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(Sherlok.) Die Tätigkeit de» Stuttgarter Polizeihundes Sherlok wurde auch hier iu Anspruch genommen. Seit Montag abend wird ein verheirateter, 36 Jahre alter Fabrikarbeiter vermißt, der sich im Zustand geistiger Umnachtung ohne Geld heimlich entfernte. Sherlok nahm an einem Schuh in der Wohnung de» Vermißte« Witterung und verfolgte zwei Stunden lang über Berg und Tal, sowie durch Eindringen in eine Feldscheuer, wo der Vermißte zweifellos schon genächtigt hatte, die Spur, verlor sie aber in der Nähe dr» hiesigen Bahnhofs.
Heilbronn 24.Dez. (Die Folge de» Fehlherbste».) Al» Notstandsarbeiten für die Weingärtner läßt die hiesige Stadtgemeinde Verbesserungen von Feldwegen und neue Wassersammelgruben in de» Weinbergen mit einem Kostenaufwand von über 10000 ^ auSsühre«.
Vaihingen a.F. 26 Dez. (Ehrung.) Au» Feuerbach erschien dieser Tage hier eine Abordnung der bürgerlichen Kollegien, um dem Kommerzienrat R. Leicht eine künstlerisch a«S- gestattete Ehrenbürgerurkunde zu überreichen.
Metzingen 26. Dez. (Aus Kummer in denTod.) Im Mühlkanal in der Au wurde die Witwe Klett als Leiche gefunden. Man nimmt an, daß sie au» Kummer über die Krankheit einer Tochter den Tod gesucht hat.
Pfullingen 26. Dez. (Brand.) Von der Turmwache der Reutlinger Marienkirche kam hierher die Meldung, daß da» Anwesen de» Oekonomen Pfeiffer am Eninger Rank brenne. Die Feuerwehr fand das von zwei Mielspartien bewohnte Hau» in Hellen Flammen. Das ganze Inventar, einschließlich einiger wertvoller Strickmaschinen, ist verbrannt. Al» da» Feuer gelöscht war, bildete das Gebäude nur noch einen Trümmerhaufen. Die Geschädigten sollen versichert sein.
Schorndorf 26. Dez. (Falsche» Geld.) In letzter Zeit sind auf dem hiesige« Postamt verschiedene Male falsche Zweimarkstücke angehalten worden, die sämtlich da» Bild Kaiser Wilhelm» I, die Jahreszahl 1876 und da» Münzzeichen 6 tragen. Sie find au» Messing und versilbert. Die Prägung ist sehr deutlich
Vom Oberlande 23. Dez. Die auf 1. Nov. eingeführten Wanderarbeitsstätten erweisen sich al» äußerst vorteilhaft, sowohl für die Wanderer selbst, al» auch für die Bevölkerung. Elftere find auf Befragen allen Lobe« voll für die getroffene« wohltätigen Einrichtungen (speziell in den Bezirken Waldsee und Biberach), wo jeder für geleistete Arbeit Lohn und Verpflegung und auf Nachfrage auch Arbeit im Handwerk und Beruf erhält. Für die Bevölkerung ist nicht nur
der lästige Häuserbettel in Wegfall gekommen, auch die Wohnungen stehen weit sicherer in Dorf, Weiler und Gehöft, und ist die Jugend weit mehr ungefährdet. Die echten Stromer sind auf den Gütern der Landarmenbehörden wohl untergebracht. Selten sieht man mehr einzeln einen wandernden Burschen die Landstraße ziehen, denn von einer Wanderwerkstättr zur andern geht e» immer in ganzen Trupps.
Leutkirch 24. Dez. (Leichtsinn.) Der 15 Jahre alte Sohn des Messerschmieds Zeltler hier hatte eine scharf geladene Flobert- patrone auf den eisernen Ofen gelegt. Al» sein Vater den Ofen »achschürte, drehte sich der Sohn um, um dem Vater etwa» zu sagen. Im gleichen Moment, al» er diesem da» Gesicht zuwandte, explodierte die Patrone und die Kugel drang dem Sohrr direkt ins Auge und blieb tief im Kopfe stecke«. Vom Augenarzt konvte da» Geschoß nicht entfernt werden und der junge Man» mußte zur Operation in die Augenklinik nach München verbracht werden.
