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^ 249. Fmts- und Aryeigeölatt für den Oderamtsdyirk Calw. 85. Jahrgang.

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Erscheinungsrage: Montag, Tiensrag, Mittwoch, Donnerstag. Freitag und SamStag. Jnserrionspreis 10 Pfg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorle; außer Bezirk 12 Pfg.

Dienstag, den 25. Oktober 1910.

Bezugspr.i. d. Stadt V^ährl.m. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugspr. r.d.Orts-u.Nachbarortsverk. r/.jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30Pfg., in Bayern u. Reich 42Pfg.

Arntlistzs VsksnnLmachuttgs«.

K. OSeramt Calw.

Die Herren Ortsvorsteher wollen für umgehende Vorlage etwa noch nicht liquidierter Empfangsbescheinigungen über Familienunterstütz- unge« der zu Friedensübuugen einberusenen Mannschaften Sorge tragen.

Ten 25. Oktober 1910.

Reg.-Rat Binder.

Tagesuemgkeiten.

* Calw 25. Oft. Gegenwärtig weilt Prälat v. Frohnmeyer im Bezirk Calw be­hufs Vornahme der in gewissen Zeiträume« wiederkehrenden kirchlichen Visitation und der Prüfung des Religionsunterrichtes in den Volks- und Mittelschulen.

* Calw 25. Oft. Die Oktobernummer der Blätter au« dem Schwarzwald ent­hält einige Rsisrbeschreibungen, darunter eine TourIns untere Neckartal" von Heilbronn aus nach Ncckarsteinach und Neckargemünd von Hugo Schäfer und eineSchwarzwaldtour" von Sulz aus nach Gundelwangrn, St. Blasien und auf den Feldberg. Dr. Wurm bringt sehr inter­essante Mitteilungen über dak Vorkommen und Leben des Haselhuhns, das auch im Schwarz­wald noch hie und da angetroffen wird und R. in Schwenningen stellt in einem Nachtrag über Das Veefenrecht der Schwenninger" einige Dokumente zur Veröffentlichung, die zur Kenntnis der damaligen Zeit von großem Werte sind. Die geologische Spezialkarte von Schramberg wird erläutert durch Fr. Haag; Professor Dr. Mehlis gibt Aufschlüffe über Römerstraßen und Klosterwege bei Herrenalb; Anton vom Kocher be­

schreibtdas neue Justizgebäude zu Rottweil"; R. G, in Pforzheim beschreibt die neue Murgtal- bahustrecke und beklagt, daß die einstige idyllische Schönheit und Ruhe de« weltfernen Tales ver­schwunden sei. In einem derNeckarzeitung" entnommenen Bericht finden sich Mitteilungen überdie 1910er Beerenernte im Calwer Wald". Die Summe der gesammelten Heidelbeeren wird auf 6000 Zentner angegeben und ein Geldwert von 4850 000 Mk. hiefür angenommen. Von einzelnen Personen sollen täglich bis zu 1 Ztr., von Kinder» 3050 Pfund zusammevgebracht worden sein. Nachrichten aus den Bezirktvereinen und die BüÄerschau bilden den üblichen Schluß der Zeitschrift.

x. Ostelsheim 24. Oft. Wie rührig die sozialdemokratische Partei an der Arbeit ist, die nächsten Reichstagswahlen vorzu­bereiten, hatten wir gestern Abend zu beobachten Gelegenheit. Im Gasthaus zur Sonne fand unter dem Vorsitz eines hier Unbekannten eine Versammlung statt, in welcher ein gewisser Herr Widemann woher wissen wir nicht einen Vortrag hielt. Auf dessen Ausführungen näher einzugehen, haben wir weder Zeit noch Lust. Natürlich war es der alte Amboß, auf den er lustig loshämmerte, nämlich die Steuerreform der schwarz-blauen Blocks". Wahrhaft rührend an­zuhören war es, wie er sich anläßlich der Be­sprechung der Branntweinsteuer der notleidenden SchnapSbruderschaft annahm. Eine Anfrage aus der Mitte der Versammlung, wie er sich wohl den sozialdemokratischen Zukunfttstaat denke, be­antwortete er mit der Gegenfrage, wie es wohl in etwa 20 Jahren bei Fortbestand der jetzigen politischen Zustände aursehen werde. Im übrigen konnte oder wollte er keine Auskunft geben. Der Beifall, welchen der Vortrag fand, war, von den

zwerchfellerschütternden Bravorufen einiger Halb­wüchsigen abgesehen, mäßig. Wenn's jetzt schon wieder so anfängt, dann kann» hübsch werden!

Aidlingen OA. Böblingen 24. Oft. Bei Streitereies in einer hiesige» Wirtschaft wurde der 24 Jahre alte ledige Küfer Wilh. Stürner von hier von einem 17jährigen Burschen er­stochen. Der Tater ist verhaftet.

