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Dienstag, den 26. Juli 1910.
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Tagesveuigkeite«.
6. Bad Tein ach 25. Juli. Trotz der anfangs sehr zweifclhaften Witterung und trotzdem in der Umgebung verschiedene Festlichkeiten aller Art stattfanden, hatte das Teinache rJakobi- sest (Hahnentanz), das mit Genehmigung des Kuratel der Königin Charlotte Mathilde-Stiftung, auf den gestrigen Sonntag verlegt wurde, einen ungeahnten Zuzug zu verzeichnen. Per Bahn, Auto, Rad, Wagen und zu Fuß strömten von allen Richtungen Zuschauer herbei. Der originelle Festzug, in dem die schmucken Gäu- und Waldtrachten wieder zahlreich vertreten waren, nahm um 3 Uhr beim Rathaus seine Aufstellung und bewegte sich unter Vortrab von Festreitern in Volkstracht durch die beflaggten Ortsstraßen zum Festplatze, dem sogenannten Lindengarten des Badhotel«, welcher Platz vom Besitzer in uneigennütziger Weise den festgebenden Vereinen (Schwarzwald-, Verschönerung«- und Volki- trachten-Verein) zur Verfügung gestellt war. Hier begannen die Volksbelustigungen: Wettlauf der Jungen und Alten, Weiblein und Männlein in Tracht, dann folgte der Hahnentanz, sodann Seilziehen, Wasserträger», Schuhwechsel, Sackhüpfen und Klettern. Den Schluß bildete das Eselwettrennen, da« vielen Spaß bereitete.
Neuenbürg 25. Juli. Von dem Oberlehrer Trefz aus Conweiler, hies, Oberamts, der nach einer Tour im Gebiet des Jlfinger bei Meran vermißt wurde, hat man immer noch keine Spur. Die Expedition, die nach dem Vermißten suchte, ist unverrichteter Sache zurückgekehrt. Am Abhang de« kleinen Jlfinger wurden von einem Hirten Gegenstände gefunden, die angeblich Trefz gehört habe» sollen. E» ist nicht ausgeschlossen, daß Trefz an der betreffenden Stelle abgestürzt
ist. Um das Nähere festzustellen, ist eine zweite Expedition bereits unterwegs.
Neuenbürg 25. Juli. Ein verheirateter Goldarbeiter wurde an das Kgl. Amtsgericht eingeliefert. Er soll als Zeuge bei einer Verhandlung wegen Körperverletzung, die im Laufe diese« Frühjahrs vor dem hiesigen Amtsgericht stattfand, unwahre Aussagen gemacht haben. Der sonst gut beleumundete Mann wird sich nun wegen Meineids zu verantworten haben.
Rotenbach a. d. E. 25. Juli. Ein so großer Andrang von Beerensuchern in die umliegenden Wälder wie Heuer, ist wohl noch nie dagewesen, was am besten der Eisenbahnverkehr auf der Strecke Pforzheim—Wildbad beweist. Allein auf der hiesigen Station sollen an einem Freitag über 600 Fahrkarten 4. Klaffe an heimkehrende Heidel- und Himbeersucher, die mit gefüllten Körben und Eimern abends aus den Wäldern angerückt waren, verkauft worden sein. Nicht wenig Beerensammler waren eigens von Pforzheim und Karlsruhe herbeigekommen. Sehr ärgerlich sind die Einheimischen ü ber diese auswärtige massenhafte Konkurrenz, was*aüch- i» Bekanntmachungen der Schultheißenämter im Oberamtsblatt zum Ausdruck kommt.
Leonberg 25. Juli. Gestern abend nach Einbruch der Dunkelheit begab sich der Jagdaufseher Kaiser des Konsuls Scharrer-Stuttgart in Begleitung eines Waldschützen in den Eltinger Wald. Plötzlich wurden mehrere Schüsse auf die Beiden abgegeben und Kaiser wurde am Kopf und an den Füßen schwer verletzt. Den 3 Tätern, die bei der Dunkelheit nicht erkannt werden konnte», gelang e», zu entkommen. Man fand nur 2 Hüte und e« wird vielleicht auf Grund dieses Fundes möglich sein, den Urhebern auf, die
Spur zu kommen. Inzwischen find bereits einige Verhaftungen vorgenommen worden; die Betreffenden konnten jedoch ihr Alibi Nachweisen und wurden wieder entlassen. Der verletzte Jagdaufseher Kaiser steht in den 30er Jahren; sein Zustand ist sehr bedenklich. Er war zunächst in da« Leonberger Krankenhaus und heute in ein Stuttgarter Hospital zur Vornahme einer Operation gebracht worden.
Leonberg 25. Juli. Vor dem „Waldhorn" hielt am SamStag ein Ei er Händler. Diese Gelegenheit benützte ein Vorbeigehender und füllte seine Taschen mit Eiern. Der dazu kommende Händler gab dem Dieb einige Ohrfeigen und zerschlug ihm die Eier in den Taschen. Als er später Butter verkaufe» wollte, den er ebenfalls auf seinem Wagen mitführte, war sein ganzer Vorrat verschwunden. Anzeige ist erstattet.
