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Eßlingen 11. Aug. Der hiesige Aviatiker Eipperle unternahm gestern nachmittag mit seinem Flugapparat einen Flugversuch. Der Motor funktionierte und der Apparat sauste in raschem Tempo über den Boden weg. Die Un- ebenheit des Boden» gab dem Apparat eine ungewollte Drehung und er stieß mit ziemlichem Anprall auf einen im Weg stehenden Pfosten auf. Ein Proprllerbruch machte die Einstellung weiterer Versuche auf einige Tage notwendig.
Reutlingen 11. Aug. Der am Freitag abend in der Havel zu Potsdam ertrunkene und in seine Vaterstadt übergeführte Volksschulrektor Schäfer wurde gestern nachmittag auf dem hiesigen Friedhof beerdigt. E» gaben ihm die Kollegen aus Stadt und Land in großer Anzahl da» letzte Geleite und die Bürgerschaft war ebenso zahlreich vertreten, um der großen Familie da» Mitgefühl über das tragische Geschick des tüchtigen und gewissenhaften Schulmanne» kund zu tun. Am offenen Grabe widmete der Bezirksschulinspektor Stadtpfarrer Dr. Maier in Pfullingen dem hingebenden Lehrer, der dem württem- bergischen Volksschulwesen über 40 Jahre lang treu gedient hat und davon etwas mehr als 35 Jahre in Reutlingen tätig war, einen tiefempfundenen Nachruf. Weitere Kränze legten nieder Stadtpfarrer Gehring für den Kirchengemeinderat, Oberlehrer Holzwarth von der Mävchenvolktschule im Namen der Reutlinger Lehrerschaft der Volks- und Mittelschulen, Mittelschullehrer Rais im Auftrag de» BezirkSlehrer- verein», ein Schüler der Klaffe de» Rektors. Trauergesänge der Lehrerschaft umrahmten die ernste Feier, zu der auch der Gemeinderat namens der Stadtgemeinde einen Lorbeerkranz gesandt hatte, nachdem besten Vorsitzender in der öffentlichen Sitzung am Vormittag die Verdienste de» nunmehr verstorbenen Mitvorsitzenden de» OrtS- schulrat» um das Volksschulwesen seiner Vaterstadt gebührend gewürdigt hatte.
Tübingen 11. Aug. In der hiesigen Universitätsklinik werden gegenwärtig Versuche mit dem neuen Ehrlich'schen Syphilismittel „Ehrlich 606" angestellt. Ein abschließende» Urteil läßt sich jetzt noch nicht gewinnen. Die Heilresultate sind günstig.
Obertal OA. Freudenstadt 11. Aug. Gestern abend kurz nach 10 Uhr wurde die hiesige Einwohnerschaft durch Feuerlärm in Aufregung versetzt. E» brannte die vor wenigen Jahren neuerbaute Brennerei mit Oekonomie- gebäude de» Paul Finkbeiner zur „Sonne". Da» Feuer war in der Brennerei ausgebrochen und fand in dem großen Lager von Spirituosen, sowie Futtervorräten so zahlreiche Nahrung, daß an eine Rettung des Gebäude« nicht zu denken war.
Auf der Brandstätte entwickelte sich eine solche Hitze, daß die auf sich allein angewiesene Obertaler Feuerwehr nur durch angestrengteste Tätigkeit das gegenüberliegende Hotel zur „Sonne" retten konnte. Da die Telephonleitung gestört war, konnte auswärtige Hilfe nicht rasch herbeigeholt werden. Erst später kam die durch Radfahrer alarmierte Feuerwehr von Mitteltal noch zu Hilfe. Unter den zahlreichen Kurgästen herrschte begreiflicherweise große Aufregung, bi» man de» Feuer« Herr werden konnte und für das Hotel keine Gefahr mehr bestand. Der Schaden ist beträchtlich, namentlich, da große Vorräte an Heidelbeeren in Fäffern mitverbrannten. Die Entstehungsursache ist unbekannt.
Schramberg 11. Aug. Einen denkwürdigen Beweis von Kunstsinn lieferte gestern nachmittag, laut „Schwarzwälder Tagblatt", ein Rindvieh, das vom Schlachthof tiefsinnig hinter seinem Führer die Berneckstreße hin unter trottete. Die hübschen Auslagen von Ansichtskarten und Bildern im Schaufenster einer Buchbinderei hatten es ihm angetan und gleich lag die ganze Spiegelscheibe im Werte von 120 Mark in Trümmern.
Trossin gen 11. Aug. In derJmmen- rieder Kirchenbaulotterie ist der 1. Gewinn mit 15 000 Mk. an den hochbetagten in ziemlich bedürftigen Verhältnissen lebenden Taglöhner JohS. Kämmerer hier gefallen. — Ein Hauptgewinn von 2000 Mk. fiel nach Schwenningen an zwei dortige fleißige Bürger.