Tüb ingen 24. Oft. (Parteiwesen.) Die Nationalliberale Deutsche Partei des 6. ReichstagswahlkreiseS Reut­lingen Tübingen Rottenburg hielt gestern nachmittag imOchsen" in Lustnau eine Wahl­kreisversammlung ab, die insbesondere von den umliegenden Ortschaften zahlreich besucht war und vom Vorsitzenden des Wahlkreises, Professor Dr. Schleich von Tübingen, geleitet wurde. Als Ergebnis der letzten Parteitage von Kassel und von Geislingen a. St. unterstrich er die dort gezeitigte Tatsache, daß die Nationalliberale Partei noch nie so geschloffen dagestanden habe, als gerade jetzt, getreu dem Programm, das von jeher ihrer Politik zu Grunde lag. Namens der Lustnauer Ortsgruppe begrüßte Gememdrrat Ri eg er die Versammlung, der Schultheiß R a t h von Lustnau Bericht erstattete über den Verlauf des diesjährigen Parteitags in Cassel, der sich einmütig zu der Politik des Abgeordneten Bafsrrmann von Mannheim als de» Führer» der ReichttagSfraktion bekannte und eine Vertrauens­kundgebung darstellte, wie sie imposanter nicht gedacht werden konnte. Trotz der Gegensätzlich­keiten in parteitaktischen Fragen habe sich der Gedanke mit Macht Bahn gebrochen, unbedingt die Einheit über alle» zu stellen. Dem deutschen Volke in allen seinen Erwerbsständen gelte die Arbeit der Partei, ihre Sorge und ihre Wünsche, aber auch ihre Hoffnungen. Die Stellung der

Beifall.

Eine Novelle von F. A. Geitzler.

«Fortsetzung.)

Was Hugo peinigte, waren Scham und Reue, weil er nicht den Mut gefunden hatte, mit Wartner offen, Auge in Auge zu sprechen. Seine Pflicht wäre es gewesen, dem Freunde, den er stet» als treu und vertrauensvoll empfunden, seine Schuld zu bekennen. Das wäre offen und ehrlich gewesen und hätte auch gegen Frau Gerda nicht als Ver- rrauensbruch gelten können. Wirklich nicht? Oder hatte sie das Recht, unter allen Umständen Verschwiegenheit zu fordern? Ja, sicherlich, da» hatte sie. Das ist ja die schwerste Last solcher Schuld, daß man sich nicht durch ein einseitiges Geständnis von ihr befreien kann, sonoern sie tragen muß bis zum bittern Ende. Nur gemeinsam mit Gerda durfte er reden; ihr Schweigen mußte auch ihm den Mund schließen.

In solchen Gedanken verbrachte er peinvolle Stunden; als die fest­gesetzte Zeit heravrückte, wagte er e« nicht, aus dem Fenster nach dem Erwarteten aukzuschauen, sondern ging unruhevoll im Zimmer auf und ab.

Es schlug fünf Uhr. Wenige Minuten später klang die Klingel. Er hörte, wie seine Wirtin die Vorsaaltür öffnete und unterschied zwei Stimmen im Korridor; um anscheinend harmlos den Gast zu begrüßen, riß er die Tür seine» Zimmers auf, da stockte ihm fast da» Herz, denn draußen stand Gerda neben ihrem Gatten. Seine eigene Stimme klang ihm fremd, wie aus weiter Ferne herkommend, als er die Besucher «n- trete« ließ. Da fiel ihm erst auf, daß sein Zimmer dunkel war, nur der Schein einer Straßenlaterne wob einen mattes Schimmer um die Gegen­stände. Rasch ließ er die Gatkrone aufleuchten Gerda war bleich und preßte die Lippen zusammen. Wortlos nahm sie auf dem Diwan Platz, Hugo mußte an ihren letzten Besuch in der Dämmerstunde denken. Ge­

dankenlos stotterte er die Phrase hervor:Freut mich sehr, Euch einmal bei mir zu sehen."

Da schaute ihn Wartner mit einem ruhigen, überlegenen Blicke an: Freut's dich wirklich? Das ist nett von dir. Uebrigen« Hab' ich meine Frau nur durch energische« Zureden mit hieher gebracht. Sie wollte durchaus nicht mitgehen, ließ sich aber doch schließlich überreden. Denn ich glaube, ihre Anwesenheit ist heute sehr, sehr wichtig. Meinst du nicht auch?"

Ich verstehe dich nicht, aber bitte, nimm doch Platz."

Danke, ich stehe lieber. Man soll immer stehen, wenn man Ernsthaftes zu reden hat, man bleibt ruhiger dabei. Doch nur keine Komödie mehr. Ich bin nicht blind, sondern sehe seit einiger Zeit, daß zwischen uns dreien ein Geheimnis steht. Du meidest unser Hau», Gerda hat deine Bilder eingeschloffen und geht seit Wochen umher wie ein Schatten, ich bi« nie eifersüchtig gewesen, bin'« heute noch nicht. Zu Frau und Freund muß man Vertrauen haben, selbst wenn böse Gedanken über die Seele ziehen. Aber nun zeigt auch ihr in mir Vertrauen und sagt mir die Wahrheit."

Er unterbrach sich und sah auf Gerda, die da» auf dem Schreibtisch stehende Bild EvaS mit großen Augen avstarrte. Wartner folgte ihren Blicken mit den seinen und sah dann fragend zu Hugo empor.

Meine Braut", sagte dieser.

Wartner ließ ein leises Summen hören.Nun, Hugo, hast du wirklich nicht« zu sagen?"

Der Aageredete verharrte in jenem Schweigen, da» beredter spricht als ein Bekenntnis. Da hob Frau Gerda de« Kopf empor und begann langsam:

ES ist ritterlich von dir, Hugo, daß du schweigst. Aber Karl hat ein Recht, alles zu erfahre», den» er ist gut und stark und treu. Und er soll wissen, wie'« um nv» stand, damit er nicht an Schlimmere» glaubt.