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Kandidaturen aufzustellen, die nationalliberale Partei im 1., S., 4., 5., 12., 13. und 17. Wahl­kreis. Beide Parteien werden keine Gegen- kandidaturev ausstrllen, vielmehr die Kandidaturen der anderen Parteien nachdrücklich unterstützen. Bezüglich de« 14. Wahlkreise« gilt das Ab­kommen unter der Voraussetzung, daß der bis­herige Vertreter eine Kandidatur wieder annimmt.

Zuffenhausen 18. Nov. (Ein inter­essanter Rechtsfall.) Als die Rekruten diesen Herbst sich in ihren Garnisonen eiozufiuden hatte», warf hier ein Rekrut seine Reisetasche zu einer Ladentür hinaus und traf ein Kind derart in» Gesicht, daß ihm sofort ein Auge auslief. Das Kind befindet sich seither in einer Stuttgarter Augenklinik. Da der vermögenslose Schütze zu dem Kostenaufwand und dem späteren Fort­kommen des Kindes nicht herangezogen werden kan», ist Klage gegen de« MilitärfiSkas anhängig gemacht worden.

Heilbron» 18. Nov. (Der vermißte Knabe.) Wegen de» vermißten Volksschülers Thuwm traf gestern auf Anordnung der hiesigen Staatsanwaltschaft der Schutzmann Wißmann aus Stuttgart mit dem bekannten Polizeihund Sherlock" hier ein, um eventuell eine Spur von dem vermißten Knaben aufzufinden. Dies ist jedoch in keiner Weise gelungen. Diese Auf­findung der Spur wäre aber nach Aussage des Führer« schon am Tags nach dem Verschwinden des Knaben nicht mehr möglich gewesen, weil in der Nacht starke Regengüsse niedergegangen waren. Weiter wird bemerkt, daß sofort nach der Anzeige über das Fehlen des Knaben durch die hiesige Schutz- und Feldschutzmannschaft sämt­liche Feld- und Weinberghäuschen, Kiesgrube«, Steinbrüche rc. wiederholt gründlich, aber ohne Erfolg abgesucht worden sind. Endlich wurden gestern durch die Schüler der hiesigen Volks­und Mittelschulen, die sich freiwillig hierzu mel­deten, mit Unterstützung de» Forstschutzpersonal» die hiesigen Waldungen abgesucht, aber auch diese Streife hat zu einem Ergebnis nicht geführt.

Heilbronn 18. Nov. Auf eine Bitte der hiesigen Fleischerinnung wird die Stadt­verwaltung beim Ministerium de« Jnnern bean­trage«, in Heilbronn auch französisches Vieh und zwar 25 Stück Großvieh und 40 Schweine in der Woche emführen zu dürfen.

Heilbronn 18. Nov. (Ehrung.) Der König hat dem Gefreiten der Reserve Trefz für die Rettung eine« Menschen au» Todesgefahr unter Einsetzung des eigenen Lebens die Rettungs­medaille in Silber verliehen.

Bietigheim 18.Nov. (Roheit.) Mal.r Fink war nahe bei seinem Wohnhaus von einem Radfahrer angefahren und umgeworfen worden,

wobei er eine« Schädelbruch erlitt. Ohne sich um den Schwerverletzten zu kümmern, bestieg der Radfahrer wieder sei» Rad. Ein hiesiger Ein­wohner wollte ihn festhalten, ließ ihn aber durch dessen Drohungen mit dem Messer wieder frei.

Brackenheim 18.Nov. (Außer Ver­folgung.) Der frühere Schultheiß Bauer von Ochsenburg ist durch Beschluß der Straf­kammer des K. Landgericht» Heilbronn vom 8. November 1910 außer Verfolgung gesetzt, die Kosten sind auf die Staatskasse übernommen worden.

Neckargartach 18.Nov. Seit etwa 10 Tagen wird die Ehefrau de» Photographen Gemmring vermißt. Ob die Frau sich mit Absicht entfernt hat oder ob ei» Unglücksfall vorliegt, konnte bis jetzt noch nicht ermittelt werden.

