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Postwagen al» leer erwiesen. Bei näherer Be­sichtigung der Briefbeutel» zeigte es sich, daß er an einer mit einer Falte versehene» Stelle aus­geschnitten war. Wo die Beraubung stattgefunden hat, hat sich bir jetzt nicht feststellen lasten.

Biber ach 10. Okt. In einer der letzten Nächte wurde in einem hiesigen Hotel einge- brochen und eine größere Anzahl silberner Be­stecke im Wert von etwa 70 ^ gestohlen. Der Täter, von dem man noch keine Spnr hat, ver­suchte auch vergeblich die Kaffe zu erbrechen.

Friedrichshafen 10. Okt. Die Kö­nigin kam gestern nachmittag in Begleitung ihrer Schwester, Prinzessin Alexandra, von Jnter- laken nach Romanshorn und fuhr mit der Kgl. SalonyachtKondwiramur" nach Schloß Fried­richshafen. Heute, am Geburtstag der Königin, haben die staatlichen und städtischen Gebäude, sowie viele Privatgebäude beflaggt. Die württ. Dampsboote tragen Flaggenschmuck und geben vor dem Schloß Salutschüsse ab. Vormittags 10 Uhr begann im Salon des Schlöffe» der Empfang der Hofstaaten, wobei die Weingartener Regimentskapelle im Schloßgarten spielte. Um 1 Uhr ist Frühstück, abend» Hoftafel. Hernach geben Generalmusikdirektor Schilling», Prof. Seitz und Konzertmeister Prof. Wendling ein Konzert, nach dessen Schluß die kleine OperDie Tante schläft" von Kasper, von Mitgliedern der Kgl. Hofbühne im Speisesaal de» Schlosses zur Auf­führung gebracht wird. Morgen vormittag gedenkt da» Königspaar an den Einweihungsfeierlichkeiten de» neuen Schulgebäudes teilzunehmen.

München 10. Okt. Der Lenkballon Parseval VI will bei günstigem Wetter heute um dir Mittagsstunde die Fahrt nach Berlin antreten mit Zwischenstationen in Plauen und Bitterfeld.

München 10. Okt. Das Luftschiff ? VI ist heute vormittag zu einer Fahrt nach Berlin aufgrstiegen. E» wird heute bi« Plauen fliegen und morgen in Bitterfeld eintreffen, von wo au» am Mittwoch die Fahrt nach Berlin angetreten werden soll.

Regensburg 10. Okt. ? VI ist um 11 Uhr 50 über Regensbnrg rasch dahingeflogen und hat anscheinend mit dem herrschenden Ost­wind zu kämpfen. Er flog nach Nordwesten weiter. Im Norden zeigt sich augenblicklich starke» dunkle» Regengewölk.

Plauen 10. Okt.? VI" ist heute nachmittag 4'/» Uhr auf dem hiesigen Exerzier­platz glatt gelandet. Die Schnelligkeit de»? VI", mit der die heutige Fahrt zurückgelegt wurde, kann al» außerordentliche bezeichnet werden. Außer in Plauen wird da» Luftschiff auch noch in Bitterfeld eine Zwischenlandung vornehmen

und erst am Mittwoch in Johannistal eintreffen, da die dortige Ballonhalle erst an diesem Tage fertig gestellt sein wird.

Zittau 10. Okt. Als der Bäckermeister Kaspar in der Weberstraße heute mittag kurz nach 1 Uhr mit seinem Jagdgewehr hantierte, entlud sich plötzlich die geladene Waffe. Die Kugel ging durch da» Schaufenster und traf zwei Herren, die auf der Plattform eines gerade dis Straße passierende» Wagen» der elektrischen Straßenbahn standen. Beide Herren fielen töd­lich getroffen vom Wagen. Die Kugel war beiden durch den Kopf gegangen und hatte den sofortigen Tod veranlaßt.

Köln 8. Okt. Wie dieKöln. Ztg." meldet, hat Staatssekretär v. Kid er len- Wächter über die Haltung Deutschlands gegenüber der portugiesischen Republik bei einem Fenfibavkett in Berlin mitgeteilt, daß die poli­tischen Verhältnisse auf der pyrenäischen Halb­insel weitere Ueberraschungen vermuten ließen. Deutschland dürfte angesichts der Ereignisse eine abwartende Stelle einnehmen. Wenn eine Klärung der Lage in Portugal erfolgt und wenn da» neue Regiment die genügende Bürgschaft für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung, sowie für die Erfüllung der Verbindlichkeiten dem Aus­land gegenüber gebe, werde Deutschland nicht zögern, im Einvernehmen mit anderen Mächten die neue Lage anzuerkennen.

