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Projekt zu vertreten. Liesching (Vp.) meinte, man werde von Denkschrift zu Denkschrift skeptischer. Niemand im Hause sei in der Lage, eine solche Denkschrift zu prüfen, deshalb müsse die Verantwortung für etwaige technische Frhler die Regierung allein tragen. Nach einigen Be­merkungen des Präsidenten v. Stieler betonte Dr. v. Kiene (Ztr.) die Münsterlinie würde einige Erschwerungen und eine Verteuerung mit sich bringen. Man habe au» der Denkschrift auch den Eindruck bekommen, daß kein Be­dürfnis für die Münsterlinie bestehe. In einer Zeit, wo man stet» nach Sparsamkeit rufe, könne man einem Mehraufwand von 7 oder 8 Millionen nicht zustimmen. Er habe an Ort und Stelle den Eindruck bekommen, daß diejenigen nicht ganz unrecht haben, die sagen, es sei viel Privatspekulation dabei, wenn das Projekt der Münsterlienie nicht zur Ruhe kommen wolle, die weder ein Bedürfnis, noch zweckmäßig sei. Der Redner stellte folgenden Antrag: Die Kammer nimmt Kenntnis von der Denkschrift und erhebt gegen den darin dargelegtcn Standpunkt der Regierung keine Erinnerung. Körner (B.K.) hob hervor, soviel er wisse, verlange die Regierung vom Hause gar keine Verantwortung. Die Denkschrift mache ein Bild von der Sachlage und wirke durchaus beruhigend. Bedenklich an der Münsterlinie seien vor allem die Kosten. Seine Freunde stimmten der Schlußfolgerung der Denkschrift und dem Antrag Kiene zu. Hey- mann (Soz.) äußerte sich dahin, daß er sich auf Grund lokaler Studien von der technischen Richtigkeit überzeugt habe. Von der Verfolgung des Münsterlinienprojektes verspreche er sich keinen Erfolg. Im Laufe der weiteren Debatte dankte der Ministerpräsident v. Weizsäcker für die objektive Beurteilung, die die Münsterlinie im Hause gesunden habe. Der Antrag Kiene wurde angenommen. Morgen Denkschrift betr. die Steuerreform.

Stuttgart 12. Juli. Heute vormittag fuhr aus dem Hauptbahnhof ein Rangierzug auf einige leerstehende Personenwagen auf, sodaß drei Wagen entgleisten und einer ganz um­fiel. Man hätte durchs Fenster einsteigen müssen, Personen wurden nicht verletzt.

Stuttgart 12. Juli. DerStaats­anzeiger" schreibt: Während die Berichte über die Wirkung der Wanderarbeitsstätten in Württemberg von allen Seiten nur günstig lauten, scheinen in den Nachbarstaaten die Naturalver­pflegungsstationen dem Untergang entgegenzugehen. Vor einiger Zeit hat das badische Bezirksamt Villingen verschiedene solcher Stationen ein- gehen lassen; laut Bekanntmachung der Ober- ämter Heilbronn und Neckarsulm hat nun auch

da» hessische Kreisamt Heppenheim die Natural­verpflegungsstation in Hirschhorn aufgehoben. Bekanntlich haben diese früher auch in Württem­berg bestandenen, von den WanderarbeitSstätten wesentlich verschiedenen Einrichtungen der Wan­dererfürsorge auch bei uns versagt.

Stuttgart 12. Juli. (Strafkammer.) Wegen Zw eikampf mit tödlichen Waffen hatte sich der Student Walter Albrechtvorder Strafkammer zu verantworten. Am 10. Dezember fand auf der Schießbahn Müder klinge zwischen dem An­geklagten und dem Dragonerleutnant Graf v. SchäSberg ein Duell statt. Bedingung war zweimaliger Kugelwechsel. Das Duell verlief unblutig. Der Grund zur Herausforderung zum Zweikampf war unpassende« Benehmen des Dragonerleutnant» gegen die Braut des Ange­klagten auf dem Heimweg vom Theater. Das Urteil lautete auf 3 Monate Festungshaft.

Lustnau OA. Tübingen 12. Juli. Die Leiche des vor 4 Wochen bei der Studentenfahrt im Neckar bei Tübingen verunglückten Fischers Gärtner von Kirchentellinsfurt ist nunmehr im Neckar bei Lustnau gefunden und geborgen worden.

