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schneidrr an, und gründete 1714 eine eigene Schule für die Anstalt. Die innere Orgauisatiün der Anstalt wmde durch mehrere Reskripte festgesetzt. Von Anfang an war mit dem Waisenhaus ein Zucht- und Arbeitshau» verbunden, da» jedoch 1737 nach Ludwigsburg verlegt wurde.
Stuttgart 7. Juli. Infolge der wiederholten starken Regenfälle der letzten Tage wird au» verschiedenen Teilen de« Lande» Hochwasser gemeldet. Der Neckar ist stark gestiegen und zwar bei Heilbronn um nahezu 1 w. Ein weiteres Steigen strht bevor, doch find Urberschwemmungen bis jetzt noch nicht gemeldet. In Heilbronn betrug beispeilsweise der Niederschlag von gestern auf heute 40*/- i auf den im. — Auch Enz und Nagold haben einen hohen Wafferstand. Da die durch da» Hochwasser vom 15. Juni angerichteten Schäden noch nicht völlig ausgebefsert werden konnten, ist zu befürchten, daß bei einem Auttreten der Flüsse weiterer erheblicher Schaden angerichtet wird.
Tübingen 6. Juli. (Schwurgericht.) Der Militärverein Walddorf, OA. Tübingen, feierte am Sonntag, 29. Mai, seine Fahnenweihe. Bi« zum Abend verlief alles geordnet und friedlich. Der Militär- und Turnverein Häslach hatte sich auch zur Feier eingefunden, und da kam es, als diese gegen 9 Uhr in der Lammwirtschaft in Walddorf größtenteils angetrunken beisammen waren, zu Wortwechseln, die damit endigten, daß der 23 Jahre alte ledige Fabrikarbeiter Wilhelm Welsch von Häslach zwei Personen, den verheirateten Maurermeister Jakob Wetzel von Walddorf und besten 19 Jahre alten Sohn Georg Wetze!, über den Haufen stach, so daß beide auf der Stelle tot blieben. Welsch hatte sich deshalb wegen -zweier Verbrechen de» Totschlags zu verantworten. Er leugnete anfänglich die Tat, als er sich aber von seinen Kameraden verraten sah, und als sein kranker Vater während der Untersuchungshaft vor Kummer gestorben war, legte er ein Geständnis ab. Der Angeklagte, ei» übel beleumundeter und gefürchteter Mensch, wegen Körperverletzung schon vorbestraft, sollte wegen seines unbotmäßigen Benehmens au» der Lammwirtschaft entfernt werden, weil man Gewalttätigkeiten von ihm befürchtete. Die beiden Getöteten, brave und nüchterne Männer, wollten ihn zur Tür hinauLschieben, aber noch im WirtschastSzimmer zog der Angeklagte da» Messer und stach rückwärts zu, wobei er die beiden so unglücklich traf, daß sie alsbald starben. Er flüchtete sich dann, reinigte sein Messer vom Blute und übergab e« nachher einem Kameraden zur Aufbewahrung Der Angeklagte hatte an jenem Tage 18 bi» 20 Glas Bier getrunken, er will aber hiedurch nicht berauscht gewesen sein.
Er bestritt die TötungSabficht und will nur zu- gefiochen haben, um sich von den beiden Wetze! freizumachen. Er mußte aber zugeben, daß er keinen Grund gehabt habe, zum Messer zu greifen und zu stechen. Zur Verhandlung waren 40 Zeugen und 2 Sachverständige geladen. Die Geschworenen sprachen den Angeklagten der Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode unter Versagung mildernder Umständen schuldig, worauf derselbe neben 5 Jahren Ehrverlust zu der Zuchthausstrafe von 7 Jahren verurteilt wurde.
Tübingen 7. Juli. Seit heute morgen 4 Uhr regnet es unaufhörlich. Ammer und Goldersbach sind bereits aus ihren Ufern getreten; auch ist mit einer Ueberschwemmung des Neckartales zu rechnen. Vorsichtige Leute holen deshalb ihr Heu im strömenden Regen, denn sie sagen: Was der Neckar bei der letzten Ueberschwemmung vergessen hat, holt er diese» Mal nach.
