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wünsche deshalb, daß die Herren sich von den Anstrengungen dieser Tage recht gut erholen und auf den Winter wieder frisch gestärkt und recht arbeitsfreudig sich zusammenfinden mögen. (Bravo!) Der Alterspräsident Bantleon er­widerte namens de« ganzen Hauses die Wünsche de» Präsidenten, dessen ruhige, umsichtige und unparteiische Art der Geschäftsführung die Ver­handlungen stets wesentlich gefördert habe. Möge der Präsident in der einmütigen Anerkennung seiner Tätigkeit die Belohnung dafür erblicken. (Bravo!) Präsident v. Payer dankte für diese Anerkennung. Er habe schon über tausend Sitzungen präsidiert und hierbei Erfahrungen und Routine gesammelt, frischer und leistungs­fähiger sei er aber in dem langen Zeitraum nicht geworden. Wenn die Geschäfte sich ruhig ab­wickeln sollen, so müsse das Hau« selbst dazu beitragen, und hieran habe es in den letzten Jahren so wenig gefehlt, wie in früheren Land­tagsperioden. Damit schloß die Sitzung, der um 1 Uhr »och eine gemeinschaftliche folgte.

Stuttgart 16. Juli. So anerkennens­wert die Absicht der Stadtverwaltung ist, dem Volksfest durch die Veranstaltung einer Flugwoche auf dem Cannstatter Wasen eine erhöhte Anziehungskraft zu verleihen, mehren sich doch die Bedenken gegen die Ausführung des Unternehmen». Vielfach wird darauf hingewiesen, daß der Tribünenkreis auf dem Wasen viel zu klein für derartige Experimente ist und daß die Zuschauer zweifellos bei einem Versagen des Motors oder sonstigen Zwischenfällen durch die schweren Maschinen in eine große Gefahr ge­raten. ES verlautet daher auch, daß die Sicher­heitsbehörde in eine nochmalige Prüfung de« vom Volksmunde bereit»Kuhfliege" getauften Projektes eingetreten ist und daß ihre Bedenken eine erhebliche Umgestaltung de» sportlichen Ar­rangements zur Folge haben werden, fall» diese» nicht mit Rücksicht auf die Enge des Platzes und auf die vielen, bei ähnlichen Veranstaltungen bereit» vorgekommenen Unglückssälle ganz unter­bleibt.

Stuttgart 16. Juli. DerStaats- anzeiger" schreibt: Das heftige Wiederauftreten der Cholera in Rußland die letzte amtliche Mitteilung der russischen Regierung weist für die Woche vom 19. bis 25. Juni 1910 3566 Er­krankung»- und 1420 Todesfälle in 23 Gouverne­ment» und Territorien nach zwingt, die Mög­lichkeit der Einschleppung der Seuche nach Deutschland ins Auge zu fasten. Es hat des­halb da» Ministerium de» Innern durch Ver­fügung vom 14. Juli die Meldepflicht für ans Rußland zureisende Personen wieder eingeführt.

Stuttgart 15. Juli. In letzter Zeit

hat ein Unbekannter, der sich als Kaufmann Friedrich Mühlbach aus München ausgab, da­durch Betrügereien verübt, daß er sich in einem Hotel einmietete und sich teure Seiden­stoffe für seine angeblich kranke Mutter in» Hotel bringen ließ, wo er damit verschwand. Er hat sich auf diese Weise drei Stücke Seidenstoff und drei Straußfedern im Werte von 350 ^ erschwindelt und wird die» auch anderwärts ver­suchen, weshalb vor ihm gewarnt wird. Der Betrüger ist 27 Jahre alt, mittelgroß, untersetzt, hat volles Gesicht, kleinen blonden Schnurrbart und tmg Juppenanzug mit gelben Schuhen.

Stuttgart 17. Juli. DerSchwäb. Merk." bestätigt die Verpflichtung der Deutschen Partei, im kommenden zweiten Wahlgang der Welzheim er Ersatzwahl für den volk« partei­lichen Kandidaten einzutreten, indem er miiteilt, daß der geschäftsführende Ausschuß der Partei alsbad Schritte getan habe, auf die Welzheimer Parteifreunde dahin einzuwirken, daß sie für den zweiten Wahlgang die Kandidatur Scheiger zu Gunsten des volksparteilichen Kan­didaten zurückziehen.