Hochdorf OA. Kirchheim 12. Juli. Verschiedene Umstände sprachen in letzter Zeit dafür, daß Wilderer ihr Unwesen in der hiesigen Gegend treiben, was den Teilpächter der Gemeindejagd, einen Gasthofbesitzer in Eß­lingen, veranlaßte, Beobachtungen anstellen zu lassen. Am Sonntag kurz nach 4 Uhr früh fiel im Schnaitwald ein Schuß, dem eine Rehgais zum Opfer fiel. Da der Wilderer sich beobachtet wähnte, ließ er das erlegte Wild liegen, worauf es von dem Beauftragten des Jagdpächters nach Hochdorf verbracht und der Jagdinhaber benach­richtigt wurde. Recherchen nach dem Täter, dem man auf der Spur ist, sind im Gange.

Eßlingen 12. Juli. Die private Samm­lung, die für die künftige Maschinenbau­schule in Eßlingen ^ 100000 erreichen soll, hat bis jetzt sehr erfreuliche Fortschritte gemacht. Bis heute sind rund ^ 85 000 gezeichnet worden. Die restlichen 15 000 hofft man von der Bürgerschaft vollends zu erhalten.

Bünzwangen OA. Göppingen 12. Juli. Einen Selbstmordversuch verübte der 45 Jahre alte Feldschütz Christian Schnell von hier. Er schoß sich mit einem Revolver eine Kugel in den Kopf und eine in die Herzgegend und mußte schwerverletzt ins Bezirkskrankenhau« nach Göppingen gebracht werden.

Löwenstein OA. Weinsberg 12. Juli. Auch auf unserer Höhe hat der andauernde Regen viel Schaden angerichtet. Auf

der Staatsstraße von hier nach Mainhardt kam vor Hirrweiler die Straßenböschung, die dort eine ziemliche Höhe hat, ins Rutschen. Der Verkehr kann aufrecht erhalten werden, doch ist der Schaden groß. Weitere Rutschungen find kaum aufzuhalten.

Geislingen a. St. 12. Juli. Zwei Fahrradmarder halten sich in der Nacht vom Samstag auf Sonntag bei Kaufmann Albrecht in Kuchen eingestellt und ihm aus einem Schuppen hinter seinem Hause zwei Fahrräder gestohlen. Wie ei scheint, waren sie des Fahrens nicht recht kundig, denn Tags darauf fand man beide Maschinen auf einer Wiese zwischen Kuchen und Altenstadt. An den Rädern waren die Speichen eingetreten und auch sonst waren die Maschinen ziemlich stark demoliert. Die Täter fitzen bereits hinter Schloß und Riegel. Es sollen junge Gipser aus dem Täle sein.

Schwenningen 12. Juli. Bei einem schweren Gewitter wurde gestern in Dauchingen der 35 Jahre alte Landwirt Adolf Stern vom Blitz erschlagen. Er war nebst Frau und Kind mit Heuladen beschäftigt. Es wurden ihm die Kleider vollständig aufgetrennt und ein Schuh vom Fuße gerissen.

Riedlingen 12. Juli. In dem Pfarr- dorf Uttenweiler war der Bauer Cittrell während eines Gewitters mit Grasmähen beschäftigt. Ein Blitz fuhr der Sense entlang in den Boden, ohne daß der Mann verletzt worden wäre; nur seine Kleider wiesen Brandspuren auf. Ein in der Nähe arbeitender Sohn des Bauern wurde zu Boden geworfen, aber gleichfalls nicht verletzt.

Pforzheim 12. Juli. Gestern fiel hier schon wieder ein Kind vom Blechdach 14 Mir. hoch auf die Straße herab. Es ist die 7 Jahre alte Tochter des Ausläufers Reinhold in der oberen Augaffe. Das Kind hatte das auf dem Dach befindliche Geländer erklettert um auf die Straße herabzusehe». Es ist tödlich verletzt.

Bitterfeld 12. Juli. Der Ballon ? 6 ist bei schwachem Regen und mäßigem Wind um 3.15 Uhr zu einer Fahrt nach Dresden auf­gestiegen. Der Führer ist Oberleutnant Stelling. Außerdem nahmen sechs Herren an der Fahrt teil.

Dresden 12. Juli. Das Luftschiff k 6 wurde um 5.30 Uhr über den Lößnitzer Bergen gesichtet. Um 5 45 Uhr erreichte es die Stadt Dresden. Es schwebte eine Zeit lang über der Stadt, umkreiste in weitem Bogen den Turm des neuen Rathauses und schlug dann in ruhiger, schöner Fahrt die Richtung nach dem Landungsplatz ein. In Anwesenheit des kgl. Hofes und unter begeisterten Jubelrufen einer großen Menschenmenge erfolgte die Landung

einen erwartungsvollen Blick nach Kapitän Keeling werfend, als ob sie ihn zum Reden zwingen wollte». Endlich brach der Oberst da» Eis.

