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erzielen soll usw. Die Mittel werde« mit Phantafienamen (Svealin",Peralia") belegt und e» unterliegt keinem Zweifel, daß e« sich stet» um da» gleiche Mittel und um in Ver­bindung stehende Firmen handelt, trotzdem An­preisungen und Versand der Mittel von ver­schiedenen Orten Holland» aurgehen. In allen Fällen wird nicht« andere» zum Versand ge­bracht, als unvermischtr« Naphtalin, da» zu Tabletten gepreßt und mit einem Teerfarbstoff orangerot oder violett gefärbt ist, damit die Käufer über die Natur der Mitte! getäuscht werden. Da einerseit» die Angaben über die Wirkung der Mittel schwindelhaft sind und da andererseit» der Verkauf»prei» in keinem Ver­hältnis steht zum wirklichen Wert dieses Präparats (der Preis der Tabletten ist auf 1 ^1,20 ^ im Einzelverkauf festgesetzt, während der reelle Wert einige Pfennig beträgt), so muß vor dem Ankauf dieses Mittel» eindringlich gewarnt werden. E» empfiehlt sich, in ähnlichen Fällen stet» zunächst sich eine Probe de» Mittel» zu verschaffen und e» einem öffentlichen Uuter- suchung»amt zur Begutachtung vorzulegen.

Reutlingen 9. Dez. (Eine Bitte.) Auf der Alb unweit Mägerkingen liegt idyllisch zwischen Waldbeständen Mariaberg, die unter dem Protektorat der Herzogin Wera stehende bekannte Heil- und Pflegeanstalt für Schwach­sinnige, die sich nicht nnr der besondere» Für­sorge de» Königspaare» und der Amtskörper­schaftendes Lande», sondern auch der Nächstenliebe weitester Kreise unseres Volkes zu erfreuen hat, beherbergt sie doch Zöglinge aus ganz Württem­berg. 162 waren e» im abgelaufenen Jahre, dem 63. ihres Bestehen». 84 Kranke sollte» neu ausgenommen werden, aber es war nur Platz für 16 zumteil schon im Vorjahr zurückgewiesene Schwachsinnige. 52 der Pfleglinge sind zu jeder Bildung und Arbeit unfähig. An Geldgaben gingen im letzten Jahre 8940 ^ ein, und für Kostgelder wurde« 56 860 ^ bezahlt. Die An­stalt war durch die reichen Geldspenden in Stand gesetzt, ihre Rechnung befriedigend abzuschließen. 92 463.21 ^ Einnahmen stehen 88 659.08 ^ Ausgaben gegenüber, sodaß ein Kafsenbestavd von 3804.13 ^ verbleibt. Die Tatsache, daß für die meisten Pfleglinge ein unzureichendes Kostgeld entrichtet wird, weil die Eltern oder An­gehörigen nicht in der Lage sind, die vollen Sätze zu bezahlen gegenwärtig find e» davon 136 weist die Anstalt immer wieder darauf an, um milde Gaben zu bitten, und so ist zu hoffen, daß das LiebeSwerk auch im neuen Jahre wieder reiche Unterstützung und kräftige Förde­rung seiten» edler Menschenfreunde erfährt.

Horb 9. Dez. (Ein schauerlicher Fund.) Auf der Straße zwischen hier und Nordstetten wurde der Kopf ohne Unterkiefer eine» Toten, der schon stark in Verwesung über­gegangen war, gefunden. Auf welche Weise der Kopf an diese Stelle kam, wird hoffentlich die nähere Untersuchung ergeben.

Mühlacker 9. Dez. (Streik). Die Zigarrcnfabrik Leo L Söhne hatte mit einem Sortierer eine andere Lohnzahlung vereinbart, mit der dieser nicht zufrieden war, weshalb er die Arbeit niederlegte. Nun erklärten sich sämt­liche Sortierer, außer einem, solidarisch und stellte« die Arbeit ein. Die Einigungsverhand­lungen führten zu keinem Ziel, da die meisten Sortierer abgereist sind.

NereSheim 9. Dez. (Grober Unfug.) In vorletzter Nacht wurde die Eisenbahnschranke unweit de» Orte» Aufhausen abgehauen, auf die Schiene gelegt und mit Steinen beschwert. Nur der Wachsamkeit de» Bahnwärter« ist e» zu verdanken, daß ein Unglück verhütet wurde. In der Nähe de« Tatorte» wurden Uhr, Tabaks­pfeife und Spazierstock des mutmaßlichen Täters gefunden. Untersuchung ist eingeleitet.

Gerabronn 9. Dez. (Vor de» Auge» des Vater» erschlagen.) Der Landwirt Joo» in dem benachbarten Rechenhausen, Gde. Michelbach a. H. war mit dem Fällen einer Fichte beschäftigt. Dabei war auch sein achtjähriger Sohn. Die Fichte fiel nach der entgegengesetzten Richtung al» angenommen war und traf de«

Sohn so unglücklich, daß er auf der Stelle tot war. Die Familie hatte erst vor vierzehn Tagen ei» Kind durch den Tod verloren.

