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der Hamburg-Amerika-LinieLydia", der sich zur Vornahme von Reparaturen auf dem Weg hierher befand, infolge schlechten Wetter« in tiefem Wasser gefunken und vo llständig verloren.

Calw.

Rathausberichl.

(Sitzung beider Kollegien.)

Ratsdiener Lank hat um seine Zur Ruhe-Setzung auf 31. Dezember 1910 nachgesucht. Lank ist 72 Jahre alt und 37 Jahre, feit 1874 al» Schutzmann, seit 1888 als Amtt- diener im Dienst der Stadt gewesen. Sein Gesuch wird genehmigt; er erhält freie Wohnung, Heizung und Beleuchtung im städtischen RatS- dienergebäude, 60 Mk. jährlichen Sparkaffen­zuschuß und ein Abschiedsgeschenk. Der Vor­sitz ende spricht ihm und seiner Frau den Dank der Kollegien für ihre lange, treu; Dienstleistung aus und wünscht ihnen einen schöne« Ruhestand.

Als neuer Raisdiener wurde einstimmig gewählt: Schutzmann Wilhelm Schüttle. Ge­halt: ««schließ!, der Bezüge aus Gebühren und fremden Vrwaltungen: 1400 Mk. Wohnung und Dienstkleidung: 180 Mk. Die erledigte Schutzmannsstelle ist auszuschreiben.

Der Gehalt de» Maschinenmeister» am Elektrizitätswerk wird auf 1500 Mark neben 300 Mk. garantierter Jnstallation«- provifio«, freier Wohnung, Heizung und Be­leuchtung im Anschlag von 300 Mk. festgesetzt. Von ursprünglich 11 Bewerbern waren 9 Aus­wärtige zmückgetreten. Gewählt wurde: Hein­rich Feldweg, Fabrikschloffer in Calw, mit 10:2 Stimmen.

Gegen den Beschluß de» Kirchevgemeinde- ratS, elektrische« Orgel- und Glockenantrieb und sonstige Verbesserungen der Orgel einzuführe», wird, da eine kirchliche Umlage nicht erhoben und nicht notwendig wird, nicht» erinnert. (Art. 62 de» Ges. v. 22. Juli 1906.)

In den Wahlvorstand zur Bürgerausschuß­wahl werden gewählt: Gemeinderat Fr. Bauer; Bürgerausschußmitglied I. Knecht.

Die Belohnungen de« Schuldiener» Satt­ler (700 Mk.) und der Schuldienerin Kaiser (400 Mk.) wurden entsprechend den Veränderungen in der gewerbl. Fortbildungsschule ne« geregelt.

In nicht öffentlicher Sitzung: Bauplatz für das Realpro-ymnafium.

Vermischtes.

Lächerliche Vornamen. In einer Pariser Zeitung macht Clement Baute! sich über ein Eltervpaar lustig, da» seinem Erstgeborenen die schallenden Vornamen Odysseus, Anakreon und PartheneS gegeben hatte. Er schreibt mit

berechtigtem Spott: Der arme Junge, der sei« ganzes Leben lang den ungeheuerlichen Vornamen Odysseus mit sich Herumschleppen muß! Aber er ist nicht der einzige Leidtragende. Ich kenne einen Abgeordneten der Deputiertenkammer, der mit Vornamen Franklin heißt. Da» mag noch angehe«. Aber er hat zwei Brüder, die auf die stolzen Vorname» Voltaire und Sokrates höre». Und nun denke man sich folgende Familienszene: Franklin weint, weil Voltaire ihm sein Spiel­zeug zerbrochen hat, während der Vater da­zwischen ruft:Sokrates, wenn du noch einmal solchen Lärm machst, gibt e» Prügel." Die drolligste Szene habe ich aber einmal in Mar­seille erlebt. In einer belebten Straße, die Sonne brannte siedend heiß vom Himmel, hatte eine Frau au» dem Volke ihre» Sprößling beim Wickel. Während die Schläge auf eine« gewissen Körperteil, der entblößt war, klatschten, keifte sie immer wieder:Warte, EpaminondaS! Ich werde dir helfen, EpaminondaS!" Ich muß bekennen, seitdem ich das erlebt habe, ist der Sieger von Leuktra und Mantinea bei mir vollständig in Mißkredit geraten. Da» ist überhaupt der Er­folg der historischen Vornamen: man will einen berühmten Mann damit ehren, und in Wahrheit kompromittiert man ihn. Endlich sollte man doch auch daran denken, wie lästig solche Vornamen dem Träger selbst sind. Man muß wirklich mutig sein, um einer Frau zu gestehen, daß man Dio­genes, Spartakus oder Vercingetorix heißt.

