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konnten die Züge der Schmalspurbahn Ochsen­hausenBiberach während einiger Stunden nur zwischen Ochsenhausen und Warthausen verkehre».

Stuttgart 35. Juli. Da- Stuttgarter Waisenhaus beging heute die Feier seine» 200jährigen Bestehen» auf schlichte Weise. Zu der Feier hatten sich auch viele frühere Zög­linge eingefunden. Dem Festakt in der Waisen­hautkirche wohnten Vertreter von staatlichen und städtischen Behörden an. Der Vorstand der Anstalt, Oberinspektor Dr. Lempp, hielt eine Ansprache, in der er einen geschichtlichen Ueber- blick gab. Die Glück- und Segenswünsche de» König», de» Kultministers, der Oberkirchenbehörde und der Kommission für die ErziehungShäuser übermittelte Direktor v. Krafft. Namens der Waisenhäuser in Ochsenhausen und Markgröningen sprachen Oberinspektor Pfister und Rektor Dr. Paret. Die Glückwünsche der Stadtverwaltung überbrachte Gemeinderat Dr. Ludwig, die der evang. Kirchengemeinde Stadtpfarrer Gauger. Namens der Lehrer, die am Waisenhaus gewirkt haben, sprach Rektor Hil«. Die Ansprachen waren von Gesängen des Waisenchor» umrahmt. Der Feier wohnte auch Regierungsdirektor von Hieber bei. Nach dem Festakt wurde von Zöglingen im Speisesaal der Anstalt ein Festspiel aufgeführt. Den Schluß bildete ein Kinderfest in Degerloch.

Stuttgart 25. Juli. Au» den Mitteln der König Karl-Jubiläumsstiftung ist eine Summe von 3000 ^ zum besten derjenigen Landwirte, die in diesem Jahr Ueberschwemmung»- und Gewitterschaden erleiden, zur Verfügung ge­stellt worden.

Stuttgart 35. Juli. Ein trübe» Bild von dem gegenwärtigen Stand der Weinberge geben mit wenigen Ausnahmen die Berichte der Vertrauensmänner de» Württ. Weinbauverein». Die Hoffnungen auf einen der Menge nach befriedigenden Herbst sind recht zusammen­geschrumpft. Die fast 4 Wochen andauernde regnerische Witterung hat sehr ungünstig gewirkt; infolgedessen ist an vielen Orten die Gelbsucht, der Perenospora-Pilz, der wahre Meltau, der Heuwurm usw. aufgetreten. In den wärmeren Lagen, wo die Blüte vor der Regenperiode ver­laufen konnte, wird e» ganz hübsch Wein geben und er kann dort auch noch recht gut werden; in den geringeren Lagen aber wird der Herbst mäßig und ungleich ««»fallen.

Stuttgart 25. Juli. (Strafkammer.) Der Maurer Paul Treiber wurde wegen Mißhandlung seiner Frau zu 3 Wochen Gefängni» verurteilt. Es wurde festgestellt, daß der Angeklagte seine Frau mehrmal» mit einem Besenstiel und einmal mit einem Peitschenstock geschlagen hat. Von der Anklage ihm zur Last

gelegte schwere Mißhandlungen konnten ihm nicht nachgewiesen werden. Die inzwischen verstorbene Frau war dem Trunk ergeben, sie vernachlässigte die Haushaltung und bereitete dadurch ihrem Mann viel Aerger und Verdruß.

Wangen-Stuttgart 35. Juli. Mit dem Pflücken der Einmachgurke« wurde be­gonnen. An mehreren Sammelstellen wurden bereit» welche gefaßt. Bezahlt werden für 100 Stück 40 A Infolge de» Regenwetter» sind die Ansätze der Blüten und Frucht ziemlich gering. Die Ernte ergibt einen großen Ausfall gegen­über dem Vorjahre.

Fre « deustadt 35. Juli. In der letzten GemeinderatSsitzung wurde auch die Frage der Errichtung eine» Konversationshause» gestreift. An die Erwerbung eines Gartens sollte der ausdrückliche Vorbehalt geknüpft werden, daß wenn früher oder später ein KonversationS- haus gebaut werde, die» auf den Marktplatz zu stehen kommen müsse. Der Vorsitzende hatte einen entsprechenden Eintrag in da» Protokoll­buch formuliert, meinte aber, es sei fraglich, ob ein solcher Beschluß bindend sei, für alle Zeiten und für alle Stadtvertretungen. E» brauche dies aber trotzdem kein Grund zu sein, diesen Beschluß wenigstens al» den ausgesprochenen Willen der gegenwärtigen Stadtvertretung zu fassen. Die Angelegenheit wurde hierauf vertagt.