Tuttlingen 9. Dez. (Tot aufge­funden.) Der 85 Jahre alte Witwer Joseph Spitznagel in Möhringen wurde morgens in seinem Zimmer liegend tot aufgefunden. Man vermutet, daß Spitznaqel ein Feuer in den Ofen machte und, da die Ofenklappe geschloffen war, durch das ausströmende Gas und de» Rauch im Schlafe erstickt ist.

Tuttlingen 9. Dez. (Ungeratene Kinder.) Eine recht betrübende Erscheinung tritt gegenwärtig bei unserer Schuljugend zutage. In letzter Zeit wurden nämlich von schulpflichtigen Kinder« eine Reihe von Diebstählen verübt, und zwar zum Teil unter erschwerenden Umständen, und er ist gewöhnlich nicht die Not, welche die Kinder zu diesen Verfehlungen treibt, sondern in den meisten Fällen die Genußsucht. Nicht selten kann man daher beobachte», daß ältere, schulpflichtige, auch schulentlassene Burschen jüngere Kinder zum Stehlen anleiten, um sich dann ihren Anteil an der Beute zu sichern. In der Hauptsache geschehen die Diebstähle in Kaufläden, Bäckereien und Metzgereien, nachdem zuerst bei den Eltern Vorübungen gemacht worden sind.

Tuttlingen 9. Dez. Aus dem benach­barten Pfarrdorf Weigheim meldet die Trosfinger Zeitung eine Kinde»mißhandlu«g. Ein 1213 Jahre altes Mädchen hatte unter der Behandlung durch seine Stiefmutter und deren Bruder viel zu leiden; der letztere soll wegen eines geringfügigen Vorkommnisse» dem Kind Hände und Füße zusammengebunden und es dann entsetzlich geschlagen habe». Das Kind ist bei einer Familie de» Orts untergebracht. Gericht­liche Untersuchung der Angelegenheit ist ein­geleitet.

Heidevheim 9. Dez. (Der Rauhfrost.) Au» verschiedenen hochgelegenen Orten auch un­seres Bezirks kommt die Klage, daß der Rauh- srost in den letzten Tagen erheblichen Schaden anrichtete. Mancher Zweig an Obst- und Wald­bäume», sogar ganze Bäume find dem Duft zum Opfer gefalle». Die Telephon- und Telegraphen­drähte hingen wie Guirlanden zwischen den Bäumen. Seit vielen Jahren hat der Rauh­frost nicht so viele Verheerungen angerichtet, wie Heuer.

Pforzheim 9. Dez. (Arbeiter­bewegung.) Gestern fanden zwei Versamm­lungen statt, die von 2700 resp. 1500 Personen besucht waren. In beiden Versammlungen sprach Wagner-Aalen über da» Genoffenschaftswesen, der Bezirksleiter Vorhölzer sprach über den Stand der Bewegung. Von den gegen 20000 Goldarbeitern befinde» sich etwa 9 000 im AuS- staad. Heute finden unter Mitwirkung von Ministerialrat Nebe und einem Mitglied« der Fabrikinspektio», zunächst getrennte Ver­handlungen der Arbeitgeber und Organisation statt. Die Koste» für Unterstützung betragen rund 90000 ^ in der Woche. An Entschädigung wegen Kontraktbruche» sind nicht 10 000, sondern bis jetzt nur 1200 ^ zu bezahlen.

Berlin 9. Dez. lieber den Aufenthalt des Kronprinzenpaares in Ceylon meldet derLokalanz." aus Candy: Die Kronprinzessin ist heute mittag hier eingetroffen. Die Ankunft des Kronprinzen, der noch im Jagdrevier weilt, wird abend» erwartet. Generalleutnant Gras Dohna, Graf v. Bismarck-Bohlen und Gesandter v. Treutler warten bereit» hier. Am 14. ds. Mts. trifft der Kronprinz in Bombay ein. Am letzten Dienstag ging der Kronprinz mit einem Plantagenbesitzer und dem Präsidenten Bartett auf die Pürsch. Die Jäger fanden nach einer halben Stunde ein Elefantenpaar und verfolgten e». Plötzlich sah der Kronprinz in de» Dschun­geln in einer Entfernung von 30 Schritt einen starken Elefanten und schoß auf ihn. Gleich die erste Kugel war, wie sich später herausstellte, tödlich doch waren noch 7 Kugeln nötig, um da« riesige, 80100 Jahre alte Tier zu Fall zu bringen. Die Kronprinzessin wurde sofort be­

nachrichtigt und traf bald darauf im Jagdrevier ei«. Da» erlegte Tier wurde photographiert. Später erlegte der Kronprinz noch ei» Krokodil und Damwild.