Göppingen 16. Juli. In der gestrigen Sitzung der Gemeindekollegien wurde die Er­bauung eines Krematoriums auf dem neuen Friedhof einstimmig beschlossen. Die Kosten find zu rund 40 000 ^ veranschlagt, für deren Ver­zinsung und Amortisation der hiesige Feuer­bestattungsverein die Garantie übernommen hat. Mit dem Bau soll sofort begonnen werden. Des Weiteren haben die bürgerlichen Kollegien die Löhne der beim städtischen Hoch- und Tief­bauamt beschäftigten Arbeiter aller drei Lohn­klaffen nicht unwesentlich erhöht. Zunächst tritt von der nächsten Lohnperiode an ein Aufschlag von 20 ^ pro Arbeitstag ein. Den Angehörige» der Lohnklaffe I und II (gelernte Arbeiter) wurde nach 5jähriger Dienstzeit ein jährlicher Urlaub von 3 Tagen, unter Fortbezahlung de» Lohnes, bewilligt. Das Gesuch der Nachbargemeinde Bartenbach um Eingemeindung haben die Ge­meindekollegien einstimmig abgelehnt, da die finanziellen Opfer der hiesigen Stadt zur Zeit zu große wären und ein dringender Grund für die Eingemeindung nicht vorliegt.

Tuttlingen 16. Juli. Um in der Frage der Aussperrung in der Schuh­industrie eine Einigung zu erzielen, fanden gestern erneut Verhandlungen statt. Das Ergebnis mußte diesmal befriedigend ausfallen, da der Fabrikantenverein den Forderungen der Arbeitgeber in weitgehender Weise entgegenkam und außer einem 2 5 "/eigen Lohnzuschlag für Ueberstunden bezüglich der vielumstrittenen Mit­tagspause beschloß, daß die Arbeitszeit bis zum

1. September nachm, von '/«2 Uhr bis 6 Uhr und vom 1. September ab von V-2 Uhr bis 6 Uhr dauern soll. Damit haben die Arbeiter einen vollen Erfolg erzielt. Die Aussperrung ist aufgehoben und die Arbeit wird am Montag wieder ausgenommen.

Friedrichshafen 16. Juli. Der hies. VerkehrSverein wendete sich an die Luftschiffbau- Zeppelin G. m. b. H. mit einer Eingabe um Auf­nahme der Passagierfahrten mit 1^2 6, der müßig in der Halle liegt, in Friedrichshasen und Umgebung. Es wäre die» im Interesse de» sehr flauen Fremdenverkehr» am Bodensee und für alle Uferstädte am Bodensee sehr zu begrüßen, Paffagiere, die 200 ^ für eine ein- bis zwei­stündige Fahrt ausgeben können, scheuen auch nicht die Kosten zu einer Reise an den schönen Bodensee, der mit seinen wechselvollen Bildern für eine Luftreise mehr Reize bietet als da» fchornsteinreiche westfälische Kohlengebiet.

Pforzheim 16. Juli. Der Vergolder Adolf Teppe von Altona hat sich hier in der Nacht zum 15. d. M. in seiner Wohnung ver giftet. Nach Hinterlassung schriftlicher Auf­zeichnung liegt der Grund in mißliche» finan­ziellen Verhältnissen.

Sigmaringendorf 17. Juli. I« Uebermut hat sich hier ein 7jähriger Knabe in der Waschküche auf den Deckel des mit siedendem Wasser gefüllten Waschkeffels gesetzt. Der Deckel rutschte zur Seite und der Junge fiel in das heiße Wasser. An seinem Aufkommen wird gezweifelt.

München 17. Juli. Heute nachmittag wurde an der Bahnüberfahrt zu Perlach bei München ein Milchfuhrwerk von einem Personenzug überfahren. Der Lenker und dessen Sohn wurden getötet, ein Kind schwer verletzt.

Frankfurt 17. Juli. Heute mittag stürzte der italienische Schrittmacher AntoninS Gregori auf der Radrennbahn in der Arena der Internationalen Ausstellung für Sport und Spiel beim Nehmen einer Kurve und zog sich einen Schädelbruch zu, dem er sofort erlag.

Berlin 16. Juli. Im Rixdorfer Fernsprechamt sind binnen wenigen Tage« fünf Beamtinnen unter typhurähnlichen Erschei­nungen erkrankt. Eine Beamtin ist der Krankheit bereits erlegen. Der Rixdorfer Kreis­arzt war bis gestern abend spät von dem epide­mischen Auftreten der gefährlichen Krankheit noch nicht unterrichtet.

Bern 17. Juli. Heute wurde hier das bi» 31. Juli dauernde große Eidgenössische

schlechten Witze; reden Sie vernünftig. Was war mit ihr? War sie in Gefahr?

