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nationalliöeralen Partei zur Landwirtschaft präzisierte im besonderen Parteisekretär Keinath von Stuttgart im Blick auf die bisher beobachtete Haltung, deren sich die Partei nicht zu schämen brauche. Die Deutsche Partei werde bestrebt sein, der Landwirtschaft jenes Maß von Wohlwollen entgegenzubringen, das auf die Förderung ihrer berechtigten wirtschaftlichen Interessen abzielt und sich in den Rahmen der Gesamtinteresse» des brutschen Volkes einfügen läßt, ohne den übrigen WirtschaftSgrrrppen Nachteil zu bringen. Es gelte ihr der Grundsatz: Stadt und Land Hand in Hand fürs Vaterland! Die Anfrage eines Tübinger Wein- gärtnrrs, wie das Verhältnis der Partei zum Deutschen Bauernbund und zum Bund der Landwirte sich gestalte, löste eine Debatte aus, bei der der Parteisekretär den Deutschen Bauernbund ebensowohl wie den Hansabuud als Mitstreiter im Kampfe gegen die Agrarpolitik begrüßte und bezüglich des Schutzzolles auf landwirtschaftliche und Jndustrieprodukte betonte, daß in jedem Falle Maß zu halten sei, damit der Nutzen aus der einen Seite nicht geringer sei, als der Schaden auf der anderen.
Echterdingen 22. Okt. DieMäuse- plage ist dieser Jahr trotz des nassen Sommers überaus groß. An den Hackfrüchten, Wiesen und Kleeäckern haben die gefährlichen Nage? ganz bedeutenden Schade» angerichtet. Zur Vertilgung der Mäuse hat die hiesige Gemeinde bi» jetzt 3'/- Zentner Strychninweizen bezogen und an die Grundbesitzer um den Selbstkostenpreis abgegeben.
Vaihingen a.E.24.Okl. (Einbruch.) In der Nacht vom Samttag auf Sonntag ist im Bahvhofgebäude in Kleinglattbach zum zweitenmal innerhalb kurzer Zeit ringebrochen worden. Der Dieb drang durch ein Wartesaalfenster ein, sprengte die Türe zu dem Dienstraum auf und entnahm der Kasse zirka 60 Mark. An einer Wand de» Warlesaal« steht von der Hand des unbekannten Täters geschrieben: „Dankend bescheint".
Stuttgart 24. Okt. (Freimarkenheftchen.) Unsere Leser wird die Nachricht interessieren, daß vom 1. November ab bei sämtlichen Schalterstellen in Württemberg Freimarkenheftchen bereitgehalten werden, die 12 Freimarken zu 10 Pfg. sowie 16 Freimarken zu 5 Pfg. enthalten und zum Preise von 2 Mk., dem Nennwert ihres Markeninhalts, an» Publikum abgegeben werden.
Stuttgart 24. Okt. (Volktschullehrer- vereiu und Geholtsregulierung.) Der Gesamtvorstand des Württemb. Volksschullehrervereins hat sich am 22. Oktober wiederholt mit
der von der Regierung geplanten allgemeinen Beamtenaufbefserung befaßt. Dabei kam allseitig zum Ausdruck, daß bei den Lehrern eine große Notlage bestehe. Die Lehrer erwarten, daß bei der neuen Festsetzung ihrer Gehalte dieselben Grundsätze zur Anwendung komme», welche bei der Bemessung der Grhalre anderer öffentlicher Diener maßgebend sind und daß die Lehrer- brsoldungcn gesetzlich auf die Höhe der Gehalte der mittleren Beamten kommen. Eine ausreichende Erhöhung der Lehrergehalte erscheine auch deshalb notwendig, weil das neue Volksschulgesetz den Lehrern vermehrte Arbeit und vielfach den Wegfall der bisher besonder» bezahlten Ueberstunden (Abteilurgsunterricht) gebracht hat und künftig noch in vermehrtem Umfange bringen wird. Ferner wird erwartet, daß die beabsichtigte Erhöhung der Gehalte auf den 1. April 1910 rückwirkend gemacht werde. Al» ebenso notwendig wird eins Ausdehnung der GrhaltSrepclung auf die Hinterbliebenen der Lehrer und die Pensionäre betrachtet.
