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festgenommen und an da» Kgl. Oberamt eingeliefert, da» ihn auf 14 Tage in« Loch steckte.
Friedrich »Hafen 9. Juli. Der Schaden, der bei dem Unfall de» 1-2 7 entstanden ist, beträgt ungefähr 120—150000 Mk. Die Luft- schiffbau-Zeppelin-Gesellschaft hat sich bereit erklärt, den Luftkreuzer zum Selbstkostenpreis wieder herzustellen. Bei dem Neubau de» 1-27 soll eine Gewicht»ersparni» von 500 Kilogramm erzielt werden, wodurch entweder 5—6 Personen mehr ausgenommen werden können, oder ein größerer Vorrat an Betriebsmitteln mitgeführt werden kann. Um derartige Unfälle in Zukunft zu vermeiden, soll eine genaue Instruktion für die Führer und sonstigen verantwortlichen Begleiter der Luftschiffe herauSgegeben und darauf hingewirkt werden, daß eine größere Zahl von Landungkstellen geschaffen wird.
Friedrichshofen 9. Juli. Der See ist abermal» gestiegen. Bei Ausbruch eine» Föhnsturme» wäre eine Katastrophe am Secufer unvermeidlich. — In Langenargen hat da» über drei Wochen andauernde Hochwasser unübersehbaren Schaden angerichtet. Bei einigen Häusern, die vom Wellengang besonder» stark mitgenommen werden, befürchtet man eine allmähliche Unterspülung oder Senkung.
München 9. Juli. Auf dem Wege von Regensburg hierher wurde ein Gefangenentransporteur im Zuge von 2 aneinander- gefefselten Sträflingen überfallen. Die beiden nahmen ihm die Schlüffe! ab und befreiten sich von ihren Fesseln. Der eine entsprang, während der Zug noch fuhr, au» dem Gefangenenwagen und entkam. Der andere konnte bei der Ankunft de» Zuge» festgehalten werden.
Kleine Scheidegg 9. Juli. Zwei deutsche Touristen, der 45 I. alte Kühn au» Straßburg und ein gewisser Barthold au» Saarbrücken, sowie sech» sie begleitende Führer wurden gestern unweit der Berglihütte von einer Lawine verschüttet, desgleichen eine von dieser unabhängige Kolonne von 4 Führern, die Proviant auf die Bergli- und auf die Concordia- hütte trugen. Die letzteren konnten sich mit leichten Verletzungen retten. Ebenso wurden drei Mann von der ersten Gruppe, wenn auch lebensgefährlich verletzt, geborgen. Die fünf anderen, darunter die beiden deutschen Touristen, liegen aber noch unter der Lawine begraben und e» besteht wenig Hoffnung, sie zu retten. Eine große RettungSkolonne mit Aerzten ist von der Station Eismeer der Jungfraubahn abgegangen.
(Deutschfeindliche Stimmung in Rußland.) Nach den Polen und den Finnländern find es nun die Deutschen in Rußland,
gegen die die rusfiche Regierung eine Reihe von Aurnahwsgesetzen plant. In erster Reihe steht hier eine Gesetzvorlage gegen die deutschen Kolonisten in den Westgouvernements. Diese Vorlage, die der Duma in ihrer Herbsttagung zugehen wird, will den deutschen Kolonisten in den einundzwanzig Westgouvernements, die schon längst in den russischen Staatsverband getreten sind, jedwede» Landerwerb verbieten. Ministerpräsident Stolypin tritt in seiner Begleitschrift zu der Gesetzvorlage gegen die Deutschen als russische Staatsbürger auf und fällt über sie ein harte» Urteil. Er sagt nach der „N. Fr. Pr." unter anderem:
„Die große Masse der ausländischen Kolonisten besteht aus Deutschen. Trotz ihre» langjährigen Verweilen» in Rußland bewahren diese Einwanderer hartnäckig ihre n a t i o n a l e E i g e n - art und sondern sich vom russischen Volke ab, auf da» sie. den Meldungen der Lokalbehörden zufolge, voll Feindseligkeit, Stolz und Verachtung herabsehen. Eine lange Erfahrung lehrt, daß die ausländischen Kolonisten, meist Auswanderer aus Preußen, nur formell zu den Russen gerechnet werden können, während sie in Wirklichkeit nach politischer Ueberzeugung, Sprache, Sitten und Religion vollkommen zu ihren Landsleuten jenseits der Grenze und zu den Mittelpunkten deutscher Zivilisation neigen."
Auch der nationalistische Publizist Men- schikoff wagt in einem „Deutsche Barone" überschriebenen Artikel, die Entfernung der Deutschen au» den baltischen Provinzen zu verlangen, die sich angeblich als außerhalb des russischen StaatSgedankens stehend betrachten.
