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Eßlingen 20. Juni. Zur Warnung möge folgender bedauerliche Vorfall dienen: Am SamStag abend sprang der 12 Jahre alte Sohn des Schreiner» Gottlob Dietrich in der Uhland- straße hier mit andern Knaben dem über die Stadt fliegenden Ballon nach. Stark erhitzt trank der Knabe rasch Wasser, worauf sich Unwohlsein einstellte und gestern vormittag 11 Uhr ist er an den Folgen der Unvorsichtigkeit gestorben. ES muß eindringlich davor gewarnt werden, in erhitztem Zustand rasch kalte Getränke zu sich zu nehmen.
86. Eßlingen 21. Juni. Ein Vorkommnis eigener Art wird, wie schon kurz gemeldet, zurzeit hier viel b e l a ch t. Am 12. Juni tagten in unserer rebenumkränzten Stadt die Friseurmeister Württembergs. In einer dieser wichtigen Begebenheit vorausgehenden Gemeinderatsfitzung stellte unser Oberbürgermeister den Antrag, die Stadt solle im Interesse des Fremdenverkehrs ihre Gastfreundschaft betätigen und die Vertreter der Friseurzunft auf der Burg mit einem Imbiß regalieren. Auf die Frage eine« Kollegialmitglieds, wie teuer die Geschichte komme, wurde ihm zur Antwort: „Ach, da» ist eine Kleinigkeit, die Sache kostet 100 ^ im Höchstfälle 150 weshalb ein Einspruch unterblieb. Nun gibt es in Eßlingen etwa 20 selbstständige Friseure, von Stuttgart war auch eine Anzahl erschienen, ebenso aus den übrigen Städten de» Landes, im ganzen waren bei der geschäftlichen Tagung knapp 100 Vertreter im Kugel'schen Festsaal anwesend. Unser Oberbürgermeister spendete den Delegierten in einer humorvoll angelegten Begrüßungsansprache den Willkommgruß der Stadt, wobei er u. a. davon redete, wie schwer es einem Stadtvorstand mitunter werde, allen recht zu tun, wie manchmal die beste Absicht falsch verstanden werde und er daher, um zum Ziel zu gelangen, seine Zuflucht zum „Einseifen" zu nehmen genötigt sei, natürlich nur bildlich gesprochen. Diese Kunst de» Einseifens wolle aber erlernt sein. Wenn er es auch zu einer gewissen Virtuosität in diesem Fache gebracht habe, etwas „Vollkommenes" stellte es immerhin noch nicht dar, er gebe unumwunden zu, daß er von den anwesenden Vertretern noch recht viel lernen könne. Ihre Zustimmung zu diesen Ausführungen gaben, so schreibt die „Schw. Tagw." die Delegierten durch tosende« Beifall kund, wobei sie sich gedacht haben mögen: „Du wirst e» bald merken, daß wir in punkto Einseifen selbst einem Ober-Ober noch bedeutend über sind!" ES dauerte denn auch nicht lange, bis der Vertreter der Stadt gewahr wurde, daß er sich über den Löffel barbieren ließ und daß er in diesem Fach doch noch ein Stümper ist. Al» nämlich der Stadtpfleger der Kommission für
innere Verwaltung die Rechnung über den gereichten Imbiß präsentierte, erstaunten die Mitglieder nicht wenig, daß sich die Kosten „zur Hebung de» Fremdenverkehrs" anstatt auf die veranschlagten 150 ^ auf 594 ^ beliefen. Selbstverständlich lehnte die Kommission die Begleichung dieser Rechnung ab mit der Motivierung, daß 594 ^ keine 150 seien und deshalb die Sache im Plenum behandelt werden müsse.
Backnang 21. Juni. Der württemb. Gerberverein hielt seine 15. Jahresversammlung hier ab. Komm.-Rat Roser- Stuttgart-Feuerbach eröffnete die Verhandlungen mit einer herzlichen Begrüßung der Gäste, dann übermittelte Reg.-Rat Schüle seitens der Kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel Glückwünsche zu erfolgreicher Tagung und im Namen des hies. Lederproduzentenvereins brachte Lederfabrikant Fr. Häuser den Erschienenen freundliche Begrüßungsworte entgegen. Einen Willkommgruß bot auch im Auftrag der Stadtgemeinde Stadtschultheiß Eckstein. Den Bericht über die Tätigkeit des Vereins seit der letzten Versammlung im Jahre 1907 erstattete der Geschäftsführer, Handelskammersekretär Schäffer -Reutlingen. Den Kassenbericht erstattete I. H. R o s e r - Eßlingen. Daran schloffen sich zwei Vorträge: Rolshofen-Stuttgart sprach über den neuen Entwurf einer Reichsversicherungsordnung und die Berufsgenossenschaften. Dr. Bosch-Feuerbach über Gerbstoffe undGerbstoff- extrakte aus unseren Kolonien. Bräuchle- Metzingen sprach über die Entwicklung der dortigen Lehrwerkstätte für das Gerbereigewerbe. An der Versammlung nahmen etwa 200 Personen teil.