Na, Ihnen zum Tröste: am Halse hing sie nicht, aber sie baumelte mit den Händen an einem Tau, und ich rettete sie. Aus meinen Arme» trug ich sie «ach einem Hühnerkäfig.

Die« Mädchen hätte sich von Ihnen tragen lasten?

Wahr und wahrhaftig.

Er starrte mich einen Augenblick finster an, dann hellte sich sein Gesicht aber wieder auf, und er sagte freundlich: Ah, ich verstehe. Die Not hatte e« geboten, wegen des Sturme», nicht wahr?

Mich belustigte seine Eifersucht. Hm, wer weiß, antwortete ich, ihn aus einem Auge anblinzelnd.

Das machte ihn wieder düster und stutzig.

Verdammt, knurrte er, Sie lieben sie am Ende auch. Sollten Sie so indiskret gewesen sein und ihr verraten haben, daß ich verlobt bin?

Dieser Zweifel an meiner Ehrenhaftigkeit verletzte mich. Gereizt erwiderte ich daher: Bester Colledge, reden Sie kein Blech, und schritt zur Tür hinaus, während er hinter mir her schrie: Haben Sie es getan? Haben Sie es getan?

Ich ging mein gewohntes Morgenbad zu nehme». Ueber Deck schreitend verwischte mir der herrliche Anblick des Ozeans den augenblick­lichen Unmut. Die mächtig langen Wogen glänzten im schönsten Blau und nah und fern funkelten ihre schaumgekrönten Häupter im Sonne», schein. Der Wind bließ zwar noch kräftig, doch da da» Schiff vor ihm herlief, merkte man seine Gewalt nicht so sehr.

Als ich später am Frühstückstisch erschien, fand ich die Unterhaltung recht lebhaft. Der alte Keeling, besten Gesicht die Spuren der auf Deck durchwachten Nacht und der Sorge und seelischen Aufregungen der letzten vierundzwanzig Stunden trug, konnte sich der von seilen der Damen auf ihn einflürmenden Fragen kaum erwehren. Er antwortete aber, bald hierher, bald dorthin sich wendend, mit der ihm eigenen altväterlichen

Höflichkeit und dem ihm so wohlstehenden freundlich verbindlichen Lächeln. Johnson saß mit einem braun und blau geschlagene« Auge da, und Doktor Hemeridge mit einem großen Stück Heftpflaster auf der Stirn. Sie waren beide von den heftigen Bewegungen de» Schiffes au» dem Bett geschleudert worden. Auch Oberst Bannister hatte wohl etwa» ähn­liche« erlebt, denn er klagte über ein verstauchtes Handgelenk. Ebenso sah man einigen Damen das Wetter der Nacht an.

Die dicke Frau Hudson schien noch gar nicht recht erwacht zu sein; ihre Augen waren verschwollrn, und ihre Perücke saß windschief. Ihre hübsche Tochter sah aus, als wäre sie eine ganze Woche lang nicht ins Bett gekommen. Man konnte sich gar nicht vorstellen, daß die» blaffe Mädchen mit dev matten, von dunkeln Schatten umringten Augen dasselbe frische, muntere, kokette, kleine Geschöpf vom Morgen des vergangene» Tages sei. Dagegen schien Fräulein Temple von der furchtbaren Nacht gänzlich unberührt geblieben. Tadellos angezogev wie immer, plauderte sie mit dem ihr gegenüberfitzenden Colledge so heiter, als wenn nicht da» geringste passiert wäre. Ja, sie schien gar keine Erinnerung mehr daran zu haben. Ganz bestimmt hatte ich diesmal wenigstens auf einen Gruß von ihr gerechnet, doch mit keinem Blick streifte sie auch nur die Seite, an der ich saß. Ich war für sie einfach nicht vorhanden.

Töricht genug, geriet ich dadurch in eine so ärgerliche, bissige Stim­mung, daß eS zu einem häßlichen Streit zwischen mir und Johnson kam. In seiner Nähe am unteren Ende des Tisches sitzend, hörte ich, wie er im Laufe der Unterhaltung äußerte:

Jetzt tut es mir doch leid, daß e» mit der Brigg zu keinem Kampfe kam. Donnerwetter, wa» würde das für ein Stoff für meine Feder gewesen sein.

So. Meinen Sie? mischte ich mich lachend ein. Dazu hätte doch vor allen Dingen gehört, daß Sie auch selbst etwas gesehen hätten.

Gewiß. Alles würde ich gesehen haben. Oder zweifeln Sie daran? entgegnete er hitzig. (Forts, folgt)