818

der Krankenversicherung und der Einführung der Hinterbliebenenversicherung würden also nach dieser im ReichSarbeiUblatt wiedergegebenen Rechnung den Arbeitern ohne eigene Mehr­belastung zugute kommen. Da« Kaiserliche Sta­tistische Amt kommt bei seinen Betrachtungen über die Arbeiterversicherung in Europa nach dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung in den verschiedenen Staaten zu dem Schluß:daß die Gesetzgebung in Deutschland den Arbeitern am günstigsten ist, weil sie vermöge de« allgemeine« VersicherungSzwanges nahezu alle Arbeiter gegen Krankheit, Unfall, Jtzvqlidität und Alter sichert, die größere Hälfte der Beitragslasten den Arbeit­gebern auferlegt, für Dauerschäden nicht ein­malige Abfindungszahlung, sondern Renten ge­währt, zu jeder Invaliden- und Altersrente einen jährlichen Reichrzuschvß von 50 Mk. leistet und bei freiwilliger Höherverficherung den Versicherten erhöhte Bezüge ermöglicht; weil sie ferner neben den Geldleistungen wertvolle Sachleistungen bietet, insbesondere freie« Heilverfahren für Erkrankte, Verletzte und Arbeitsschwache bis zur Heilung und Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit; end­lich weil sie durch vorbeugende Maßnahmen auf den Gebieten der Krankheit«- und Unfallverhütung und durch planmäßige Bekämpfung der Volkr- krankheiten die VolkSgesuvdheit und VolkSwohl- fahrt mächtig fördert."

TageSvesigkeite».

Calw. Heute Abend konzertiert in der Brauerei Dreiß" eine ungarische Zigeuner­kapelle. Auf Grund vorgelegter Zeugniste kann der Besuch des Konzert» nur bestens empfohlen werden.

Calw 11. Aug. Ludwig Palmer aus Schorndorf, neben demAlten von Warmbronn" der bekannteste schwäbische Dichter aus dem Volke, wird nächsten Samstag im Bad. Hof einen ge­nußreichen Abend mit seiner Familie veranstalten. Palmer, der al« Autodidakt schwer zu kämpfen hatte, bis er sich zum anerkannten und jetzt ge­schätzten VolkSdichter durchgerungen hat, gibt eigene Rezitationen, welche, wie uns ein Blick in das reichhaltige Programm verrät, mit musi­kalischen Darbietungen abwechsel«. Dem kunst­liebenden Publikum steht ein genußreicher Abend bevor und ist der Besuch empfehlenswert. 0.

Tie Prüfung im Hufbeschlag hat mit Erfolg bestanden und damit die Befähigung zum Betrieb des Hufbeschlaggewerbes erbracht: Ayafse, Heinr. von Neuhengstett.

Schwann OA. Neuenbürg 10. Aug. Auf der Landstraße zwischen hier und Neuenbürg wurde gestern abend der 50jährige ledige Fuhr­mann Jakob Roth fuß von SimmerSfeld, al«

er die Bremse seines Wagens aufdrehen wollte, von seinem Fuhrwerk überfahren. Da« Rad ging ihm über die Brust. Ee war sofort tot. Radfahrer sahen den führerlosen Wagen und fanden den Fuhrmann auf der Straße liegen.

Herrenberg 10. Aug. Dem erkrankten, mit etwa 1Millionen Passiven im Konkurs befindlichen Getreidehändler Weik hat nun der Untersuchungsrichter vom Landgericht Tübingen einen Krankenbesuch abgestaltet. E« scheint zu­nächst ein Vergehen des Bavkrutt« (Verbrauch übermäßiger Summen im Differenzhandel) in Frage zu stehen. Wa« sich au« der Untersuchung ergibt, muß noch abgewartet werden.

Bittelbronu OA. Horb 10. Aug. Waldschütz Stehle von hier hat eine seltene Jagdbeute erwischt. Als er auf einen Schwarm Wildtauben schoß, war mitten unter diesen ein seltsamer Vogel, den sich Stehle näher betrachtete ei» wunderschöner Papagei. Das Tier mußte sich schon längere Zeit in Freiheit befinden, da es sehr gut fliegen kann. Glücklicherweise wurde der Papagei durch den Schuß nur leicht verletzt und ist wieder ganz frisch und munter. Woher der Papagei stammt und wie er unter die Wildtauben kam, war bisher nicht zu ermitteln.

