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anderem au», daß nur starke Völker mit jungen Müttern in den Winter genommen, schwache aber zeitig mit andern vereinigt werden sollte«, daß tadelloser Bau, genügend und gesunde» Futter am richtigen Platz und warmhaltige Wohnung Hauptbedingung für eine gute Ueberwinterung seien. Mit dem Wunsche, daß da« kommende Jahr 1911 die Imker für den Notfall in den letzten Jahre« entschädigen möge, wurde die Versammlung ge­schloffen.

Stuttgart 2. Okt. Bei dem gestrigen Umzug der Königsdragoner in die neue Staigkaserne erregte ein kleiner Junge die Aufmerksamkeit des Publikums, der in der ordo­nanzmäßigen Uniform de» Regiments auf einem Pony saß und im Zuge mitritt. Er hatte sich an der König Karl Brücke zur Begrüßung seiner Kameraden eingefunden und sich, stramm salu­tierend, mit den zur Bewillkommnung erschienenen Artillerieoffizieren beim Marsch durch Cannstatt an die Spitze des Regiment» gesetzt. Der Junge, der Sohn eine» Cannstatter Pferdehändler», ist den Dragonern längst eine wohlbekannte Er­scheinung und bei ihnen wohlgelitte«, denn längst hat er sich in treuer Kameradschaft ihnen ange­schloffen. Auf seinem Pony hat er forsch und schneidig bei den Uebungen auf dem Cannstatter Exerzierplatz schon manche Attacke mitgrritten und sich damit ein unbestrittenes Anrecht darauf er­worben, mit seinen Freunden in ihr neue» Heim einziehen zu dürfen.

Stuttgart 3.Okt. In Berchtesgaden ist heute Regierungsrat Wilhelm Zeller beim Vorstand der Versicherungsanstalt Württemberg im Alter von 47 Jahren gestorben.

Stuttgart 3. Okt. Zur Aussperrung in der Metallindustrie verlautet, daß sowohl die Daimler-Werke in Untertürkheim, wie die Maschinenfabrik Kuhn in Berg 60°/» ihrer Ar­beiter gekündigt haben.

Stuttgart 3. Okt. (Strafkammer.) Ein großer Offiziersprozeß beschäftigt die 1. Strafkammer in mehrtägiger Sitzung. Der frühere Oberleutnant Heinrich Gramm ist an­geklagt, den Generalmajor v. Berrer und den Major v. Weller in Straßburg beleidigt zu haben. Zur Verhandlung ist eine große Anzahl Zeugen geladen, u. a. der frühere Kriegsminister von Schnürlen, der Generalleutnant v. Scharpff und mehrere andere Offiziere. Als Sachverständiger ist geladen Landgerichtsrat vr. Hermann von München. Al» Vertreter der Nebenkläger fun­gieren die Rechtsanwälte Sick und Hedingrr. Die Anklage vertritt Staatsanwalt Cuhorst. Den Vorsitz führt Landgerichtsdirektor v. Fischer. Die Beleidigung wurde in einem Briefe erblickt, den

der Beklagte an Major Weller schrieb. In diesem Brief wird der Vorwurf erhoben, der Major habe über Gramm Aeußerungen getan, die den Stempel der Animosität an sich trügen und ge­eignet gewesen seien, Gramm» Ansehen und Qualifikation zu schädigen. Der Beklagte stellte ferner die Anfrage, ob Major Weller sich an ihm habe rächen wollen, weil er die zahlreichen Hebel­griffe des Major» in der Behandlung seiner Unter­gebenen nicht gebilligt und seinen Unwillen da­rüber öfter unzweideutig zum Ausdruck gebracht habe. In einem Brief an den Kriegsminister warf Gramm die Frage auf, ob Regiments­kommandeure zugleich Vollzugsorgane von Schwie­germüttern seien, und ob Herr v. Berrer sich nach dem Vorgefallenen wohl noch zum Regiments­kommandeur eigne. Oberleutnant Gramm be­hauptet, daß er sein Abschiedsgesuch eingereicht habe, da er von seinen Kameraden verleumdet worden sei. Man habe ihm luxuriösen Aufwand vorgeworfen, militärische Fähigkeiten abgesproche«, keine Kommando» übertragen. Seine Schwieger­mutter habe sich an den damaligen Oberst von Berrer um Aufklärung über G'S Verhältnisse gewandt md dabei habe v. Berrer Angaben ge­wacht, die mit der Wahrheit schwer in Einklang zu bringen seien. Auch habe der Regiments­kommandeur über G'S Situation dem Offizier- korpS nicht sachgemäße Darstellungen gegeben. Er sei nicht militärisch offen gewesen. Bezüglich der Uebergriffe des Major» Weller habe er in Göppingen durch den Vorstand der dortigen sozial­demokratischen Parteiorganisation bei Leuten in Göppingen Nachforschungen anstellen lassen. Weller habe seine Leute schlecht behandelt und beschimpft. Seine Schwiegereltern stellte der Angeklagte in einem sehr schlechten Licht dar. Er habe mit seiner Frau alle Beziehungen zu ihnen abgebrochen. Sie hätte» ihn finanziell nicht ge­nügend untetstützt und ihm die Anschaffung einer neuen Wohnungseinrichtung verweigert. Seine Schwiegermutter hätte sich hinter seinem Rücken an v. Berrer gewandt mit der Anfrage, ob seine Wohnungseinrichtung zur Repräsentation auS- reiche. Diese Angelegenheit habe sie ihm ver­heimlicht. Schließlich sei ihm der Dienst zuwider geworden und er habe sei» Abschiedsgesuch ein­gereicht. Generalmajor v. Berrer erklärt, daß er keine Animosität gegen Gramm gehegt habe. In kameradschaftlicher Weise habe er sich seiner angenommen und oft habe ihn der Angeklagte in Privatangelegenheiten um seinen Rat gefragt. So habe er sich für ihn bei der Schutztruppe verwendet, ihn zu solider Lebensweise ermahnt und zum Fleiß, damit er ein tüchtiger Haupt­mann werde. G'S Schwiegermutter habe ihn um strengste Diskretion gebeten und er habe nur zum Besten Gramm» und seiner Fra« die Sache zu

