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Bade» abzusetzen. Während früher Württem­berg viel Obst au» Baden bezog, ist in diesem Jahr der umgekehrte Fall eingetreten. Die schlechte Weinernte im badischen Lande hat tie Nachfrage nach Obst außerordentlich gesteigert, so daß auch dort in diesem Jahr mehr Apfel­wein gemacht wird al« sonst. Der Osthandel und Obstverkauf hat in diesem Jahr nur kurze Zeit gedauert.

Stuttgart 17. Okt. In Anwesenheit der Ministerpräsidenten Dr. v. Weizsäcker und des Vorstand» der Generaldireküon der Staatreisenbahnen, Presidenten v. Stieler, wurde am Samrtag die Nebenbahn Böb­lingenWeil im Schönbuch festlich eingeweiht. Dabei hielt Ministerpräsident Dr. v. Weizsäcker eine bedeutsame Rede über das Eisenbahnwesen; er führte, nach dem Staatranzeiger, etwa falzendes aus: Für den Bau von Nebenbahnen und überhaupt für dar Eisenbahnwesen gebe man der Verwaltung oft den Rat, daß siekaufmännisch" verfahren solle. Nun möchte er durchaus nicht der heute ei öff­neten Bahn auch in finanzieller Hinsicht eine schöne Zukunft zum voraus absprcchen, aber so viel werde er sagen dürfen: wenn man bleß kaufmännisch rechnen wollte, hätte er nicht, jeden­falls noch nicht da» Vergnügen, in der Mitte der Feflversammlung zu weilen (Heiterkeil). Im VerkehrSministerium müsse man auch auf andere Werte sehen; die Entwicklung der wirtschaftlichen Wohls einer Gegend erfordere gewisse Opfer und solche Opfer habe man für diese schöne Gegend und ihre blühenden Ortschaften gerne gebracht. Vor nicht langer Zeit habe er sich allerdings fragen müssen, ob nicht mit dem Nebenbahnbau, wie früher auch schon ein­mal, ganz Halt gemacht werden sollte, aber in­zwischen hätten sich die Verhältnisse wieder ge­bessert, da« württembergische Eisrnbahngrschäft gehe zur Zeit leidlich und die Aussichten wären sogar ganz günstig, wenn wir nicht die Ehren­pflicht hätten, die Personalausgaben im Interesse unserer Beamten und Bediensteten zu erhöhen. Das müsse sein, und wir werden da» auch tragen könne». Man dürfe nicht zu ängstlich in die Zukunft sehen, eine Betrachtungs­weise, von der heutzutage überhaupt, auch auf anderen Gebieten des öffentliche» Leben«, viel zu viel Gebrauch gemacht werde. Wir wollen «ns daher auch weiterhin unter Anwendung der gebotene» Vorsicht der Entwicklung des württembergische« Eisenbahnwesen« widmen. Zu solcher fortschreitender Entwicklung haben wir. volle« Recht, wenn wir rückwärts schauen: alle die außerordentlich angewachsenen Kulturaufgaben, wie hätten wir sie erfülle»

können, wenn wir nicht alle Teile de» Lande« soweit möglich an das moderne Verkehrswesen angeschloffen hätten? Freilich hätten wir ge­wünscht, daß dieser Anschluß nach außen, über die Grenzen des Lande» hinaus, noch etwa« fruchtbringender wäre. Die Zollschranken sind in Deutschland schon lange gefallen, aber die Eisenbahnschranken, die eine gerechte Anteilnahme unseres Landes an dem allgemeinen deutschen Personen- und Güterverkehr beeinträch­tigt habe», bestehen zum Teil noch heute, trotz aller unserer Bemühungen. Wir werden in diesen Bemühungen fortfahren (Beifall.) In­zwischen, und wohl noch auf lange hinaus, liegt der Schwerpunkt für unr in urserem blühenden Binnen- und Wechselverkehr, der das Herz jedes Volkswirts erfreuen muß. Insbesondere im Binnenverkehr ruht da« Fundament unserer Eisenbahn finanze», wenn wir auch hoffen, daß uns in jenen Beziehungen nach außen die Sonne einmal noch freundlicher scheint.

Stuttgart 17. Okt. Ein freches Gaunerstück verübte heute nacht gegen 12 Uhr ein anscheinend dem Arbeiterstande angehörender Mann, indem er am Schalter 8 de« Harptbahn- hofr dem dortigen Beamten vom Scholterbrett eine mit 2-Martstücken gefüllte Schale stahl und damit das Weite suchte. Auf die Rufe des Be­amten wurde sofort die Verfolgung ausgenommen und der Dieb, der bei seiner Flucht einen Teil der Gilde« verlor, am Friedrichrplatz gestellt und von mehreren Schutzleuten festgenommen. Wie hoch der gestohlene oder verloren gegangene Betrag ist, konnte noch nicht festgestellt werden.

