718

die Schaffung einer Vermögenssteuer als not­wendig. Einer Erhöhung der Gemeindeeinkommen­steuer stimme seine Partei höchsten« bis zu 75°/° z«. Die ganzen Erörterungen hätten übrigens nur akademischen Wert, solange die Regierung nicht konkrete Vorschläge mache. Fortsetzung heute Abend.

Stuttgart 14. Juli. Der Schluß des Landtags wird voraussichtlich am Samstag erfolgen und zwar, nach dem bisherigen Brauch, im Namen des Königs durch den Ministerpräsi­denten Dr. v. Weizsäcker. Der Landtag wird diesmal geschloffen, nicht vertagt werden.

Stuttgart 14. Juli. Die Deutsche Fach-Ausstellung für das Hotel- und Wirtschaftswesen, für Kochkunst und ver­wandte Gewerbe verspricht durch ihre Darbiet­ungen auf dem Gebiete der Kochkunst besonders interessant zu werden. Die Beteiligung ist eine außerordentlich rege und den Anmeldungen nach zu schließen, dürfte diese Ausstellung eine der am reichsten beschickten Kochkunst-Ausstellungen werden. Für die Erzeugnisse der Kochkunst wurden zwei je 18 Meter lange mit Spiegelglas­scheiben versehene Kühlschränke angefertigt, die durch eine Kühlmaschine von der Maschinenfabrik Kuhn in Berg auf einer ständigen Temperatur von 3 Grad Wärme gehalten werden können. Diese Einrichtung dürfte es ermögliche», die üblichen Prunkplatten länger als sonst in gutem Zustand zu erhalten. Trotzdem empfiehlt es sich für Interessenten, der Kochkunst-Ausstellung gleich in de« ersten Tagen einen Besuch abzustatten, da naturgemäß die volle Schönheit der Kochkunst- Erzeugniffe nur dann gewürdigt werden kann. Besondere Beachtung verdient auch die Muster­küche und Kosthalle, die vom AurstellungSkomitee errichtet und in Betrieb gehalten wird. Nur wenige Kochkunst-Ausstellungen konnten bis jetzt einen ähnlichen Betrieb aufweisen. Die Stutt­garter Ausstellung wird auch mit dieser Schöpfung in der vordersten Reihe stehen. Diesem Unter­nehmen liegt der Gedanke zu Grunde, den Be­sucher» der Ausstellung die bekanntesten Speisen der modernen Hotel- und Restaurationsküche zu zeigen. Nahezu 300 verschiedene Speisen werden in täglichem Wechsel während der 18tägigen Dauer der Ausstellung zu haben sein. Vom internattonalen erstklassigen Hotel Restaurant bis auf die Küche für einfachere Ansprüche sollen die Darbietungen dieser Musterküche sich erstrecken. Nebenbei wird jeder Fleischsorte ein besonderer Tag gewidmet sein, ebenso besondere Tage für die bekanntesten See- und Flußfische, Geflügel, Wild, Eierspeisen usw. Die Rezepte sämtlicher Speisen werden in einem kleinen Kochbuch ver­einigt, käuflich abgegeben. Wie der Auswahl

der Speisen und der zu ihrer Herstellung beru­fenen Köche wurde auch den in der Kosthalle geführten Weinen vom Komitee größte Aufmerk­samkeit geschenkt. Die Ausstellung dürste daher zahlreichem Besuch aus allen Kreisen entgegen­sehe« und wird sicherlich bei allen Gästen in dauernder Erinnerung bleiben.