(Nochmals die Schafwäsche.) Der Landwirtschaftliche Bezirksverein Göppingen hat sich an den Württ. Tierschutzverein mit der Bitte gewandt, ihn in seinem Kampfe für Abschaffung der tierquälrrischen Schafwäsche zu unterstützen. Er erstrebt ein völlige« gesetzliches Verbot der Schafwäsche. Falls sich dieses Ziel nicht erreichen läßt, wünscht er, daß darauf hingewirkt werde, daß die auf den süddeutschen Märkten gehandelte Rohwolle al« Schweiß- oder Schmutzwolle an Tuchmacher oder Händler abgegeben werde. Den Standpunkt des Tierschutzes hat derTier­freund" bereits in einem Artikel (s. Nr. 4 diese« Jahrgang») klar und nachdrücklich vertreten. Es scheint jedoch, daß, so wie die Verhältnisse jetzt liegen, der gesetzlichen Abschaffung der Schaf­wäsche erhebliche Schwierigkeiten im Wege stehen. Ein Gutachten de» Herrn Grafen von Rechberg und Rotenlöwev, da« umsomehr Beachtung ver­dient, als es aus der Feder eine« erfahrenen Besitzer» großer Schäfereien und eine« warmen Tierfreunds geflossen ist, legt dieselben in über­zeugender Weise dar. Mit ausdrücklicher Er­laubnis de« Herrn Grafen entnehmen wir seinen interessanten Ausführungen dar Nachstehende: Die Vorteile der Abschaffung der Schafwäsche

wäre«, daß die Schäden, welche die Schafe durch die Wäsche mit Wafferschlucken und rohen Miß­handlungen zu erleiden haben, beseitigt würden. Sodann entstünde ein sehr großer Vorteil da­durch, daß die Schäfer viel unabhängiger wären vom Wetter und frei von all dem lästigen Zwang, welchen die Schafwäsche mit sich bringt. Dem­gegenüber glaubt der Verfasser, daß der Verkauf der Schmutzwolle bei uns unausführbar sei. Die Taxation zwischen dem tatsächlichen Gewicht der Schmutzwolle und dem Ergebnis nach der Fabrik­wäsche habe einen viel größeren Spielraum als bei der Rückenwäsche. Deshalb wollen unsere Tuchmacher nichts vom Kaufe der Schmutzwolle wissen. Da« hat Verfasser bei einem im vorigen Jahre mit seiner eigenen Schafwolle gemachten Versuch selbst erfahren; die Schmutzwolle war beinahe unverkäuflich. Ander» sei es in Nord- deutschland, wo die Käufer, Großhändler und Fabrikanten, jetzt mehr als früher Schmutz­oder Schweißwolle kaufen. Auch sei dort die Schäferei in einheitlichem Betriebe, wa« die Lösung der Frage beträchtlich vereinfache. In Süddeutschland, wo die kleinen Schäfer ganz bedeutend vorwiegen, seien die Verhältnisse ver­wickelter. Ein Schäfer überwintere seine Schafe im Stall, der andere im Freien. Infolgedessen sei auch der Gewichtsverlust der Wolle beim Waschen sehr verschieden; *r betrage bei den aus der Winterwride gehaltenen Schafe« etwa 10 bis 15 °/o weniger als bei den im Stall über­winterten. Aus diesem Grunde werde sich der Verkauf von Schweißwolle bei uns zunächst nicht einbürger«. Das einzige, was jetzt getan werden könne und Aussicht auf Erfolg habe, sei eine Aufklärungsarbeit, welche die Fabrikanten und Händler von selbst darauf führe, daß sie sich mit dem Ankauf der Schmutzwolle befreunden, wo­durch dann die beklagte Tierquälerei ganz natur­gemäß und ohne gesetzliche» Zwang verschwinden würde. (Tierfreund.)

Die Tragödie im Hause Tolstoir.

Ein Mitarbeiter derNeuen Freie« Presse" hatte Gelegenheit, mit Frau Wanda LandowSka, die sich alljährlich längere Zeit auf dem Gute des Grafen Tolstoi aufhält, über die Ursachen seiner Flucht und deren Vorgeschichte Rücksprache zu nehmen. Frau LandowSka hatte die Liebens­würdigkeit, darüber folgende» mitzuteile«:

Den Intimen des Hause» war es schon lange bekannt, daß zwischen dem Grafen und seiner Familie gewisse prinzipielle Meinungsver­schiedenheiten bestehen, die zwar den Frieden de» Hauses nicht störten, die innige Liebe zwischen den Ehegatten nicht berührten, aber, wie mau vorautsah, unter Umstände» zu einem tragischen

wurde, sich nach dem Befinde« de» teuren Manne» zu erkundigen. Leider lautete die Auskunft einmal wie da» andere: Der Patient war im ganzen ruhig, er schien mehr schwermütig al» aufgeregt, aber die geistige Ver­wirrung hielt noch immer an, wenn auch eigentliche Wahnvorstellungen nicht vorhanden waren. Traurig kehrte sie dann jedesmal heim, doch nicht, ohne auch den alten würdigen Herrn, der sich für einen Prinzen hielt, zu begrüßen. Huldvoll und herablassend bot ihr dieser jedesmal die Hand, worauf er ihr immer von neuem da» Geheimnis de» Schatze» anvertraute, den er besitze. Gertrud lächelte nur wehmütig bei seinen hochtrabenden Phrasen o, wie unendlich leid tat ihr dieser arme, bedauernswerte Irre! Und doch, sie konnte e» sich nicht verhehlen, war er viel glücklicher in seinem Wahne, al» Tausende unglücklicher Gesunder, die, von ihrer Angst um da» tägliche Brot umhergetrieben, täglich mit Seufzen erwachen und zur Ruhe gehen.

Am wohlsten tat ihr die Freundschaft de» Dr. Fresen, der alle» aufbot, sich ihrem Bruder und seiner Familie gefällig zu zeigen. Er ließ e» sich sogar nicht nehmen, die Angehörigen Doktor Hohl« wiederholt in ihrer Wohnung aufzusuche», um ihnen Nachricht von dem Befinden Reinhart« zu überbringe«, und versäumte keine Gelegenheit, seine hohe Achtung vor Gertrud an den Tag zu legen. Bald war er da» geworden, wa» man einen intime« Freund nennt. Nicht nur standen seine medi­zinische» Kenntnisse der Familie Hohl jederzeit bereitwillig zur Verfügung, er brachte auch einen Teil seiner freien Abende in der einfachen aber traulichen Wohnung zu. Er spielte Dame und Puff mit Fra« Hohl, la» den Damen vor, begleitete dann und wann Gertrud und ihre Mutter in» Konzert oder Theater, kurz, er gefiel sich darin, ihnen den fehlenden Bruder in jeder Hinsicht zu ersetzen, ohne daß er jemals dem Stolz de» jungen Mädchens auch nur im geringsten zu nahe trat. Ohne ein besonder» tiefer Beobachter zu sein, besaß der gute Doktor doch ei« aus­geprägtes Zartgefühl, er verstand Gertrud« edlen Charakter, und gerade au» diesem Verständnis entsprang seine unbegrenzte Verehrung für sie.

Wäre sie ander» gewesen, wer weiß, ob er sie so bezaubernd und liebens­würdig gefunden hätte.

Weihnachten war vorüber, da» neue Jahr hatte begonnen. Nach einer langen Reihe düsterer, trüber Tage ohne Sonnenschein und blauen Himmel brach mit der Sonnenwende der Winter herein und brachte nach reichlichem Schneefall die schmerzlich entbehrte Sonne und Licht und Klarheit zurück. Die Menschen atmeten auf, trotz der die Wandlung begleitenden Kälte, und der nächste Sonntag wurde zu einem Festtag, an welchem die Chausseen und Straßen nach den uächstgelegeneu Landorten sich mit Spaziergängern und Ausflügler« bedeckten. (Forts, folgt.)

Probates Mittel gegen Tierquälerei. Lord Palmerston ritt nach Kenfington und sah einen Gemüsehändler, welcher sein vor dem schweren Wagen ächzende» Pony unbarmherzig prügelte. He Freund, schämt Ihr Euch nicht, da» Tier so zu mißhandeln?" fragte der Lord. Da» Pony muß so gut sein Futter verdienen wie ich," antwortete der Händler.Und übrigen» habe ich da» Pony gekauft und bezahlt und kann mit ihm machen, wa» ich will." Lord Palmerston stieg ab, band sein Pferd an die eisernen Stäbe eine» Gartengitter«, packte de« Händler am Kragen und fing an, au» allen Kräften mit seiner schweren Reitpeitsche auf den Händler loSzudreschen.Ich will dir Logik beibringe«!" rief Palmerston, immerfort zuhauend.Hier ist meine Peitsche; ich habe sie gekauft und bezahlt und kan« mit ihr machen, wa« ich will."

Eine treffende Antwort. Im Briefkasten einer landwirt­schaftlichen Zeitung fragte jüngst ei« Leser an,in welchem Alter man Fohlen am besten coupiere". Da» Blatt gab darauf folgende Antwort: Die beste Zeit zum Verhacken eine» schönen Pferdeschweife« ist bald «ach dem Tode de» Pferde». Dabei gewinnen Sie einen guten Roßhaar- wedel, ersparen dem Pferde bei Lebzeiten viel Plage durch Fliege» und helfen mit zur Beseitigung einer tierquälerischen Modetorheit."