Kirchheim u. T. 24. Juli. Der seit mehreren Wochen steckbrieflich verfolgte Stadt- schultheiß Kauderer in Owen ist in letzter Nacht zu den Seinigen zurückgekehrt, wurde aber kurze Zeit nach seinem Eintreffen verhaftet und in das Amtsgerichtsgefängnis hier eingeliefert.

Vom HärdtSfeld 25. Juli. Von einer Korrespondenz ist folgende Nachricht in der Presse verbreitet worden:Vom HärdtSfeld 22. Juli. Gestern abend wurde der Landjäger von Ebnat, während er einer Zigeunerbande im Wald auf die Spur kam, von dieser totgeschlagen. Selbstverständlich wird nach allen Richtungen nach »dieser gefahndet." Wie von zuständiger Stelle verlautet, ist kein wahres Wort an der Meldung. E« hat nicht einmal ein Zusammen­stoß mit Zigeunern stattgefunden.

Rottweil 25. Juli. Am Samstag kam vor der hiesigen Strafkammer die Messer - affäre zur Verhandlung, bei der eine ganze Anzahl ruhig an ihrem Stammtisch fitzende Bürger zum Teil sehr schwer verletzt wurden. Die Täter und nunmehr Angeklagten waren die Pulver­arbeiter Franz Göbel von Sayn, Kreis Koblenz, und Heinrich Wagner von Stuttgart. Sie pro­duzierten sich in einer Wirtschaft im Gedanken­

lesen und anderen Kunststücken, die teilweise miß­langen ; als abfällige Stimmen unter den Gästen laut wurden, hieben die beiden plötzlich blindlings auf die Leute mit ihren Messer« ein. Göbel, der eine Anzahl Vorstrafe« wegen Körperverletzung hat, wurde wegen fünf Vergehen der Körper­verletzung zu 2 Jahren Gefängnis verurteilt, Wagner wegen eines Vergehens der Körper­verletzung und Werfen» mit einem Stuhl zu 6 Wochen Gefängni».

Baindt OA. Ravensburg 35. Juli. Im Oktober v. I. wurde einem Bauern in Mar«- weiler ein Portemonnaie mit 390 worunter zwei blauen Reichsbanknoten, die in einem äußeren Seitenfach steckten, gestohlen. Der Dieb wurde alsbald verfolgt und in DurleSbach eingeholt. Es fanden sich von dem gestohlenen Geld nur 190 ^ bei ihm vor. Den Geldbeutel, gab er an, unterwegs im Walde weggeworfen zu haben, nicht wissend, daß in ihm auch noch 200 ^ in Papiergeld steckte». Damals wurde lange aber vergeben» nach dem Geldbeutel ge­sucht. Dieser Tage hat nun aber ein Holzhauer den Geldbeutel mit den beiden Banknoten in dem fraglichen Walde gefunden und dem rechtmäßige« Eigentümer zugestellt. Der Geldbeutel war von Mausen stark angenagt, die beiden Banknoten, wohl etwas flrckig, aber doch gut erhalten.

Friedrichshafen 25. Juli. In einigen Blättern befindet sich die Nachricht, daß die bereits einmol vertagte große Fernfahrt de» L2 6" nach Wien nach den jetzt vorliegenden Dispositionen bestimmt in der letzten Augustwoche statt findet. Wie die Luftschiffbau Zeppelin G. m. b. H. dem Südd. Corresp. Bureau milteilt, ist diese Nachricht falsch. Irgend welche bestimmte Dispositionen über die Wiener Fahrt sind noch nicht getroffen.

Vom Bodensee 35, Juli. Unter dem Verdacht, den Lustmord an dem Mädchen bei Lindau begangen zu haben, wurden 2 Arbeiter von Radolfzell verhaftet.

Nördlingen 24. Juli. Heute in der Frühe des Sonntagmorgens wurde im Kart­häusertal beim Karlshof, an der württ. Grenze, ein Wilderer erschossen. Dieser, ein junger Mann, besten Vater selbst Jagdpächter ist, wurde vom fürstlich Wallerstein-Oettingsche« Förster beim Wildern mitten im fürstlichen Revier betroffen. Auf Anruf soll er auf den Förster, der Vater einer zahlreichen Familie ist, angelegt haben, worauf ihm dieser zuvorkam und ihn erschoß. Der Förster machte seinem Vorgesetzten sofort telephonische Meldung; eine gerichtliche Kommission hat sich bereits an den Tatort begeben.

Dreizehnte» Kapitel.

