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15jährige Sohn des Schneiders wollte seiner Schwester zu Hilfe kommen, deren Haar Feuer gefangen hatte. Er glitt dabei au», fiel ins brennende Oel und verbrannte sich so stark, daß er bald darauf starb. Vater und Tochter trugen bedeutende Brandwunden davon.

Ravensburg 23. Juni. Die Uhr zeigt 3 Uhr 30 Min. in der Frühe. Da hört man auf einmal rufen:Zeppelin kommt! Zeppelin kommt!" Die Propeller sausen, aber nicht mehr so stark wie früher. Da taucht1^2 7" aus dem Nebelmeer auf und passiert in rascher Fahrt zwischen Sennerbad und Bahnhof, der Bahnlinie FriedrichshafenUlm folgend, unsere Stadt. E» fällt die elegante Form, besonders die Spitze auf. Im ersten Morgengrauen waren die anderen Neuerungen noch nicht deutlich wahr­nehmbar. In der vorderen Gondel bewegten sich zwei Lampen. Die Luftbezwinger scheinen demnach die Hurrarufe gehört zu haben.

Friedrichshafen 22. Juni. Ein Ar­beiter der Luftschiffbau-Zeppelin-Ge­sellschaft ist dieser Tage dadurch verunglückt, daß ihm bei Arbeiten am Luftschiff ein etwa 12 Zentner schwerer Ballastsack auf den Körper fiel. Der Mann wurde mit schweren Verletzungen ins Krankensaus übergeführt.

Die Fahrt und glückliche Landung des Zeppeliu- sche« Lllftkrevjers Deutschland in Dvffeldars.

Friedrichshafen 22. Juni. Kaum war e» Mittag, da war die Siegesnachricht, das Luftschiff sei in Düffeldorf eingetroffen, schon hier. Al» wir diese Nacht in der Halle unter dem Riesenkörper standen, den letzten Vor­bereitungen zuschauten und in letzter Minute noch drei Personen das Schiff verlassen sahen, weil es nicht Auftrieb genug hatte, da glaubten wir nicht so leicht an das Gelingen des Unter­nehmens. Umso kräftiger setzte sich das Schiff durch. Um 3 Uhr verließ es seinen Hafen. Schon mittags war es in Düffeldorf und hatte einen Weg von etwa 600 km durchflogen. Da» bedeutet eine stündliche Schnelligkeit von etwa 66 km. Ein unerhörtes Ereignis in der Geschichte der lenkbaren Luftschiffe! Längere Fahrten von Motorschiffen hatten kaum jeweils eine stündliche Durchschnittsschnelligkeit von mehr als 40 km ergeben. Der Rekord bedeutet mehr als Zufälligkeit und Gelegenheit, sich zu begeistern. Wir müssen uns Vorhalten, daß er vom neuesten der Zeppelinschiffe errungen wurde, in dem alle die langjährigen schwer erprobten Erfahrungen der Friedrichshafener Luftschiffer verarbeitet sind. Es bleibt natürlich den nächsten Fahrten de» Schiffes Vorbehalten, zu beweisen, wie viel eigene

Tüchtigkeit und wie viel die Gunst de« Weiters, da« sich sonst Zeppelin gegenüber stets so feind­selig verhielt, an dem so bedeutsamen Ereignis teil hat. Aber diese sichere Fahrt hat dem ersten Paffagierluftschiff eine mehr als aussichtsreiche Laufbahn eröffnet. Die Bewohner Friedrichs­hafens, die mit den Enttäuschungen und Erfolgen des Grafen Zeppelin innig verwachsen sind, be­lagerten den ganzen Morgen die Anschlagtafeln, auf denen von Weile zu Weile bekannt gemacht wurde, wenn das Luftschiff einen größeren Ort überflogen hatte, und machten kein Hehl aus ihrer Begeisterung, als schon kurz nach 12 Uhr bekannt war, daß las Luftschiff sein Ziel er­reicht hat. (Schw. M.)

Düsseldorf 22. Juni. Die Ankunft des Zeppelin'schen Luftkreuzer» wurde bejubelt von einer vieltausendköpfigen Menschenmenge, die alle Plätze und Straßen sowie die Dächer der Häuser besetzt hielten und den Insassen des Luftkreuzers so lange zujauchzten, bis die Landung bewirkt war. Nach Aeußerungen der Fahrtteilnehmer nahm die Fahrt bei ruhigem Nordwestwind einen schönen Verlauf. Die Fahrgeschwindigkeit war derart, daß das Luftschiff die Strecke Mannheim-Düsseldorf in 4 Stunden zurücklegte, während ein Schnellzug 6 Stunden braucht. Die Maschinerie des neuen LuftkreuzerS hat sich durchaus bewährt. Alle Teilnehmer sowie die leitenden Personen waren von dem Verlauf der Fahrt vollauf befriedigt.