ihm durch die beglückende Gewißheit gewährt, daß er in ihrem Herzen Verständnis findet für alle», was in ihm drängt, ringt und oftmals auf sonderbare Weise zum Ausdruck kommt. Darum seid gesegnet, ihr schmerzensreichen Künstlermütter, den» ihr leidet dreifach, wenn der Sohn, den ihr allein recht begreift, endlich den Zwang beiseite wirft und seinen eigenen Weg geht, beladen mit den Vorwürfen der Väter, die ihre Liebe, ach so oft, nur in Strenge und Härte zeigen zu dürfe» glauben. Warum fehlt den Vätern meist der Blick für die künstlerische Begabung ihrer Kinder? Warum suchen sie so häufig dem Knaben und dem Jüngling die erste, naive Aeußerung seine» Kunsttriebe» durch Spott oder Schelt­worts zu verleiden? Warum versteckt der Sohn das Heftchen mit seinen ersten Gedichten, da» er voll keuschen Stolzes der Mutter zeigt, mit ängst­licher Scheu vor dem Vater? Warum gibt's so viele Männer, die selbst Künstler find und doch nicht wollen, daß ihre Söhne den gleichen Weg gehen? ES hat den Anschein, al» ob das väterliche AutoritätSbewußtsein, da« auch die Zukunft des Sohne» bestimmen zu dürfen glaubt, in dem künstlerische» Talent, weil e» eine Neigung innerster Selbstständigkeit bedeutet, eine Rebellion erblickt. Dazu kommt, daß der Mann au» seinem Kampfe um» Dasein weiß, wie hart da» Leben ist und wie wenig Aus­sicht ei« Künstlersohn ihm bietet, den Stamm in der erwünschten Weise fortzupflanzen. Väter verlangen von ihren Söhnen, daß sie ihnen bald die großväterliche Würde verschaffen, Künstler aber bleiben immer in tiefster Seele Kinder. Und eine Mittler sieht auch im erwachsenen Sohne stet» da» Kind. Herrlich aber ist e» dann, wenn der Vater nach der Zeit der Spannung im künstlerischen Wirken und Schaffen de» Sohne» einen Teil seines eigenen Wesen« wiedererkennt und wenn im Sohne, je tiefer er in seine Kunst eindringt, desto klarer die Erkenntnis aufleuchtet, daß er unendlich viel dem Vater verdankt. Dann schließe» sich die beiden mit leidenschaftlicher Liebe aneinander.Ein tüchtiger Kerl ist er doch, mein Jnnge!" so jubelt hinter der ernsten Mine der Vaterstolz undWie viel Güte, Liebe, Kraft und Herzen»reichtum wohnt in meinem Vater",

