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feiner Vorfahren angeboren war. Dafür wird er vom Staate Rechtsschutz erhalte». (N. Albbote.)

Friedrichshafen 6.Dez. (PetriHeil.) Der große Felchenfang zwischen hier und Romans­horn hat in den letzten Tagen begonnen und bis jetzt einen ungewöhnlich freichen Ertrag ge­geben. Nicht nur hat sich die Zahl der am württembergischen Ufer dauernd ansässigen Fischer in den letzten Jahren mehr als verdreifacht, sondern es kommen auch badische und thurgauische Fischer mit ihren Schiffe» in großer Zahl hieher, um während der Laichzeit der Zeichen an den ergiebigen Laichstellen ihre Netze auSzuwersen. Unser See ist daher gegenwärtig sehr belebt und die Staatskaffe bezieht aus dem Verkauf von Fischereipateute» und Fischerkarten von Jahr zu Jahr größere Einnahme». Die im K. Schloß­garten untergebrachte staatliche Fischzuchtanstalt ist, wie der Staattanzeiger mitteilt, im vorigen Jahr wesentlich vergrößert worden, so daß sie jetzt im Stande ist, über 5 Millionen befruchtete Felcheneier gleichzeitig auszubrüten. Schon an den beiden ersten Fangtagen find nahezu 2 Millionen Fischeier abgeliefert worden und die Brutanstalten auf badischem, bayerischem, österreichischem und schweizerischem Gebiet haben ähulich große Eiermengen erhalten. Während aber f-üher zur Zeit des Felchenlaichs unter den Fischer» der verschiedenen Bodenseeufer­staaten aus Konkurrenzneid regelmäßig Streitig­keiten entstanden, die oft zu recht bedenklichen Ausschreitungen führten, geht jetzt der Fischfang ebenso wie die Eiergewinnung und Eierverteilung durchaus einträchtig vor sich. Seit am württem­bergischen Ufer (in Friedrichshafen und Langen­argen) 2 leistungsfähige Fischhandlunge» mit großen Eisräumen entstanden sind, können die Maffenfänge richtig ausgenützt und vorteilhaft verwertet werden. Die Fische werden jetzt weit­hin versandt und die Fischer erhalten durch wesentlich höhere Verkaufspreise einen angemes­senen Lohn für ihre bei Kälte und Sturm recht beschwerliche und nicht ungefährliche Arbeit.

Pforzheim6.Dez. Vor einigen Woche» reiste hier ein Blechner und Installateur und Hausbesitzer, Karl August Vogt jr. nach Ame­rika, nachdem er einen an 100000 gehenden betrügerische» Bankrott gemacht hatte. Seine Frau und seine 2 Kinder samt dem Dienstmädchen hatte er eine Woche vorher vor­aus übers Wasser geschickt. Aber es sollte ihm nichts nützen. Al« er landen wollte, wurde er festgenommen. Seine Familie war vorher schon angehalten worden. Vogt wird ausgeliefert, seine Familie zurückgeschickt. Er hatte ziemlich viel Geld bei sich.

Pforzheim 6. Dez. (Zur Arbeiter­bewegung.) Auf der Tagesordnung der nächsten Gewerbegerichtssitzung stehen schon wieder

24 EntschädigungSklagen, die von hiesigen Gold- warenfabrikanten wegen Vertragsbruch» gegen ihre Arbeiter erhoben worden sind, die die Arbeit ohne Kündigung verlassen haben. Wie e» heißt, bezahlt der Metallarbeiterverband den verurteilten Arbeitern die Entschädigung, zu der sie verurteilt werden. E» dürfte sich bereits um 10000 Mark handeln. Bezüglich der Aus­sperrung ist noch alles beim Alten. Ausschrei­tungen sind in keiner Weise vorgekomme».

München. Wie bereits Telegramme meldeten, ist in der Nordsee aus der Gondel eines aus Bayern stammenden Ballons ein Flugteilnehmer herausge stürzt und im Meer ertrunken. Es handelt sich um den Ballon Touring Club" des gleichnamigen Münchener Vereins, der am Samstag nachm, gegen 6 Uhr in Gersthofen bei Augsburg mit 3 Insassen aufgestiegen ist mit der Absicht in der Schweiz zu landen. Dieser Plan hat freilich eine gründ­liche Aenderung erfahren; denn um 3 Uhr früh befand sich der Ballon über der Nordsee und wurde infolge des starke» Nebels auf da» Wasser herabgedrückt. In dem Ballon befanden sich Direktor Distler, Hauptmann a. D. Jördens und Kaufmann Ernst Meßner. Letzterer hatte, wie es scheint, die Führung. Er wurde von einer Welle aus der Gondel heraukgespült. Der Ballon wurde schließlich über die ganze Nordsee hinweg bis zu den Orkny-Jnseln nördlich von Schottland vertriebe«, wo er in Kirkwall am Sonntag nacht um 10 Uhr landete. Die Ent­fernung von Augsburg bis nach Kirkwall beträgt in der Luftlinie etwa 1500 Kilometer.