Stuttgart 25. Juli. In der Nacht zum Sonntag ist der Schnellzug 2 Friedrichshafen—Ulm bei der Ausfahrt in Biberach infolge Einstellung einer unrichtigen Fahrstraße auf das neben dem Betriebsgeleis liegende auf der nächstfolgenden Station^- Wnthausen noch nicht angeschloffene Bauglei»<daS künftige zweite Gleis, geraten und da das Zugpersonal die richtig aufgestellten Haltesignale nicht beachtete, auf diesem Gleis bis in die Nähe der Station Warthausen gefahren. Die Lokomotive setzte über den am Gleisende angebrachten Schwellenabschluß weg und entgleiste samt dem Tender. Der Bahnpostwagen entgleiste mit einer Achse, die übrigen Wagen blieben im Gleis. Der Zug wurde als Sonderzug bis Stuttgart weitergeführt. Personen wurden nicht verletzt. Der Materialschaden ist nicht bedeutend. Der Betrieb auf der Hauptlinie wurde nicht gestört, dagegen
Die Goldinsel.
Seeroman von Clark Russell.
(Fortsetzung.)
Ich schlenderte nun nach dem Fallreep, wo da« Boot inzwischen angelegt hatte. Die schmucke» Burschen waren eifrig über dem ihnen vom Kapitän geschickte» Flaschenkorb her, schenkten sich munter ein und spannen ein richtiges Seemannsgarn mit unseren Leuten, die dicht aneinandergedrängt auf der Schanzkleidung hockten. Es wurde viel gelacht; offenbar war der Besuch für da« ganze Schiff ei» frohes Ereignis.
Nach etwa einer halben Stunde erschien der Kapitän mit seinem Gast, Tante und Nichte, sowie Colledge wieder auf Deck, und letzterer teilte mir sogleich mit, daß der Leutnant uns mit Vergnüge« mitnehmen und auch wieder zurückbringen wolle — aber — fügte er, mich fast schüchtern ansehend, hinzu, wa» werden Sie sagen — Fräulein Temple will mit.
Hm, machte ich etwa» betroffen. Auch noch andere Damen?
Er zog eine Grimasse und flüsterte: Nein; der Leutnant schien zwar die größte Lust zu haben, auch Fräulein Hudson einzuladen, aber ich bat ihn, davon Abstand zu nehmen, weil dann Fräulein Luise entschieden zurückgeblieben wäre. Sie wissen ja, sie macht sich nicht viel aus den Damen an Bord, und mir liegt daran, sie mit meinem Vetter bekannt zu mache«. Sehen Sie, fuhr er, mich verschmitzt anblinzelnd, fort, er sucht doch jedenfalls meine» Vater zu Hause auf, und da wird er ihm natürlich von ihr erzählen. Da» ist so ein kleiner Hintergedanke von mir.
Weiß Fräulein Temple, daß Sie mich aufgefordert haben?
Versteht sich. Da« habe ich ihr gleich gesagt.
Und wie nahm sie die Mitteilung auf?
Mt Begeisterung, schrie er.
Kann ich mir lebhaft vorstellen, lachte ich. Aber ich gehe trotz ihrer Begeisterung mit.
Unsere Unterhaltung wurde hier durch einen lauten Aufschrei unterbrochen. Frau Radcltffe hatte ihn ausgestoßen; sie stand bei ihrer Nichte, und diese hatte ihr, wie sich gleich ergab, soeben von ihrer Absicht, mit- zufahre» erzählt.
Davon kann gar keine Rede sein, rief die alte Dame in Todesangst. Ich verbiete e» dir auf da« Bestimmteste.
Ach, sei doch nicht so ängstlich, Tante, hörten wir weiter, da« Meer ist doch so ruhig wie ein Teich.
Wenn auch. Nein, nein, ich mag nicht« davon hören. In dem kleinen Boot! Ich bitte dich um Gotteswillen! ES kann «mkippen und du kannst ertrinken! Ich erlaube es unter keinen Umständen! Bedenke doch, wa« würde deine Mutter sagen!
Die würde es mir gewiß erlauben, davon bin ich fest überzeugt. Mache mich doch nicht lächerlich, Tante und sei mir nicht böse, aber ich fahre. ES ist wirklich ein harmloses Vergnügen bei der See. Also sei nicht töricht, Tantchen.
Die alte Dame appellierte nun in ihrer Angst an den Kapitän, der mit dem Kopfe wiegend etwas zweifelhaft den Horizont ringsum betrachtete, aber zu keiner Antwort kam, da jetzt der Leutnant um die Briefe bat und sich empfahl. Der Kapitän und viele, die die Abfahrt de» Boote» mit ansehen wollten, begleiteten ihn zum Fallreep. Dann auf einmal, ich weiß nicht mehr, wie e» kam, saßen wir drei im Boot, der Leutnant ergriff da« Steuer, der Bugriemen stieß ab, die andern Riemen senkten sich, und unter den kräftigen Schlägen der Matrosen schoß da» Boot dahin. Das letzte, was wir an Bord sahen, war der Kapitän, lebhaft gestikulierend, wie e» schien, in dem Bemühen, der armen Frau Radcliffe Trost zuzusprechen, die mit dem Taschentuch vor den Augen an der Reling stand und weinte.