Berlin 10. Okt. Au» Lissabon wird über den bewaffneten Widerstand der Klöster gemeldet: Die Gefechte zwischen den Jesuiten und den Republikanern dauern an, ob­wohl die Regierung Blutvergießen zu vermeiden sucht. Sie muß den Jesuitenmönche», die die Truppen mit Revolvern und Bomben angreifen, energisch zu Leibe gehe». Ein Kloster, von dem aus die Jesuiten Bomben geworfen hatten, wurde »ach mehrstündigem Gefecht genommen. Die Brüder entkamen aber durch einen unterirdischen Gang, der mit einem ander» Kloster in Ver­bindung steht.

Hamburg 10. Okt. Zwischen der Ham­burg-Amerika-Linie und der Dampfschiff­fahrtsgesellschaft Hansa in Bremen ist eine Interessengemeinschaft geschloffen wor­den, nach welcher die Hansa ab 1. Jan. 1911 sich an den Frachtdampferlinien der Hamburg- Amerika Linie zwischen Europa und Ostafien be­teiligt, während die Hamburg-Amerika-Linie eine Beteiligung an den Frachtdampserlinie» der Hansa zwischen Europa und Indien erhält. Die Lei­tung des gemeinsamen Geschäfts für den Verkehr mit Ostafien untersteht der Hamburg- Amerika-Linie, während die Leitung des gemeinsamen Geschäft» für de» Verkehr mit Indien der Hansa untersteht.

Wie» 10. Okt. Jllner vollführte heute den Ueberlandflug von Wien nach Horn und zurück, eine Strecke von 180 km. Er stieg um 9 14 Uhr in Wien auf und landete 10.28 Uhr in Horn. Zum Rückflug stieg er 4.16 Uhr auf und landete auf der Simmeringer Heide um 5.15 Uhr.

Lissabon 10. Okt. Gestern wurden mehrere Mönche, dir in de» Straßen umher­gingen, erkannt, obwohl sie republikanische Farben trugen. Sie wurden von der Menge miß­handelt. I« ganzen gibt e» in Portugal 56000 Mönche und Nonnen, die verschiedenen Orden angehören. Die auswärtigen Fraktionen angehörigen Ordensmitglieder werden bi» zur Grenze gebracht, dagegen die Mönchs und Nonnen portugiesischer Nationalität ihren Familien über­gebe«. Der Landklerus ist zum größten Teil republikanisch gesinnt. Die neue Regierung wird alle Gesandten im Auslande abberufen uud durch neue Männer ersetzen.

Lissabon 7. Okt. (Die Flucht König Manuels.) Als Dienstag früh bei Morgen­grauen der Tumult in Lissabon zur Revolution avwuchs, schlief der 21jährige Herrscher im Palast Nccessidades. Durch den Lärm geweckt, erfuhr er, daß eineVersammlung im Freien" stattfinde, doch entschloß man sich bald, ihm die Wahrheit zu sagen und ihn zum Verlassen de» Palastes aufzufordern, da seine Sicherheit nicht verbürgt sei. Er erwiderte mit der Erklärung, daß e» seine Pfl'cht sei, die Ereignisse abzu­warten, was immer auch geschehen möge. Schließ­lich, als auch der spanische Gesandte ihn über­redete, beschloß er den Palast zu verlassen. Mit einem Lächeln stieg er, eine Ziga­rette rauchend, in einen Motorwagen. Der Palast wurde aber von de» Republikanern be­schaffen und der Monarch und seine wenigen Begleiter mußten ihn eiligst durch einen rück­wärtigen Ausgang verlassen. Eine Flucht au» der Stadt auf dem Fluffe war fast unmöglich, da die Scheinwerfer fortwährend über die Kai» und Wasserfläche streifte». So wurde beschlossen, quer über Land zu fahre». Die kleine Gruppe fuhr nach Cintra, das 13 englische Meilen von Liffabon entfernt ist und eine uneinnehmbare natürliche Festung bildet. Dann ging der König nach Mafra, ungefähr 30 englische Meilen von der Hauptstadt. Seine Mutrer und seine Groß­mutter scheinen ihn dort von Cintra aus erreicht zu haben. Der Oakel des Königs war in Liffabon geblieben und kommandierte dort ein loyale» Regiment zu einem letzten Kampfe am Mittwoch morgens. Aber die Royalisten gingen zum Feinde über, und als der Herzag von Oporto sah, daß alle» verloren war, begab er sich auf irgend eine Weise an Bord der königlichen JachtAmelie",

Künstler muß tausendfach kämpfen, damit sein Sieg ihn einst lohnt. Ich ahne, daß man sie bei dieser Gelegenheit einfangen will für de« Sonder­dienst de» Großherzogs. Um Gotteswillen, um Ihretwillen seien Sie stark. Nur im Anblick einer ganzen Welt dürfe» Sie wirkm, Alle» andere mündlich. Kommen Sie bald.