Pforzheim 24. Dez. (Streik ohne Ende.) Die Fabrikanten wollen die Fabriken am 2. Januar wieder eröffnen. Sie haben bereits die Karten an alle Arbeiter und Arbeiterinnen abgesandt, um sie zur Wiederaufnahme der Arbeit einzuladen. Auf der anderen Seite fordert der Metallarbeiterverband die Organisierten auf, diese Karten nicht an die Fabrikanten zurückzuschicken, sondern unausgefüllt an den Verband abzuliefern. Der Metallarbeiteroerband erklärt jeden Arbeiter, der eine Karte an den Fabrikanten schickt, für einen Streikbrecher. Der Kampf geht also auf» neue lo». Es ist aber durch reichliche» Schutz der Polizei und Gendarmerie gesorgt. Ferner erläßt der Metallarbeiterverband eine Bekanntmachung, daß er auch die vom 2. Dezember an au»gesperrten Arbeiter auf Wunsch in den Verband aufnimmt. Seither war er nicht bereit, diejenigen Arbeiter, die nicht bis dorthin rin getreten waren, aufzu- nehmen.
Pforzheim 24. Dez. (Zur Streikaussperrung.) Das Rundschreiben der Fabrikanten an die Arbeiter hat folgende« Wortlaut: Der Arbeitgeberverband für Pforzheim und Umgebung hat beschlossen: 1. Die Fabriken nehmen am 2. Januar den Betrieb wieder auf unter der Bedingung, daß genügend Anmeldungen zur Wiederaufnahme der Arbeit vorliege». Ist die» nicht der Fall, so wird bi» auf weitere», vorerst bis 1. Februar 1911 ausgesetzt. 2. Die Anmeldung zur Wiederaufnahme der Arbeit erfolgt durch Unterschrift und Absendung der beiliegenden Postkarte, welche spätesten» am 27. Dezember in
den Händen de» Arbeitgeber» sein muß. 3. Die Bekanntmachung, ob vom 2. Januar ab gearbeitet werden kann, wird am 31. Dezember in de« hiesigen Blättern erfolgen. Ausreichenden Schutz gegen Belästigung der Arbeitswilligen hat die Stadtbehörde zugesichert.
Pforzheim 23. Dez. (Abermal» Verhandlungen?) Ein vom Deutschen Metallarbeiterverband beim Vorsitzenden de» Arbeitgeberverbandes eingrtroffener Brief enthält die Mitteilung, daß der Verband die von den Kettenmachern eingereichten Forderungen zurückziehe, wenn der Arbeitgeberverband zu Verhandlungen bereit sei. E» sind somit neue Verhandlungen in Sicht.
Flehingen (Amt Breiten) 23, Dez. Ein hiesiger Kaufmann bemerkte seit einiger Zeit, daß von unberufener Hand seinem Kautabakoorrat zugesprochen wurde. Sein Verdacht lenkte sich auf eine Frau, die beinahe regelmäßig am früheste» Morgen bei noch herrschender Dunkelheit seinen Laden aufsuchte. Um nun der Sache auf den Grund zu yehen, stellte der Kaufmann in dem Tabaksbehälter eine der bekannten Klappfallen, deren man sich beim Rattenfang bedient, ans und versah da» Fallbrett mit einigen spitzen Nägel«. Die Falle selbst wurde so gestellt, daß sie bei der geringsten Berührung niederfallen mußte. Der Verdacht de» Ladenbrsitzer» bestätigte sich, denn schon beim nächsten Frühbesuche der treuen Kundin geriet diese bri dem Versuche, sich das gewohnte Tabakquantum anzueignen, prompt in die Falle. Die Sacke wird hier allgemein belacht, umsomehr, da die Frau als fromm gilt und die Betstunde viel besucht, und nach dem Reinfall auch noch die diebische Hand in der Binde tragen muß.
Hamburg 23. Dez. Die Erdgarquelle bei Neuengamme brennt wieder wie früher. Der Druck hatte sich so verstärkt, daß da» Manometer zersprang. Da» ausströmende Ga» hat sich wieder entzündet, und da» Geräusch ist weit stärker al« früher.
Pari» 24. Dez. Au» Philippeville in Algerien wird gemeldet, daß acht Kisten mit Feuerwerkskörpern beim Ausladen auf dem Hafenquai explodierten. Zwei Personen wurden getötet, 11 Personen, darunter 9 Araber, wurden schwer verletzt.
Wien 23. Dez. In einem Hause de« 20. Wiener Bezirks Brigittenau wurde gestern abend eine zerstückelte Frauenleiche gesunde». Die Leiche lag neben dem Eingang zum Klosett in einem Wäschekorb. Der Kopf war eingehüllt, Arme und Beine fehlten ganz und find anscheinend gewaltsam vom Körper abge-
„Er lebt", rief sie mit einem freudigen Aufblicken ihrer kastanienbraunen Augen. „Sieh nur, Adelbert, wie schön er ist!"
