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Amts- und Amnaeblatt für dm Oberamtsbyirk Calw. 8S. IihkMg.
Erscheinurigstage: Montag. Dienstag. Mittwoch, Donnerstag. Freitag und Samstag. Fnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bczirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Dienstag, den 27. Dezember 1910.
Bezugspr.i. d. Stadt'/^jährl.m. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugspr. f.d.Orls-u.Nachbarortsverk. ^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Vestellg. in Württ. 30Pfg.» in Bayern u. Reich 42 Pfg.
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an Nie krneuerung Ser Hvsnnemenis auf Uas Lalwer Wochenblatt ru Nenlren.
kmellungen auf aas 7. tzuattal io« nehmen Ule Postämter. Postboten una unsere Husirsger entgegen.
Tagesueuigkeiten.
— Die niedere Juftizdienstprüfung hat u. and. Kandidaten bestanden: Friesi, Rudolf, von Gechingen OA. Calw.
Vom K. Ev. Oberschulrat ist eine ständige Lehrstelle in Althengstett dem Hauptlehrer Dietrich in Eichach OA. Oehringen übertragen worden.
Calw. Die Handwerkskammer Reutlingen hat dieser Tage an die Volksschulen sowie an die höheren Lehranstalten ihres Bezirks die neue Auflage ihres „Ratgebers zur Berufswahl" zum Zwecke der Verteilung an die zur Schulentlassung kommenden Knaben versandt. Da« Büchlein ist wiederum neu durchgesehen und auf den neuesten Stand ergänzt worden und dürfte in dieser Form manchem Vater oder Vormund nützliche Winke für die Berufswahl der ins Leben tretenden Knaben geben. Von Wert ist insbesondere auch da« am Schluß angehängte Verzeichnis der für die Handwerker in Betracht kommenden Fachschulen und sonstiger Weiterbildungsgelegevheiten.
Wildbad 26. Dez. (Innung.) Nach einem Vortrag des Metzgerobermeisters Häußer- mann aus Stuttgart über da« JnnugSwesen ist hier eine freie Metzgerinnung de« Ober- amt« Neuenbürg ins Leben gerufen worden.
Metzgermrister Krauß hier wurde zum Obermeister gewählt.
Stuttgart 24. Dez. Für die Landerversammlung der Volkspartei ist folgende Tagesordnung festgesetzt: 1) Parteibericht, Referent Parteivorstand Prof. Hoffman«; 2) Feststellung der neuen Satzungen, Abg. Liesching; 3) der württ. Landtag, Abg. Liesching; 4) die Wirkung der Parteiverschmelzung in Reich und Land, Prof. Dr. Götz-Tübingen; 5) der jetzige Reichstag, Präsident v. Payer; 6) der nächste Reichstag, Abg. Haußmann.
Stuttgart 24. Dez. (Ehrenzeichen.) Die Königin hat an 11 Dienstboten für 50jähr. Dienstzeit in derselben Familie oder in demselben Anwesen das vergoldete Ehrenzeichen verliehen. Weitere 54 Dienstboten erhielten das silberne Ehrenzeichen für eine mindestens 25jährige Dienstzeit unter den gleichen Voraussetzungen.
Stuttgart 24. Dez. (Fleischbeschauunterricht.) Im kommenden Jahre beginnen Unterrichtskurse für Fleischbeschau in Stuttgart am 12. Januar, in Reutlingen am 1. März, in Ravensburg am 3. Mar, in Heilbronn am 20. Juni, in Gmünd am 26. August, in Ulm am 17. Oktober. Die Gesuche um Zulassung zu den einzelnen Kursen find spätrstens 14 Tage vor Beginn de« Kurses bei dem Unterrichrsleiter einzureichen. In der Regel werden höchstens 12 Teilnehmer zu einem Kurs zugelassen; es empfiehlt sich daher, die Gesuche möglichst frühzeitig einzureichen.
Herrenberg 24. Dez. Nach langem Bemühen ist es unserer Oberamtsstadt gelungen, die Industrie, die hier bisher vollständig fehlte, an den Platz zu ziehen. Eine Pforzheimer Silberwarenfabrik eröffnet eine Zweig
niederlassung und in den Baulichkeiten der früheren Brauerei zum „Hasen" wird eine Gold- und Politurleistenfabrik eröffnet.
Herrenberg 24. Dez. Auf den heutige» Schweinemarkt waren zugeführt: 90 St. Milchschweive, Erlös pro Paar 24—45 40 St. Läuferschweine, Erlös pro Paar 50 bis 100 Verkauf ordentlich.
