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von der oberen Nagold.
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Kr. 2.
Altenstaig, Samstag den 5. Januar.
2 Die Friedenshoffmmgen für das neue Jahr.
Nachdem wiederum der Zeiger der Weltuhr um eine Ziffer weiter gerückt uvd dieses Ereigniß durch die üblichen Punschbowlen, Gratulationskarten, Neujahr^gcdichte und Leitartikel gefeiert worden ist, tritt das Alltagsleben mit seinen Sorgen und Ansprüchen wieder in sein Recht. Eine neuere, allerdings stark zum Anzweifeln berechtigende Bereicherung der Natur- forschung ist die Wetterprognose für längere Zeit. So wichtig dieselbe für jeden Landmann, wie für die Seeschifffahrt sein würde, wenn ihre Angaben einigermaßen Anspruch auf Zuverlässigkeit erheben dürften, ebenso angenehm wäre es für die Geschäftswelt, wenn die politische Wetterverkündigung zu einer Wissenschaft erhoben werden und glaubwürdige Resultate liefern könnte.
Wie die Dinge in Europa gegenwärtig liegen, braucht man nun gerade kein Politiker von Fach zu sein, um für das vor uns liegende Jahr mit gutem Gewissen „schönes Wetter" prophezeihen zu können. Haben doch selbst die Wolken, die sich im vergangenen Jahre am politischen Horizont Europas zeigten, kein Ungewitter entladen; für.dieses Jahr sind die Aussichten schon an und für sich günstiger und alle Bedingungen für die Aufrechterhaltung des Friedens gegeben.
Halten wir eine kurze Umschau, welche unsere Friedensprophezeihung unterstützen wird. Von allen Friedevssymptomen stellen wir die Versicherung Kaiser Wilhelms obenan, welche dieser Friedenshort dem Vorstande des preußischen Herrenhauses bei Gelegenheit der diesem ertheilten Audienz gegeben hat. Der Kaiser sagte dabei ausdrücklich, daß auch die politischen Beziehungen der deutschen Reichsregierung zu Rußland gegenwärtig so gut seien, wie seit Jahren nicht. Diese kaiserliche Versicherung ist um so werthvoller, als im Volke vielfach die Meinung verbreitet war, über kurz oder lang werde es „gegen Rußland losgehen."
Die Beziehungen Deutschlands zu den übrigen Mächten sind ebenfalls die denkbar besten. Die intime Verbindung mit Oesterreich-Ungarn, an welche sich auch Italien eng anschließt, enthält nach keiner Sette hin eine Drohung.
Es ist ein Friedensbund im besten Sinne des Wortes und da an der Aufrechterhaltung des Friedens alle Mächte gleichmäßig betheiligt sind, so müssen die etwaigen Versuche auf Sprengung des Dreibundes kläglich scheitern. Die Kronprinzenreise hat das ihre dazu beige- . tragen, um auch das spanische Volk der mitteleuropäischen Friedenspolitik geneigt zu machen, die Bande, welche Deutschland mit Italien verbinden, womöglich noch fester zu knüpfen und womöglich auch mit der großen geistlichen Macht des Papstthums wieder ein Vcrhältniß herzustellen, bei welchem Kirche und Staat in die Lage versetzt werden, ihre großen Missionen ungehindert durch gegenseitige Eingriffe zu erfüllen.
Den Sympathien für die Türkei hat Deutschland durch Ueberlassung tüchtiger Verwaltungsbeamten an diese, sowie durch Beurlaubung fähiger Offiziere nach Konstantinopel einen thatsächlichen Ausdruck gegeben und diese wie ähnliche Freundschaftsbezeugungen werden am goldenen Horn ihrem ganzen Umfange nach gewürdigt. Der deutsche Einfluß daselbst wächst und macht sich wie überall in einer die Gegensätze versöhnenden Weise geltend.
Das großbritanische Jnselreich verhält sich Deutschland gegenüber auffallend kühl, aber keineswegs feindlich. Die Interessen des Welthandels, welche England in erster Linie verfolgt, werden durch die deutsche Politik nirgends durchkreuzt und das genügt den englischen Staatsmännern.
Von den kleineren Staaten sind Rumänien und Serbien direkt für die deutsch österreichische Politik gewonnen ; mit den übrigen besteht zum Wenigsten ein gegenseitig befriedigendes Verhältnis Selbst Dänemark hat sich in die vor zwanzig Jahren geschaffene Lage gefunden und sein Kronprinzenpaar hat erst vor kurzem wieder dem deutschen Kaiftrhofe einen Besuch gemacht.
Die revolutionären Putsche in Spanien und Serbien sind schnell unterdrückt und damit die Gefahren beseitigt worden, welche aus dem etwaigen Siege der Aufständischen für den europäischen Frieden hätte erwachsen können. Das Zerwürfniß des jüngsten europäischen Staates, mit seinem „Mutterland," dem Zarenreiche, hat
seinen bedrohlichen Charakter verloren; Rußland wich vorsichtig zurück, als sich zeigte, daß seine Bevormundungspolitik in Serbien den Anforderungen der übrigen Großmächte schnurstracks zuwiderlief.
Absichtlich erwähnen wir Frankreichs zuletzt. Auch von dort her droht dem Völkerfrieden keine Störung. Der französische Thatendrang und Durst nach „Gloir" haben jetzt ihr Operationsgebiet nach außereuropäischen Ländern verlegt. Selbst wenn aber die französische Regierung den Revanchegedanken nährte, muß ein Blick auf die politische Konstellation Europas sie überzeugen, daß ein neuer Krieg gegen Deutschland noch weit weniger Aussicht auf Erfolg biete, als der vor 14 Jahren geführte. Deutschland drängt Niemand seine Freundschaft auf; es kann daher mit größter Gemüthsruhe zusehen, wie sich einer seiner Nachbarn zuweilen in Ungezogenheiten ergeht, die einen schwachen Gegner beleidigen müßten. Wie die Dinge aber einmal liegen, drohen Deutschland auch von Westen her vorläufig keine Gefahren.
