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Amts- «nd Anzeigedlatt für dm Odrrauitsbyirk Calw
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Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Mittwoch» den 7. Dezember 1910.
Bezugspr.i.d. Stadt Vzjährl. m. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugspr, f.d.Orts-u.Nachbarortsverk. V^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ.30Pfg., in Bayern u. Reich 42Pfg.
AwUiatzr V«ka«»rt«ra«tzr»«-««.
K. Oberamt Calw.
Die Gemeindebehörde« werden im Anschluß an die Bekanntmachung im Calwer Wochenblatt Nr. 264 benachrichtigt, daß im Jahre 1910 eine Amtsversammlung nicht mehr stattfinden wird.
Den 6. Dezember 1910.
Reg.-Rat Binder.
Kkkauntnlchllng betr. ditMaudembeitsMe in Calw.
Die am 1. Oklober vor. Js. hier ins Leben getretene Wanderarbeitsstätte hat sich insofern gut bewährt, als die einzelnen Bezirksgemeinden von Bettlern und Landstreichern kaum mehr belästigt werden. Wenn aber diese günstige Wirkung der Wanderarbeitsstätten andauern soll, ist es unbedingt notwendig, daß die Bczirksangehörigen das schädliche und planlose Almosengeben an einzelne Wanderer auch künftig unterlassen und statt solcher Gaben ihren Wohltätigkeitsfinn durch finanzielle Unterstützung der Wanderarbeitsstätte betätigen. In dieser Erwägung hat denn auch der Bezirksrat Calw am 15. vor. Mts. beschlossen, die Gemeindebehörden um Veranstaltung von Sammlungen zu Gunsten der hiesigen Wanderarbeitsstätte anzugehen.
Die Gemeindebehörden werden daher mit Bezug auf die vorjährige Bekanntmachung vom 29. Nov. 1909 (Calwer Wochenblatt Nr. 280) ersucht, alsbald eine Sammlung zu genanntem Zweck in die Wege zu leiten, die ersammelten Beträge an die Oberamtspflege hier abzuliefern und dem Oberamt bis spätestens 28. ds. M!s, vom Ertrag der Sammlung Kenntnis zu geben.
Calw, den 6. Dez. 1910.
K. Oberamt:
Binder.
Tages«e«igketten.
):( Stammheim. Die Volkszählung hat nach der vorläufigen Zusammenstellung 1594 in der Gesamtgemeinde anwesende Personen ergeben. Gegenüber der letzten Volkszählung im Jahre 1905 bedeutet diese» Ergebnis eine Zunahme von 68 Personen.
Stuttgart 6. Dez. (Strafkammer.) Die Bluttat in Aidlingen am Abend de» 34. Oktober» fand heute au Gerichtsstelle ihre Sühne. An jenem Abend führte der 17 '/r Jahre alte Müller Robert Gampp er in der Sommer- wirtschaft händelssüchtige Redensarten. Er öffnete da» Messer und stieß Drohungen au». Um Unheil zu verhüten, wollten ihn der 23jährige Küfer Wilhelm Stürmer und ein anderer Bursche zur Wirtschaft hinausschieben. Unter der Türe stieß Gawpper mit einem 12 ein langen, im Griff feststellbaren Messer mit großer Wucht nach Stürmer und brachte ihm eine Schnittwunde in die linke Halrseite bei, die den sofortigen Tod zur Folge hatte. Die Anklage lautete gegen Gampper auf Totschlag. Die Strafkammer nahm jedoch an, daß der Angeklagte nicht die Absicht gehabt habe, den Stürmer zu töten, sondern, daß er nur ihn habe verletze« wollen und verurteilte ihn wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod. Das Gericht hielt eine erhebliche Strafe für angezeigt und erkannte gegen ihn auf 2 Jahre 6 Monate Gefängnis, wovon 1 Monat Unter- suchungrsaft abgeht. Bei der Verhandlung zeigte der Angeklagte tiefe Reue über die Tat.
Flözlingen OA. Rottweil 6. Dez. In der hiesigen Filiale der Kettenfabrik von Lutz und Weiß in Pforzheim geriet beim Benzin- abfüllen au« Unvorsichtigkeit da» Benzin in Brand und die ledige 20jährige Arbeiterin
Emma Storz, die beim Abfüllen behilflich war, stand sofort in Hellen Flammen. Brennend am ganzen Kö:per sprang sie auf die Straße und nur mit Mühe konnte da» Feuer auf ihrem Leibe gelöscht werde». Sie ist am ganzen Körper so verbrannt, daß sie wohl kaum mit dem Leben davon kommen wird. Ihr Mitarbeiter, der 25 Jahre alte Robert Geiger, der ebenfalls schwere Brandwunde« erlitten hat, mußte in das Krankenhau» Rottweil verbracht werde«.
Ebingen 6. Dez. (Ein gefährlicher Mensch.) Ein 17jähriger Bursche namens Müller au» Oberdigikheim wurde verhaftet, der in der Württembergs-Hohenzollerischen Trikotwarenfabrik (früher Gebr. Ott) zweimal abends in einem Arbeitslokal Gashahne« geöffnet hat, in der bösen Absicht, dadurch eine Explosion herbeizuführe«. Der Bursche ist geständig.