Berlin 9. Dez. (Reichstag.) Am BundeSratStisch die Staatssekretäre Dr. Delbrück, Wermuth, v. Tirpitz, Krälke und Kriegt minister v. Heeriugen. Auf der Tagesordnung steht die erste Lesung des Etats. Reichsschatzsekretär Wermuth: Der Etat ist eine Probe auf die Finanzreform. Die Finanzen befinden sich in fortdauernder Gesundung. (Bravo!) Wir müssen vorsichtig weitergehen. Die Rückstände bis 1908 sind durch Anleihen dauernd bei Seite geschoben worden, die von 1909 allerdings nur vorläufig. Die Matrikularbeiträge von 80 ^ müsse» wir festhalte». Die Friedenspräsenzstärke ist für fünf Jahre hinaus festzulegen. Darauf müssen wir unsere Finanzen einrichten, um den jetzigen Stand für jeden Anlaß festzuhalten. Das Jahr 1909 war der Brennpunkt unserer Fivanzno', hat aber schließlich mit einem besseren Ausblick in die Zu­kunft geendet. E» bleiben allerdings 243 Millio­nen ungedeckte Matrikularbeiträge. Zu ihrer Deckung hat da» Jahr 1909 Mehreinnahmen ergebe«. Diese werden sich durch die neuen Steuern noch mehren. Immerhin waren die Einnahmen höher als 1908. So hatten wir 72 Millionen mehr an Steuern und eine Minder­ausgabe von 40 Millionen, sodaß sich ein Mehr von 112 Millionen ergibt. So vermindert sich der Fehlbetrag um mehr als die Hälfte und er soll auf die nächsten Jahre von 1911 bis 1913 abgebürdet werden. Allerdings kommt die Ab­lösung für die Tabakarbeiter in Betracht, für die die Tabaksteuer nicht ausreicht. Danach kann man sagen, daß da» Jahr 1910 keine Ueberraschuugen gebracht hat. Jede» Reffort hat bisher seinen Etat eingehalten. (Hört! Hört! rechts, Lache» link»). Der Voranschlag wird fast mathematisch erreicht werden. Die Verkehrs­steuern werden im nächsten Jahr bestimmt mehr ergeben, da sie nach und «ach sich einleben. Die Tabaksteuer hat sich ganz nach Erwarten ent­wickelt. Die letzten 3 bis 4 Monate waren völlig normal und haben im einzelnen vollständig den erwarteten Betrag ergeben. (Hört! Hört!) Auch beim Kaffee gleicht sich die Vorrinfuhr jetzt aus. Ebenso hat sich die Brausteuer befriedigend entwickelt. Durchaus günstig entwickelte sich der Grundstücksumsatzstempel und die Schaumwein­steuer. Nicht befriedigend war allerdings die Leuchtmittelsteuer und die Steuer zur Sicher­stellung langfristiger Wechsel und die Scheckstruer. Der Effektenstempel entwickelte sich günstig, trotz erheblicher Schwierigkeiten. Die Zündholzsteuer war in ihrem Ergebnis beeinträchtigt durch die große Vorversorgung und die ungewöhnliche Er­bitterung. (Sehr richtig! links.) Die Brannt­weinsteuer war einigen Schwankungen unter­worfen, sie werden aber bald beseitigt sein und die Einnahmen werden dann feststehen. Wir werden für 1911 erhöhte Summen einsetzen können. Ausfälle bei den Zöllen werden durch erhöhte Beiträge aus Kaffee oder Tee ausge­glichen. Die verhältnismäßig niedrige« Ergeb­nisse der Reichseisenbahn erklären sich durch ein­malige große Ausgaben für den Wagenpark. Erheblich größer find seit 1900 die Ausgaben für da» Auswärtige Amt geworden. Diesmal werden sie nicht erhöht werden. Der Etat de» Reich»amtS des Inner» wird beherrscht von den Ausgaben für den Jnvalidenfonds. Der Etat für die Schutzgebiete wird sich 1911 gegen 1910 um 5 V» Millionen bester darstellen. Bei der Marine wird sich die Verwaltung entsprechend dem Flottengesetz vollständig im Etat halten und 1911 den Höhepunkt mit 450 Millionen erreichen. Da» sind die letzten ersten Raten für Auslands - schiffe. Diese fallen aber in den außerordent­lichen Etat, der bereits 1912 zurückgehen und 1917 fast keine Ausgaben dieser Art mehr haben wird. Der Etat der Heeresverwaltung ist seit 1908 in de» Besoldungen gestiegen; seitdem ist ein wenn auch nur langsames Sinken eingetreten. Im ordentlichen Etat haben die meisten Ver­waltungen Mehrausgaben vermieden oder solche durch Mehreinnahmen ausgeglichen. Die Friedens­präsenzstärke muß fortschreiten entsprechend der militärischen Technik und dem Bedarf. Wa»