Stuttgart 24. Okt. (Gegen die Schundliteratur.) Am Samstag nachmittag hatte der Jvgrndschriften - Ausschuß Stuttgart eine Reihe von Vereinen zu einer Besprechung eingeladen, die eine dauernde Arbeitsgemeinschaft gegen die Schundliteratur zum Ziele haben sollte. Der Einladung hatten Folge geleistet der Württ. Goethebund, Verein für Jugendfürsorge, Verein für ländliche Wohlfahrtspflege, VolksbildungS- verein Cannstatt, Dürerbund Reutlingen, Literarischer Verein Göppingen. Nach einer Begrüßung der Erschienenen durch den Vorsitzenden des Jugendschristen-Ausschusses, Gewerbelehrer Baß, referierte Dr. Kapff zunächst über die Art, wie man in Göppingen mit Erfolg der Schundliteratur cuf den Leib gerückt ist. Bei der neu zu gründenden Organisation werden alle Schichten der Bevölkerung urd alle Richtungen politischer und konfessioneller Art vertrete» sein. Das erfreuliche Ergebnis der mehrstündigen Besprechung war die Begründung eine» Gesamtausschusses, der aus Vertretern der der Arbeitsgemeinschaft angehörenden Vereine bestehen soll. (Außer den obengenannten Vereine» werden noch eine Reihe ähnlicher zur Mitarbeit aufgerufen werden.) Die weitere» Geschäfte wurden einem Arbeitsausschuß übertragen, in dem die Herren Baß, Pfarrer Hindere», Dr. Kapff-Göppingen, Chefredakteur E. Keil (Neues Tagblatt) gewählt wurden. Außerdem sollen die Herren Konrad Haußmann, Abg. Heymann, Schulrat Salzmann und Präses Spoh» gebeten werden, ihm anzu- gehören. Die ganze Verhandlung verriet den größten Eifer zu groß und weit angelegter Arbeit, der hoffentlich nicht so bald erlahmen wird. Kein
Städtchen, kein Dorf in Württemberg soll zu finden sei«, in dem e» nicht eine Niederlage von guten Jugend- und Volksschriften gebe — das wurde als nächster Ziel der positiven Arbeit aufgestellt — ein Ziel, auf« innigste zu wüsschen und der Arbeit aller wert, die um das Wohl unseres Volkes besorgt sind. (N. Tgbl.)
Stuttgart 24. Okt. In dem Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für eine Markthalle in Stuttgart erhielt Architekt Elsässer-Stuttgart den 1. Preis mit 5000^ zuerkannt.
Stuttgart 23. Okt. (Obstmarkt.) Der Mostobsthandel befindet sich gegenwärtig in einer eigentümlichen Situation. Die Vorräte im Lande find fast alle in festen Händen. Viel geht auüwärt». Italien und Frankreich bringen sehr wenig herein. Die Schweiz und Oestreich können nicht soviel liefern, als man erwartete. Sehr viel Obst ist als Tafelobst verkauft worden. Die Unwetter haben dos übrige getan, die anfangs gute Ernte zu verringern. Auf reichliche Zufuhren aus dem Lande ist deshalb kaum mehr zu rechnen. Die augenblicklichen Preise mit 6 und darüber für den Zentner stehen für ein gutes Obstjahr unverhältnismäßig hoch. Das Publikum will zu diesen Preisen nicht kaufen und verhält sich abwarterrd. Der Großhandel will bei der lauen Kauflaust seine auf Abruf festgeletzter! Auskaufe nicht anrollm. Man muß daher auf die Entwicklung in den nächsten Tagen gespannt sein. Ein Preisrückgang würde sofort einen lebhaften Handel in Schwung bringen, besonder» angesichts des geringen Ausfalls der Weinernte.
Wangen-Stuttgart 24. Okt. (Weinherbst) Am Samstag wurden hier mehrere Posten per 3 lü zu 200 Mk. von hiesigen Wirten gekauft. Bei den Wirten wird hier der Neue zu 70 Pfg. pro V» Liter ausgeschenkt. Die Kelter wird diesen Herbst hier nicht geöffnet, da die Weingartner nur kleine Qantitäten produzieren, und die meisten die Trauben zu einem HauStrunk verwenden.
Heilbronn 24. Okt. (Schuß auf einen Straßenbahnwagen.) Gestern abend gegen V-8 Uhr wurde auf einen Straßenbahnwagen der Linie Heilbronn—Sontheim in der Näh; der Ströbel'schen Gärtnerei ein scharfer Schuß abgegeben. Das Erschoß durchschlug eine Fensterscheibe de« Straßenbahnwagens, verletzt wurde glücklicherweise niemand. Von dem Täter hat man keine Spur.
Mühlacker 24. Okt. In den Ziegel- werken Gebrüder Vetter ereignete sich ei« schwerer Unfall. Der 21 Jahre alte polnische
Darfst du nicht reden, weil du fürchtest, mich zu belasten, nun so will ich die Wahrheit sagen. Es wird besser für uns alle sein."