Geislingen a. St. 11. Aug. Anläßlich der 40jährigen Wiederkehr der Gedenktage von 1870/71 bewilligten die bürgerlichen Kollegien einstimmig für die Veteranen der Stadt eine Ehrengabe von 800^; hievon erhalte» die Veteranen und hier lebende Witwen solcher am Sedanttage je zehn Mark al» Ehrengabe. Der verbleibende Rest wird der Kaffe de« hies. Veteranenvereins überwiese«.
Ulm 11. Aug. Der Brand desRauh- suttermagazins in Neu-Ulm ist, wie die Polizei ermittelte, auf fahrlässige Brandstiftung zurückzuführen. Vier schulpflichtige Knaben im Alter von 9—13 Jahren vergnügten sich mit Zigarettenrauchen. Beim Anzünde» der Zigaretten warfen sie in fahrlässiger Weise die noch brennenden Zündhölzer weg, durch welche der Brand entstand. Als die Knaben sahen, wa» sie angerichtet, eilten sie zur Polizeiwache und erstatteten Meldung von dem Feuer, wobei sie einen Radfahrer als Brandstifter angaben. Der Radfahrer kam wohl zu dem Magazin, aber erst, nachdem dasselbe schon brannte, und frug die Knaben, wer da» Feuer angezündet habe. Nach eingehendem Verhör, welches seitens der Polizei
mit de» Knaben vorgenomme« wurde, ließen sie sich zu einem Geständnis herbei.
Ulm 11 Aug. Die Festkommissio» hat in ihrer gestrigen Sitzung beschlossen, von der Veranstaltung eines Fischerstechen« abzusehrn. Maßgebend hiefür waren einerseits die hohen Kosten, welche durch diese Veranstaltung entstanden wären und denen keine entsprechenden Einnahmen gegenüberstehev, andererseits ergab sich, daß hier überhaupt nicht mehr die nötige Zahl von Personen zusammengebracht werden kann, welche die nötige Erfahrung und Uebung in der Führung der Schiffe auf der rasch strömenden Donau besitzen. Die seiten» de» hiesigen Pionierbataillons in dankenswerter Weise in Aussicht gestellte Mitwirkung der Pioniere ließ sich leider aus dienstlichen Gründen, wegen einer in diese Zeit fallenden Inspektion nicht verwirklichen.
Seid ranz OA. Leutkirch 11. Aug. Seit 1. August wird nun der geistig nicht ganz normale 27 Jahre alte Rechenmacher Dagobert Eisenbarth von Wengenreute vermißt. Er entfernte sich, nur mit Hose und Hemd bekleidet, von zu Hause. Anfangs glaubte man, daß er sich ein Leid angetan. Er treibt sich aber seither in den Wäldern der Umgegend umher und wurde schon ab und zu gesehen, weiß aber, trotzdem letzter Tage bis zu 60 Personen nach alle» Richtungen nach ihm suchten, immer wieder zu entschlüpfen. Man versucht nun, ihn in seinem vermeintlichen Nachtverstcck zu überraschen und zu ergreifen.
Heilbronn 11. Aug. Ueber den Verkehr auf dem Neckar im Jahre 1908 bringt das Gewerbeblatt au» Württemberg einige interessante Mitteilungen. Danach sind in Heilbron» zu Berg angekommen und zu Tal abgegangen je 381 Kettenschleppschiffe mit Anhang. Güterschiffe sind zu Berg angekommen 1244, die eine Tragfähigkeit von rund 166 000 Tonnen hatten. Diese Schiffe waren etwa zur Hälfte belastet. Zu Tal gingen ab 752 Güterschiffe mit 25000 Tonnen Tragfähigkeit und 12 000 Tonnen Belastung. Natürlich brachten die Schiffe auf der Bergfahrt zumeist Steinkohlen, nämlich 40 000 Tonnen. Oelsaat wurde für 25 000 Tonnen ins Land gebracht, während zu Tal der Hauptsache nach Salz ging und zwar 135 000 Tonnen. Stämme schwammen den Neckar nicht ganz 76000 hinunter.