So treten wir denn mit den besten Aussichten in das neue Jahr und wollen nur noch die Hoffnung aussprechen, daß keine „unvorhergesehenen Ereignisse" das günstige Ergebniß der politischen Wetterprognose für 1884 zu Schanden machen.
Laudesaachrichteu.
Altenstaig, 2. Jan. Die Neujahrsnacht nahm Heuer einen gegen frühere Jahre viel ruhigeren Verlauf; es wurde nur ganz wenig geschossen und nach 1 Uhr waren die meisten Wirthschaften geschlossen. — Nach der neuesten Veröffentlichung des kaiserl. statistischen Amtes über die Volkszählung vom Dez. 1880 ist das Deutsche Reich wohl das kinderreichste Land. Es wurden uemlich gezählt bei einer Gesammt- bevölkerung von 45'/§ Will. Seelen 6168862 Kinder unter 5 Jahren, 4 676345 zwischen 10 und 15 Jahren, 4226 672 Personen zwischen 15 und 20 Jahren, 3874069 zwischen 20 und 25 Jahren.
Stuttgart, 1. Januar. Die Neujahrsnacht ging hier ziemlich stille vorüber, ohne ungewöhnlichen Lärm oder zu vieles Schießen.
Stuttgart, 2. Jan. Die Straße, an
Das Md der Fachtigall.^)
Novelle von Ktzristoptz Wiese.
Es war im wunderschönen Monat Mai und zwar an einem Wochentage. Obgleich Lie Sonne noch ziemlich hoch stand, machte doch das Städtchen Freithal schon Feierabend. Sämmtliche Büreaus, Läden und Werkstätten wurden geschlossen, die Einwohner legten ihre Festkleider an und strömten, theils in grüner Uniform und mit der Büchse auf dem Rücken, nach dem alten Stadtmarkt. Die den Platz umgebenden, in reinem gothischen Stil gehaltenen Häuser waren mit Kränzen, Guirlanden und schwarz-roth-weißen Fahnen geschmückt. Vor allem indes ragte das uralte, stattliche Rathhaus hervor. Die unzähligen Vorsprünge, Thürm- chen und Spitzen desselben verschwanden in der überwältigenden Fülle von Laub, Blumen, Bändern und Flaggen, während von der obersten Zinne eine Riesentrikolore majestätisch herabwehte.
Freithal feierte sein Schützenfest, das mehrere Tage zu dauern pflegte und schon gestern, an einem Sonntage, begonnen hatte. Heute wurde dasselbe vornehmlich von den in der Nähe wohnenden Landleuten besucht, welche, durchweg blühende kräftige Gestalten, in ihrer kleidsamen Nationaltracht schaarenweise herbeiströmten, sodaß der eben nicht große Stadtmarkt, wo die Schützen sich versammelten, um im militärisch geordneten Zuge unter den Klängen der Musik nach der sogenannten Vogelwiese hinauszuziehen, die Wenge kaum zu fassen vermochte.
Welch' ein herrliches Bild! Ueberall auf dem dicht gefüllten Platze und in jedem Fenster, jeder Oeffnung, ja sogar auf den Dächern der umstehenden Häuser sah man frohe, freundliche Menschengesichter. Hier
pulsierte rein deutsches Leben, hier zeigte sich jenes nationale Bewußtsein, das wirkliche Vaterlandsfreunde beglückt und nur den Partikulartsteu und eifersüchtigen, böswilligen Ausländern Beklemmungen verursacht, iu seiner schönsten Form.
Es war ein imposanter Anblick, als sich der nun hinlänglich geordnete Zug in Bewegung setzte und aus der dicht zusammengedrängten Masse loslöste. Nach den beiden unvermeidlichen Fahnenschwtngern in bunten Hanswurstkleidern folgten die Musikanten, hierauf das Schützen- koips und schließlich die wild durcheinander wogenden Zuschauer.
An die innere Stadtmauer, nicht weit vom Thore, lehnte ein kleines unansehnliches Häuschen, das von einer alten Linde beschattet und gegen Wind und Wetter geschützt wurde. Von den wenigen Fenstern desselben zeichneten sich zwei durch ihre zwar grünlichen, aber ungemein klaren Scheiben und die dahinter befindlichen schneeweißen Gardinen aus.
Wer die vorüberziehenden Schützen beobachtete, konnte bemerken, wie die meisten derselben ihre Blicke hierher richteten.
In diesem Hause wohnte nämlich das schönste, vielleicht auch das beste Mädchen aus der Stadt. Wan sah sie sonst tagtäglich, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, an einem der beiden Fenster sitzen und sticken. Sie hatte sich und die kränkelnde Mutter, eine Lehrerwittwe, deren Pension kaum die Ausgaben für Kleidung und Heizmaterial deckte, zu ernähren und mußte deßhalb fast ununterbrochen arbeiten. Heute jedoch waren die Gardinen dicht zusammengezogen. Marie wollte von dem vorbeikommenden Schützenzuge nichts sehen, sie neigte heute nicht zur Freude.
Das Stübchen, in welchem Mutter und Tochter sich befanden, konnte nicht sauberer und heimlicher gedacht werden. Wände und Decke waren erst vor kurzem gestrichen und so weiß, daß sie mit den schneeigen
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