Ebingen 6. Dez. (Aviatik.) Schon au» weiter Ferne sieht man auf dem „Oeschle" in Obergla»hütte eine mächtige Halle auftauchen, deren Zweck nicht jeder bei dem ersten AnMck erkennt. 13 Riesenfenster werfen das nötige Licht in diese große Halle, die als Horst für den große» Verkehrsvogel bestimmt ist, und die ihren Konstrukteuren, Wilh. Bauer jr. Ebingen und Zimmermeister Knecht, alle Ehre macht. 5 hohe und breite Tore verschließen da» Flugloch, hinter dem bi» zum Frühjahr dieser Aar ausgebrütet werden wird. Es ist ein gieriger Raubvogel, der 2—4 Personen in schnellstem Fluge davontragen wird. Seine Schwingen, die 17,5 Mir. Spannweite habe» sollen, befähigen ihn aber auch dazu, wenn seine Muskelkraft (Motor) versagt, in ruhigem, sicheren Fluge noch weitere Gebiete zu durcheilen und saust zur Erde zu gleiten, eine Eigenschaft, die keinem
Am dm Lorkeer der Wissenschaft.
29) Roman von Friedrich Thieme.
(Fortsetzung.)
„Herr Kommerzienrat, Sie kenne« meine Ansichten über diese» Punkt. Ich würde keinen Augenblick Anstand nehme», mein Leben meiner Ehre zu opfern, aber wie unser Fall liegt, würde weder Reinhart» noch mein Tod eine befriedigende Lösung herbeiführen."
Kommerzienrat von Mori» erhob sich hierauf, um seinen Damen beschwichtigende Nachrichten zu übermitteln. Der Abschied gestaltete sich herzlich wie immer. Leopold atmete freier auf — nicht« hatte er so sehr gefürchtet, al» das Rekontre mit seinem Vater und Schwiegervater. Mit leichterem Herzen kehrte er in sein Zimmer zurück. Dort fand er, seiner wartend, Wera.
„Du bei mir, Wera?" äußerte er nicht ohne verdrießliche Verwunderung. „Willst du etwas von mir?"
„Nur eine Frage an dich richten, Leopold!"
Ihre Antwort trug den Stempel ernster Sanftmut.
„An mich? Bitte!"
Dar Bitte kam einigermaßen brüsk, wenigsten» trotzig heraus, der junge Mann ahnte, wa» für eine Frage die Schwester an ihn zu stellen beabsichtige.
„Doktor Hohl erhebt eine schwere Beschuldigung gegen dich," sagte Wera mit schärferer Betonung, als sie sonst ihren Worten zuzulegen pflegte. „Was gedenkst du dagegen zu tun?"
,,Wa« ich tun werde? Mir bleibt nichts übrig, al» die Beleidigung»- resp. Verleumdungtklage gegen ihn anzustrengen," entgegvete Leopold mit erbittertem Auflachen.
Die junge Dame nickte traurig, trat dicht an den Bruder, der halb von ihr abgewendet am Fenster stand, den linken Ellenbogen auf das Fensterbrett gestützt, heran, ergriff seine Hand und schaute ihm ernst und liebevoll in die Augen.
„Und weißt du auch gewiß, Leopold, daß du im Rechte bist?" kam e» schüchtern, ja fast zitternd, furchtsam von ihre» Lippen.
Leopold fuhr auf wie ein Tiger, dem der Jäger einen Speerstreich versetzt hat.
„Ob ich im Rechte bin? Wera, wenn jemand ander» al« du oder überhaupt ein Weib diese Bemerkung an mich richtete, wahrhaftiger Gott" — drohend erhob er die geballte Faust. „Wie kannst du mich so tief verletzen, Schwester? Doch ich weiß schon," vollendete er mit bitterem Hohn, „du hältst zu Hohl — du möchtest lieber deinen Bruder unterdrückt sehe», al» die Niederlage de» Unrechts erblicken?"
„Leopold!"
Ein Flammenblitz schoß au» den schwarzen Sternen nach ihm hin.
„Wie könntest du mich sonst in dieser Weise beleidigen?"
„Ich beleidige dich nicht, ich weiß nur nicht, was ich denke» soll. Doktor Hohl ist ein Ehrenmann, dem keine Lüge zuzutrauen ist."
„Und ich — dein Bruder — bin es wohl nicht?"
„Du ebenfalls, daher meine Unsicherheit — hier liegt ei« mir unerklärliches Geheimnis vor."
„Nicht so unerklärlich, als du meinst, Wera. Der arme Dr. Hohl weiß nicht, wa« er tut."
„Sollte es wirklich so sein? Und doch sprach er so wunderbar klar zu mir und so durchaus einleuchtend —"
„Du kennst das Wesen der Psychosen nicht, liebe» Kind," versetzte Leopold noch immer gereizt. „Ein Geisteskranker braucht durchaus nicht immer total unzurechnungtfähig zu sein. Im Gegenteil, oft erscheint er