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Zuffenhausen 11. Sept. Der Milch­händler Ziegler aus Möglingen, der hierher und nach Stammheim täglich etwa 300 Liter Milch zu liefern hat, war der Polizei schon lange der Milchfälschung verdächtig. Gestern ist es nun gelungen, ihn der Tat zu überführe». Bei der Milchkontrolle bemerkte man, daß er eine große 12 Liter haltende Milchkanne beiseite zu schieben suchte. Als man dann «achsah, war Master darin. Ziegler gab nach längerem Zögern selbst zu, daß er da« Master zur Verdünnung der Milch habe verwenden wollen und daß er schon öfters seine Milch gefälscht habe. Hoffent­lich trifft ihn eine exemplarische Strafe.

Heilbron» a. N. 10. Sept. Eine Fahrt des 1^2 6 ist nunmehr auch für Heilbronn ge­sichert; e« sind nunmehr die erforderlichen 17 Meldungen abgegeben worden. Das Luftschiff wird am nächsten Mittwoch vormittags V-9 Uhr die Fahrt in Baden-Baden antreten und zwischen 11 und 12 Uhr ans de« Böckinger Wiesen hier landen. Um die Mittagszeit erfolgt dann die Rückfahrt.

Schorndorf 9. Sept. Der gestrigen GemeirrdsratLsrtzung wurde, nachdem sie kaum begonnen hatte, ein überraschend schnelles Ende bereitet. Zum besseren Verständnis sei hier vorausgeschickt, daß Gemeinderat Ernst, der schon seit mehreren Monaten den Sitzungen fern blieb, gestern zur allgemeinen Ueberrafchuvg wieder erschienen war. Nachdem Gemeinderat Rippert in Vertretung des in Urlaub befindlichen Stadtvorstandes die Sitzung eröffnet harte, erbat sich vor Eintritt in die Tagesordnung Gemeinde- rat Knödler das Wort. Er erklärte, das Er­scheinen Ernst's in Abwesenheit des Stadt- vorstandes berechtige zu der Annahme, daß es wieder zu unangenehmen Auftritten komme» werde, er lehne es ab, unter diesen Umständen an der Sitzung teilzunehmen und verlasse den Saal. Gemeinderat Schloz schloß sich den Aus­führungen des Vorredners an und verließ ebenfalls de« Saal. Gemeindsrat Ernst er­klärte, indem er von einer geheimen Sitzung sprach, in der über ihn ein Fehmgericht abgehalten worden sei, u. a. er habe nichts ge­stohlen. Der Vorsitzende rügte diese Aeußeruvg. Ernsts weitere Ausführungen blieben in dem nun erfolgenden allgemeinen Aufbruch unverständlich. Damit hatte die Sitzung nach einer Dauer von nur wenigen Minuten ihr Ende erreicht. Auf Freitag früh 7 Uhr ist einr neue Sitzung an­beraumt.

Pfullingen OA. Reutlingen 10. Sept. Die hiesige Baumwollspinnerei der Firma Gebr. Wendler, die gegen 50 Arbeiter beschäftigt, ist heute ausgebrannt. Der Schaden an

Gebäuden und Maschinen ist sehr beträchtlich. Die Hauptfabriken der Firma befinden sich in Reutlingen.

Pfullingen 11.Sept. Zudem Brand in der Spinnerei der Firma Gebrüder Wendler wird noch weiter gemeldet, daß das Feuer nachts 2 Uhr ausbrach. Abgebrannt sind nur einige Dächer, doch wurde an den Maschine» durch Herabstürzen der Decken großer Schaden ange­richtet, der sich insgesamt auf etwa 40000 ^ belaufen dürfte.

Gaildorf 10. Sept. Unser landwirt­schaftliches Bezirksvolksfest wird nach 3jähr. Pause am 21. September wieder hier abgehalten und die Vorbereitungen sind lebhaft im Gange. Die Viehausstellung wird, nach den Anmeldungen zu schließe«, ein schönes Bild der Viehzucht, namentlich der Limpurger-Leintaler Züchtung, geben. Eine lokale Obstausstellnng ist vorge­sehen. Die Ausstellung landwirtschaftlicher Ma­schinen und Geräte dürfte Heuer eine« besonders breiten Raum einnehmen. Eine Lotterie mit 7000 Lose» ist mit dem Fest verbunden. Der Festzug wird, durch eine ganze Reihe von Fest­wagen und kostümierte» Gruppen belebt, ein prächtiges Bild bieten. Zirkus, Karussel u. s. w. sorgen ausreichend für Volksbelustigung. Nach­mittags findet ein Schauturnen der Märmerturn- gemsinds und ein Pferdewettrrnnen statt. Abends schließt sich ein Festball den Veranstaltungen de« Tages an.