Kirchheim u. T. 7. Juli. Der vom Amte suspendierte Stadtschultheiß Kauderer von Owen sollte am 28. Juni wegen einer gegen ihn anhängigen Strafsache vor dem K. Amtsgericht erscheinen. Er hat sich zu diesem Termin nicht gestellt, ist vielmehr seit diesem Zeitpunkt ortiabwesend, so daß ein Steckbrief gegen ihn erlasten worden ist. Kauderer wurde mitte der vorigen Woche in Karlsruhe gesehen. Ein geprüfter VerwaltungSkandidat soll zum Amtkverweser bestellt worden sein. — Ein seltener Baumriese, eine uralte Eiche, ist gestern für die Firma F. Kaim u. Sohn, Hofpianofortefabrik, auf dem Bahnhof von Ulm eingetroffen. Mit dem Baum hat er eine eigentümliche Bewandtnis. Vor kurzer Zeit halten nämlich die Pioniere der 2. Kompagnie des dortigen Bataillons im See der Friedrichsau Arbeiten auszuführen, wobei sie in einer Tiefe von ca. 4 Metern auf einen riesige« Baumstamm sticßen, zu besten Bergung dreißig Mann drei Tage lang nötig waren. Der Stamm, besten Holz eine dunkelbraune Färbung zeigt, war vollständig vom Schlamm ein geschloffen, ist tadellos erhalten und dürfte schon Jahrhunderte an dieser Stelle eingebettet gewesen sein. Die Länge beträgt 10 Meter, oberhalb des Stumpen- abschnittt Haler eine»Durchmesser von 1,10Meter, im ganzen mißt er ca. 6 Festmeter und weilt das Gewicht von 7180 Kilogramm gleich 143,6 Zentner auf.
Kirchheim u. T. 7. Juli. Der in weiten Touristenkreisen bekannte Engelhof wurde gestern vormittag von einer größeren Horde Zigeuner, die sich vagabundierend auf der Alb Herumtrieb, heimgesucht. Die Belästigung der Bewohner durch die braunen Gesellen ging so weit, daß telephonisch einige Landjäger herbeigerufen werden
mußten, bei deren Erscheine» die sganze Bande die Flucht ergriff, nachdem einige in Haft genommen waren. Gegen Abend kehrte jedoch eine größere Anzahl Zigeuner wieder zum Engelhof zurück, wa» den Besitzer veranlaßte, vom nahen Unterlenningen Hilfe zu erbitten. Ein Teil der Ortsfeuerwehr begab sich alsbald auf den Engelhof und blieb auch während der Nacht dort stationiert, trotzdem sich das lästige Gesindel wieder entfernt hatte. Heute früh wurde von einem größeren Landjägeraufgebot eine Streife veranstaltet.
Plochingen 7. Juli. Durch den anhaltenden Regen ist der Neckar langsam, aber in anhaltendem Steigen begriffen und führt schmutzig gelbe Waffermasten mit sich. Weiteres Steige» steht bevor, doch dürfte ein allgemeiner Austritt vorerst noch nicht zu befürchten sein.
Heilbronn 7. Juli. In einem Hau» der Schillerstraße erschien ein unbekannter Mann und verlangte von der Hausbesitzerin ein Darlehen von 300 unter dem Vorgeben, er habe in Amerika eine Erbschaft gemacht, diese müsse er antreten. Als der Unbekannte von der Dame abgewiesen wurde, entfernte er sich und sagte, er spreche in einigen Tagen wieder vor. Eines Abends nach 9 Uhr kam der Man» wieder und die Hausbesitzerin öffnete ihm auf sein Anläuten die Korridortüre. Während nu» die Dame ins Zimmer ging, um ein Licht z« holen, eilte er ihr nach und verlangte unter Drohung und Vorhalten eine» Revolvers die 300 worauf ihm die geängstigte Dame 254 aushändigte. Damit begnügte sich der Unbekannte und entfernte sich. Die Erpressung wurde bei der Polizei angezeigt, die nach dem Täter fahndet.
Mergentheim 7. Juli. Die Kirche in dem benachbarten Stuppach birgt ein wertvolle» Altarbild, eine lebensgroße Madonna von Mathias Grünewald. In der letzten Zeit war Neigung vorhanden, das Bild zu verkaufen und es wurden bereits von einem Frankfurter Interessenten 50 000 ^ dafür geboten. Eine Versammlung der Bürgerschaft hat sich aber mit überwiegender Mehrheit gegen den Verkauf ausgesprochen, sodaß das Bild der Kirche erhalte« bleiben wird.
Archshofen OA. Mergentheim 7. Juli. Eine Partie Zigeuner hatte Streitigkeiten in der Nähe von Schön mit ihresgleichen. Ei« Mann wurde durch einen Schrotschuß in Hal» und Schulter verwundet, eine Frau war von einer anderen Zigeunerin durch Messerstiche in Kopf und Gesicht so zugerichtet, daß sie hier blutüberströmt zusammenbrach. Beide wurden mit Fuhrwerk in» Krankenhau» nach Creglinge«
Sechstes Kapitel.
Ei« sonderbarer Kraukheitssall.