Dresden 5. Dez. Der Aviatiker Her­mann Rsichelt, der erst vor 4 Wochen mit seiner Flugmaschine abgestürzt ist, hatte gestern abermals einen Unfall. Nach einem erfolgreichen Flug brach bei der Landung ein Rad de» Apparates. Die Flugmaschine kam trotzdem wieder hoch, kippte aber zur Seite um und Reichelt stürzte aus beträchtlicher Höhe herab. Er hat schwere Verletzungen davongetragen.

Berlin 6. Dez. (Reichstag) Am Bundesratstisch Staatssekretär Delbrück. Haus und Tribünen sind schwach besetzt. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1.30 Uhr. Die zweite Beratung des Arbeitskammer- gesctzes wird bei § 2 fortgesetzt, der besagt, daß die Kammern gemeinsam gewerbliche und wirtschaftliche Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, der in ihnen vertretenen Gewerbezweige sowie die auf dem gleichen Gebiet liegenden besonderen Interessen der beteiligten Arbeitnehmer unter gleichmäßiger Berücksichtigung der Arbeitgeberinteressen wahrzu­nehmen haben. Abg. Bömelburg (Soz) bean­tragt, die Worteunter gleichmäß'ger Berücksichti­gung der Arbettgebcrinteressen" zu streichen. Manz (fortschr. Vp) und Dr. Fleischer (Ztr.) bitten um Ablehnung dieses Antrages. Severing (Soz.): Eine einseitige Interessenvertretung ist in diesem Falle nötig, sonst ist der ganze Zweck des Gesetzes

verfehlt. Nach kurzer Debatte wird der sozial­demokratische Antrag abgelehnt und die KommissionS- faffnng angenommen. Zn 8 5Angelegenheiten einzelner Betriebe fallen nicht unter die Tätigkeit der Kammer" liegt ein sozialdemokratischer Antrag vor, diese Bestimmung zu streichen, sowie ein zweiter Antrag derselben Partei, die Abstimmung über diesen Paragraphen auszusetzen, bis sich die Regierung über ihre Stellungnahme geäußert hat. Vizepräsident Dr. Spahn: Es steht im Ermessen der Regierung, ob sie antworten will oder nicht. Ministerialdirektor Caspar: Die Sache ist in der Kommission eingehend besprochen worden. Der­artige Fälle müssen im einzelnen behandelt werden. Z 5 wird schließlich nach der Kommissionsfassung angenommen, 8 6 bespricht die Tätigkeit der Arbeitskammern als Einigungsamt. Auch dieser Paragraph wird in der Kommisstonsfasiung erledigt. Z 7 definiert den Begriffgewerbliche Arbeiter" im Sinne dieses Gesetzes. Die Komm ssion beantragt, auch die Arbeitnehmer und Arbeitgeber der Fabriken und Werkstätten in die Arbeitskammer einzubeziehen. Ein sozialdemokratischer Antrag will den Kreis der Gruppen der von dem Gesetz umfaßten Personen erweitern, während ein freisinniger Antrag bestimmte Gruppen vom Gesetz auSschlietzen will. Ein Zentrums­antrag will als Arbeitnehmer die gewerblichen Ar­beiter einschließlich derjenigen Personen gelten lass n, die nicht bloß vorübergehend und gelegentlich für andere Gewerbetreibende außerhalb der Arbeitsstätte der letzteren mit der Anfertigung gewerblicher Er­zeugnisse beschäftigt sind und zwar auch dann, wenn sie die Roh- und Hilfsstoffe selbst beschaffen. Abg. Irl (Ztr.) befürwortet seinen Antrag. Potthoff (fortschr. Vp.) befürwortet den freisinnigen Antrag. Ein Bedürfnis für den Ausschluß der gewerblichen Arbeiter in den Apotheken und Handelsbetrieben können wir nicht anerkennen. Wird dieser Ausschluß beschlossen, so muß die in der Resolution geforderte Schaffung von Kaufmannskammern vollzogen wer­den. Staatssekretär Delbrück: 8 6 der Ge­werbeordnung sagt, daß von ihm die Arbeiter in den gewerblichen Betrieben der Eisenbahnunter­nehmungen ausgeschlossen sind. Nun war strittig, ob die Bestimmungen des 8 6 Platz greifen auf die Werkstätten der Eisenbahnen, auch wenn sie nicht staatliche, sondern kommunale und private Betriebe darstellen. Diese Frage ist dahin entschieden, daß die Arbeiter unentbehrlicher Bestandteil des gesamten Betriebes der Eisenbahnunternehmungen von den Be­stimmungen des 8 6 mitergriffen werden. Wenn die ver­bündeten Regierungen der Ausdehnung der Vorlage auf die Werkmeister und Techniker zustimmen können, würden sie nicht in der Lage sein, der weitgehenden Ausdehnung ihre Zustimmung zu geben, die die freisinnigen Anträge in sich schließt. Abg. v. Bolko (kons): Die Fassung der Regierung ist das äußerste, was wir annehmen können. Wir werden gegebenen­falls 8 7 ablehnen. Abg. Schwabach (natl): Die staatsfreundlichen Eisenbahnarbeiterorganisationeu erkennen die Notwendigkeit an, daß ihren Mitglie­dern die Koalitionsfreiheit zu verweigern ist. Das gleiche trifft zu für Post-, Heeres- und Marine­betriebe. Für Arbeiterausschüsse muß verlangt werden, daß ihren Mitgliedern eine gesicherte Po­sition gewährt wird, und daß sie vor Maßregelungen geschützt find. Abg. Hoch (Soz.): Wollen wir