Stuttgart 17. Dkt. In der Lohn­bewegung der Elektromonteure ist eine für ganz Württemberg geltende Vereinbarung zwischen den Fabrikanten und den Arbeitnehmern erzielt worden, die den Elektromonteuren garz wesent­liche Vorteile bringt. Die hauptsächlichsten Be­standteile der Vereinbarung sind: tägliche Arbeits­zeit 9'/, Stunden. Ueberstunden die erste« zwei 25°/o, jede weitere sowie Sonntagrarbeit 50°/» Zuschlag, 20°/» für regelmäßige Nachtarbeit. EivstellungSlöhne von 6065 ^ für Monteure, die selbständig größere Anlagen autführen, 55 ^ für alle übrigen Monteure, 45 ^ für Hilfs­monteure und 40 -) für Helfer. Montagezulage ohne Uebernachten von 50 ^ bis 1 pro Tag, mit Uebernachten den 4fachen Betrag des jewei­ligen Stundenlohns, jedoch in keinem Falle weniger als 2 ^ täglich. Alle dem Verein der elektrischen Firmen avgehörenden Geschäfte, sowie die dem Verband Metallindustrieller angehörende» Firmen und einige andere größere Werke haben, wie auch die Arbeiter, die Vereinbarung angenommen.

Ludwigsburg 14. Okt. Gestern abend

fand hier auf dem Rathau» die Gründung der Firma Ludwigsburger OberleitungSbahnev, Gesellschaft m. b. H., statt. Den Vorsitz de» au« 7 Personen bestehenden Auffichtsrat» über­nahm O.B.M. Dr. Hartenstein. Gegenstand des Unternehmens ist der Bau und Betrieb gleisloser Bahnen System L'oyd-Köhler für die Strecke Bahnhof Ludwigsburg «ach Oßweil, Neckargröningen, Aldingen mit späterer Abzwei­gung zum Heilbad Hoheneck. Das Stammkapital der Gesellschaft beträgt 280 000 wovon 25 °/» jetzt sofort nach Errichtung der Gesellschaft einzuzahlrn sind. Jeder Einlage von 1000 ^ gehört eine Stimme. Die Oberleitung der Bahn von hier nach Oßweil und die Garage sind so­weit fertiggestellt, daß der Betrieb bi« Oßweil in Bälde ausgenommen werde» kann, sobald einige Differenzen wegen Stromlieferung be­hoben sind. Auch nach Neckargröningen-Aldingen wird die Fortführung dann schnellsten» fclge».

Ochsenburg OA. Brackenheim 17. Okt. Die Ir Hof haltung de» früheren Schultheißen hat nicht lange gedauert. Arf Grund einer Denunziation war sie erfolgt. Da jedoch die Stichhaltigkeit der Anzeige sich als sehr prüfungk- bedürftig erwies, mrßte der Angezeigte bald wieder auf freien Fuß gesetzt werden. Wie ver­lautet, hat die Fälschung des GemeinderatS- proiokoll« darin bestanden, daß Schultheiß Bauer al» Jc gdteilhcber eine» Bürger aus Leonbronn, da« kaum 2 Kilometer von Ochsen bürg entfernt ist, eingetragen hat. Der Gemeinderat hatte beschloffen, keinen Fremden eintragen zu lassen. Der Leonbronner Jägdler hat aber einen grüße» Teil seiner Güter auf Ochsenburger Markung und außerdem so mannigfache Gcschäfttbeziehungen zu Ochsenburg, daß er dort nicht als Fremder gilt.

NereSheim 17. Okt. Vor einer Woche verlor ein Bauer in Eglingen drei Hundert­markscheine ; zwei davon wurden von einem Mann gefunden und dem Verlierer zurückgegebe«. Nach einer Woche wurde diesem auch der ver­mißte dritte Hundertmarkschein in einem Brief zugeschickt, in dem der betreffende anoryme Ab­sender erklärte, deß ihm sein Gewissen keine Ruhe lasse, nachdem der ehrliche Finder der beiden andern Scheine in den falschen Verdacht geraten war, den dritten Schein an sich ge­nommen zu haben.

Pforzheim 15. Okt. Die Spannung unter de« hiesigen Bijouteriearbeitern hält an. Eine große Versammlung von Gold- kettenmachern und verwandten Berufsgenvffen- schaste» beschloß gestern abend, weil die Arbeit-- geber die Lohnerhöhung ablehne», vorerst keine

Stückes wie au» einem anderen Leben zurückkomme und einer gewissen Zeit bedarf, um mich in die Alltäglichkeit zurück;«finden. Dieser Zustand läßt sich nur schwer annähernd richtig schildern, jedenfalls beweist e", daß da» Streben nach Wahrhaftigkeit auch in unserer Kunst nicht ganz ohne Erfolg ist."