Göppingen 17. Nov. Der Stuttgarter Polizeihund Sherlock war auch gestern wieder in der Angelegenheit de» Nass ach er Raub- a «falle» tätig. Er erhielt noch einmal an dem Wagen, auf welchem der Bauer Kn au pp niedergeschlagen wurde, Witterung. Sofort schlug der Hund wieder die Richtung von Nassach auf Nassachmühle zu ein; er nahm seinen Weg wieder übrr die Wiesen und drang mit einem derartigen Ungestüm vor, daß e» seiner Be­gleitung schwer wurde, ihm zu folgen. Im Weiler Nassachmühle ging da» kluge Tier sofort wieder auf da» Haus zu, in welchem der ver­haftete Taglöhner Leutz seine Wohnung hat. Er schlug wieder heftig an und forderte Einlaß. Im Hause befand sich Leutz, der von zwei Land­jägern von Göppingen nach Nassachmühle ver­bracht worden war, um in seiner Wohnung mit dem Polizeihunde Sherlock zusammengebracht zu werden. Dieser Moment war von außerordent­lichem Interesse. Sherlock hatte kaum da» Haus betreten, als er auch schon wütend und laut bellend auf Leutz zusprang, den er durchaus packen wollte. Nur mit Mühe konnte der Hund zurückgehalten werden. Der des Raube» ver­dächtige wurde in diesem Augenblick ganz bleich, doch bestritt er sofort wieder jede Schuld. Die Verdachtsmomente sind aber so belastend, daß an seiner Schuld kaum mehr gezweifelt werden kann. Heute vormittag fand im Hause de» Er­schlagenen die Gegenüberstellung de» Verhafteten mit der Leiche und die Obduktion derselben statt.

Tübingen 18. Nov. (Unglück) In einem Kaffee in der Ammergasse ist da» 3jährige Söhnchen in einen Kübel heißen Wasser» gestürzt. E» wurde derart verbrüht, daß e» nach einer qualvollen Nacht starb.

Klosterreichenbach OA. Freudenstadt 18. Nov. (Stauweiher.) I« den letzten Tagen waren Oberbaurat Gugenhahn, Profcffor

Sauer und Landesgeologe Regelmann au» Stutt­gart, sowie Professor W. Decke au» Freiburg und Baurat Hauger au» Karlsruhe zu eingehen­den Beratungen am hiesigen Ort. An einem Tag wurde eine gemeinsame Fahrt murgtal- abwärt» über Schönmünzach ins badische Gebiet, am andern Tag eine Fahrt murgtalaufwärt» nach Mitteltal und Friedrichstal ausgeführt. Soviel, «ach demGreuzer" verlautet, wird mit Anlage der Stauweiher behufs Ausnützung der Murg- wasserkräfte auf badischer Seite in tunlicher Bälde begonnen. Ob und wann Württemberg sich anschlirßt, ist noch ungewiß, voraussichtlich wird noch lange Zeit vergehen und viel Wasser das Tal hinabflicßen, bi» auch auf württemb. Seite mit der Verwertung der Murgwasserkräfte Ernst gemacht wird.

Ebersbach a. F. 18. Nov. (Rauferei.) In einem hiesigen Gasthaus warfen zwei ledige Burschen den verheirateten Bauern Goitlieb Staig über den Tisch, wobei ei« Weinglas zer­brach und die Scherben ihn am Hinterkopf ver­letzten. Unglücklicherweise fiel der Verletzte auch in seiner Wohnung die Treppe hinab und blieb bewußtlos liegen. Er starb heute vormittag. Die beider« Täter wurden verhaftet.

Pforzheim 18. Nov. (Arbeiter­bewegung.) Gestern abend fand hier eine große Arbeiterversammlung der christlichen Gewerkschaften und de» katholischen Arbeiterverein» statt, um sich mit dem Gold- arbeiterstreik und der Aussperrung zu befassen. E« wurde eine Resolution gefaßt, dahingehend, den Oberbürgermeister der Stadt um Vermittlung zwischen den beiden streitenden Parteien anzu­gehen. Bei dem Streik bezw. der Aussperrung kommen rund 10000 Arbeiter in Frage.

LübeS 18. Nov. Heute nachmittag drang ein 20jähriger Bursche namens Hartmann in die Wohnung eines in der Jürgenvorstadt wohnen­den, 73 Jahre alten Fräulein» Jensen ein, über­reichte einen Erpresserbrief und gab, als die Dame seine Forderung ablehnte, einen Schuß auf sie ab, durch den sie auf der Stelle getötet wurde. Der Mörder wurde verhaftet.

Astapowo18. Nov. Der KravkheitSbericht von heute mittag besagt u. a., daß Tolstoi während der Nacht häufig in Bewußtlosigkeit verfallen sei und daß der Pul« häufig aussetzte. Die lokalen Erscheinungen an der Lunge seien unverändert. ES trat Sodbrennen und heftige» quälendes Schlucken auf. Der Kranke zeigte große Schwäche und einige Apathie. Er habe Kampferinjektionen erhalten.

