der Vorstand der Bank-Kom- mandite Gerabronn vermittelt in der Angelegenheit.
Bracken heim, 2. Jan. Noch unter dem Eindruck des letzten Brandschreckens ging einer geachteten hiesigen Familie ein mit dem Post- zeichen Güglingen versehener, aber von Brackenheim datirter anonymer Drohbrief zu mit dem
bündigen Befehl, Angesichts desselben die Summe von 80 M. zur Empfangnahme des Absenders an eine bestimmte Stelle zu legen, widrigenfalls Haus und Scheuer über den Häuptern der Bewohner weggebrannt würden. In Folge dessen ist die Nachtwache von Amrswegen verstärkt und unter'Kontrole je eines Gemeinderathsmit- glieds gestellt. Aber das deponirte Geld blieb unberührt, wie auch der Anlehensucher bis jetzt unbekannt.
Deutsches Reich.
Berlin, 1. Jan. Anläßlich des heutigen fünfzigsten Jahrestages der Gründung des deutschen Zollvereins fand beim Mnanzminister ein Fsstdiner statt, woran alle Minister, die preußischen und nichtpreußischen Mitglieder des Bundesraths und andere hohe Reichs- und Staatsbeamte theilnahmen. Der Finanzminister hob in seiner Rede hervor, wir die materiellen Bedürfnisse des Volks auf die Versöhnung des deutschen Sondergeistcs und des deutschen Einheitsgeistes hingedrängt haben, und wie die Gründung des Zollvereins die erste glückliche und praktische Versöhnung beider Richtungen gewesen sei, wie dann der Zollverein in dem neu entstandenen Reich seine volle befriedigende Gestalt gefunden habe. Der Minister schloß mit einem dreifachen begeistert aufgenommenen Hoch auf den Kaiser und auf die deutschen Bundes- fürsten.
— Der Kaiser hat bei dem Neujahrsempfang der Botschafter ebenso wie bei demjenigen der Generale keine politische Ansprache gehalten. Er unterhielt sich nur mit jedem der einzelnen.
— Vom Reichskanzler weiß die „Köln. Ztg." zu berichten: Derselbe befindet sich seit einigen Wochen so viel besser, daß er wieder auf die Jagd reitet. Er soll sich allen Ernstes mit dem Gedanken tragen, das Versicherungswesen zu verstaatlichen. Er bleibe bei seiner Meinung, daß die Privat-Verstcherungsgesell- schaften zu viel Geld verdienen und mehr an ihre Bereicherung denken, als an eine prompte und ausreichende Befriedigung der Beschädigten. S.it lange lasse er die Behörden Fälle sammeln, welche gegen die Versicherungsgesellschaften ins Feld geführt werden können.
— Die „Straßb. Post" meldet, der Statthalter von Elsaß-Lothringen habe letzthin ein besonderes Vertrauenszeugntß vom Kaiser erhalten und habe die schmeichelhafte Kundgebung seines kaiserlichen Herrn schon zur Kenntniß der ihm näher stehenden Kreise gebracht. Ob dieselbe allgemein veröffentlicht werden solle, stehe noch nicht fest.
— Die „Kreuzztg." schreibt: „Wie wir hören, hat das Kriegs-Ministerium jetzt angeordnet, daß für den Landsturm des 1., 2., 5. und 6. Armeekorps Bekleidungs-Gegenstände angeschafft werden sollen. Diese werden für den Winter bei ungünstiger Witterung in sogenannten Mecklenburgischen Blousen von leichterem
welche die Hauptfront der neuen Jnfanterie- kaserne zu liegen kommt, eine Hauptstraße der Stadt, von der Schloßstraße in der Richtung nach Bothnang, wird den Namen des Feldmarschalls Moltke tragen.
Durch einen soeben veröffentlichten Mini- sterial-Erlaß find die Bezirks- und Ortspolizei- Lebörden angewiesen worden, in denjenigen Fällen, in welchen nach den bestehenden Vorschriften obrigkeitliche Erlaubmß zur Veranstaltung öffentlicher oder den öffentlichen gleichgestellten Tanzbelustigungen erforderlich ist, die Ertheilung der Erlaubniß regelmäßig an die Bedingung zu knüpfen, daß junge Leute, welche das 16te Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, vom Zutritt zum Tanzlokale ausgeschlossen werden, soweit nicht wegen besonderer Verhältnisse, z. B. aus Anlaß von Hochzeiten u. dgl. eine Ausnahme begründet erscheint, oder mit Rücksicht auf die Persönlichkeit der die Tanzbelusiig- ungen veranstalteten Personen die Befürchtung einer sittlichen Gefährdung der etwa zu denselben zuzulassenden jungen Leute von vornherein ausgeschlossen ist. Im Falle des Zuwtderhaudelns gegen die gestellte Bedingung ist gegen die Zuwiderhandelnden in Gemäßheit des Art. 17 des Landes-Polizeistraf-Gesetzes vom 27. Dez. 1871 bezw. soweit die Voraussetzungen dieses Art. nicht zutreffen, in Gemäßheit des Art. 2 des Gesetzes vom 12. August 1879 strafrechtlich einzuschreiten.