Stuttgart 14. Juli. Unterschlagungen in Höhe von 38000 ^ führten den ledigen 24 Jahre allen Kaufmann Hermann Hoppe vor die Strafkammer. Der Angeklagte war seit Januar 1908 bei den Patentanwälten Drautz und Schwäbsch al» Buchhalter und Kassier an­gestellt und hatte zuletzt einen Gehalt von 1850 Nach seinem Geständnis begann er mit de« Unterschlagungen im Oktober 1908. Er behielt kleinere und größere Geldbeträge, die eingegangen waren, für sich. Auch entnahm er der Kaffe Beträge. Die ungenügende Kontrolle seitens der Prinzipale und des Bureauvorstandes war für ihn sehr verführerisch und erleichterte ihm die Unterschlagungen. Es wurde ihm großes Vertrauen entgegengebracht und er wurde zuletzt nur noch gefragt, ob die Kaffe stimme. Dem Angeklagten gingen jährlich etwa 250000 ^ durch die Hände. Im Dezember v. I. kamen die Veruntreuungen an» Tageslicht. Den Patent­anwälten wurde von einem Bankbeamten ver­traulich mitgeteilt, daß ihre Einlage bei der Bank bei gleichem Umsatz 3040 000 weniger betrage, als im voraulgegangenen Jahre. Die Firma beauftragte sodann einen Bücherrevisor mit der Durchsicht der Bücher, und dieser stellte fest, daß 28 000 ^ nicht gebucht waren. Der Angeklagte gab die Unterschlagung dieser Summe unumwunden zu. Er lebte in Saus und Brau» und verbrauchte viel Geld mit Frauenzimmern und auf Reisen ins Ausland. Als die Unter­schlagungen herauskamen, flüchtete Hoppe nach London, wo er am 11. Februar verhaftet wurde. Auf Antrag der Patentanwälte wurde auch deren Bureauvorstand, der verheiratete Kaufmann Johann Gulden, wegen Verdacht« der Mittäter­schaft verhaftet. Da» Verfahren gegen ihn wurde jedoch eingestellt, nachdem er 5 Monate in Untersuchungshaft gesessen hatte. Dagegen wurde gegen ihn Anklage wegen Diebstahl» er­hoben. Er war beschuldigt, den Patentanwälten gehörige Drucksachen entwendet zu haben. Der Angeklagte Hoppe trat bei der Verhandlung mit der Behauptung auf, er sei durch das schlechte Beispiel eines seiner Prinzipale zu den Ver­untreuungen gekommen. Die Strafkammer ver­urteilte Hoppe zu 3 Jahren 4 Monaten Gefäng­nis unter Anrechnung von 4 Monaten Unter­suchungshaft. Der Angeklagte Gulden wurde freigesprochen.

Gaildorf 14. Juli. Das gestrige Ge­witter hat auch hier Schade» angerichtet. Der Blitz schlug in die hiesige Telesonlritung, wo­durch sämtliche Sicherungen durchschmolze«. Der Koch« ist wieder au» seinen Ufern getreten. I« Rottal war der Regen beim gestrigen Gewitter mit Hagelkörnern auf einige Mnuten stark gemischt. Der Schaden läßt sich vorläufig noch nicht feststellen.

Ellwangen 14. Juli. Bei dem gestrigen Gewitter wurde ei» Kugelblitz gesehen. Er fuhr von Süden nach Norden und verschwand, ehe er zerplatzte, in den Wolke«.

Dußlingen OA. Tübingen 14. Juli. Der dem Oberamt Tübingen zugestellte Regie- rungSaffeffor Rilling von hier hat in Luzern, wo er sich seit einigen Tagen aufhielt, eine» Selbstmordversuch gemacht. Er liegt dort im Hospital. Ueber die Motive der Tat ver­lautet nicht».

Tuttlingen 14. Juli. Gestern nach­mittag fand imRitter" eine erneute Einigungs­verhandlung in der Schuhindustrie zwischen de« Arbeitgeber und den Vertretern der Arbeit­nehmer statt. Die Arbeitgeber machten folgen­den Vorschlag: 1) Die Mittagspause soll um V« Stunde (bis 1*/» Uhr) verlängert werde«.

2) Jeden Samstag ist um 5 Uhr Feierabend.

3) Der Zuschlag für Ueberzeitarbeit wird in der von den Arbeitern verlangten Höhe (25 °/°) be­willigt. 4) Maßregelungen finden nicht statt. Die Arbeitgeber bedingte«, daß diesem Vorschlag ohne vorherige Einberufung einer Versammlung endgiltig zugestimmt werden müsse, um endlich zu einem Resultat zu kommen. Der Vertreter der Christlichen Gewerkschaften gab seine Zu­stimmung. Der Vertreter der Freie» Gewerk­schaften erklärte, daß er ohne Zustimmung einer Versammlung die Verantwortung nicht über­nehmen könne. Darauf zogen nach Mündiger Verhandlung die Fabrikanten ihren Vorschlag wieder zurück.

Ulm 14. Juli. Gestern zogen zwei schwere Gewitter mit starken elektrische« Entladungen über die Stadt. Ein Blitzstrahl traf am unteren Eselsberg ein Krümperfuhrwerk des FeldartillerieregimentS 49, lötete ein Pferd und verletzte da» andere schwer. Der Man« bei den Pferden blieb unverletzt.

Buchau 14 Juli. Das letzte Gewitter führte eine eigenartige Erscheinung mit sich: Eine graue Säule, die mit dem rasch ziehenden Ge­witter von Nord nach Süd zog und sich in der Gegend bei Bibrrach in Form von wolkenbruch­artigem Regen entlud.