Welzheim 20. Juni. Die Kandidatenfrage für die Landtagsersatzwahl klärt sich nunmehr. In den Vertrauensmännerversammlungen der Fortschrittlichen Volkspartei und der Deutschen Partei ist von seiten der elfteren dem Anwalt Seitz von Burgholz, seitens der letzteren dem Parteisekretär Keinath-Stuttgart die Kandidatur angelragen worden. Für die Sozialdemokraten kandidiert Gemeinderat Kinkel- Göppingen, der Bund der Landwirte hat den Oekonomen Karl Mohring von Hetzenhof aufgestellt. Die Stimmung im Bezirk ist für Aufstellung eines Krompromißkandidaten seitens der beiden liberalen Parteien. Verhandlungen nach dieser Richtung sind im Gange.
Geislingen a. St. 21. Juni. Da» seltene Fest der diamantenen Hochzeit feierte gestern Privatier Heinrich Hermann Heß und seine Ehefrau Margarete geb. Oechsle. Der Jubilar steht im 90., die Jubelbraut im 81. Lebensjahr. Eine Deputation der bürgerlichen Kollegien, sowie eine Deputation der Sebastians
pflege überbrachten Glückwünsche. Von dem evangelischen Pfarrer Klein wurde eine Ehrengabe des Königs in Gestalt einer Plakette mit dem Reliefbild des Königs überreicht. Der Ehe sind 11 Kinder entsprossen und 26 Enkel bilde« die weitere Nachkommenschaft.
Rottweil 21. Juni. Gestern vormittag 10 Uhr trafen als Abordnung der zur Zeit in Deutschland weilenden chinesischen Militär- studienkommission in Begleitung eine» deutschen Offiziers zwei chinesische Offiziere hier ein. Sie waren in Automobilen vom Waldhotel Villingen, wo sie für einige Tage Quartier genommen, hierhergekommen, durchfuhren die Stadt und begaben sich nach dem Neckartal zur Besichtigung der Pulverfabrik. Nach der Besichtigung der Fabrik führte die Sprengstoff-Aktiengesellschaft eine Sprengung mit elektrischer Fernzündung vor. Auf dem Fabrikterrain war zu diesem Zweck ein Gebäude errichtet worden. Die Besucher wurden sodann in der festlich geschmückten und beflaggten Villa Duttenhofer bewirtet und fuhren um 3 Uhr nach Oberndorf zur Besichtigung der Waffenfabrik Mauser.
Ravensburg 21. Juni. Auf der 18. Tagung des Landesfischerei-VereinS begrüßte der Vorsitzende, Oberstudienrat Dr. Lampert die Anwesenden, unter denen sich die Vertreter des K. Ministeriums, der K. Zentralstelle für die Landwirtschaft, der Oberämter Tettnang und Ravensburg, der Stadt Ravensburg, der Wasserkraftbesitzer Württembergs, Vertreter der Schweiz, von Bayern und Baden, wie auch das Ehrenmitglied Staatsrat v. Ow befanden. Oberbürgermeister Reichte entbot den Willkommengruß der Stadt und des Verkehrsvereins. Fabrikant Vogler begrüßte die Versammlung namens des BezirkSverein«. Den Jahresbericht erstattete Hofrat Hinderer. Der Mitgliederstand bezifferte sich am 31. Dezember v. I. außer dem Ehrenpräsidenten und 5 Ehrenmitgliedern auf 383 persönliche und 75 korporative Mitglieder, worunter 53 Fischereivereine mit 2764 Mitgliedern. Es wurde hervorgehoben, daß Württemberg für die Fischzucht sehr wenig leiste, namentlich Bayern und Baden gegenüber. Wegen Verfehlungen gegen die Fischereigesetze wurden 404 Personen angezeigt, wovon 357 bestraft wurden. Daran schloß sich ein Vortrag des Oberverwaltungsgerichtsrats Dr. Haller über „das bayerische Fischereigesetz im Vergleich mit dem Entwurf des Württ. Landesfischereivereins zu einem neuen Fischereigesetz". Auch bezüglich der Stellungnahme des Landesfischereivereins zu dem Entwurf de« neuen Reichsstrafgesetzes hatte er das Referat übernommen und sein Vorschlag, eine diesbezügliche Eingabe an das K. Ministerium einzureichen, fand allgemeine Zustimmung.
dem lieben Menschen, den ich so aufrichtig gern Hab', da» Herz nicht Hab' schwer machen wollen. Er bild't sich ja ein, er müßt' den Steinerfritz behandeln wie eine seidene Puppe, weil er seinem Sohn sein Unteroffizier in München drinn ist."