Lommerfest -er Naliorralliberale« (Deutsche«) Partei.
Hohenheim 10. Juli. Das Sommerfest der Nationalliberalen (Deutschen) Partei des I. Württ. ReichstagSwahlkreises wurde am heutigen Sonntag Nachmittag unter zahlreicher Beteiligung hier abgeholten. Der Vorsitzende der Partei des Wahlkreises, Chemiker Dr. Bickes- Feuerbach wies in seiner Begrüßungsansprache darauf hin, daß der heutige Tag ein Gedenktag besonderer Art sei: Am 10. Juli vorigen Jahres habe die konservativ-klerikale Mehrheit im deutschen Reichstag es fertig gebracht, ein Gesetz zu schaffen, das geradezu einen Hohn auf jedes soziale Empfinden und auf jede soziale Gerechtigkeit bedeute. Der schwarz-blaue Block habe sich seither immer mehr gefestigt; er habe Triumphe gefeiert beim preußischen Wahlrecht und werde trotz der Borromäus-Enzyklika auch ferner noch manche Ueberraschung bringen. Die Aufgabe des heutigen Tages sei, zum Kampf aufzurufen gegen die, die die gegenwärtigen unerfreulichen Zustände geschaffen haben. Mit aller Entschiedenheit müsse der Kampf gelten der schwarz
blauen Reaktion, nicht nur weil die Partei eine liberale, sondern ganz besonders weil sie ein nationale Partei sei. Weder die wirtschaftlichen Interesse« unserer Bauern, noch die politischen werden vom Bund der Landwirte gewahrt; es sei deshalb erfreulich. daß in dem neuen Deutschen Bauernbunde ein wertvoller Bundesgenosse erstanden sei. In dem Kampfe wolle die Deutsche Partei auch Zusammenarbeiten mit dem Linksliberalismus, dessen Zusammenschluß zu einer großen Partei auch von uns auf das freudigste begrüßt wurde. Der Redner fuhr dann fort: Bündnisunfähig wird aber auch für die Zukunft für uns die Sozialdemokratie sein. Mit der Sozialdemokratie können wir eine Gemeinschaft insolange nicht haben, als diese Partei sich außerhalb unserer heutigen Gesellschaftsordnung stellt. Liberalismus und Sozialdemokratie vertragen sich nicht; dort persönliche Freiheit, hier Unduldsamkeit und Zwang. Hierauf ergriff Prof. Dr. Kind ermann-Hohenheim das Wort zu seiner Festrede über die Zukunft des Liberalismus. Seinen Ausführungen sei folgendes entnommen: Nach Jahrhunderten brausender Jugend und extremer Kulturrichtungen steht Deutschland in der Zeit werdender Reife und größerer Abwägung. Der Liberalismus mit seiner Abwägung von Ordnung und Freiheit vermag dem Streben nach einer Steigerung des Gleichgewichts der natürlichen und sozialen Kräfte besonders zu dienen. Aber wie das Pendel früher nach Seiten der Freiheit zu stark ausgeschlagen war, so schlug es allmählich immer stärker noch Seiten des Zwanges aus. Im vorigen und in diesem Jahr haben wir den Höhepunkt erreicht. Zentrum und Konservative haben sich eng verbunden. Aber eine Zeit hochverfeinerter Entwickelung kann nicht der fröhlichen Mitarbeit der breiten und breitesten Kreise entbehren. So ringt sich eine neue Linksbewegung empor; eine gährende Stimmung in weitesten Kreisen kündet sie an; blitzartig zeigt sie sich bei den Nachwahlen zum Reichstag, wie in Lyck, Usedom-Wollin. Friedberg. Der Nationalliberaliswus hat drei Möglichkeiten: Mt Konservativen und Zentrum zusammenzugehen, neutral zu bleiben, Fühlung nach links zu suchen. Der Zusammenschluß mit Konservativen und Zentrum würde den politischen Selbstmord des Nationalliberalismus bedeuten. Wir können ferner neutral bleiben; dann würde der Ausdruck „Drehscheibe" berechtigt se n. Wir können unter Wahrung unserer Selbständigkeit nur Anschluß nach links suchen. Ein starker Wind nach Freiheit geht durch das deutsche Volk. Die Fortschrittliche Volkspartei ist der gegebene Bundesgenosse. Ein Großliberalismus, in dem beide Untergruppen ihre relative Selbständigkeit erhalten, wird am besten ollen Anstürmen Trotz bieten. Ein Ueberhandnehmen des Sozialismus ist bei pfltchtvoller Arbeit der führenden Kreise in unserer Zeit werdender Reife ansgeschlossen. Neben diesen allgemeinen Zielen sind ober eine große Reihe weiterer zu verfolgen. Als solche nannte der Redner: Förderung unserer politischen Erziehung und Mitarbeit nach Maßgabe des konstitutionellen Prinzips, Achtung der beiden großen Konfessionen als völlig gleichwertig, Ablehnung jeder einseitigen
Die Gsldinsel.