Oben kam ich in einen Guß, wie man ihn nur in diesen Breiten erleben kann. Ohne eine Spur von Wind stürzte er in dicken, schnür- geraden Strähnen nieder. Es war ein wunderbar schöner Anblick, zu sehen, wie jeder Faden de« niederströmenden Wasser» im Scheine der ununterbrochen zuckenden Blitze, glühendem Draht ähnlich, in purpurnen und violetten Farben funkelte. Ein dawpfartiger Nebel stieg vom Deck auf. Von den im Takelwerk arbeitenden Mannschaften vermochte ich keine Gestalt zu unterscheiden, nur dumpf vernahm ich ihre Stimmen und mit­unter die Pfeife des Bootsmannes. Der alte Keeling, an dem ich auf meinem Wege nach der Kampanjeüberdachung, unter der ich Schutz suchen wollte, vorüberkam, glich einer durchweichten Vogelscheuche. Sein Hut hing ihm wie eine verfaulte Feige über die Ohren.

Kaum eine Minute erst hatte ich Deckung gefunden, als plötzlich der Himmel zu zerreißen schien, und scheinbar gerade über uns, gleich­zeitig mit einem furchtbaren Blitz, ein so nervenerschütternder Krach er­folgte, daß ich einen Augenblick wie gelähmt stand und nicht anders dachte, als e« müsse in unser Schiff eingeschlagen haben. In derselben Minute hörte jedoch wie durch Zauber der Regen auf, und die Atmosphäre nach Steuerbord wurde klarer, während e« über Backbord hin noch tintenschwarz blieb, und di« Blitze ihre Zickzacklinien weiter beschrieben.

Ich begab mich zu Cocker, der triefend an der Reling stand und sagte: Da» war ein hübscher, kleiner Schauer. Was?

Will'» meinen, brummte er, sich die Augen wischend. Nur gut, daß die Segel festgemacht sind. Da» dickste Ende kommt bald nach.

Sie meinen Sturm?

Na freilich.

Bitte, leihe« Sie mir einmal Ihr Gla», Cocker. Habe mein» unten liegen lassen; möchte auf unser» unheimlichen Nachbarn wieder einmal einen Blick werfe».

Holen Sie es sich. Er liegt dort auf dem Hühnerkäfig. Ich muß mich erst ein wenig auSwinden.

Kaum hatte ich da» Gla» eingestellt und das Schiff erfaßt, als ich e» auch schon mit einem Ruck wieder absetzte und jubelte:

Bei meines Urgroßvater» Perücke! Die Teufel tun uns nicht» mehr! Unsere Hälse find gerettet! Sehen Sie selbst, Cocker, die Brigg ist nur noch ein Wrack.

Hastig ergriff er da» Gla», blickte einen Moment hindurch und rief dann dem nicht weit von uns mit Prance sprechenden Kapitän zu: Der Blitz hat in die Brigg geschlagen! Der Großmast ist über Bord!

Während die beiden herbeieilten, und jeder sein Teleskop an eine Pardune klemmte, flog ich in Sätzen zur Kajütentreppe und schrie hin­unter: Hallo! Oberst Bannister!

Sofort war er an der Tür. Wa» gibt'S? Geht'» lo»? Greift der Feind an?

Nein. Im Gegenteil. Sagen Sie den Damen, daß alle Gefahr vorüber. Die Brigg ist vom Blitz getroffen und entmastet! Colledge soll mir doch mein Fernrohr bringen.

Damit stürzte ich aufgeregt wieder zurück an die Reling, hörte aber noch, wie der Oberst mit Stentorstimme die Neuheit verkündete.

Gleich darauf quoll der ganze Haufe der Paffagiere auf Deck, und obgleich dasselbe vom Regen noch ein wahrer See war, patschten die Damen bi» zum Kapitän, um selbst zu hören und zu sehen. Wohl duckten einzelne bei den über Backbord noch fortwährend kreuz und quer fahrende« Blitzen die Köpfe, doch die Neugier siegte. Sie verlangten zu höre», wa» die verschiedenen Gläser sahen, und da» war interessant genug. ^

Die ganze Schanzkleidung hinten ist flach niedergeschlagen, erzählte ich, unausgesetzt durch mein Gla» blickend. Der Großmast schwimmt, a« den Wanten und Tauen hängend, neben dem Schiff. Eine Menge Kerle kappen mit Aexten da» Tauwerk, um da» Schiff von dem Mast zu befreie«. Andere rennen eilig hin und her. Mir scheint, daß auch einige von ihnen Eimer tragen.

(Fortsetzung folgt.)