London 18. Nov. Nach einer Lloyd- meftung aus Honkong ist der Frachtdampfer

morgen» am erste« in die Auge» falle», und rielleicht doch mit der Zeit einen Eindruck auf ihn hervorbrivgen."

Doktor Fresen ließ es sich nicht nehmen, der schönen Besucherin bi» an da« äußere Tor der Anstalt da» Geleit zu geben, wo er ihr noch einmal versicherte, er werde für Reinhart wie für seine« eigenen Bruder sorgen.Sie mögen sich davon überzeugen, so oft Ihre Zeit es gestattet," fügte er freundlich hinzu.Sie werden immer hier willkommen sein."

Die junge Dame schlug langsam und traurig den Weg nach der Stadt ein, doch hatte sie erst wenige Schritte zurückgelegt, als sie den Doktor laut ihre» Namen rufen hörte.

Sie wandte sich nochmals um er war im Begriff ihr «ach- zugehe» und voll Spannung, wa» er ihr noch Mitteilen werde, blieb sie stehen, ihn zu erwarten.

Beinahe hätte ich vergessen, Ihnen etwa« äußerst Wichtige« zu erzählen," erklärte er entschuldigend.Wissen Sie, wer heute da war?"

Wer denn?"

Herr Doktor Leopold Sekal."

Ah und wa» wollte er?"

Der Doktor blickte Gertrud fast ängstlich an, er hatte es bisher vermieden, de» Namen gegen sie zu erwähnen. Von ihrer Mutter hatte er erfahren, welch schwere Enttäuschung die arme Gertrud durch Dr. Sekal erlitten hatte, er glaubte, ihr Herz habe sich von dem harten Schlage noch nicht erholt und fürchtete, die Erinnerung an den Treu­losen möchte sie kränken. Zu seinem Erstaunen veränderte sich kein Zug in ihrem regelmäßigen Antlitz, nur erstaunt schien sie ihm oder befremdet.

Den Doktor Hohl besuchen er schien sehr besorgt um ihn," entgrgnete ee beruhigter.Er erkundigte sich, ob eine Aussicht auf seine Wiederherstellung sei, und erbot sich, fall« es etwa an den nötigen Mitteln fehle, helfend einzugreife»."

Sie habe« doch seine Unterstützung abgewiesen?"

»Ich sagte ihm, daß ich ohne Einwilligung der Familie seine Güte nicht in Anspruch nehme« dürfe.

Sie haben recht gehandelt, Herr Doktor. Niemal« werde ich von ihm etwas annehmen aus Gründen, die ich Ihnen nicht Mitteilen kann. Er hat auch uns zur Annahme von Geld zu bewegen gesucht, natürlich ohne Erfolg."

Ich verstehe Ihre Zurückhaltung und schätze Sie um so höher derhalb, verehrtes Fräulein."

Er zog sehr respektvoll den Hut, all sie sich entfernte, und blickte ihr »och nach, bis ein Seitenweg, den sie einschlug, ihm den Anblick ihrer anmutigen Gestalt entzog.

6 .

Doktor Fresen hatte recht. Das tragische Schicksal de» Dr. Hohl hatte allenthalben die innigste Teilnahme hervorgerufen. Privatpersonen sowohl als Vereine erklärten sich zur Unterstützung der Familie bereit, aber stolz wie» Gertrud jedes derartige Anerbieten zurück. Sie hatte sich in besseren Tagen eine kleine Summe für ihre Ausstattung erspart, nun bedurfte sie derselben nicht mehr, wie hätte sie den Betrag besser anzuwenden vermocht als zur Verpflegung ihre» geliebte« Bruder»? Gena» er, so würde er sicher sofort Mittel und Wege finden, für die Seine» zu sorgen, er war ja seit langer Zeit der Stolz und die Hoffnung der Familie. Und genas er nicht Gertrud zitterte, es zu denken aber wenn der entsetzliche Fall eintreten sollte, so mußten überhaupt ganz andere Mittel und Wege gefunden werden, die Existenz der Familie und da» Studium des jüngeren Bruder» zu sichern. Sie selbst würde dann wohl eine ihren Kenntnissen entsprechende Stellung annehmen müssen, und der Bruder durch Unterrichtgeben die Vollendung seines Studiums zu erringe« versuche«.

Vorläufig kam alles darauf au, ob Reinhart« Genesung zu erwarten war oder nicht. Sobald sie Zeit fand, eilte sie hinaus nach der Anstalt, wo sie jederzeit von Fresen auf da» liebenswürdigste willkommen geheißen