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Amts- und Anikigeblatt für dm Gberamtsbezirk Calw
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Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag. Jnsertionspreis 10 Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk 12 Pfg.
Dienstag, den II. Oktober 1910.
Bezugspr.i.d. StadtVZSHrl.nl. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugs?!, f. d. Orts- u. Nachbarortsverk. VZährl. Mk. 1 . 20 . im Fernverkehr Mk. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Pfg., in Bayern». Reich 4L Pfg.
Tagesueuigkeiten
Stuttgart 10. Okt. (Strafkammer.) Vor die Strafkammer waren wieder über 30 hiesige Wirte, die Geldspielautomalen aufgestellt hatten, geladen. Das Urteil lautete, wie in früheren Fällen wegen gewerbsmäßigen Glückspiels auf je einen Tag Gefängnis.
Bernhausen a. F. OA, Stuttgart 10. Okt. (Obstausstellung.) Im Saale des Gasthauses zum Hirsch fand gestern eine unter Leitung vom OberamtSbaumwart Fremd-Vaihingen stehende Obstausstellung der Gemeinden des Oberamtsbezirks Stuttgart-Amt statt, die sich eines guten Besuches zu erfreuen hatte. Die Obstausstellung war sehr gut beschickt und geschmackvoll arrangiert. In der Abteilung A, empfehlenswerte Obstsorte» für den Bezirk, waren 17 Gemeinden mit ihren Sortimenten vertreten. In der Abteilung 8, ertragreichste Obstsorten des Bezirks, hatten 8 Gemeinden ausgestellt. In der Abteilung 0, Lokalseiten des Bezirks, stellte« 5 Gemeinden ihre Erzeugnisse aus. Alle» in allem zeigte die Ausstellung, daß im Obstbau in den letzten Jahren im Bezirk viel getan wurde und zielbewußt vorgegangen wird in der Auswahl der Sorten. Die so rührige Obst- und Weinbausektion des landw. Bezirksvereins hat hier die nötigen Fingerzeige gegeben. Im Anschluß an die Ausstellung fand im Gasthaus zum Bären eine Besprechung der Ausstellung durch OberamtSbaumwart Fremd-Vaihingen statt, die sehr gut besucht war und manches Anregende gab. Verschiedene Baumwarte des Bezirks wurden mit schönen Ehrengaben bedacht.
Heilbronn 10. Okt. Der 4. Obstbautag des Württ. Obstbauvereins wurde durch eine Zusammenkunft des Ausschusses de»
Vereins eröffnet. Hierbei hielt der Vereinssekretär Sch aal-Stuttgart einen Vortrag über das vom Verein herausgegebene Grundblatt der empfehlenswertesten älteren und modernen Aepfel- und Birnsorten Württembergs; in dem Blatt haben 40 Aepfel- und 57 Birnsorten Aufnahme gefunden. Die Lokalsorten find absichtlich weg- gelassen; es bleibt den Bezirksvereinen überlaffen, diese in ihre Sortimente aufzunehme«. Einen weiteren Vortrag hielt Oekonomierat Lu ca S-Reutlingen über die Wahl der Edelreiser, wobei er sich zu der Ansicht bekannte, daß er nicht notwendig sei, Edelreiser nur von fruchttragenden Bäumen zu entnehmen. Wenn die Bäume gesund und sortenecht seien, könne man Edelreiser von jungen Bäumen nehmen. An die Ausschußsitzung schloß sich eine Besichtigung der städtischen Baumschulanlagen im Wolfszipfel, sowie die Besichtigung der von der Stadt, dem Weingärtnerverein, der Weinbauschule in Weinsberg und dem Bezirksobstbauverein veranstalteten Obst-, Trauben- und Konservenausstellung. — Gestern nachmittag fand dann unter sehr zahlreicher Beteiligung im großen Harmoniesaal die Hauptversammlung de» Obstbauvereins statt. Den Verhandlungen wohnten u. a. bei: Regierungsrat Gauger vom Ministerium des Inner«, Oberregierungsrat Lang, Oberbürgermeister vr. Göbel-Heilbronn und Direktor von Strebel-Hohenheim. Im Name« der Stadt begrüßte Oberbürgermeister vr. Göbel die Versammlung und wünschte den Beratungen einen guten Erfolg. Garteninspektor Schelle-Tübingen hielt einen Vortrag über den gegenwärtigen Stand des Obstbau» in Württemberg im Vergleich zum deutschen Obstbau. Seine Ausführungen beschäftigten sich in der Hauptsache mit dem landwirtschaftlichen Obstbau, der mehr al«
bisher zum Erwerbsbau werden müsse. Der Feldobstbau möglichst auf Halbhochstämme« sei für die Landwirte am empfehlenswertesten. Wenige Sorten für den Maffenobstbau und viele Sorten für den Liebhaberobstbau müsse die Devise sein. Oekonomierat LucaS-Reutlingen empfahl für den diesjährigen Winter ein Bespritzen der Bäume mit einer 10°/°igen Carbolineum- Lösung, um die Pilze zu töte». Mit Worten de» Dankes an den Heilbronner Bezirksverein und an die Stadt Heilbronn für da» Arrangement der Tagung schloß der Vorsitzende den 4. württembergischen Obstbautag.
Heilbron« 10. Okt. Gestern mittag, also zu einer Zeit, in der die Straßen am meisten begangen werden, transportierten zwei Schutzleute eine betrunkene Fra« auf einem Wägelchen durch die Sülmerstraße auf die Polizeiwache, wa» eine» großen Auflauf verursachte.