Düsseldorf 22. Juni. 1^ 7 ist puvkt 12 Uhr in Düffeldof auf der Goldtheimer Heide unter dem Geläute sämtlicher Glccken vor der von der Statt Düsseldorf erbauten Lusschiffhalle glatt gelandet. Trotzdem das Luftschiff erst gegen Abend erwartet wurde, füllte eine ungeheuere Menschenmoffe die Straßen Düffeldorfs. Be­sonder» stark ist infolge der gegenwärtig hier tagenden Kongresses der Eisenhütteleute und des heutigen RheinftsteS der Fremdenverkehr. Vor dem Parlhotel, in welchem Graf Zeppelin ab­gestiegen, wurde er von einer gewaltigen Menschen­menge erwartet und begeistert begrüßt, auch jetzt noch warten Tausende vor dem Hotel auf eine Ausfahrt des Grafen. Allgemein fiel da» trotz der großen Fahrt vorzüglich frische Aussehen des greisen Grafen auf.

Friedberg (Hessen) 22. Juni. (Ein Verbrecher stück.) Heute nachmittag 4 Uhr er­folgte im hiesigen Rathause eine gewaltige Ex­plosion, durch die das Rathaus bis auf die UurfassuugSmaueru zertrümmert wurde. Zu derselben Zeit drang ein Verbrecher in die in derselben Straße gelegene Reichsbank­nebenstelle ein. Da infolge der Explosion

alle Bewohner auf die Straße und nach dem Rathaus geeilt waren, war nur der Vorsteher der Reichsbanknebenstelle, Maier, in seinem Bureau anwesend. Der Verbrecher feuerte auf Maier einen Revolverschuß ab, wodurch er am Kopf schwer verletzt wurde. Als infolge­dessen Leute herbeieilten, floh der Verbrecher in der Richtung nach Bad Nauheim und entzog sich seiner Verhaftung, indem er sich kurz vor Bad Nauheim durch einen Schuß tötete. Maier wurde in» Krankenhau« gebracht. Die Unter­suchung ist im Gange, ob dem Verbrecher Geld in die Hände fiel.

Berlin 22. Juni. (Eine Studien­reise deutscher Studenten nach Eng­land.) Die geplante Studienreise deutscher Studenten nach England ist nun gesichert. Am 10. Oktober werden die Teilnehmer, die sich über die verschiedensten deutschen Univer­sitäten verteilen, in London eintreffen. Dort ist ein etwa lOtägiger Aufenthalt für zwang­lose Empfänge und zur Besichtigung der Metropole und ihrer Umgebung vorgesehen. Während dieser Zeit sollen eine Reihe Vorträge zur Einführung in englisches Leben und die englische Kultur stattfinden, die Universitätl Professor Dr. Ernst Sieper - München übernommen hat. Die Em­pfänge und Vorträge finden unter dem Vorsitz des Lord Courtner, of Penwith statt. Zum Be­such der beiden alten Universitätsstädte Oxford und Cambridge sind gleichfalls etwa 10 Tage bestimmt. Hier sollen einige Vorträge englischer Gelehrter stat.finden. Für den übrigen Teil der Reise, die auf etwa 2 Monate berechnet ist, sollen kleinere Gruppen gebildet werden, die je nach ihren besonderen Interessen sich nach de« verschiedensten Teilen de» Lande» begeben werden. Um die Einrichtung und den Erfolg der Studien­fahrt bemüht sich rin angesehenes Komitee, an dessen Spitze der frühere Botschafter Sir Frank C. Lascelle« steht. Auch in Deutschland hat sich eine große Reihe angesehener Universitätslehrer zur Unterstützung des Unternehmen« bereit erklärt. Anfragen sind zu richten an canä. xkil. Walter A. Berendsohn, Kiel, Hospitalstraße 3.

Hamburg 22. Juni. Der Kaiser traf kurz nach '/-4 Uhr mit Gefolge im Automobil an der St. Pauli-LandungSbrücke ein. Da» Publikum bereitete ihm auch auf dieser Fahrt die herzlichsten Ovationen. Der Kaiser begab sich sodann an Bord derHohenzollern", wo die Besatzung in Parade stand. Um 4 Uhr mochte dieHohenzollern" los und ging unter Hurrarufen elbabwärts. Der Kaiser winkte, auf dem Deck stehend, wiederholt aufs freundlichste dankend. DieHohenzollern" fährt heute abend in die Brunsbütteler Schleuse und wird nach

Der Bilwitzschneider.