regeln versucht. Er wisse nicht» davon, daß G. von den Kameraden verleumdet wurde oder daß sonst irgend welche Verdächtigungen au»gesprochen wurden. Auch wisse er von Mißhandlungen Wellers nichts. Noch nach dem Abschiedsgesuch habe er auf G. einzuwirken versucht und ihn zu persönlichen Besprechungen aufgefordert, er sei aber nicht bei ihm erschienen. Major Weller bestritt energisch, G. verleumdet zu haben und auf'« allerentschiedenste stellte er in Abrede, Soldaten mißhandelt zu haben. Er sei nie ein Soldaten­schinder gewesen. Streng sei er wohl gewesen und auch ein Schimpfwort mag hier und da ge­fallen sei». Er habe G. von der Einreichung des Abschiedsgesuchs abgeraten, denn, sagte er zum Angeklagte», er müsse auch an seine Frau denken. Frau Gramm verteidigte energisch ihren Mann und wandte sich gegen ihre eigene» Eltern. Kriegsminister a. D. v. Schnürlen konnte sich einer angeblichen Unterredung mit der Frau de» Angeklagten nicht entsinnen, Generalleutnant v. Scharpff machte unerhebliche Aussagen. Eine große Anzahl von Offizieren, die nunmehr vernommen wurden, sämtlich ehemalige Regi- mentSangehörige von G., erklärten übereinstim­mend, nie etwa» von Verleumdungen oder sonstigen Anklagen gegen G. etwa« vernommen zu haben. Alle wissen nicht» von Mißhandlungen seiten» des Major» Weller, der allgemein al» Offizier bezeichnet wird, der von den Mannschaften hoch- geschätzt wurde. Au» dem Protokoll der Aussagen de» inzwischen verstorbenen Majors Seeger, der vom Angeklagten al» Entlastungszeuge in Aus­sicht genommen war, geht hervor, daß Major S. Grammer indolent und faul, unaufrichtig und untauglich bezeichnet habe. Von Mißhandlungen Weller's, der auch hier als hochgeschätzter Offizier dargestellt wird, erfährt man nicht». Die Aus­sagen der Schwiegereltern des G , Herr und Frau Dr. Klein, lassen erkennen, daß sie ihrem Schwieger­sohn, für den sie schon große Opfer gebracht hatten, helfen wollten. Dr. Klein suchte seine Tochter zu einer Untersuchung ihre» Mannes durch einen Psychiatiker zu veranlasse», um eine Erklärung für da» sonderbare Verhalten ihres Schwieger­söhne» zu finden. Der Münchener Landgericht»- arzt Dr. Hermann erkennt minderwertige Züge im Charakter Gramms und hebt seine Selbst­gefälligkeit und Empfindlichkeit hervor. Gewisse schwachsinnige Züge und Neigungen hätten sich bei ihm geltend gemacht. Eine geistige Erkrankung im Sinne des Gesetze» liege aber nicht vor. Die Sitzung, die von morgens 9 Uhr mit einer Mittagspause bis gegen 9 Uhr abend» dauerte, wird morgen mit weiterer Zeugenvernehmung fortgesetzt.

Tübingen 3. Okt. Verlagsbuchhändler vr. Siebeck hat die frühere Fleischwaren-

so sagt sich voll überströmender Freude der Sohn und erfährt es an sich, daß es de« Sohne» größtes Glück ist, de» Vaters Anerkennung zu ernte». Und bei solchem Anblick wird dann da» Mutterauge feucht. Wa» sie er­sehnt, erhofft und in tausend heißen Gebeten erfleht hat, jetzt ist'« geschehen: die beiden Menschen, die ihr auf Erden die liebsten sind, stehen innig verbunden vor ihr, haben einander endlich erkannt und beugen sich nun verehrend vor der Weisheit de» mütterlichen Herzen», da» alle» voraus sah und nie den Glauben verlor. Glücklich der Künstler, dessen Bahn schnell emporsteigt, so daß er den Vater sich bald gewinn;« kann. Ach, gar mancher kommt erst so spät ans Ziel, daß er von dem vollen Lorbeer­kranz nur Zweige auf ei» Grab lege» und an den Mann wehmütig denken kann, dem er sei« leiblich Sein und so viel von seinem geistigen Wesen verdankt.

Hugo war glücklich genug, alle seine Lieben um sich zu haben, al« er wieder in die Heimat einzog. Vergessen war alles, was je trennend zwischen ihnen gelegen, sorgende Liebe umgab ihn, und das Bewußtsein, nicht nur geliebt, sondern auch geachtet zu sein, ließ ihn den Zauber de» Elternhauses empfinden wie nie zuvor. Der Seinen freudige Anteilnahme an allem, wa» seine Kunst betraf, öffnete ihm Herz und Mund, und mehr fast noch als der Mutter frommer Glaube an seine Künstlerschaft beglückte ihn de» Vater» Zuversicht, daß er al» ein tüchtiger Mann immer seines Schicksal» Herr bleiben werde. Und wa» ihm früher stet» unmöglich er­schienen war, gelang ihm jetzt: in den engen, aber treu auSgefÜllte« Lebenskrei» de» Vater» sich zu versetzen und au» ihm heran» dessen Denke» und Tun zu begreifen. Wie Schuppen fiel es da von seinen Augen, er erkannte, wie aus dieser bürgerlich-schlichten Arbeit für den Vater und alle die Seinen ein reicher Segen»strom viele Jahre lang ge­flossen ; er begriff, wie tief er einst den Vater verwundet, al» er da» alle» von sich stieß, um einen Weg zu gehen, zu dem ihn nur eine Ahnung, eine Herze»»sehnsucht zog.

(Fortsetzung folgt.)