Stuttgart 10. Aug. Der König hat dem katholischen Pfarrer Sohler in Altmanns­hofen, OA. Leutkirch, anläßlich besten 50jährigen Priesterjubiläum da« Ritterkreuz I. Klasse des Friedrichsorden« verliehen. Der evangelische Pfarrer Dr. Paulus in Kilchberg, Dekanat Tübingen, wurde seinem Ansuchen gemäß in den Ruhestand versetzt und ihm bei diesem Anlaß das Ritterkreuz I. Klaffe de» FriedrichSorden« ver­liehen.

Stuttgart 10. Aug Bei einem Au«- flug, den der Deutsche Metallarbeiterverband in dir Schweiz unternahm, ist der Maler Artur Steinhäuser von Stuttgart, der in Be­gleitung seine» Vater« und seiner Brüder eine Tour im Gotthardgebiet unternahm, abgestürzt. Der Verunglückte wurde mit Hilfe von Truppen geborgen; er erlitt jedoch so schwere Arm- und Ri'ppenbrüche und eine Schädelverletzung, daß der Tod am nächste« Tage eintrat. Steinhäuser war verheiratet und Vater eines Kinde«. Die au« Eßlingen datierte Mitteilung, daß der Ver­unglückte der 33 Jahre alte Johann Bauer sei, beruht auf einem Irrtum, der wohl darauf zu­rückzuführen ist, daß der Name de« Geschäfts­teilhabers Steinhäuser«, des Zimmermaler« Jo­hannes Bauer, der sich gleichfalls an der Reise beteiligte, in dem betr. Telegramm genannt war.

Maulbronn 10. Aug. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In letzterer an­genehmen Rolle befinden sich zur Zeit die hiesigen

Fleischkonsumente». Infolge eines Konkurrenz­kampfes hiesiger Metzger ist bei einem Kalb- uud Schweinefleisch auf je 80 ^ und Rindfleisch auf 75 ^ gesunken. Innerhalb 6 Tagen gingen die Preise um 10 -) zurück. Der Konsum hat sich infolgedessen bedeutend gehoben.

Gmünd 10. Aug. In der Strafsache gegen den früheren Schultheißen in Reichenbach hies. Oberamts, Andrea« Grupp, wegen Unter­schlagung, beläuft sich nach der bisherigen Be­rechnung der Abmangel in der Darlehenskasse von Reichenbach auf 70 631 davon fehlt über den Verbleib eines Betrags von 3040 000 noch jeglicher Nachweis. ES besteht der Verdacht, daß Grupp die Gelder versteckt oder sonst bei­seite geschafft hat. Der Untersuchungsrichter am Landgericht Ellwangen ersucht um sachdienliche Mitteilungen hierüber mit dem Bemerken, daß solchen Personen, durch deren Hilfe es gelingt, weitere Vermögenswerte zu Gunsten der Konkurs­masse ausfindig zu machen, vom Konkursverwalter der gesetzliche Finderlohn und, fall« ein größerer Betrag beigebracht wird, vom Darlehens kasten­verein außerdem eine besondere Belohnung von 200 ^ zugesichert worden ist.

FriedrichShafen 9. Aug. Wie der Oberschw. Anzeiger" erfährt, soll da« nächste Zeppelin-Luftschiff im kommenden Jahr an den Flugplatz Johannistal bei Berlin geliefert werde». Wenn da« Blatt gleichzeitig meldet, die Zeppelin-Luftschiffbau-Gesellschaft beabsichtige niemals ein Luftschiff für Pastagierfahrten dauernd hier zu stationieren, FriedrichShafen und Umgebung müsse sich mit gelegentlichen Probe­flügen begnügen, so ist da« eine ganz irre­führende Meldung. Einmal hat die Zeppelin- Luftschiffbau-Gesellschaft mit der Stationierung der Luftschiffe gar nicht« zu tun (sie baut die Luftschiffe) und dann hat dieDelag" um diese handelt e« sich bei der Frage der Sta­tionierung irgend ein Programm noch nicht entworfen.

Biber ach 10. Aug. Wie dieNeue AugSb. Ztg." aus Wiesenburg i. Mark berichtet, ereignete sich am Montag Vormittag ein bedauer­licher Jagdunfall. Der bei dem Grafen von Fürstenfiein zum Besuch weilende Freiherr von König aus Biberach bestieg mit dem Förster Engelmann zum Anstand eine Kanzel. Diese brach dabei durch. Beide fielen hinab. Dabei entlud sich da« Gewehr de» Freiherrn und traf den sich an Zweigen haltenden Förster, der sofort tot herabfiel.