Trotz Herrn Cocker» Spott über Kapitän Keeling» allzugroße Vorsicht hatte dieser doch gewußt, wa» er tat, als er zu rechter Zeit seine fliegenden Drachen einholte. Schon um Mitternacht frischte der Wind auf und legte die Gräfin Jda stark auf die Seite. Da» Wetter war vollständig umgeschlogen; tobender Gischt und Regenböen ließen vier Tage hindurch da« Deck nie trocken werden. Da» einzig Gute hierbei war noch die milde Lust der südlicheren Breite und die Regelmäßigkeit der hohen, langen, sich einander parallel folgenden Wogen, die weit bester zu ertragen waren, wie die über- und durcheinander kollernden kurzen Seen de» engen Kanal«.
Auf Deck war nicht» zu sehen, als das im dünnen Nebelschleier vorüberrollende grüne Master, die regendunkle Leinwand der Segel, und die in Oelanzügen stumm ihre Arbeit verrichtende Mannschaft. E» war nichts zu hören, als der im Tackelwerk pfeifende Wind und da» Knarren der Spieren.
Unter den Paffagieren sah man meist nur gelangweilte Gesichter. Die Herren vertrieben sich größtenteils die Zeit mit Rauchen und Kartenspielen; die Damen lasen, schwatzten, mochten Handarbeiten oder musizierten.
Alle suchten sich einander zu nähern und bekannter zu werden, nur Iräulein Temple schien diesen Drang nicht zu haben. Sie saß fast immer nur mit ihrer Tante zusammen, oder für sich allein und dünkte sich offenbar zu vornehm, sich der Allgemeinheit anzuschließen. Trotzdem war unverkennbar, .daß die andern Mädchen sie bewunderten und sich geschmeichelt fühlten, wenn, die Unnahbare sich herabließ, einmal für kurze Zeit an ihrer slnterhälüing teilzunehmen.
, Endlich,, qm Morgen de» fünften Tage», klärte sich da» Wetter Medex auf. Scho» beim Frühstück blickte die Sonne heiter durch die Oberlichter und brachte wieder Leben und Bewegung in die Gesellschaft. Jeder beeilte sich, auf Deck zu kommen und sich dort zu tummeln. Ich
war diesmal, da mich ein Buch fesselte, einer der letzten. Mich zog erst der Knall von Feuerwaffen herauf. Ich glaubte, es würde nach Waffer- vögeln geschossen, fand aber, daß Colledge und Fräulein Temple mit Pistolen nach einer an einer Raa aufgehängten Flasche schossen. Die ganze Schiffrgesellschaft sah dabei zu; abgesehen von der Spannung, die da» Schießen an sich hervorrief, war es aber auch wircklich ein hübsches Bild, die beiden schönen Gestalten in Ausübung ihres Sport» zu sehen. Selbst der kleine, gelehrte Herr Saunders, neben den ich getreten war, war von dem Anblick ganz entzückt. Seine Augen leuchteten förmlich vor Vergnüge« in Betrachtung der Haltung de» jungen Mädchens, wenn es schoß, und er raunte mir zu: Wahrhaftig, eine prächtige, vornehme Erscheinung.
Ja, ja, entgegnete ich, alle» Majestät an ihr, nur schade, daß nicht ein wenig mehr Weiblichkeit au» ihr spricht. Da» würde sie noch bei weitem anziehender machen. Ich kann mir nicht recht denken, daß hinter diesem eisigen Stolz viel Herz verborgen ist, obwohl man auch sagt-.
Dicht hinter mir hustete jemand. Ich drehte mich um und begegnete dem voll auf mich gerichteten Blick von Frau Radcliffe. Wenn die schon dagesesten hatte, als ich kam, mußte sie alle» gehört haben. Ich hätte mich ohrfeigen können über meine Unvorsichtigkeit und wandte'mich schnell wieder zurück, denn ich wurde rot bis hinter die Ohren. Gleich darauf schlenderte ich harmlos nach der Spitze des Schiffe».
Während ich hier einem Matrosen zusah, der auf dem Klüverbaum reitend etwas an einem Stag in Ordnung brachte und beim Heben und Senken des Schiffes wie auf einer Brettschaukel auf und nieder wippte, trat ein alter bärtiger Bootsmann an mich heran, indem er nach Brauch der Seeleute an einer Stirnlocke zupfend den Kopf neigte und sagte:
Mal wieder am Unrechten Ende de» Schiffes, Herr?
Ach, lachte ich, mir ist jetzt jede» Ende gleich; muß ja nicht mehr nach Ihrer Pfeife tanze«.
(Fortsetzung folgt.)