Besuch auf der Korvette.

Die ersten Minuten vergingen schweigend. Nur der Leutnant er­teilte den Ruderern ab und zu eine Anweisung. Colledge und Fräulein Temple waren von der plötzlichen Veränderung zu sehr in Anspruch ge­nommen. Der niedrige Bootsrand, die unheimliche Nähe de» Master», die sich um so fühlbarer machte, al» die Bewegung der See doch nicht so schwach war, wie man auf dem Schiffe gedacht hatte, und die jetzt an­scheinend viel größere Entfernung von der Korvette übten jetzt einen beklemmenden Druck au».

Sagen Sie, Herr Leutnant, unterbrach ich da» Schweigen, welchen Eindruck hat Ihnen da» Wrack gemacht? Glauben Sie, daß e» ein Seeräuberschiff war?

Ja, darüber, erwiderte er achselzuckend, läßt sich schwer ein Urteil fällen. Papiere waren nicht vorhanden, vorn ist da» Schiff völlig aus­gebrannt, und wenn e» Kanonen geführt hat, so sind diese jedenfalls über Bord geworfen worden. Dagegen sah ich mehrere große Gestelle für Handwaffen und im Zwischendeck eine Menge aufgeschlungener Hänge­matten, die darauf schließen laste», daß da» Schiff eine ganz beträchtliche Besatzung gehabt haben muß. Da» Sonderbarste, wa» ich vorfand, war aber ein Mann im Deckhaus de» Achterlei!». Er fitzt an einem Tisch, den Kopf wie sinnend auf den linken Arm gestützt, in der rechten Hand eine Feder, gerade so, al» ob er-.

Ist er tot? unterbrach ihn Fräulein Temple erregt.

Ja. Er muß wohl plötzlich von einem Gehirn- oder Herzschlag getroffen worden sein.

Hu wie gruselig! Da sind Sie wohl schön erschrocken?

Der Leutnant lachte. O, gnädige« Fräulein, der Seemann darf keine Nerven haben, dem kommt vieles vor.

Und nun wurde er gesprächig, erzählte Wunderdinge von seinen

Reiseerlebnissen, kam dann auf die Heimat zu sprechen, freute sich wie ei» Kind, sie jetzt nach mehrjähriger Abwesenheit wiederzusehen, und stellte an uns mehr Fragen, al» wir zu beantworten vermochten.

Währenddem warf Fräulein Luise oft Blicke zur Seite, al« wenn sie besorgte, das mitunter bi» an den Bordrand wallende Master könnte in da« Boot schlagen. Doch zeigte sie keine eigentliche Aengstlichkeit, und selbst wenn sie ängstlich gewesen wäre, so hätte es mich nicht wunder ge­nommen, denn selbst mir war der Himmel nie so hoch, das durchsichtige Master nie so tief, die Grenze des Ozeans nie so unermeßlich fern er­schiene».

Es war heiß zum Braten; kein noch so leichte» Lüftchen fächelte unsere Wangen, und die Fahrt dehnte sich viel länger au», al» ich geglaubt hatte. Unser Schiff war zur Größe eine» Kinderspielzeug» zusammen­geschrumpft, als sich endlich unseren Augen der ganze stolze Bau der Kor­vette präsentierte. Wir konnten zwar hinter ihren hohen Schanzen noch keinen Menschen entdecken, indessen bemerkte» wir bald, wie man von Bord aus beobachtet und erkannt hatte, daß eine Dame im Boot saß, denn e» wurde eine Fallreeptreppe mit Geländer über die Seite gehängt.

Al« wir an dieser anlegten, empfing uns Sir Edward Panton, ei« großer, ausnehmend hübscher Mann mit grauem Haar. Er schien seine« Augen nicht zu trauen, al» Colledge ihn anrief. Fräulein Temple begrüßte er mit einer so höfisch respektvollen Würde, wie er sie einem Mitglied de» königlichen Hause» gegenüber nicht bester hätte zum Ausdruck bringe« können. Er bot ihr seinen Arm und führte sie unter ein Sonnenzelt, wohin er auch mehrere Offiziere einlud. Bei einem Imbiß, vortreffliche« Weinen, kühlenden Getränke« und Zigarren kam die Unterhaltung bald in Fluß. Sir Edward war entzückt, seinen Vetter zu sehen und uner­schöpflich in Fragen über die Heimat, Verwandte und Bekannte. Fräulein Temple und ich fanden in den anwesenden Offizieren prächtige Gesell­schafter und blickten zwischendurch neugierig und bewundernd auf die un» fremdartige Umgebung. (Forts, folgt.)