Heilbronn 10. Okt. Die Köchin einer hiesigen Metzgerei, die schon 4 Jahre auf der Stelle ist und da» größte Vertraue» genoß, wurde am Samstag ins Amtsgericht eingeliefert wegen fortgesetzter Gelddiebstähle, begangen an der Herrschaft und Angestellten. Die im Koffer der Verhafteten gefundene Summe beträgt ca. 700 Mark, die von dem Diebstahl herrührt. Das Schönste ist, daß die Person ein Ehrendiplom für zehnjährige treue Dienste bei einer andere« Herrschaft besitzt.
Weingarten OA. Ravensburg 10. Okt. (Postdiebstahl.) Ein beim hiesigen Postamt für die Bahnpost angefertigter, durch die Lokalbahn beförderter und in Ravensburg der Bahnpost übergebener Postbeutel, der einen Wertbrief mit 1000 ^ und mehrere Einschreibbriefe enthalten sollte, hat sich bei der Oeffnung im Bahn-
Beifall.
Eine Novelle von F. A. Geißler.
s Fortsetzung.)
Das fürstliche Paar lauschte Hugo aufmerksam, doch der Großherzog brach die Lektüre vorzeitig ab und sagte, indem er näher trat:
„ES freut mich, lieber Herr Haffner, daß Sie genug Selbstbeherrschung hatten, um uns heute überhaupt vorzulesen; doch es freut mich ebenso sehr, daß diese Selbstbeherrschung nicht zur Selbstverleugnung, zur Verstellung werden konnte. Sie sind ein ehrlicher Kerl und haben in den letzten Tagen viel durchgemacht. Hab' ich recht?"
„Ja, Königliche Hoheit, ich bin um Jahre älter geworden in de« drei Tage» — und auch bitterer" — antwortete Hugo mit trauriger Gebärde. Der Fürst aber sagte mit einem Settenblick auf seine Gemahlin:
„Sie erlebe» nur das, was in Ihrem Berufe keinem erspart bleibt, so lange da» große Publikum sein Herr und Gebieter ist. Wen es gestern noch auf Händen trug, den stößt es heute zur Seite au» Laune, aus Willkür, geleitet von Beweggrünven, die nicht immer die lauterste» sind. Darum habe ich'» von jeher geliebt, diejenigen Bühnenkünstler, welche mit ihrer Kunst mir recht zu Herzen sprachen, frei zu machen von diesem Dienst der Oeffentlichkeit. Ich maße mir nicht an, zu behaupten, daß diese Schauspieler immer die besten, die genialsten gewesen sind. Aber sie waren'», die mir die Gestalten und Ideen unserer Dichter gerade nach meinem persönlichen Geschmack verkörperten, sie waren im eigentlichsten Sinne de» Worte» meine Schauspieler. Nicht um sie meine« Mitmenschen zu rauben, schloß ich sie von der Oeffentlichkeit au» — eine» solchen Egoismus halte ich mich nicht für fähig, wenngleich ich ihn begreife — nein, ich wollte sie unabhängig machen von jeder Fron um Beifall, die mir immer als eine Entwürdigung de» echten Künstler» galt."
Der Großherzog schwieg, aber fragend und voll Erwartung ruhte sein Blick auf seinem Vorleser. Hugo faßte sich ei» Herz. Mt leiser, vor Erregung fast heiserer Stimme begann er:
„Verzeihen Ew. Königliche Hoheit gnädigst, wenn ich eine Bitte wage, die auszusprechen ich gewiß noch kein Recht erworben habe. Aber die verständnisvolle Güte meine» Fürsten ermutigt mich dazu. Klar erkenne ich schon heute, nach diesem erste», schmerzlichen Erlebnis, daß ich mein Höchste» nur erreichen, ja danach nur streben kann, wenn ich frei bi«, so frei, wie Ew. Königliche Hoheit Ihre Künstler sehen wollen. Dürste ich hoffen, daß es mir gelungen sei, zum Herze» meines gnädigsten Herrn zu spreche», daß er mich der Ehre für würdig hielte, nur für ihn zu wirken — daß ich-"
Er stockte. Aber der Fürst unterbrach ihn mit freundlichem Ernste.
„Noch alle haben mich darum bitten müssen, so auch Sie. Denn ich selbst darf ohne solche Bitte keinen Künstler dazu veranlaffen, auf den Beifall der Allgemeinheit zu verzichten. Noch keiner hat so früh darum gebeten wie Sie. Aber das beweist mir, daß Sie ander« geartet find als die Vielzuvielen. Der laute Ruhm, der Beifall einer bewegten Menge klingt süß im Ohr des Jünglings. Wird Ihr Ohr ihn immer entbehren können? Sie sollen nicht in der Uebereilung einer bitteren Stimmung handeln, um vielleicht später zu bereuen. Darum geb' ich Ihnen heute noch keinen Bescheid. Uebermorgea lesen Sie mir wieder vor. Sie haben zwei Tage Zeit zur Ueberlegung. Erneuern Sie mir dann Ihre Bitte, fo soll sie Ihne» gewährt sein."
Damit war Hugo verabschiedet, und sinnend ging er heim. Ei» Brief lag auf seinem Schreibtisch — er kannte die Handschrift nicht und erkannte sie doch sofort durch die geheime Weisheit des Herzen». „Gerda!" Von ihr war der Brief. Er lautete:
„Lieber Freund! Was müssen Sie leiden durch Torheit und Schlechtigkeit, Sie Armer! Aber bleiben Sie-stolz und fest. Ein großer