„Die Seinigea werden einen gewaltigen Schrecken haben", murmelte bedenklich der Baron. „Da find wir schon — ich werde vorausgehen und sie vorbereiten."
Die Equipage hielt an, der Baron sprang heran» und zog die Klingel. „Führen Sie mich unverzüglich zum Herrn Geheimrat", redete er den vor ihm stehenden Gärtner an, „ich habe ihm eine Mitteilung zu machen, die keinen Aufschub duldet."
„Bedaure, nur die Frau Geheimrat und Fräulein Sekal find anwesend."
„So melden Sie mich der Fra« Geheimrätin — aber eilig, ich bitte Sie — jede Sekunde ist vielleicht von Belang."
Bestürzt starrte der Gärtner den elegant gekleideten Fremden an, dann schritt er, von diesem gefolgt, die Treppe hinan.
„Wen darf ich —"
„Baron von Langen — rasch, rasch."
Eine Minute später stand schon der Baron vor der Frau de» Hause» und enthüllte ihr in schonenden Worten da» über sie hereinbrechende furchtbare Unglück. Die sanfte Frau erbebte am ganzen Leibe; auf eine» Stuhl niedersinkend, rief sie angstvoll: „Um Gotteswillen — bringen Sie ihn herauf — o Wera, Wera —"
Wera, ebenfall» wie vom Schlag getroffen durch die entsetzliche Nachricht und über derselben im ersten Augenblick ihr eigene» Weh vergessend, eilte zur Unterstützung der Mutter herbei. Indessen stiegen der Baron und Gärtner Heber hinab, um den Transport de» Verwundeten zu bewerkstelligen. Mühsam erhob sich Fra« Sekal, um selber den Kommende» entgegen zu gehen, bald wäre sie in Ohnmacht gesunken, al» sie da» farblose, schmerzverzerrte Antlitz de» lieben Sohne» erblickte. Doch die Liebe gab ihr Kraft, ihre Fassung zu bewahren. Jetzt war keine Zeit,
sich einer fruchtlosen Trauer hinzugeben, wo da» Leben de» teuren Kinde» vielleicht an einem Haare hing.
„Heber, rufen Sie sofort einen Arzt — den nächsten — meinen Sohn hat ein schwerer Unfall getroffen."
Der Gärtner rannte davon, indessen die Geheimrätin und ihre Tochter am Bett de» Verwundeten sich bemühten, dem starre« Körper wieder Zeichen de» Leben» zu entringen.
„Was ist nur geschehen?" klagte die arme Mutter, „ist er gestürzt?"
„Gestürzt?" entgegnete Baron von Langen, der mit seiner Gattin hilfsbereit im Zimmer verharrte. „O nein, Frau Geheimrätin — sehe« Sie doch, diese breite, flache Wunde an seiner Stirn — nur ein Schlag hat sie Hervorbringen können. An der Stelle, wo wir ihn gefunden, gab e» weder Bäume, noch Steine."
„Gemordet?" schrie ste erbleichend auf. „Unmöglich — in solcher Nähe unsere» Hause»! Auf einem Wege, den wir täglich zu gehen gewohnt sind?"
„ES war heute finster und öde dort," erklärte Frau von Langen teilnahmsvoll. „Trösten Sie sich, Frau Geheimrat, er ist nicht tot und wird wieder genesen", suchte sie de» Kummer der Armen zu beschwichtigen.
Wera verbarg'ihre mächtig hervorquellenden Tränen vor den Umstehenden; ihre Mutter weinte nicht, Schrecken und Entsetzen hielte» ihre Zähren noch zurück, aber ihre Züge trugen da» Gepräge schwerster innerster Qual. Der beste Trost in einer Situation, wie der ihrigen, besteht allein in der Notwendigkeit unablässiger Tätigkeit, und auch Frau Doktor Sekal und Wera fanden zu ihrem Glück vor lauter Aufregung und Bemühungen keine Zeit, sich willenlos ihrem Gram zu unterwerfen.
„Aber wer hat die gräßliche Tat verübt?"
Der Baron zuckte die Achseln.
„Vielleicht kann er selber darüber Auskunft geben, wenn sein Bewußtsein zurückkehrt. Ich selber werde nach der nächsten Polizeistation fahre«, um Anzeige zu erstatten." (Forts, folgt.)