Von der bayerischen Grenze 10. Aug. Auf dem Volksfest in Lechhausen unternimmt der Luftschiff-Akrobat H. Th. Thomik Auf­

bebender Hand legte ich da» Gla« nieder. In tiefer Bewegung blickte ich still in die See hinaus.

Gut, daß Sie nicht mehr da auf dem Ding waren. Sie wären jetzt himmelhoch, oder auch klaftertief, bemerkte der Kapitän mit einer mich unangenehm berührenden Gleichgültigkeit. ES muß Ihnen doch wohl sein an Bord eines so nette», sauberen, kleinen Schiffe«. Wenn Sie über­haupt ein nautische» Urteil haben, Madam, so gucken Sie mal hinauf und sagen Sie mir, ob e« einen Ostindienfahrer oder meinktwegen auch ein Kriegsschiff gibt, besten Spieren dastehrn wie meine Masten, die wie die Helligen Säulen eine« Tempels gen Himmel weisen und mit ihren vollen, kleinen, weißen Schwingen obendrauf einem vor über fliegenden müden Engelein al« Wolke dienen könnten, sich darauf autzuruhen!

Er sprach die» au» so tiefer Seele, daß ich mich nach ihm umdrehte.

Wie in Extase stand er da den Kopf im Nacken, beide Hände über der Brust gekreuzt, da« rechte Bein,-im Kniee leicht gekrümmt, etwas vorgesetzt, den Blick wie gebannt auf die oberste Leinwand der Großmaste« geheftet. Genau eine Pose, wie man sie öfter auf der Bühne sieht.

Ich wußte nicht, wollte der Mann zur Erheiterung von Fräulein Temple eine Rolle aufsühren oder litt er an Halluzinationen? Ver­wundert und fragend sah ich auf den alten, grämlichen Zimmermann Lush, aber der kaute nur mechanisch an seinem Primchen mit einem Gesicht, wie au« Holz geschnitten.

Fräulein Temple trat ängstlich an meine Seite und flüsterte nach der See gewandt: Ich glaube der ist nicht ganz richtig im Kopf.

Scheint so, erwiderte ich ebenso leise, aber sein Schiff ist gesund. Und im selben Atem sagte ich:

Herr Kapitän, haben Sie nicht eine Kabine für die Dame? Wo Eie mich unterbringen, ist mir gleich; ich begnüge mich mit einer Hänge­matte oder schlafe auch in eine Decke gewickelt auf einer Planke.

O, unten ist Platz für Sie beide. Die Kabine de» Maat« steht ja leer, die kann die Dame erhalten. Und daneben ist eine Kabine mit

einer Pritsche für Sie. Kommen Sie mit und sehen Sie selbst ob es recht ist. Er schritt voran und geleitete un« durch die Kajüte in einen etwa« tiefer gelegenen Gang, zu welchem ein paar Stufen hinabführten.

Trotz der hier herrschenden Dunkelheit konnte ich erkennen, daß wir uns in einer Art niedrigem Zwischendeck befanden, an besten Enden Kiste« und verschiedene Güter so dicht verstaut waren, daß sie eine vollständige Wand zwischen dem vorderen Teil de« Schiffes und dem diesseitigen bildeten.

Der Kapitän öffnete eine kleine Tür auf der Backbordseite, und wir blickten in eine niedrige, aber saubere und luftige Kabine, die durch ein rundes Fenster genügend Licht empfing. In ihr befanden sich außer einigen Seekisten, ein Gestell mit Büchern, eine Pritsche mit einer Matratze und mehreren Decken, ein mit Seekarten bedeckter Tisch, einige an de» Wänden hängende Kleidungsstücke, zwei Stühle und noch einige andere Gegenstände.

Hier werden Sie e» behaglich finden können, Madam, sagte der Kapitän.

Sind hier auch keine Ratten? fragte Fräulein Temple ängstlich umherspähend.

Hilf Himmel, nein, Madam! Höchstens mal eine Schwabe?

Aber die Kabine scheint bewohnt, bemerkte ich.

Sie war es, junger Mann, sie war es, nickte er traurig mit hohler Stimme. Mein erster Maat hat hier gewohnt. Aber jetzt ist er tot, Herr tot und dahin!

Etwas erschreckt fragte Fräulein Temple, wann der Mann gestorben ser.

Vor drei Woche», antwortete der Kapitän wiederum mit Grabes­stimme, al» wenn ihm für eine so traurige Mitteilung nur der dumpfeste Ton paffend erscheine.

Darf ich die nächste Kabine ansehen? bat sie.

Bitte.

Er schritt nach der nebenan liegenden Tür und öffnete sie.

(Fortsetzung folgt.)