Sagen Sie, Kapitän, schrie er, haben Sie eine Ahnung von der Nationalität des Kerls, zu dessen Empfang Sie sich rüsten?

Nein, kam die kühle Antwort. Wir haben ihm heute früh unsere Flagge gezeigt, er aber reagierte nicht darauf, und ich bin nicht der Mann, der noch einmal den Hut abnimmt vor einem, der meinen Gruß nicht erwidert.

Recht so, recht so! rief der Holländer, eifrig mit dem Kopf nickend.

Aber, piepte Frau Joliffe, welchen Grund haben Sie, zu glauben, daß das Schiff uns gefährlich werden könnte?

Alles reckte die Hälse, denn das war die Frage, die jedem auf der Seele brannte, und jeder lauschte gespannt, als der Kapitän anhob:

Mit Bestimmtheit vermag ich hierüber nichts zu sagen. Das Schiff kann ganz harmlos sein, aber mir wurde mitgeteilt, daß auf der Insel Cuba eine Gesellschaft Spanier existiert, die einige sehr schnell segelnde gute Schiffe ausgerüstet hat, welche, ohne gerade im schlimmsten Sinn de» Wortes Piraten zu sein, doch auf dem Meere eine Art Raubrittergeschäft betreiben. Sie halten die ihnen begegnenden Schiffe an, entern sie und nehmen mit Gewalt, was ihnen nicht gutwillig gegeben wird. Im vorigen Jahr enterte ein solcher Raubschiff einen Westindienfahrer, der Spezereien führte und nahm seine ganze Ladung im Werte von zwölftausend Pfund weg. Doch, wie gesagt, mein Verdacht gegen jene» Schiff kann gänzlich unbegründet sein. Die Verteidigungsmaßregeln, die ich treffe, geschehen nur au» Vorsicht, um für alle Fälle bereit zu sein.

Sehr richtig! rief der Oberst und fuhr seinen Blick fest auf den Journalisten Johnson geheftet fort: Ich setze voraus, daß wir männ­lichen Paffagiere samt und sonders die Schiffsmannschaft bis zum letzten Blutstropfen unterstützen werden, fall» es zu einem Kampfe kommen sollte.

Jedenfalls erwarten wir, Herr Oberst, daß Sie sich mit Ruhm be­decken werden, sagte Johnson in familiärem, sarkastischem Ton. Ich würde

mich glücklich schätzen, einen ausführlichen Bericht Ihrer Heldentaten dem Druck überliefern zu können.

In den Augen des kleinen Mannes blitzte er auf, er erwiderte aber nichts, da jetzt auf einmal alles durcheinander zu sprechen begann.

Ich würde gern mitschießen, wenn ich ein Gewehr bekomme, ließ sich die weibische Stimme de» jungen Fairthorne hören, auf Säbel aber lasse ich mich nicht ein, darauf verstehe ich mich nicht.

Ach, was wollen Sie denn, herrschte ihn Herr Emmet an. Paffagiere brauchen nicht zu kämpfen. Das ist die Sache derer, die es übernommen haben, uns ungefährdet an unser Ziel zu bringen.

Fräulein Temple biß sich auf die Lippen, um ihr geringschätzige» Lächeln zu verbergen, während Herr Riley, der Hauptcourmacher von Fräulein Hudson, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, laut und lustig rief:

Stellen Sie sich vor, Herr Hcmtkirk, wenn so ein schmieriger Spanier mit öligen Löckchen Ihre Koffer durchwühlte, Ihr Geld und sonstige Kostbarkeiten sich in die Tasche steckte, und um nichts zu vergessen, Ihnen auch noch Ihre schöne stlberbeschlagene Meerschaumpfeife raubte: würden Sie das ruhig mit ansehen?

Der dicke Holländer hob grimmig seine mächtigen Fäuste., Frändchen; ehe das einer fertig bräächte, kalkuliere ich, wäre er wohl zu MuS gequätscht. Der sonst so ruhige gutmütige Mann begleitete das mit einer so urwüchsig komischen Gebärde, daß alles lachte, und der Oberst ganz begeistert schrie:

Sie sind mein Mann! Auf Sie ist Verlaß. Kapitän, Sie haben doch auch ausreichend Waffen für uns alle?

Ter Fächer der Frau Oberst kam in heftige Bewegung, und energisch rief sie: Wa» auch geschehen mag, Eduard, unter keinen Umständen darfst du dich einmischen. Du gehst mir keinen Schritt von der Seite!

(Fortsetzung folgt.)