Sie machte eine Pause und schaute in Wartners Antlitz. Das sah zwar sehr ernst aus, aber es war keine Spur von Zorn oder Wildheit darin, in unendlicher Güte leuchteten seine Augen. Da fuhr Gerda in festerem Tone fort, als ob ihr das Bewußtsein, recht zu handeln, Stärke verleihe:
„Du weißt, Karl, wie ich mich dir einst an den Hals warf. ES war vielleicht unweiblich, unrecht, aber ich konnte nicht anders, denn du hattest mein Herz gewonnen. Von der Bühne herab hattest du mich erobert, ich lieble dich und war stolz auf dich, als ich die deine geworden war. Aber da» nahm ein Ende, als du Schauspieler der Großherzogs wurdest und aus der Oeffentlichkeit zurücktratest. Ich konnte mich nicht mehr an deiner Kunst begeistern, in deinem Ruhme sonnen, sondern trat mit dir gleichsam aus der Oeffentlichtkeit zurück. Und weil Ehrgeiz und Stolz die Wurzeln meiner Liebe zu dir waren, darum litt ich so schwer, als sie abgeschnitten zu sein schienen. Du bliebst stet« derselbe, immer gut und mild und ruhevoll, zu abgeklärt, zu wunschlos für mich. Für meine heiße Sehnsucht, dich wieder von der lauten Bewunderung einer großen Menge getragen und mich um dich beneidet zu sehe«, für diese heiße Sehnsucht hattest du kein Verständnis. Du dachtest nicht, daß Künstlerfrauen oft ruhmfichtiger sind als ihre Männer. Und ich konnte nicht begreifen, daß dich, den glänzenden, verwöhnten Schauspieler, die stille Tätigkeit für deinen Fürsten so ganz auSzufüllev und alle« Vergangene vergessen lassen könne. Eifersüchtig war ich auf den Großherzog, wütend eifersüchtig. Und dann fing ich an, ihn zu Haffe», weil ich sah, daß sei« Dienst dich so ganz aussüllte und du mich und all' mein Verlangen darüber vergaßest. Ich weiß, du hast mir nie ein böses Wort gesagt, warst stets gütig und liebreich zu mir, aber deine Kunst, die du doch nur im Verborgenen ausübst, war dir mehr als deine Frau. Gern hält' ich'S ertragen, wenn ich nur täglich mich an deiner Künstlerschast hätte auf
richten dürfen, beneidet, umworben von allen deinen Bewunderern. Aber ich durfte es ja nicht, selbst die Generalproben zu den Sondervorstellungen wurden nach kurzer Zeit geheim, und auf auswärtige Gastspiele verzichtest du?weil du dich unwohl fühltest außerhalb deines abgestimmten Ensemble», und ich war deine Frau, die dich liebte, dich anbetete."
Wartner hatte sich langsam ihr gegenüber niedergelassen und bei ihrer Erzählung manchmal gedankenvoll den Kopf geschüttelt. Jetzt ergriff er ihre Hand und streichelte sie sanft. „Arme, kleine Gerda, was mußt du da gelitten haben. Und ich eigensüchtiger Kerl Hab daran nie gedacht. Laß gut sein, Kind, nicht weiter, ich sehe nun klar."
Aber Gerda fuhr fort: „Nein, Karl, ich will diese Stunde nicht unüevützt verstreichen lassen. Du hast mich hierher geführt, weil du die Wahrheit erfahren wolltest; nun mußt du sie auch ganz hören. Wie's um mein Herz stand, weißt du nun. Ich wußte mir keinen Rat mehr, fühlte nur mit jedem Tage stärker den Schmerz, die Enttäuschung dieses Leben« an deiner Seite. Da erzähltest du einst von dem neuengagierte» jungen Kollegen Haffner, lobtest sein Talent, priesest seine liebenswürdige Art und brachtest ihn eines Tages selbst in» Haus. Was du warst, als ich dich zu liebe« begann, da» wurde er in kurzer Zeit: der Liebling de» Publikum», der beifallumtoste Träger des TageSruhmL, den die Bühne gewährt. Er wurde dein Freund und ich lieble ihn. Du hast darüber manchmal gescherzt, ahntest aber nicht, wie tief mir der Pfeil im Herzen saß. Ich Hab' mich bezwungen, Hab' mit mir gekämpft, mich von ihm zurückgezogen, war so verletzend gegen ihn, daß du selbst mir darüber einen Vorhalt machtest, und endlich kam, was kommen mußte. Al» auch er Schauspieler des Großherzogs werden sollte, warnte ich ihn in einem Brief, es war mein erster und letzter. Und als er daun kam und dich um Rat zu fragen schien, da stellte ich mich plötzlich auf deine Seite nur um ihn nicht zu verlieren."
(Fortsetzung folgt.''
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