„D'rum Hab' ich meinem Mann zulieb überwunden," fuhr Babette fort, „Hab' meinen Aerger verschluckt und den Steinerfritz um mich duldet, so lang er nur mir alleinig Verdruß g'macht hat. Aber jetzund wo er mich behandelt wie eine herg'laufene Dirn', oder wie eine von denselbigen sauberen Harfevmadeln, mit denen er meines Vaters Geld verschwend't hat, — jetzund, wo er mich zu einem schlechten Weib machen möcht', damit ich auch so ehrlos werden tät, wie er selber-"
„Schweig'!" knirschte der andere mit verzerrtem Gesicht.
„Nein, — ich schweig' nicht! Der Steinerfritz hat mich heimlich herb'stellt, ich bin kommen, und drum muß er auch alles hören, war ich ihm zu sagen Hab'! — Alsdann, weil der Herr Steiner mich schlecht machen möcht', und wenn ich ihm nicht entgegenkomm', mir und meinem Man» und dem ganzen Roderthof Schaden antun will, dessentwegen ist meine Geduld zu End' gangen und ich sag' es frank und frei 'raus: wenn wir zwei heut nicht einen Handel abschließen, der für ewige Zeiten gilt, so zeig' ich meinem Mann den Schandbrief, den der Herr Steiner an mich g'schrieben hat, und erzähl' ihm alle», was zwischen uns vor'gangen ist, vom A bis Z. Mein Lorenz wird dann schon den rechten Stiel finden für die Hacken, die der Steinerfritz gern gegen de» Rodershof schmeißen möcht'."
„Was soll das sein? Von welchem Handel reden Sie?"
„Es ist mir gestern etwa» in den Sinn 'kommen, wie ich in der Kirchen 'betet Hab', und ich kann denselbigen Gedanken nur für eine Eingebung von der schmerzhaften Muttergotte» betrachten. Ich denk' mir nämlich, der Steinerfritz tracht nur deswegen, mich schlecht z' machen damit ich das Maul halt' und niemanden nicht» davon verat' von seinem schlechten Stück'l. Sobald er mich zu Fall 'bracht hät', meint er, tät er mich in
Händen und am Bändel haben. Ungrad spekuliert wär' das nicht; dennoch es hilft ihm nicht«. Ich hab'S ihm schon gesagt, daß ich nur meinen Mann gern Hab' und vom Herrn Steiner nichts wissen will. Aber damit ich meine Ruh wieder erhalt' und unser ganzer Hof seinen Frieden, will ich mit ihm abhandeln.
Wenn der Herr Steiner mir schwört, daß er von derer Stund an jeden Gedanken an eine Liebschaft mit mir und alle Nachstellungen aufgibt, und daß er unser« Franz nicht dessentwegen bei der Militär kujonniert, — alsdann schwör' auch ich gleich jetzt, — gleich da auf der Stell', daß ich niemanden wa» verrat' von dem was der Steinerfritz mir und meinem Vater an'tan hat. Stumm will ich sein wie ein Fisch, verschwiegen wie da» Grab-"
„Und damit soll ich mich abspeisen lassen?" fragte er mit plötzlich ausbrechender Leidenschaft „Schrieb ich dir nicht, daß ich dich besitzen will, — besitzen um jeden Preis"
„Zurück! Keinen Schritt mehr näher!"
„Babette!" — Er keuchte den Namen viel mehr als daß er ihn ausfprach.
„Zurück, oder ich schrei' um Hilf'!"
In diesem Augenblick ging in der Schäferhütte ein Gepolter loS; die Tür sprang auf und dem enge» Behältnis entwand ssch unter hastige» Bewegungen eine abenteuerliche Gestalt. Barhäuptig, mit rollenden Augen, von einer Decke eingehüllt, deren Pelzzotten ihm über Rücken und Schulter» fielen und auf dem Boden nachschleiften, ging der Rodershofer auf de« Unteroffizier loS. Er hielt sein scharfes, im Griffe feststehendes Messer in der Hand, das im letzten, verlöschenden Strahl des Abendscheins blinkte, als wäre e« in Blut getaucht. Fritz Steiner war aschfahl geworden und wandte sich gleichsam instinktiv zur Flucht. Doch die eine Hand de» Bauern legte sich schwer auf seine Schulter, er mußte am Platze bleiben.
„Herr Roder!" begann er sich sträubend.
„Schweig', niederträchtiger, schäbiger Hund!" knirschte der Bauer.