Stuttgart, 1.Janr. DaS neue Jahr wird bet der Eisenbahn eine neue Einrichtung bringen. Eine Anzahl von Wagen (sog. Wagen, 2achstge kleinere Personenwagen) soll, nach der Cannst. Ztg., mit Gas beleuchtet werden. Zum Theil ist diese Einrichtung schon getroffen, doch war die Füllung derartiger Einrichtungen nur auf auswärtigen Stationen möglich, da wir hier die dafür erforderlichen Apparate entbehrten. Diese sind nun vorhanden; der dafür errichtete kleine Holzbau mit der Maschine steht zwischen der Bahn und dem alten Polytechnikum. Die Einrichtung besteht im Wesentlichen darin, daß das Gas mit Fettstoff getränkt wird. Die Füllung eines Ballons in einem Wagen geschieht auf dem äußersten Geleise der östlichen Halle. Mehrere Wagen können binnen wenigen Minuten gleichzeitig gefüllt werden. Es handelt sich nur um eine sehr beschränkte Anzahl von Wagen, die mit der Einrichtung versehen werden. Bei der gegenwärtigen Krisis im Beleuchtungswesen legt sich eine weise Beschränkung von selbst nahe. Wie wir hören, ist in der That auch bereits eine Locomotive in Arbeit, um für elektrisches Licht eingerichtet zu werden.
Stuttgart, 2. Jan. Die kgl. Staatsanwaltschaft erläßt unter dem 28. einen Steckbrief gegen die beiden Goldarbeiter Wilhelm und Otto Morlock von Eßlingen, welche wegen Wechselfälschung angeklagt sind u. sich der Untersuchung durch Flucht entzogen haben. Beide haben eine große Menge Goldwaaren mitgenommen.
Gardinen zu wetteifern schienen. Die dunklen, alterthümlichen Möbel, das tafelförmige Klavier, die kleine Bibliothek und die vielen schwarz- eingerahmten Bilder, meistens deutsche Pädagogen, Dichter und Komponisten darstellend — dies alles erinnerte an frühere bessere Zeiten und wurde mit rührender Pietät gehegt und gepflegt. Man sah kein Stäubchen auf der leuchtenden Politur, keinen Schmutzfleck auf dem Hellen Fußboden.
„Marie," rief die Mutter, auf dem Sopha liegend und mit einem großen schneeweißen Kiffen bedeckt, „Marte, willst du nicht auch auf ein Stündchen auf die Vogelwiese gehen?»
„Erst später," erwiderte die Tochter, ohne von ihrer Stickerei auf- zubfickcn, „mein Tagesziel ist noch nicht erreicht."
„Armes Kind," fuhr die Kranke fort, „dein junges Leben verfließt in Kummer und Arbeit. Selbst heute, wo die ganze Stadt feiert und fröhlich ist, bist du an den Stickrahmen gefesselt."
„Mach' dir das Herz nicht schwer, Mütterchen," sagte Marie. „Ich bin ja so glücklich, für mich arbeiten zu können. Gott wird unsere Gebeie erhören, dich bald wieder genesen lassen und dich noch lange, recht lange erhalten.»
„Du denkst immer nur an mich," entgegnete die Mutter, „und deine Zukunft ist dir gleichgültig. Seit wann hat Wilhelm nicht mu dir gesprochen?"
„Es sind nun vierzehn Tage," sagte Marie, „als ich ihn zum letztenmale sah."
Trotz großer Anstrengung war es dem Mädchen nicht möglich, den sich in diesem Augenblick emporarbeitenden Seufzer zu unterdrücken.
„Seine Eltern so fuhr die Kranke fort, „haben ihm verboten, unser HauS je wieder zu betreten. Sie sind brav und zählen zu den ersten
Familien unserer Stadt. Erspare ihnen den Kummer, meide Wilhelm und such' ihn zu vergessen, Komm' her, mein Kind, versprich mir das!"
Marie stürzte an das Sopha, umarmte ihre Mutter und benetzte sie mit Thränen.
„Ja," rief sie dann, und zwar in einem Tone, der ein rührendes Gemisch unaussprechlichen Schmerzes und erzwungener Fröhlichkeit ausdrückte, „ich will es! Gott wird mir helfen! Dut sollst hinfort mein ein und alles sein!"
Hierauf küßte sie die Matter und kehrte an den Stickrahmen zurück.
Inzwischen war der Schützenzug vorbeigezogen. Die Stadt schien ihren ganzen Inhalt an lebenden Wesen nun ausgeschüttet zu haben, denn kein Laut drang aus den engen verlassenen Straßen, die dem Thore zuführten, herüber.
Eine noch größere Stille jedoch herrschte in dem kleinen Stübchen der Lehrerwittwe. Mutter und Tochter hatten sich nach jener Unterhaltung, jener so überaus ergreifenden Szene in ein Labyrinth der schmerzlichsten Gedanken und Empfindungen verloren. Jede war mit den eigenen Leiden und zugleich mit denen der andern beschäftigt. Keine sprach ein Wort. Aber die halbunterdrückten Seufzer, die dann und wann vom Sopha herübertönten, verriethen, ein wie harter Kampf dort gekämpft wurde.
Der Schmerz jist doppelt groß, wenn man ihn verleugnen muß, und Marte befand sich in dieser traurigen Lage. Sie liebte die Mutter über alles. Das Leben derselben schien ihr eine nothwendige Bedingung ihrer eigenen Existenz zu sein. Ihre Pietät ging sogar so weit, daß sie ihr Verhältnitz zu Wilhelm nicht selten für ein Verbrechen hielt, weil sie ahnte, ihn noch inniger lieben zu können, als ihre Mutter.
(Fortsetzung folgt.)