Oeschelbronn OA. Herrenberg 23. Dez. (Eine Wahlidylle.) Heute fand in hies. Gemeinde die Bürgerausschußwahl statt, aber da ging» nicht mit Pauken und Trompeten, auch nicht mit Bomben und Granaten wie in der Oberamtsstadt. Es waren 5 Mitglieder zu wählen; die ganze Bürgerschaft überließ es dem Schultheißen, dem Amtsdiener und dem Polizeidiener, sowie dem Wahlkomitee und einem Gemeinderat, wie diese es für gut erachteten. Da sich bisher die auszuscheidenden Mitglieder in ihrer Amtstätigkeit als tüchtig und brauchbar gezeigt haben, wurde« diese auch wieder gewählt. Es ist eben doch schön, wenn eine Gemeinde ein solche« Vertrauen haben kann.
Heutingsheim OA. Ludwigsburg 24. Dez. (Vorgeschichtliches.) Zu den kürzlich hier gemachte» Funde« verschiedener römischer Häuser find in allerneuester Zeit Funde au« der Steinzeit gekommen. Er wird angenommen, daß etwa 2000 v. Chr. hier ein au« zahlreichen Einzelgehöften bestehende« Dorf lag. Die au« fremdem Steinmaterial sorgfältig gearbeiteten Werkzeuge, Knochengeräte und mit den mannigfaltigsten Mustern verzierte Tongefässe, sowie die Reste der Haustiere weisen auf eine umfangreiche Ansiedelung der jüngeren Steinzeit hin.
Altenstadt OA. Geislingen 24. Dez.
Ilm den Loröeer der Wissenschaft.
45) Roman von Friedrich Thieme.
(Fortsetzung.)
Lauge lag er so, wohl eine Viertelstunde. Wieder regte sich da« Leben in seiner Nähe — eine Kutsche, von zwei Pferden gezogen, rollte daher, so dicht an der hölzernen Wand dahin, daß die Räder fast die Leiche berühren mußten.
Auf einmal — ein Ruck, eine Fluch des Rofselenkers — das eine Pferd scheute und drängte zurück.
„Hüh", brüllte der Kutscher, er hieb mit der Peitsche auf da« Tier ei» — es griff von neuem au», prallte aber sofort wieder zurück wie vor einer Erscheinung.
„Da ist 'was nicht in Ordnung", rief eine sonore Stimme aus dem Wagen.
„'S liegt 'was im Wege", brummte der Kutscher. „Brr!" Der Wagen hielt an.
„Nehmen Sie die Laterne vom Wagen und leuchten Sie einmal hin", rief der Herr im Wagen. „Wahrscheinlich eia Baumstamm —"
„I, warum denn nicht gar ein Kirchturm", murmelte der Kutscher in den Bart, „wo soll denn hier ein Baumstamm Herkommen! Donnerwetter, da liegt ein Mensch — he, alter Freund", er rüttelt heftig an dem Körper — „auf die Socken, das ist kein Schlafplatz für beschmorte Gemüter."
„Wer ist'« denn?" fragte, der Herr wieder.
„'S wird ei» Betrunkener sein", schallte die Antwort ärgerlich zurück.
„Ein Betrunkener? Vielleicht ist der arme Mensch verunglückt?"
Der Herr sprang aus dem Wagen, der Kutscher bestrahlte mit der Laterne die regungslose Gestalt.
„Teufel, da ist eine Wunde —"
„Wo?"
„Hier am Kopfe — Herr Baron, da« ist kein UnglückSfall, da« ist ein Mord!"
„Heiliger Gott!"
Eine Dame neigte sich au« der Equipage. „Adelbert, spricht er die Wahrheit?"
„Ich fürchte ja," klang die Erwiderung de« Baron«, der sich erschüttert über die leblose Gestalt hinneigte. „Doktor Sekal?" kam e» erschrocken von seinen Lippen. „Das ist Dr. Sekal, Frida, der künftige Schwiegersohn de» Herrn von Mori» — er ist tot, Seelemann?" Der Kutscher hielt seine Hand vor den Mund de« Daliegenden.
„Mir ist, al» spürte ich einen Hauch", gab er «ach einer Pause peinlichen Schweigens zur Antwort.
„Er fühlt sich noch warm an," sagte der Baron. „Wir müssen ihn in den Wagen nehmen, Frida, fürchtest du dich?"
„Wo e« gilt, ein Werk der Menschenliebe zu vollbringen, müssen alle anderen Empfindungen verstummen."
„Dann schnell, Seelemann — wir haben nur wenige Minuten bi« zur Villa de» Professor» Sekal — Sie wissen Bescheid, Seelemann?"
„Jawohl —"
„Das kleine Hau» rechter Hand —"
„Ich weiß schon —"
„So fassen Sie an — mein Gott, welch entsetzliche Tat — wer mag da« getan haben?"
Der Baron und sei» Kutscher hoben den Schwerverwundete» in de» Wagen, wo sie ihn auf den Polstersttz der einen Seite so gut e« ging niederlegten. Mitleidig betrachtete die Baronin die leichenblassen Züge de» jungen Manne», der jetzt ei» leise» Stöhnen hören ließ.