Durch Zwischenreden de» Justizrat» nahm da» Gespräch eine andere Richtung, und Hugo erkannte mit Freude, daß Eva und ihr Vater seinem Schützling Hallberg warme Teilnahme entgegenbrachten. Länger, al» e» die gesellschaftliche Etikette für einen ersten Besuch gestattet, verweilte er in anregendem Geplauder, und al» er endlich nach freundlichem Abschied ging, da war er entschlossen, bald wiederzukehren. Ja, es belustigte ihn fast, seine auskeimende Neigung zu diesem Mädchen sich einzugestehen, die in seiner künstlerischen Tätigkeit sicherlich keinen Vorzug erblickte.Wenn sie mich ÜePM Nnnte", dachte er auf dem Heimweg,so müßt' ich ganz sicher, daß -K mich nur um meinetwillen liebte und nicht durch den Zauber der Bühne bestochen wäre."

Den ganzen Tcg dachte er an sie, sprach, wie e« Leute, die oft allein find, zu tu» pflege», ihren Namen wohl hundert Mal vor sich hin und befand sich in einer so heilere», ruhigen, zuversichtlichen Stimmung, al» habe da» lang gesuchte und heimlich geahnte Glück an seine Tür geklopft.

Er hatte die große, von einem dichten, grünen Schirm bedeckte Lampe auf seinem Schreibtisch avgezündet und sich in da» Studium seines Harold" vertieft, al« nach wiederholtem Pochen seine Wirtin den Kopf in da» halbdunkle Zimmer steckte.

Eine Dame fragt nach Ihnen", sagte sie mit dem Tone des Er­staunen»,und will sich durchaus nicht abweisen lasse». Ich Hab' ihr schon gesagt, daß Sie bei der Arbeit sind, aber sie will durchaus nicht gehen, ohne Sie gesprochen zu haben. E» sei sehr wichtig."

Und ehe noch Hugo ein Wort entgegnen konnte, zog sich die gute Frau zurück, und eine verschleierte Dame trat in» Zimmer.Gerda", der Ausruf verriet Urberraschuug, aber wenig Freude.

Sie schlug den Schleier zurück und legte den Mantel ab, so daß sie in dem enganschließenden grauen Kleide vor ihm stand.

Wenn der Berg nicht zu Mohammed kommt, muß Mohammed zum Berge kommen", sagte sie in einem leichten Tone, aus dem doch Unsicher­heit und Erregung klänge».Du machst dich so selten, Freund Hugo, daß ich wohl selbst mal nach dir sehen muß. Aber e» scheint dir gar nicht recht zu sein, machst ja ein Gesicht wie mein alter Lehrer, wenn er eine Strafrede beginnen wollte."

Wozu die Heimlichkeit", fragte er nicht ohne Vo.wurf.Warum nanntest du deinen Namen nicht?"

Weil deine Fra« Wirtin nicht zu wissen braucht, welche Dame in der Dämmerstunde zu dir kommt. Und weil ich wichtige» mit dir zu sprechen habe." Noch klang ihre Rede leicht und scherzend.

Bitte", sagte er ruhig und deutete auf eine» Sessel.

Du bist reichlich kühl für einen Liebhaber", schmollte sie.Oder bist du'« vielleicht nicht mehr, willst e» nicht mehr sein? Du weichst mir au» seit jener seligen, göttlich schönen Stunde, die dich mir in die Arme warf, aber ich lasse dich nicht, ich liebe dich glühend, wahnwitzig, sinnlos, und mich peinigt dein Fernbleiben, Gewißheit will ich haben."

Sie war aufgesprungen und umschlang ihn mit ihren weichen, zitternden Armen. Er machte sich los und erhob sich.

Bedenke doch, Gerda", sprach er leise und abwehrend. Sie aber trat einen Schritt zurück und erhob die Arme, wie zum Angriff. Ihr Atem ging schnell, heiser vor Leidenschaft stieß sie die Worte au» der wogende» Brust hervor:

Bedenken soll ich, was? Daß ich deines Freunde» Weib, daß ich verheiratet bin, an einen Mann gekettet, der mich von Sinnen bringt mit seiner Wohlanstäudigkeit? Einen Künstler wollt ich haben, und einen Philister Hab' ich zum Mann, einen Menschen, dem der Hofton das Genie ertötet hat, den mir der hohe Egoist Hermann Heinrich entwendet und entfremdet hat. Er ist mir nichts mehr, seit du kamst. Dir flog meine