Untersulmetingen OA. Biberach 10. Sept. Gestern nacht 11 Uhr wurde ein dem Bauern Kräutle gehöriger Strohhaufen auf dem Felde angezündet, der auch vollständig abbrannts. Es herrschte allgemeine Aufregung, da in früheren Jahren hier viele Brandfälle vorgekommen sind, wobei Brandstiftung vorlag. Bei den angestellten Erhebungen wurde ein aus Grundsheim gebürtiger ca. 30 Jahre alter, bei Gemeindepfleger Pfender in Westerflach be- dienstcter Knecht als Brandstifter ermittelt, welcher auch die Tat bereits eingestanden hat.

Friedrichshafen 11. Sept. Die Luftschifferschule beginnt am 15. Oktober einen neuen einjährigen Unterrichtskur», an dem fich voraussichtlich 8 Schüler beteiligen werden, die sich, im Gegensatz zu bisher, selbst zu unter­halten und ein monatliches Schulgeld von 30 ^ zu zahlen haben werd ».

Von der badischen Grenze 10. Sept. Beim Saccharinschmuggel wurden 2 Böhmen erwischt, die mit einem Zug nachts 1 Uhr in Singen eintrafen. In ihrem Wagenabteil hatten sie zwei neue Rucksäcke mit etwa 30 Saccharin

unter den Heizröhren versteckt. Bei der Zoll­revision wurden die Rucksäcke entdeckt und geöffnet. Die beiden wollten sich nicht als Eigentümer der Säcke bekennen; sie wurden aber nach eingehender Leibesvifitatio« überführt.

Berlin 10. Sept. Nach bisherigen An­ordnungen wird der Kronprinz auf seiner Ostasienreise am 14. Dezember ds. Js. in Bombay eintreffev, sich einige Wochen in Indien aufhalten und am 14. Februar von Kalkutta au« die Weiterreise nach Bangkok antreten. Von hier aus kommt ein Ausflug nach Java in Frage. Die Ankunft in Hongkong wird Mitte März erfolgen. Hiera» schließt sich eine Fahrt nach Kanton, Schanghai, und ein mehrtägiger Besuch von Kiautschou. Die Ankunft in Peking ist gegen den 11. April, die Ankunft in Tokio um den 25. April geplant. Anfangs Mai könnte dann die Rückreise über Sibirien angetreten werden.

Vermischtes.

Aus der Schweiz 8. Sept. Barry, der treue Hund vom Hospiz auf dem großen St. Bernhard, der so viele verirrte Wanderer beglückt hat und so viel von den Touristen lieb­kost wurde, ist nicht mehr; auf recht tragische Weise ist er bei Ausübung seinesBerufs" ums Leben gekommen. Mit einem der Mönche war er aurgegangrn, um zwei vom Un­wetter überraschten Reisenden entgegenzugeheu. Der Wind raste über den Schnee und wühlte in den Klüften, ein dichter Nebel deckte das Ge­birge und hüllte die ganze GebirgSwelt in dunkle Nacht. Barry entfernte sich vom Wege, wie es seine schwere Aufgabe erforderte; der Mönch rief ihm und pfiff ihm, aber Barry kam nicht. Der Mönch, der die Gewohnheiten des treue» Hunde» wohl kannte, verwunderte fich keines­wegs, wußte er doch, daß Barry oft vom Wege abging und sehr oft die Mönche vom Hospiz auf die Spur verirrter Wanderer leitete. Ost blieb er sogar stundenlang weg, aber e« war nie ohne Grund. Der Mönch ging daher seinen Weg weiter, den beiden Touristen entgegen und zwei Stunden später kehrte er zum Hospiz zurück. Barry aber blieb unauffindbar. Tag« darauf fand ihn Pater Clavandier am Fuße eine« Ab­grunde», tot als ein Opfer seiner Hingebung. Wie sich der Unfall zugetragen hat, weiß nie­mand, doch nimmt man an, daß ei« rollender Stein ihn in den Abgrund gerissen hat. Mit Barry verliert da» Hospiz den schönsten und besten seiner Hunde, ein Verlust, der gerade jetzt beim Be­ginn des Winters besonder» schwer empfunden wird, da der treue Hund gerade im Winter schätzenswerte Dienste leistete. Er wird au»ge- stopft und im Hospiz aufbewahrt.

rückkehrte, sagte sie, ihre kleine Handarbeit tief atmend in den Schoß legend:. Morgen um diese Zeit kennen wir rrvser Schicksal.