Gerda W."

Hugo starrte wie entrückt auf den Brief. Welcher Weg war für ihn der rechte?

XI.

In Unentschlossenheit und bangem Zweifel verbrachte Hugo die zwei nächsten Tage. Seine Bitte an den Großherzog erschien ihm jetzt bisweilen schon al» vorschnell und verhängnisvoll, denn er fühlte, wie ihm da» öffentliche Wirken Bedürfnis sei Wer würde ffch noch um ihn kümmern, wenn erSchauspieler des Großherzogs" war? In wenig Woche» würde man ihn vergessen haben, seine Bilder würden au» den Schaukästen ver­schwinden, niemand würde ihn mehr auf der Straße anstaunen, niemand mehr seine Gesellschaft, seine Mitwirkung suchen, denn ein Künstler, der au» der Oeffentlichkeit zurücktritt, verliert für die Menge an Wert, und sei er auch der Größte seine» Berufe». Wenn ihn diese Gedanken be­herrschten, die in Frau Gerda» warnendem Briefe einen mächtigen Helfer fanden, da glaubte Hugo, offen seine Bitte zurückaehmen zu müffen, selbst auf die Gefahr hin, die Gunst drS Fürsten eivzubüßen. Aber e» kamen auch Stunden, in denen der nagende Aerger über dir ihm angetane Kränkung die Oberhand hatte und eine Widerholung ähnlicher Erfahrungen ihm unerträglich vorkam. Fei« empfindende Menschen find ja leicht zurück­zuschrecken und verzichten lieber auf Ehre und sonstigen Lohn der Welt, wenn er nur auf Kosten ihrer inneren Ruhe und um de« Prei» unauf­hörlichen harten Kampfes zu erringen ist. Wa» die Kraft- und Kampf­naturen reizt, da» tägliche Neuerringen von Lebe» und Stellung im Wettstreit mit offenen und versteckten Gegnern, da» macht die weicheren

Seelen mit der Zeit müde und verzagt, so daß sie mit jedem Tage welt­fremder und endlich ganz Mit flüchtig werden.

Da ihm in diese» Zweifeln der Zuspruch eines gereiften Freunde» not tat, begab sich Hugo am Abend zu Wartner, der ihn freundlich empfing.

Sie brauchen mir nicht zu sagen, wr» Sie zu mir führt", begann Wartner, nachdem der Gast in dem Ledersessel Platz genommen hatte, Sie wollen von mir einen Rat, einen Anhalt in dem Kampfe, den jetzt Ihre Kunstliebe mit Ihrer Theatereitelkeit auszufechten hat. Aber ver­gessen Sie nicht, daß ich schon vor langer Zeit diesen Zwiespalt zu Gunsten meiner ernsthaften Kunstanschauung gelöst habe und infolgedessen nicht unparteiisch bin. Wir Menschen bekehren gar zu gern andere zu unseren eigenen Ansichten und finden eine Rechtfertigung unseres Tun» darin, daß andere sich zur Nachahmung bewegen lasten. Doch Ihnen gegenüber möcht' ich mich von dieser Schwäche frei halten. Darum soll meine Frau bei unserer Beratung zugegen sein; sie vertritt, wie Sie wissen, mit Hartnäckigkeit die entgegengesetzte Meinung und hat mir'» bis heute noch nicht vergeben, daß ich der geworden bin, al» den Sie mich kennen. Sie müffen zugeben, daß ein Freund die Unparteilichkeit nicht weiter treiben kann. Also entschuldigen Sie, einen Augenblick."

Wartner entfernte sich, um Gerda zu holen, deren Kommen Hugos Seele mit einer nie gekannten Bangigkeit erfüllte. Es war vielleicht mehr Schamgefühl, denn er empfand dunkel, daß seit dem Briefe, zwischen besten Zeilen er wohl zu lesen wußte, zwischen ihm und Frau Gerda ein Geheimnis bestand, das ihn an sie fesselte. Er faßte mit unwillkürlichem Griff nach der Brieftasche, in der er das Blatt verwahrte. Langsam la» er die Worte wieder: es konnte nicht» Harmlosere» gebe», und doch war der Brief hundertmal mehr, al» er schien. Ja, daran gab'» keinen Zweifel.

(Fortsetzung folgt.)