in jeder Hinsicht urteilsfähig, und nur mit Bezug auf den Gegenstand seiner Zwangsvorstellung, seiner fixen Idee, mangelt ihm jede Selbst­kritik. Da» Gericht wird voraussichtlich Sachverständige vernehmen, welche den Geisteszustand de» unglücklichen Doktors eingehend untersuchen."

Wera seufzte schmerzlich. Wie auch die Streitfrage sich entschied, einer von beiden war ihr verloren: Der Bruder oder der Geliebte! Nicht einmal Wünsche durfte sie hegen in Bezug auf den Prozeß hatte sich je ein Mensch in einer entsetzlicheren Lage befunden wie sie? Mußte sie ihrem Bruder nicht trauen? Klang nicht seine Erklärung ebenso wahrscheinlich wie diejenige Reiuharts? Nein, es wäre ein Verbrechen gewesen, ihn anzuklagen selbst in Gedanken! So blieb ihr nichts übrig, als zu schweige» und zu leiden! Niemand erfuhr, was ihr Herz bedrückte, nicht einmal die Matter, die natürlich ganz auf ihres geliebten Sohnes Seite stand und auch den leisesten Zweifel als eine tödliche Beleidigung empfunden hätte! Die Arme litt ja auch und auch Leopold litt, und der stolze, ehrgeizige Vater, obwohl er sich vor niemand eine Blöße gab. Wer ihn aber gesehen hätte, wie er nach dem Weggange des Kommerzien­rat» in seinem Studierzimmer auf und ab schritt, heftig gestikulierend, was sonst gar nicht seine Gewohnheit war, mit schwer arbeitender Brust, zusammengebiffenen Lippen o, der stolze Mann fühlte sich gewaltig bedrückt durch die Gewitterwolke, die sich finster und drohend über den bisher wolkenlosen Himmel seine« Glückes zasammenzuziehen schien!

Wa» hatte er nicht alle» geopfert, um sich zu seiner gegenwärtigen hochangesehenen Stellung emporzuringen! Einen Streber nannten ihn deshalb die Menschen, und in der Tat wie oft hatte er sein besseres Selbst, seine weicheren Gefühle dahin gegeben, um dem Lorbeerkranze seiner Ehre ein neue» Blatt einzufügen! Vorwärts und aufwärts! lautete seine Losung. Leopold» Triumph bedeutete für ihn eine neue Stufe zu seinem Ziele. Beide sonnten sich einer im Ruhme de» andern,

und ihre Strahlen dienten dazu, einander gegenseitig zu verkläre«. Der Katastrophe im Verein für Erdkunde maß er, nachdem der erste Schreck vorüber war, wenig Bedeutung bei, da damals an der geistigen Unzurechnungsfähigkeit Hohl» kein Zweifel bestand. Er war der festen Ueberzeugung, dieser würde, falls er überhaupt wieder genas, au» dem Jrrenhause die fixe Idee nicht wieder zurückbringen. Nun auf einmal schlug die Anklage Reinharts wie ein Blitz au» heiterem Himmel in seine sorgenlose Stimmung!

Wieder und wieder «ahm er das Blatt und studierte e- aufmerk­sam Satz für Satz da war nicht eine Spur von Zerfahrenheit und Abschweifung, jedes Wort überlegt, jede Periode durchgeführt. Niemals hätte er diesen in so prägnanter und sorgfältiger Fassung vor ihm liegenden Artikel für de« Produkt eine» Irrsinnigen gehalten!

Und doch konnte es denn ander» sein?

Sein Sohn. Mit leidenschaftlicher Mächtigkeit schüttelte er den Kopf. Einer derartigen Infamie, einer verbrecherischen Fälschung war er nicht fähig! Einen Augenblick drängte es ihn, Leopold unverzüglich rufen zu lasten, und ihm sein Ehrenwort oder einen Eid abzufordern schon griff die Hand nach der Klingel da durchzuckte ihn ein selt­same» Etwa» und er zog sie hastig wieder zurück. Wenn er nun doch Er suchte sich einzureden, daß er seine eigene und seine» Sohne» Ehre beflecke« würde, wenn er durch eine Art Verhör auch nur eine Spur von Mißtrauen ausdrückte und doch hatte im innersten Grunde noch eine andere Erwägung ihren Anteil an seinem negativen Entschlüsse, ob­gleich er sich dieselbe nicht eingestand. Er war doch nicht ganz frei von jeder Befürchtung er wollte lieber nichts hören, als etwa» unlieb­sames! So blieb er wenigstens in gutem Glauben und niemand konnte auf ihn einen Stein werfen!

(Fortsetzung folgt.)