Vielleicht noch nicht, entgegnet« ich sinnend, ich wünschte aber, e« wäre so, denn immer besser Gewißheit als diese» ewige aufreibende Schweben zwischen Furcht und Hoffnung. Ich bin schon ganz mürbe davon und sehne mich darnach, endlich bestimmt handeln zu können. Die Gelegenheit dazu naht. Auch Sie müssen sich bereit halten.

Ich bin bereit, erwiderte sie mit vor Aufregung zitternder Stimme. Sie brauchen mir nur zu sagen, was ich tun soll. Habe« Sie denn nun einen Plan entworfen?

Noch nicht. Der Augenblick muß ihn erst bringen; wenn der aber kommt, werde ich ihn mit aller Entschlossenheit ausnützen. Vertrauen Sie mir nur ganz. Und sollten uns wirklich noch weitere Prüfungen beschicken sein, so wollen wir sie mit Mut ertragen, in der feste» Zu­versicht, daß Gott uns helfen und mir vergönnen wird, Sie wohlbehalten in die Arme Ihrer Mutter zurückzuführen.

Sie reichte mir wehmütig lächelnd die Hand.

Ja, Gott helfe uns. Mögen auch noch neue Leiden über uns kommen ich werde das Vertrauen und die Hoffnung auf einen endliche« guten Autgang nicht verlieren, und darin die Kraft finden, alles furchtlos zu tun, was Sie von mir verlangen werden.

Da« waren Worte zur rechte« Zeit; sie gaben mir Freiheit für jeden auch noch so kühnen Entschluß, den ich in dem nächsten Augenblick vielleicht schon fassen wußte. Um vieles ruhiger sah ich jetzt dem Augen­blick entgegen, der unser Schicksal entscheiden sollte.

Abwechselnd promenierend und uns wieder setzend suchten wir, durch die verschiedensten Gesprächsstoffe die peinigende Spannung etwa» zu betäube». Oester schien es mir, als ob der häufig in unsere Nähe kommende Ziwmermarm mich gern angesprochen hätte, doch ich tat, als ob ich ihn nicht bemerkte. Ich wünschte jetzt keine Unterredung mit ihm.

So kam der Abend heran. Ich fürchtete die während de» Nach­

mittags immer flauer gewordene Brise könnte mit Sonnenuntergang zur Windstille werden, doch zu meiner großen Erleichterung frischte im Gegenteil der Wind wieder auf, als das letzte Scharlach den wolken­losen Himmel im Westen färbte. Wenn der Chronometer unten richtig zeigte, durfte ich hoffen, bald Gewißheit zu erlangen, ob da» Ziel unserer Fahrt vorhanden war oder nicht.

Als die Nacht niedersank, schien kein Mond, doch der Wind besaß eine so eigentümlich belebende Frische, wie man solche auf keinem anderen Ozean findet. Deshalb verließ ich auch das Deck nicht, wiewohl Lush die Wache von 8 bis 12 Uhr hatte. Fräulein Temple redete mir zwar zu, die Zeit bi» 12 Uhr zum Schlafen zu benutzen, um nicht die ganze Nacht einzubüßen, doch ich fühlte mich zu fieberhaft erregt, um ruhen zu könne«.

Es war 11 Uhr, als wir in die Kajüte zurückkehrte», und dort gelang es mir, sie zu bewegen, fich, wenn auch nicht zu Bett, so doch wenigstens auf die Polsterbauk zu legen. Wer konnte wißen, ob sie nicht sehr bald all ihrer Kräfte bedürfen würde. Nur mit Widerstreben ließ sie sich ein Kiffen unter de» Kopf legen und eine leichte Decke überbreiten.

Während sie so lag und ich am Tische saß, wechselte« wir noch ab und zu ein paar Worte, dann aber schlief sie ein. Nicht« unterbrach mehr die Stille als das Ticken der Uhr unter dem Oberlicht, der gleich­mäßige Tritt des oben hin und herschreitenden Zimmermanns, und da» leise Geplätscher der gegen die Seiten der Bark spielenden kleinen Wellen.

Mich überkam beim Anblick des Mädchens, welche» so sanft schlummerte am Vorabend von, Gott allein wußte, welchen Ereig­nisse» eine unnennbar weiche Stimmung. Sie lag so friedlich da in ihrer durch den Schlaf sozusagen vergeistigten Lieblichkeit und Schönheit, und doch standen wir vielleicht an der Schwelle einer schrecklichen uns vernichtenden Zukunft. Aber konnte Gott denn da» zugeben? Wie wunderbar waren wir zusammengeführt worden; wie vertraut hatten uns die gemeinsamen Leiden gemacht; wie tief hatte die Liebe zu ihr in mir Wurzel geschlagen! (Forts, folgt.)