Heilbronn 11. Aug. Gestern nachmittag 2 Uhr hat ein hiesiger 18 Jahre alter Kaufmannslehrling auf dem neuen Friedhof mit einem Revolver einen Selbstmordversuch verübt. Die Kugel drang unter dem Herz ein konnte bis jetzt nicht entfernt werden. Seine Ueberführung ins Krankenhaus erfolgte sofort
weiß? Wäre e» nicht Sünde, Menschen in Ihrer Lage Versprechungen zu machen, die man nachher nicht zu Hallen vermag? Ich kann Ihnen nur da» sagen, daß selbst Baltimore noch keinen Kiel vom Stapel gelaffen hat, der es an Geschwindigkeit mit meiner Lady Blanche aufnehmen könnte, wenn ihr Gelegenheit gegeben wird, sich zu zeigen. Und nun dächte ich, suchen wir wieder die frische Luft auf.
Er schritt ohne weitere» voran, und wir folgten ihm. Als wir die Kajüte betraten, fanden wir den jungen Steward an dem Gläsergestell beschäftigt. Der Kapitän rief ihn sogleich heran und erteilte ihm in der verständigsten und sorglichsten Weise Befehle bezüglich des Ausräumens und der Einrichtung der beiden Kabinen. Er bestellte unter anderem eine noch vorhandene Matratze für Fräulein Temple, wobei er, sich gegen diese wendend, sagte: Ganz neu und noch niemals gebraucht. Auch einen Kasten bezeichnte er, in welchem noch einige Teppiche und mehrere gute Decken lägen. Es sollten, so befahl er, der Dame alle Bequmlichkeiten geschaffen werden, welche die Bark biete« könnte. I» ähnlicher Weise sorgte er auch für mich. Sein ganze« Wesen zeugte von der gastfreundlichsten Fürsorge.
Ich war ganz gerührt hiervon und sagte: Herr Kapitän, Sie setzen un» tief in Ihr Schuldbuch durch ihr edelmütige»-
Kein Wort darüber, bitte, unterbrach er mich Ich habe eine Seele und kenne meine Pflicht. — Nur noch rin Wink für Sie, mein Fräulein. Sie tragen herrliche Juwelen ; folgen Sie meinem Rat und stecken Sie dieselben in Ihre Tasche.
Sie sah mich erschreckt an.
Ja, ja, nickte ich ihr lächelnd zu, folgen Sie nur. Der Kapitän eine» Schiffe» ist Herr und Gebieter, dem muß man gehorchen.
Stillschweigend zog sie einen Ring nach dem andern von den Fingern und nahm auch ihren Hals- und Brustschmuck ab. Dann reichte sie mir alle»: Bitte, bewahren Sie e» auf, und fügte hinzu: Die Ohrringe werde ich später ablegen.
Ich rate — sogleich, Madam, mahnte der Kapitän. Auch werden Sie gut tun, sich ihrer Uhr nebst Kette zu entledigen.
Wiederum traf mich ihr erstaunter Blick.
Tun Sie nur alle», wie Kapitän Braine rät. Er wird ja seine Gründe dazu haben, sagte ich bedeutsam.
So wanderten auch diese Gegenstände in meine Tasche. Nun kam ich an die Reihe.
Der Kapitän schielte nach meiner Uhrkette, meinem Siegelring und meiner Busennadel. Auch Sie haben nicht nötig, Kostbarkeiten zu zeigen, sprach er. Verstecken Sie wenigstens Uhr und Siegelring; was die Busennadel betrifft, — er kniff ein Auge halb zu — na, vielleicht tut die keinen Schade« da, wo sie ist.
Er wartete, bi» ich die Dinge in meiner Westentasche geborgen hatte. Dan», nachdem er scheu nach vor», nach hinten und zum Oberlicht hinaufzeblickt und mit verhaltenem Atem gespannt gehorcht hatte, trat er dicht vor uns hin und flüsterte kaum hörbar: Meinen Leuten nämlich ist nicht zu trauen. — Pscht! — Wenn Sie ahnten, daß ich Verdacht gegen sie hege, würden sie mir den Kopf abhauen und mich über Bord werfen!
Fräulein Temple faßte entsetzt meinen Arm.
I, wa« denn? zischelte ich, nur mühsam meinen Schreck verbergend. Lasten Sie mich recht verstehen, wir sind doch hier in keiner Räuberhöhle?
Wieder sah er ängstlich und nervös um sich, und dann die Finger der linken Hand spreizend, berührte er einen nach dem andern, indem er un» dumpf zuraunte: Erstens habe ich allen Grund, zu glauben, daß der Zimmermann Lush vor vier Jahren einen Mord verübte.
Guter Gott! fuhr es mir unwillkürlich heraus.
Pscht, wachte er, die Hand lebhaft hebend. Keinen Laut. Dann zählte er weiter: Zweiten» besteht nicht der Schatten eine» Zweifel», daß mindestens zwei meiner Vollmatrosen entflohene Sträflinge sind. Ferner ist ein Mann in eine Meuterei verwickelt gewesen, die mit dem Hängen der Rädelsführer endete. (Forts, folgt.)