Erzählung von Jos. Baierlein.

(Fortsetzung.)

Ohne e» zu wagen, «och einen Blick auf Babette zu werfen, kehrte Steinerftitz, von den Schlägen betäubt, sich um und lief, als ob er Feuer unter den Sohlen hätte, zurück nach dem Rodershof, vertauschte dort eiligst wieder das Zivilgewand gegen seine Militäruniform und verließ das Hau» unter schrecklichen Verwünschungen auf die Familie, deren Gast­freundschaft er so übel gelohnt hatte. Weder sein heutiges Kommen noch Gehen, war von einem der Dienstboten wahrgenommen worden. Der Bauer hatte dem Davonrennenden mit fest zusammengepreßten Lippen nachgeschaut. Al» er an einer Biegung des Fußpfad» in der Ferne ver­schwunden ibar, steckte er das weggeschleuderte Messer zu sich, da» er am Feldrain liegen sah, und schälte sich dann aus der löcherigen Pelzdecke lo».

Jetzund versteh ich erst, warum der dumme Bub' so g'schrien und mich für den Bilme» ang'schaut hat", sagte er mit einem Anflug von besserer Laune.Ich bin vorhin so spinnengiftig g'wesen, daß ich gar nicht g'merkt Hab, was ich für einen g'spaffigen Mantel am Leib trag'. Nun, e» ist besser so," fuhr er fort, indem er die Pelzdecke in die Schäfer­hütte zurücklegte und deren Tür verschloß. Hätt' der Bub' mich erkennt und den lumpigen Steinerftitz, alsdann hätt'S unter den Ehehalten ein Studieren 'geben und ein Sinnieren, warum ich dem den Grind verklopft Hab', und leicht hätten sie das Richtige 'rauSg'funden und dich mit ins G'red 'bracht. So ist'» bester. Komm Babett!"

Zum erstenmal, seit er mit ihr verheiratet war, faßte der Roders­hofer seine Frau bei der Hand und führte sie langsam dem Hause zu. Er hatte einen Blick getan in ihr reines Herz, und wußte, wenn er seinen Empfindungen auch keinen beredten Ausdruck zu geben verstand, doch, daß er an diesem jungen schönen Weibe den höchsten Schatz seines

Lebens gewonnen hatte. Vielleicht dämmerte ihm auch die Ahnung auf, daß er manche» bei ihr gut zu machen habe.

So gingen sie denn Hand in Hand hin miteinander durch die stille Landschaft, über welche sich schon die Schatten der Nacht zu breiten be­gannen. Beiden war das Herz zu voll, als daß sie von gleichgiltigen Dingen miteinander hätten plaudern können. Deshalb schwiegen sie; aber Babette schaute glücklich lächelnd empor zu ihrem Manne, und in ihren Augen schimmerten Tränen, Tränen der Freude. Welch' herrliche Lösung hatte dcch ihr rätselhafter Traum durch Gottes Fügung gefunden! Alle» war, wie es ihr prophezeit worden, auch eingetroffen. Die schwarze Wolke, die den Rodershof noch heute mit ihren Blitzen bedrohte, hatte sich verzogen; unter dem Läuten des Aveglöcklein» war der Alp von ihrer Brust genommen worden, und nun ging sie an ihres Mannes Hand im Frieden heim nach dem RoderShof. Der Herrgott hatte wahrhaftig wieder einmal seine Macht gezeigt, indem er alles so glücklich fügte. Ihm sei die Ehre!

Da der Unteroffizier sich den gestrigen und ganzen heutigen Tag weder auf dem Hof noch dem Felde hatte blicken lassen, glaubten alle Ehehalten, er habe sich auch während des Vorfalls beim Holzbirnbaum noch im Dorfe befunden, und der Bilwitzschneider hätte sein Mütchen wirklich, wie der Hütjunge bei Stein und Bein versicherte, am Sohn des Hauses gekühlt. Der Irrtum des Knaben war leicht erklärlich, indem ja Franz Roder und der Steinerftitz, wenn sie Bauernkleidung trugen, in gewisser Entfernung, namentlich aber in der Dämmerung, einander zum Verwechseln ähnlich sahen. Warum hätte da» Gespenst sich auch an einem Fremden, der nicht zum Hof gehörte, vergreifen sollen? Der Steinerftitz hatte keine Felder und hatte somit auch nicht die Rache des BilwitzschneiderS herauSfordern können, der dieses Jahr die RoderS- hofer'schen Aecker nicht zu dritteln vermocht hatte.

(Schluß folgt.)