Seeroman von Clark Russell.
(Fortsetzung.)
Am Abend desselben Tage», während ich vom Kampanjedeck au» da» Wetterleuchten betrachtete, gesellte sich Oberst Bannister zu mir und sprach in seiner aufgeregte« Weise über den Todesfall. Warum, polterte er, kann man von niemand die Ursache des Todes erfahren. Der Doktor, der mir, nebenbei gesagt, vom Alkohol mehr als von seiner BerufSwiffen- schast zu verstehe« scheint, zuckt bei jeder Frage nur mit den Achseln. Ist das eine Art? Was soll man davon denken? Wisse» Sie, ich vermute stark, da steckt so etwas wie Pocken dahinter. Stellen Sie sich vor, wenn diese Seuche hier au»bräche! Da kommen wir alle um, alle! Es ist unverantwortlich, einem Paffagierschiff einen so versoffenen Jünger AeSkulop« mitzugeben. Bestätigt sich meine Befürchtung, dann soll mich aber die Reederei mit all ihren Komplizen kennen lernen. Ich bin nicht der Mann, der sich so etwa» gefallen läßt. Doch da sehe ich den zweiten Maat, vielleicht schwatzt der aus der Schule.
Er stieg eilig die Treppe hinab und rief: Bitte, Herr Cocker, auf ein Wort!
Doch Cocker, der mit dem kleinen Sprühteufel auch nicht gern Kirschen pflückte, überhörte den Ruf und stürzte, al» ob es brennte, nach dem Kompaß, indem er schrie! He! Du da am Rade! Wie steuerst du den»? und entwischte auf diese Weise dem Peiniger, der nun wütend da» Deck verließ.
Am andern Morgen zum Frühstück erfuhren wir, daß das Begräbnis um zehn Uhr stattsinden sollte. Schon lange vor der Zeit versammelte sich alle» auf Deck, da» im feierlichste» Festkleid prangte. Die peinlichste Ordnung war hergestellt; alle Segel standen in der nur sanften Brife, und an der Gaffel de» Kreuzmaste» wehte halbmast die Nationalflagge.
Außer dem Mann am Rade und dem Ausguck vorn in der Back war kein Mann im Dienst zu sehen. ES herrschte eine wahre Feiertagsruhe.
Kurz vor zehn Uhr erschien der Bootsmann in seinem höchsten Staat und schritt wichtig und gemessen nach der Spitze de» Schiffes. Hier setzte er die Signalpfeife an die Lippen und ließ einen trillernden Pfiff ertöne». Diesem unmittelbar folgte das Kommando: Alle Mann an Deck! worauf die gesamte Schiffsmannschaft dem Volkslogis entstieg und unter Führung de» unruhig umherblickenden Segelmachers sogleich ein Spalier vom Fallrepp bis zur Vorderluke bildete, auf deren Gitter die mit der große« Schifftflogge überdeckte, in Segeltuch eingenähte Leiche lag. Bei dieser blieben außer dem Bootsmann, dem Zimmermann und dem Koch, die recht» und links neben ihn getreten waren, nur vier Mann als Träger.
Punkt zehn Uhr begann die gedämpfte Schiffrglocke in langsamen Schlägen zu läuten, und alsbald erschien der Kapitän mit einem Gebetbuch in der Hand, begleitet vom ersten, dritten und vierten Maat, während der zweite vom Kapanjedeck aus die Steuerung des Schiffes überwachte.
Der alte Keeling war ein Mann von großer Frömmigkeit und flößte allen in der Art, wie er die Feierlichkeit abhielt, hohe Ehrfurcht ein. Gleich, nachdem er am Fallrepp Aufstellung genommen, schritt ber Bootsmann mit seinen beiden Begleitern und gefolgt von den vier Man«, welche das Lukengitter mit der Leiche auf den Schultern trugen, durch das Spalier heran. Sie setzten das Gitter mit dem einen Ende auf die Reeling, und der alte Keeling begann, nach einigen kurzen Worten über den plötzlichen Todesfall, die für SchiffSbegräbniffe vorgeschriebenen Gebete vorzulesen. Als er geendet hatte, gab er ein Zeichen, auf das die Schiffrflagge vom Gitter herabgezogen und diese» gleichzeitig gekippt wurde. Hierdurch glitt die eingenähte Leiche über Bord, sank aber, wie ich von meinem Standpunkt aus erkannte, wunderbarer Weise nicht unter, sondern schwamm mit den sanften Wogen sich hebend und senkend wie eine Ente nach Hinte».
(Fortsetzung folgt.)